Projektwerkstatt

WAS GING AB BEIM ATOMFORUM IN STUTTGART?

Proteste zur Eröffnung des Atomforums


1. Planung, Aktionsideen, Info-Übersicht
2. Bericht von den Aktionen
3. Proteste zur Eröffnung des Atomforums
4. Reclaim the streets
5. Versuch einer ersten Einschätzung
6. Auswertung der Aktionstagen vom 14. bis 16. Mai 02
7. Weiterer Auswertungstext: 1. Inhaltliche Vermittlung, Medien und Öffentlichkeit
8. Widerstand, Direkte Aktionen
9. Situation im UWZ, Direct-Action-Vorbereitung
10. Strafprozess gegen Aktivist*innen auf dem Hochhausdach

Proteste zur Eröffnung des Atomforums
Proteste zur Eröffnung des Atomforums
Versuch einer Auswertung


Die Eröffnung des Atomforums in Stuttgart war für Dienstag angesetzt. Ab acht Uhr fanden sich vor der Liederhalle auch die GegnerInnen von Atomkraft, Verwertung und Herrschaft ein. Dabei nur wenige Leute (am Ende zwischen 30 - 40 Aktivistas), phasenweise viel Abhängerigkeit, kaum Stimmung ... nicht sehr überzeugend. Es gab mehrere Transpis. Im Eingangsbereich verteilten einige Menschen herrschaftsfeindliche Flugis und Minicastoren als "Andenken". Mit bunter Kreide wurde der Platz mit Atomsymbolen, einem Spielfeld und Sprüchen überzogen ("Mit Pink Power gegen gelben Strom", "Atomkraft abschalten" "Herrschaft stilllegen", "Ausstieg sofort").

Die Polizei fuhr ab Anfang an ein intelligentes Konzept der repressiven Toleranz: einige sichtbare Securities und Beamte ohne Knüppel, viele Wannen im Hintergrund ... alles sehr relaxed wirkend. Wir konnten uns frei über den Vorplatz bewegen, durften alles machen - war aber völlig egal, weil es keine Aufmerksamkeit für uns gab (kaum StuttgarterInnen da) und ich uns definitiv nur als Folklore, als Aushängeschild demokratischer Offenheit empfunden habe.
Eine Aktionsgruppe schaffte es, auf das Dach des Max Kade Haus zu gelangen, ein großes Transparent ("Kein Konsens ... Sofortaustieg!") an der Hauswand zu entrollen, Parolen zu rufen & dort trotz polizeilicher Räumungsversuche vier Stunden zu verweilen. Leider führte das nicht zu Rückkoppelungen mit den Menschen am Boden ... Parolen ("Nie wieder Kernkraft, nie wieder Herrschaft!") wurden nur von drei, vier Leuten erwidert. Insgesamt gab es so gar keine Dynamik. Im Eingangsbereich gab es dann den Versuch einer Sitzblockade, die von der Polizei aber direkt aufgelöst werden konnte, da zu wenige sich beteiligten.

Kurz vor dem Eintrudeln der 1500 AtomradlerInnen trafen weitere Menschen mit gelben Fässern ein und trommelten lautstark. Die Fässer wurden von der Polizei unter Anwendung körperlicher Gewalt konfisziert. Dabei kam es zu kleineren Tätlichkeiten, Anrempeleien und Tumulten. Zuerst war unsere Reaktion schwach: Statt den üblichen, aggressiven Pöbeleien hätten wir z.B. Ketten um die Fässer bilden können.
Ab diesem Zeitpunkt verbesserte sich meine Stimmung & der Protest ein wenig, ausgelöst durch die Eskalation der Polizei, welche uns offensichtlich klar von der Energieradtour fern halten wollte. Sehr schön fand ich, wie dann das Verhalten der Polizei mit lauten Sprechchören kommentiert wurde: "Das ist die ... Demokratie!" In der Folge baute die Polizei ein Spalier auf und drängte uns an den Rand des Vorplatzes und auf die Wiese vor dem Max-Kade-Haus. Eigentlich eine schöne Symbolik, auf die wir intensiver hätten eingehen können, z.B. um zu vermitteln, dass ohne Herrschaft gar nichts geht: Ob Castoren oder Atomkonferenzen - nur mit Polizei & Gewaltmonopol kann die Atommafia ihre Interessen durchsetzen.
Direkt vor den PolizistInnen führten ich & ein paar andere dann lange Streitgespräche über den Unsinn von Herrschaftsstrukturen ... ein Zutexten ohne Ende & immer wieder Subversion. Schade, dass nicht mehr Menschen mit einstiegen, weil sich meine Anspannung dadurch schon lockerte.

Irgendwann trudelten dann tatsächlich die "Energieradtour" mit etwa 1500 KernkraftradlerInnen ein, die sich selbst mit Jubelorgien & Laolas abfeierten ... widerlich. Eine kleine, witzige Aktion, von der ich erst später erfuhr und die leider nicht fotografiert wurde: Ein paar Aktivistas schafften es, ein Transparent auf der Strasse aufzuspannen, wodurch einige RadlerInnen "Bodenkontakt" bekamen. Ansonsten hatten wir dem Spektakel leider keinen handfesten Widerstand entgegen zu setzen, was ich ziemlich schade fand. Dennoch fand ich diese Phase am besten, weil ich sehr viel Kreativität, Spontaneität und Situationskomik erlebte. Sprüche entstanden, die es vorher einfach nicht gab: Die RadlerInnen begrüßten wir mit "Geht doch arbeiten" oder "Faulenzer"; ein einsames Pink-Silver versuchte es mit frivolem Anbaggern und humorvoller Verarsche ( "Ja, wir san als Werbung da ... für den Chef"). Daneben gab es immer wieder Sprechchöre, die mit Überidentifizierung arbeiteten, z.B. "Hoch der Atomstaat" oder "Strahlentod für alle". Selbst das wurde von den RadlerInnen mit Jubel bedacht - aufgrund der kollektiven Hochstimmung war Kritik kaum vermittelbar, so jedenfalls mein Eindruck.

Fazit:
Insgesamt waren wir meines Erachtens nach zu keinem Zeitpunkt etwas anderes als Folklore am Rande. Das wurde noch verstärkt dadurch, dass es kaum Menschen gab, denen wir etwas vermitteln hätten können & das Atomforum im Alltagsbewusstsein der Menschen nicht präsent war, kaum einer davon wusste.
Vermittlung gegenüber BürgerInnen spielte zu diesem Zeitpunkt kaum eine Rolle. Zentrales Augenmerk hätte daher meines Erachtens der Versuch sein müssen, die Eröffnung des Atomforums zu behindern bzw. zu blockieren. Es wäre z.B. möglich gewesen, sich mit einer getarnten Aktionsgruppe unter die Fahrradkarawane zu mischen, auf dem Vorplatz "plötzlich" hinzufallen und sich aneinander & an die Fahrräder anzuketten. Inmitten der 1500 aneinander gedrängten Menschen wäre eine Räumung nicht über die Bühne gegangen, ohne Unbeteiligte in Mitleidenschaft zu ziehen.

beim nächsten mal mehr als folklore ... hoffentlich!

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