DER TRAUM VOM BEFREITEN LEBEN
Besuch[erin] von Autonomia feat. tAme (extendet veRsion)
Wir sind nicht allein - aber dass war dir (spätestens seit Akte X) eh klar, oder? Irgendwo in einer abgelegenen Nische der Galaxis, in der Hosentasche des Universums...nun ja, irgendwo weit entfernt von unserem Sonnensystem, liegt Autonomia. Es ist eine Welt, die sich von der unseren viel zu sehr unterscheidet, um sie mal eben zu beschreiben.
Trotz des weiten und beschwerlichen Weges, der unsere Welten voneinander trennt, geschah es, dass eines Tages eine Besucherin vom Planeten auf die Erde kam. Sie trug den Namen tAme und soll an dieser Stelle nicht weiter beschrieben werden. Nur eines sollst du wissen: Das, was sie auf die Erde geführt hatte war der Wunsch, das Verhalten der Menschen zueinander kennen zu lernen. Geeignet war sie dafür wie keine andere, denn sie war eine aufmerksame Beobachterin, der nichts entging - auch keine noch so kleine Kleinigkeit. a, sie besaß eine unwahrscheinliche Sensibilität für das scheinbar Unbedeutsame und auf das kommt es ja bekanntlich immer besonders an...
tAme war nicht pessimistisch, aber als sie sah, wie die Menschen miteinander umgingen, konnte sie nur unentwegt den Kopf schütteln. Ob in dem Kindergarten, in der Schule, in der Familie oder im Arbeitsleben, überall, wo sie hin kam, war es gleich: da waren Menschen, die anderen sagten, was sie zu tun hatten und solche, die sich gefallen liessen, dass andere über ihr Leben bestimmten. Da waren MackerInnen in Chefetagen, die andere beherrschten und welche selbst von wieder anderen beherrscht wurden, die über ihnen standen. Da waren Untergebene, die sich von anderen unterdrücken liessen und die selber wieder andere unterdrückten, die unter ihnen standen.
Die Menschen erschienen ihr so widersprüchlich: Sie hörten nie auf, von der Gleichheit aller Einzelnen zu reden, aber in der Realität gab es immer nur oben und unten. Schon in der Schule lernten die Kinder, den LehrerInnen zu gehorchen, den Anweisungen anderer zu folgen. Von Anfang an wurde ihnen beigebracht zu akzeptieren, dass nicht sie selbst sondern andere fest legten, was gut und schlecht für sie war...und dass mehr als alles andere. Ja klar, vordergründig ging es um Lesen, Schreiben und Mathematik - aber was den SchülerInnen wirklich »eingeimpft« wurde, war, sich dem Willen anderer zu fügen, bedingungslos zu fügen. Darin stimmten alle Fächer, ob Deutsch, Geschichte oder Biologie, überein. »Wir Erwachsenen, wir wissen schon, was für dich gut ist.« betuerten Eltern, LehrerInnen einstimmig, während sie ales Kindliche in den Kindern unterdrückten, alle Eigenwilligkeit auslöschten.
Und so waren die Menschen, die tAme traf, auch nur solche, die Anpassung, Gehorsam und Machtdenken so sehr verinnerlicht hatten, das ihr Verhältnis zu sich selbst, dem eigenen Willen verkümmert war - ebenso wie das Verhältnis zu anderen.
Sie konnte - und wollte - einfach nicht begreifen, wie Menschen daran Gefallen finden konnten, andere zu kontrollieren oder sich kontrollieren zu lassen.
Einmal, als sie in einem berühmten, selbst ernannten Fastfood-»Restaurant« zu Besuch war, nicht etwa um zu speisen, sondern um das zwischenmenschliche Mit...äh, Gegeneinander zu analysieren, fiel ihr ein völlig eingeschüchterter, ständig gehetzt wirkender Verkäufer auf. Er versuchte seine Anspannung zu verdecken, doch tAme's wache Sinne liessen nicht täuschen.
