KULTURELLES CHAOS, POLITIX UND WARPZONEN
Mein Körper war mein Gefängnis
Als Kind bin ich gerne auf Bäume geklettert. Regelmäßig
wurde mir gesagt, ich solle nicht so wild sein, ich sei doch kein Junge. Zum
Geburtstag wünschte ich mir Autos, doch in den Geschenken befanden sich
Barbies. Ich überredete meine Eltern, Fußball spielen zu dürfen,
Eigentlich sei das aber kein Sport für Mädchen. Als ich mich mit
13 auch noch in eine weibliche Person verliebte, war meine Verwirrung perfekt.
Mein Körper - eindeutig weiblich.
Meine Interessen - weiblich?
Meine Gefühle - weiblich?
Meine Empfindungen - weiblich?
Empfindet ein Mensch überhaupt in männlich oder weiblich? Gibt es
männliche Interessen? Und weibliche?
Ich war mir nicht sicher - steckte ich im richtigen Körper?
Meine Unsicherheit wuchs. Täglich war ich überzeugt, bei mir hätte
ein Penis sein müssen. Ich hasste meine Brüste. Ich band sie weg,
schnürte sie ab. Oftmals tat das weh. Aber sie wuchsen immer weiter.
Bald waren sie nicht mehr versteckbar.
Ich hasste meinen Körper. Ich war in meinem Körper gefangen. Zwar
konnte ich mein Äußeres an männlichen Normen anpassen, aber
die Freiheit, meinen Körper zu verändern, hatte ich nicht.
Die Gedanken fesselten. Ich war unglücklich. Ich zog mich von der Außenwelt
immer mehr zurück. Ich hatte das Gefühl, keiner könne mich
verstehen. Um mich nicht noch zusätzlich von Außen angreifbar zu
machen, baute ich eine Mauer um mich auf.
Nun war mein Gefängnis perfekt. Die Mauern schützten mich zwar,
aber noch mehr war ich in meinen Mauern und in meinem Körper gefangen.
Ich war ein Hochsicherheitstrakt geworden.
Einige Zeit später lernte ich eine Person kennen, der es ähnlich
ging. Sie erzählte viel von ihren Erfahrungen. Aber ich brauchte lange,
bis auch ich endlich etwas von mir preisgab. Gemeinsam begannen wir, die mich
umgebende Mauer einzureißen. Stein für Stein verschwand die Mauer
und ich begann immer mehr über meine Gefühle zu reden. Mit jedem
abgebauten Stein wuchs meine Freiheit. Ich begann wieder zu leben.
Heute lebe ich immer noch in diesem Körper. Heute mag ich ihn. Ab und
zu frage ich mich zwar immer noch: bin ich männlich oder weiblich?
Die Frage aber, kann ich nicht beantworten.
Mein Körper - eindeutig weiblich.
Meine Interessen, meine Gefühle, meine Empfindungen - geschlechtslos!