Stiftung Freiräume

ANGST ESSEN FREIHEIT AUF: KONTROLLWAHN IN ANARCHISTISCHER THEORIEN UND PRAXIS

Spätestens in der Krise: Demokratisierung von Entscheidungsprozessen


1. Anarch@s für Kontrolle
2. Anarchismus von Polizei bis Knast
3. Spätestens in der Krise: Demokratisierung von Entscheidungsprozessen
4. Naives Machtverständnis: Hierarchien schöngeredet
5. Gegenentwürfe: Herrschaftskritische Positionen
6. Links

So wie das Vertrauen in eine Welt ohne Kontrollstrukturen nicht lange reiche, scheint auch die Vorstellung, eine Gesellschaft ohne allgemeinverbindliche Beschlüsse und Regelungen zu organisieren, eher Unwohlsein auszulösen. Mensch muss sich offenbar an etwas Festes klammern. Das typisch Menschliche, in "Freie Menschen in Freien Vereinbarungen" als Losgelöstsein von bindenden Vorgaben beschrieben, führt zur Sehnsucht nach neuem Halt. Dieser soll in Form verbindlicher und allgemeiner Regeln geschaffen werden. Da diese aber nur Sinn machen, wenn sie auch durchsetzbar sind, schaffen AnarchistInnen selbst die Legitimationsgrundlage zumindest für eine Teilstaatlichkeit, der - positiv ausgedrückt - für Gerechtigkeit und Gewaltlosigkeit sorgt, damit aber aus Kontrollmacht und Gewaltmonopol besteht.
Diese untrennbare Kopplung von allgemeingültigen Beschlüssen und Regeln mit der Notwendigkeit von Durchsetzungsorganen führt bereits zu einem unüberwindbaren Gegensatz zwischen universell gültigen Normen und Anarchie. In der Praxis zeigen sich weitere Probleme, wie denn Entscheidungen, die für alle oder eine bestimmte Gruppe gelten sollen, denn gefällt werden sollen. Mangels anarchistischer Formen (die logischerweise fehlen, wenn das Fällen allgemeiner Beschlüsse bereits als solches nicht mit anarchischen Ideen verbindbar ist) leihen viele AnarchistInnen, die solche Beschlüsse wollen, ihre Instrumentarien aus der Demokratie - verbunden mit zahlreichen Versuchen, bestimmte Formen der Demokratie als mit der Anarchie verbindbar oder - wie die Basisdemkratie - sogar zur gelebten Anarchie selbst zu verklären.

Im Original: Anarchie ist Demokratie
Aus Chomsky, Noam (2004): "Eine Anatomie der Macht", Europa Verlag in Hamburg (S. 253)
Anarchisten sind vom Wert einer gut organisierten Gesellschaft überzeugt, die jedoch von unten her demokratisch verfaßt sein muß.

Begriff für Anarchie in der Werbung für das Buch „Essenz der Anarchie“ im ProMedia-Verlag:
Libertäre Demokratie

Aus Fotopoulos, Takis (2003): "Umfassende Demokratie" (Trotzdem-Verlag, Seite 225 f., mehr siehe oben)
In letzter Instanz hängt die individuelle und kollektive Autonomie von der Internalisierung demokratischer Werte durch jeden Bürger ab.


Das Gesamtbild anarchistischer Utopien ist in dieser Hinsicht fatal: Die ganze Welt wird letztlich in autoritären Utopien dargestellt, weil der Mut fehlt, den Gedanken fehlender Kontrolle und Sanktion weiterzudenken. Ausnahmen, etwa bolo'bolo, bestätigen die Regel.

Aus Gordon, Uri (2010): "Hier und jetzt", Nautilus in Hamburg (S. 73)
P.M. kommt zu dem Schluss, dass die meisten modernen Utopien tatsächlich totalitäre, monokulturelle Modelle darstellen, die um Arbeit und Erziehung kreisen. Das Welt-Anti-System hingegen, bolo'bolo genannt, ist ein Mosaik, zusammengesetzt aus rund 500 Gemeinschaften, von denen jede so selbstgenügsam wie nur möglich ist und vollkommen autonom darin, ihr Ethos oder ihre "Atmosphäre" (nima) zu definieren, sei es eine klösterliche, eine marxistische oder eine sadomasochistische.

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