In den folgenden Tagen fand sie den Grund dafür heraus: Er wurde von seiner Chefin fertig gemacht, Tag für Tag aufs Neue. Was sie ihm auch auftrug, er tat alles und nahm jede Demütigung hin, um bloß nicht ihre bebende, wutentbrannte Stimme an sich spüren zu müssen. Er war nur ein überdeutliches Beispiel für das, was tAme an jeder Stelle der Gesellschaft ausfindig machte: Herrschaft und Unterdrückung, die nicht von einander zu trennen waren.
An einem Abend, als der Verkäufer - frustriert und entkräftet - das Gebäude verließ, fragte sie ihn kurzerhand: »Ich verstehe sich nicht. Warum läßt du das über dich ergehen? Warum läßt du dir von einem anderen Menschen sagen, was du zu tun hast - anstatt selber zu bestimmen, was für dich gut ist?«
»Aber...«, sagte der Mann mit unübersehbarer Verwunderung, »sie ist doch meine Chefin.«
»Ich habe so viele verschiedene Menschen gesehen.« Mit ein wenig schwermütiger Stimme fuhr sie fort: »Aber immer gibt es nur solche, die anderen Befehle erteilen und solche, die sich herum kommandieren lassen.«
»Aber das ist nun mal so.«
Nach kurzem Zögern erwiderte tAme: »Da wo ich lebe gibt es weder Bosse noch Untergebene, weder FührerInnen noch Autoritäten. Bei uns gibt es keine Befehle, keinen Gehorsam - und keinen Zwang. Beziehungen zwischen uns beruhen auf der gegenseitigen Vereinbarung, nicht auf Pflicht, Macht und Abhängigkeit. Und in allem, was wir tun, versuchen wir, die Freiheit der anderen zu achten - und Herrschaft zu verhindern.«
tAme drehte sich um und schritt davon, langsam aber unaufhaltsam. Und da bemerkte er zum ersten Mal in seinem Leben, dass er nie versucht hatte, sich vorzustellen, dass es anders sein könnte - dass es ein Leben ohne Hierarchien gegen könnte.
»Wo liegt bei uns eigentlich, ich meine: wo kommst du her?«, rief er ihr nach. Sie blieb stehen und verharrte einen Moment. Dann wand sie ihm den Kopf zu, deutete mit dem Finger zum nächtlichen Himmel und flüsterte eindringlich: »Autonomia. Der schwArze Stern.«
Während er der Besucherin, deren Gestalt immer kleiner wurde, mit bewunderndem Blick nach sah, fragte er sich...ja, was fragte er sich? Aha, da scheinst du nicht richtig aufgepasst zu haben - nein, ob sie jemals wieder kommt? ist die falsche Antwort. Du willst es wissen, ja? Na gut: er fragte sich, ob es möglich war, Autonomia auf die Erde zu »importieren« - kein einfaches Unterfangen, das war sicher.
Nach jener Begegnung mit tAme hatte die Ausrede, dass es nun mal so ist, ihre Kraft verloren - jedenfalls für ihn. Es war ein Anfang, den dämonischen Bann des Bestehenden zu brechen, Herrschaft in Frage zu stellen...
Ob tAme jemals wieder kommt, ob der Verkäufer ein Revolutionär gewordenm ist und ob es Autonomia wirklich gibt, vermag ich nicht zu sagen - aber bei einem bin ich mir sicher: am Himmel gibt es disen schwArzen Stern, jene Idee von FREIHEIT, Selbstbestimmung und gegenseitiger Hilfe, die mich beständig mit Hoffnung erfüllt, dass es möglich ist, den Traum vom freien Leben zu verwirklichen.
Hör nicht auf, nach den Sternen zu greifen und fang an, selber
zu leben - damit Autonomia kein Traum bleibt, sondern Wirklichkeit wird.
Ach was ich noch sagen wollte: »Sich fügen heisst lügen!« (Erich Mühsam)
Wohin soll dich der nun Traum führen?
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