Religionskritik

FLUGBLATT ZUM ATTAC-KONGRESS 19.-21.10.2001

Alter Wein in neuen Schläuchen!


1. Erfolgsbilanzen
2. Who the fuck is attac?
3. ATTAC-KONGRESS: DER REFORMiSMUS IST TOT - ES LEBE DER REFORMISMUS
4. Alter Wein in neuen Schläuchen!
5. Attac-Debatte auf Hoppetosse
6. Berichte vom ersten Attac-Kongress
7. Linksruck über Attac und umgekehrt
8. Kritik an "Kontrolle der Finanzmärkte"
9. BUKO-Kritik an attac
10. Attac Kritik (von Traute Kirsch)
11. Links zu Kritik an Attac
12. Kritik an der Kritik
13. Graswurzelrevolution polemisiert gegen Attac-KritikerInnen
14. Kritische Berichte von Ex-Attacies zur Veranstaltung in Lüneburg, 15.12.2004
15. Weitere Links

Siehe auch: Attac +++ Tobin Tax +++ Pro Staat +++ NGOs und Staat +++ Lobbyismus
Dieser Text als Kopiervorlage u.ä. (PDF)

Attac, Lafontaine & Co.
Was hier als neue Bewegung vorgestellt wird, ist eher der Versuch, einen sich neu und international vernetzenden, teilweise widerständigen, in jedem Fall aber vielfältigen und basisorientierten Protest in eine kontrollierbare Form zu gießen und für eine kritische Mitarbeit an der Verbesserung von Staat und Markt im Kapitalismus zu gewinnen – statt mit klaren Aktionen, Projekten, Positionen und neuen Visionen die Herrschaft und Ausbeutung überwinden zu wollen.

Das Märchen vom guten Staat
Dieentfesselten Märkte seien Schuld am Elend der Welt, an Armut, Hungerund Krieg. Sagt Attac, sagt Lafontaine, sagen viele. Aber sie haben nichtrecht. Denn Hunger, Krieg und Armut gab es schon vor dem Neoliberalismusund der sogenannten Globalisierung. Sie sind vor allem eine Folge genaudessen, was jetzt von Attac, Lafontaine & Co. als neue Lösungbenannt wird: Den Nationalstaaten. Regierungen und ihre Armeen, ihre „Entwickungshilfe“,ihre Handelsinstitutionen usw. haben Ausbeutung und Unterdrückungorganisiert. Einen sogenannten „freien Markt“ würde es gar nicht geben,wenn nicht Polizei, Weltbank, NATO, Gerichte usw. ihn durchsetzen würden– global oder in jedem Dorf. Der Staat und alle Herrschaftsverhältnissesind die Voraussetzung und damit eine entscheidende Ursache für Ausbeutungund Zerstörung. Sie sind nicht die Schützer der Menschen, sonderndie Täter des Kapitalismus, der Brutalität von Ausbeutung undUnterdrückung. Der Neo-Keynesianismus, wie die falsche Hoffnung heißt,daß mehr Regeln (also mehr Staat und Herrschaft) die Lage verbessert,ist so alt wie falsch. Es sind Regeln, nämlich Gesetze, Polizei, Gerichteund Institutionen, die den Markt als Organisationsform des Lebens gegendie Selbstorganisation der Menschen durchprügeln. Mit Steuern odernoch mehr Regeln ändert sich daran nicht. Wer hinguckt, bemerkt das:So war Lafontaine als Ministerpräsident des Saarlandes der erste neoliberaleSpitzenpolitiker – er hat die Industrie des Landes an die internationalenKonzerne verkauft. Er hat als Vorsitzender und Programmkommissionschefdie SPD modernisiert dahin, wo sie heute ist. Nicht Schröder. DieRegulierung ist nicht das Gegenteil vom freien Markt, sondern notwendigeVoraussetzung.

