Projektwerkstatt

BOLO'BOLO (AUSZÜGE)

Der B-Deal: frustriert vom Sozialismus


1. Der grosse Kater
2. Die drei Grundbestandteile der Maschine
3. Drei Deals in Krise
4. Der A-Deal: enttäuscht vom Konsum
5. Der B-Deal: frustriert vom Sozialismus
6. Der C-Deal: genug von der Entwicklung des Elends
7. Der Bankrott der Realpolitik
8. Die Schattenwirklichkeit
9. Substruktion
10. Dysko
11. Triko ... und: bolo'bolo - Grundrisse für ein Projekt
12. Fahrplan
13. ibu
14. bolo
15. sila
16. taku
17. kana
18. nima
19. kodu
20. yalu
21. sibi
22. pali
23. sufu
24. gano
25. bete
26. nugo
27. pili
28. kene
29. tega
30. fudo
31. sumi
32. asa
33. buni
34. mafa
35. feno
36. sadi
37. fasi
38. yaka
39. Anmerkungen
40. Sechs Jahre bolo'bolo
41. Abfahrt

Der B-Deal ist der klassische Industrie-ArbeiterStaats-Deal. Wir nennen ihn "Sozialismus", weil er in seiner reinsten Form in sozialistischen und kommunistischen Ländern vorkommt. Doch der B-Deal betrifft uns alle, denn er ist ein Aspekt jeder fortgeschrittenen Industriegesellschaft, die ohne den Staat und Staatsgarantien nicht auskommen kann. Zudem gibt es in vielen privatkapitalistischen Ländern grosse "sozialistische" Sektoren (Staatsbetriebe in Schweden, England, Frankreich; Eisenbahnen, Post usw.).

Typisch für den B-Deal ist die zentrale Rolle des Staatsapparats. Angesichts der unsicheren Position des Arbeiters auf dem Arbeitsmarkt, den Bedrohungen durch Krisen, Krankheiten, Schicksalsschläge, war eine der ersten Forderungen der Arbeiterorganisationen die minimale Existenzgarantie durch den Staat. Da die privatkapitalistisch organisierte Maschine sich immer wieder als sehr pannenanfällig erwies und unfähig war, sich dort festzusetzen und zu entwickeln, wo sich nicht genügend privates Kapital angesammelt hatte, wurde der Staat bald zu einer Erscheinungsform der Maschine. Mit seiner Hilfe konnten die Arbeiter von sich aus eine zentralisierte Arbeitsmaschine aufbauen. Durch seine Vermittlung werden sie sozusagen ihre eigenen Arbeitgeber. Gerade durch seine anonyme, zentralisierte Struktur entzieht sich der Staat der Kontrolle durch die Arbeiter. Sein wirtschaftlicher Zweck macht ihn zu einer genauso wahnsinnigen Arbeits/Kriegs-Maschine wie die privat kapi talistische Variante. Die Herren des Zentrums werden hier von einer Partei oder sich selbst ergänzenden Bürokratie gestellt. Auch ein ursprünglicher Arbeiterstaat bedeutet nicht Gemeinsamkeit, sondern Vereinzelung, nicht Selbstbestimmung, sondern Massenmanipulation. Der Einzelne steht ihm schliesslich wehrlos gegenüber, versehen mit "Garantien", die nur Papierfetzen sind und hinter denen keine gesellschaftliche Selbstorganisation steht. Die Sicherheit gibt er uns nur solange wir uns ihm fügen. (In diesem Zusammenhang geht es nicht um die Frage von Parteidiktatur oder Demokratie. Auch ein sozialistischer Staat könnte vollkommen demokratisch organisiert sein . Dass sie es heute nicht sind, ist geschichtlich, aber nicht aus ihrem Wesen heraus, bestimmt. Es gibt keinen Grund, warum nicht auch die Sowjetunion eines Tages demokratisch werden sollte. Jede Form des Staats ist eine Form der Diktatur der Maschine, denn es geht nicht um die Art der Legitimation und der Auslese der Führer, sondern um den Zweck.) Der Staat ist nur eine neue Erscheinungsform unserer Schwäche, genauso wie die anonyme Diktatur des "freien" Marktes. In Krisenzeiten werden ein paar Freunde auf jeden Fall viel mehr wert sein, als Sparbüchlein, Sozialversicherungsausweis oder Pensionsberechtigung.

