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PRAXIS: EXPERIMENT, AKTION UND ALLTAG

Demaskierung des Herrschaftsförmigen in Verhältnissen und Beziehungen


1. Einleitung
2. Demaskierung des Herrschaftsförmigen in Verhältnissen und Beziehungen
3. Herrschaft abwickeln
4. Aneignung und Austeilen
5. Beteiligungsmöglichkeiten ausdehnen, Hemmnisse abbauen
6. Alternativen und Gegenkultur
7. Utopien entwickeln, benennen und vorantreiben
8. Experimente und Anwendungsfelder
9. Aktion: Öffentlichkeit und Widerstand
10. Links

Herrschaft ist allgegenwärtig, aber oft versteckt. Sie kann über die sozialen Zurichtungen der beteiligten Menschen in eine Gruppe oder Kooperation einziehen. Der Druck des "Norm"alen, von Diskursen und Erwartungen liegt in allen Situationen. Institutionelle Herrschaft kann als Drohkulisse im Hintergrund stehen, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht erkennbar ist. Der ständige, skeptisch-analytische Blick, bereits an anderer Stelle beschrieben, hilft beim Aufspüren - der Voraussetzung für den Abbau oder die Überwindung des Herrschaftsförmigen in Beziehungen und Verhältnissen.
Diese können, müssen aber nicht öffentlich gemacht werden. Oft reicht für Einzelne oder konkrete Gruppen, ihre Binnen- und Außenverhältnisse zu durchschauen, um sie bewusst steuern zu können, das eigene Erkennen. Geht es darüber hinaus, d.h. werden Abhängigkeiten, Zwänge, Diskurse, Herrschaftsinstitutionen usw. mit passenden Mitteln demaskiert und öffentlich dargestellt und somit erkennbar, so überschreitet das die Emanzipation im Alltag und wird zur politischen.


Aus Christoph Spehr (2003): "Gleicher als andere", Karl Dietz Verlag in Berlin
Sie fragt in der konkreten Ausgangslage: Wo liegt hier überall erzwungene Kooperation vor, durch welche Herrschaftsinstrumente wird freie Kooperation verhindert, was sind Schritte um diese Instrumente unschädlich zu machen oder zu beseitigen? Die Theorie der freien Kooperation überschätzt nicht das einzelne Instrument der Veränderung, sondern denkt in Kriterien, die sich in den fünf "Politiken" niederschlagen: was heißt hier "abwickeln"? wie kann hier eine "Politik der Beziehungen" zur Geltung gebracht werden? usw. ... (S. 69 f.)
Die in der Realität wirksamen Herrschaftsinstrumente zu benennen und abzubauen, bedeutet, in einer konkreten Kooperation die Machtfrage zu stellen: Wer hat sie, worauf stützt sie sich, wie kann sie in der Praxis zurückgedrängt und überwunden werden. Allerdings können wir diese Frage heute, angesichts der Vielfalt von Unterdrückungsverhältnissen und der Tatsache, dass fast jeder und fast jede sich in irgendeiner Hinsicht auch auf einer herrschenden Seite befindet, nur noch im Plural stellen – "Machtfragen stellen". ...
(S. 73)

Skeptische Analyse und emanzipatorische Veränderungen sind ebenso dort angebracht, wo Beherrschung zwar offen zutage tritt, sich aber hinter dem vermeintlich Guten versteckt oder mit besonderen Tricks legitimiert wird - als z.B. als Recht und Gesetz oder als Demokratie. Das reicht von den kleinen Dingen des Alltags, wo Überwachung oder dirigistische Eingriffe mit mehr Sicherheit oder Umweltschutz begründet werden, bis zu imperialen Kriegen zum vermeintlichen Schutz der Menschenrechte. Auch hier gilt wieder, dass beides wichtig sein kann: Das Herrschaftsförmige selbst erkennen und die Demaskierung öffentlich zu machen.

Im Original: Demokratiekritik
Aus Christoph Spehr (2003): "Gleicher als andere", Karl Dietz Verlag in Berlin (S. 52)
Eine Politik der freien Kooperation muss, viertens, in der Praxis Stellung beziehen zum Doppelcharakter von Demokratie und Demokratisierung im demokratischen Zeitalter: dass die real existierenden Formen institutioneller demokratischer Systeme zur Ausübung und zum Ausbau von Herrschaft dienen können, dass es aber kein Fortschritt für Freiheit und Gleichheit wäre, sie zugunsten vordemokratischer Formen abzuschaffen. Da es kein Modell institutioneller Demokratie gibt, das von diesem Doppelcharakter frei wäre, kann die Lösung nicht darin liegen, ein konkretes Modell vorzuschlagen, das diese Probleme angeblich nicht hätte. Es gibt keine "herrschaftssichere" Form institutioneller Demokratie. Eine Politik der praktischen Demokratiekritik – oder, um es anders auszudrücken, eine Politik der emanzipativen Demokratisierung – ist daher nicht an eine bestimmte institutionelle Form gebunden, sondern fasst Elemente zusammen, die aus der Praxis sozialer Bewegungen hervorgegangen sind und quer zur konventionellen Demokratievorstellung liegen, wie Dezentralisierung, affirmative action usw.

Janet Biehl (1998): Der Libertäre Kommunalismus, Seite 11 und 118)
Einmal im Besitz staatlicher Amtsgewalt, verloren überzeugte Sozialisten, Kommunisten, ja selbst Anarchisten ihre moralische und politische Integrität. Diese "Rück-Bildung" ist wirklich die Regel; sie ist vorhersehbar und anscheinend unvermeidlich.


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