In den sozialistischen Ländern, wo der B-Deal in seiner reineren Form existiert, herrscht daher das gleiche Arbeits-Lohn-Zwangssystem wie im Westen . Produktivität, Effektivität: die wirtschaftliche Logik bleibt genau gleich. So etwas wie ein "sozialistischer Lebensstil", für den es sich vielleicht lohnte, Opfer zu bringen, ist nirgends entstanden und auch gar nicht erwünscht. Es werden die gleichen Wertvorstellungen wie im Westen propagiert: moderne Industriegesellschaft, "westlicher" Konsumstandard, Auto, Fernsehen, eigene Wohnung, Klein familie, Wochenendhäuschen, Original-Jeans usw. Im Unter schied zum echten A-Deal werden diese Ziele aber nur unvoll kommen erreicht, weil das Produktivitätsniveau zu niedrig ist. Der B-Deal ist gerade darum besonders frustrierend, weil er als "Sozialismus" Konsumideale formuliert, die er nicht verwirk lichen kann.

Wie jeder Deal ist auch der B-Deal das Resultat von Kämpfen und daher hat er durchaus auch seine positiven Seiten, ist er ein "echter Deal". Sein Produktivitätsniveau ist gerade darum so niedrig, weil die B-Arbeiter sich eine relativ weitgehende Kontrolle über Arbeitsgeschwindigkeit, Arbeitsdisziplin und Qualitätsanforderungen gesichert haben. Da das Risiko der Arbeitslosigkeit fehlt und Entlassungen schwierig sind, können sie es gemütlich nehmen. Fabrikbelegschaften sind übermässig gross, Sabotage einfach, Krankfeiern und einkaufsbedingte Abwesenheit häufig; Alkoholismus, SchwarzmarktUnternehmungen und Schwarzarbeit sind verbreitet. B-Arbeiter werden auch sozusagen offiziell ermuntert, sich nicht zu überanstrengen, weil nicht genug Konsumgüter angeboten werden, um sie zu höheren Leistungen anzureizen. Disziplinkampagnen und Orden hingegen bilden Stoff für unzählige Witze. So schliesst sich der Kreis der Unterproduktivität und Verschwendung. Allgemeine Demorali sierung ist die Folge.

Der PAM kann der B-Deal nur recht sein, denn auch die sozialistischen Länder sind wohl oder übel in den Weltmarkt integriert. Die Unterproduktivität wirkt sich dort für sie verheerend aus: sie können ihre Produkte nur zu Dumping-Preisen verkaufen und die B-Deal-Länder werden so zu industriellen Kolonien (Billiglohnländern) der A-Deal-Regionen. Die wenigen brauchbaren Güter fliessen also erst noch in den Westen ab und zurück bleibt nur der Ramsch. Ein zusätzlicher Grund für die B-Arbeiter, sich betrogen zu fühlen und wütend zu werden.

Die jüngsten Ereignisse in Polen haben gezeigt, dass die meisten B-Arbeiter den sozialistischen Deal ablehnen. Verständlicherweise herrschen bei ihnen grosse Illusionen über die Möglichkeit, die Konsumgesellschaft, den A-Deal, erreichen zu können. (Lech Walesa war z.B. vom japanischen Modell fasziniert.) Doch die Vorteile des B-Deals lassen sich nicht mit jenen des A-Deals kombinieren. Die Ersten, die sich gegen die "westlichen" Arbeitsbedingungen wehren würden, wären die B-Arbeiter selbst. So merken auch viele B-Arbeiter (z.B. in der DDR), dass die westliche Konsumgesellschaft nur eine neue Falle ist und kein echter Ausweg. Die westlichen und die sozialistischen Illusionen sind daran sich aufzulösen. Es geht nicht mehr um Kapitalismus oder Sozialismus, sondern um die Arbeitsmaschine als solche. Sicher wird es eine neue "Solidarität" brauchen, nicht um die sozialistisch/katholische Konsumkleinfamilie zu verwirklichen, sondern um persönliche Beziehungen unter ländlichen und städtischen Produzenten/Konsumenten herzustellen um von Grossindustrie und Versorgungsstaat wegzukommen. Diese Solidarität muss aber über die sozialistischen Länder hinaus reichen, denn allein können die B-Arbeiter ihrem Teufelskreis nicht entkommen.

bei Facebook teilen bei Twitter teilen

Kommentare

Bisher wurden noch keine Kommentare abgegeben.


Kommentar abgeben

Deine aktuelle Netzadresse: 18.212.102.174
Name
Kommentar
Smileys :-) ;-) :-o ;-( :-D 8-) :-O :-( (?) (!)
Anti-Spam