Zentrale Organisation mit Namen „Netzwerk“
Attacbezeichnet sich als Netzwerk, um die Selbstinszenierung als Sprachrohrder vielen Gruppen und BasisakteurInnen glaubhaft zu machen. Doch die Wirklichkeitsieht anders aus: Attac hat nur lose verbundene Basisgruppen, weil dieFührungsgruppe die Basis als Legitimation braucht, aber nicht zurDiskussion. Die Gründergruppen von Attac sind noch schlimmer: Share,Weed usw. – sie haben gar keine Basis und agieren in ihren fördermittel-und spendengetragenen Büros völlig unabhängig herum. DieseAbhängigkeit vom Fluß der Spenden und der Zustimmung vonaußen legt jedoch derartigen, von oben
eingerichtetenund geführten Institutionen immer ein Verhalten nahe, daß sicheher am gesellschaftlichen Mainstream als an der Kritik der herrschendenVerhältnisse versucht. Einige Forderungen von attac zeigen bereitsjetzt, wie sehr man auf die Meinung der Basis pfeift und wieviel wichtigeres für eine solche Organisation ist, bei Regierungen und im unkritischenMainstream als akezeptabel zu gelten. Beispiel: Inzwischen fordert Attacdie Aufhebung des Bankgeheimnisses – Einmütigkeit mit Eichel und Schilyfür eine politische Position, die niemals mit Basiszusammenhängendiskutiert wurde. Die Attac-Führungsgruppe kann völlig losgelösthandeln. Wie „radikal“ die Basisgruppen sind, ist egal. Die Politik machendie Zentralen in Bonn und Verden. Attac ist kein „Netzwerk“, sondern eineungewöhnlich zentralistische und staatsnahe Struktur.
Dasalles wäre eine interne Sache von Attac und wer solche Strukturenbraucht und den Staat liebt, kann dort hingehen. Es wird aber doch wichtigfür alle, weil sich gerade diese antidemokratische Führungsgruppedes staatsnahen Attac selbst als „Kerngruppe“ (attac-Zeitung) oder Dachverbandder globalisierungskritischen Gruppen inthronisiert. FR, taz, Spiegel,Junge Welt und alle die regierungsnahen Medien, die eine kritische Bewegungverhindern wollen, helfen nach besten Kräften mit, Attac und die TobinTax als „zentrale“ Gruppe oder Forderung in die Köpfe zu bringen.Das hat System, soll unabhängige Politik verhindern und ist deshalbwichtig.

Wer Herrschaft abbauen will, kann nicht neue fordern. Wer die Folgen der Ausbeutung im Markt beweint, kann nicht weiter auf den Markt setzen. Wer eine „Demokratisierung der Finanzmärkte“ will, kann nicht die Stärkung der Kontrollinstitionen fordern. Demokratisierung ist eine Abfolge von Reformen, die die Mitbestimmungsrechte der Menschen verbessern – nicht der Staaten oder der internationalen Institutionen! Radikal gedacht, ist die Demokratisierung ein endloser Prozeß hin zu einer Welt ohne Herrschaft und Verwertung, ohne Zwänge, Nationen, Grenzen, Verwertung von Eigentum, Patente usw.).

Die Alternativen: FreiRäume erkämpfen! Widerstand und Vision verbinden! Organisierung von unten!
Attac,Lafontaine & Co. sind nicht das Ende aller Möglichkeiten. Abersie sind Modernisierer von Markt und Staat und daher definitiv nicht derpassende Rahmen, um Ausbeutung und Unterdrückung, Herrschaft und Verwertungsverhältnisseanzugreifen und zu überwinden. Der Gang durch die Institutionen (beiAttac, Grünen, Parlamenten usw. mitmachen, um Grundlegendes zu verändern)ist uneffizient und bislang immer erfolglos geblieben. Daher müssenwir andere Formen politischer Arbeit finden:

Emanzipation als gemeinsamer Nenner aller!
Esgeht NICHT um den ewigen Streit von Revolution oder Reform. Sondern umdie Frage der Emanzipation, d.h. der „Befreiung“ von Menschen aus ihrenäußeren Zwängen (Arbeitszwang, Herrschaftsinstituationen,Abhängigkeiten usw.) und den verinnerlichten Wertkategorien (Geschlechterrollen,sogenannte Rassen, Behinderungen usw.). Gut ist eine Revolution oder eineReform dann, wenn sie emanzipatorisch ist, also die Selbstbestimmung derMenschen (oder als Schritt dahin die Mitbestimmung, die Beteiligung oderdie Demokratisierung) fördert. Die Tobin Tax oder die Aufhebung desBankgeheimnisses aber stärken Herrschaft durch neue Gesetze, Institutionund Überwachung einschließlich ihrer Legitimierung (mit derTobin Tax wird die Weltbank plötzlich zum Partner von Widerstandsgruppen,ohne sonst etwas zu ändern!). Solche Reformen sind antiemanzipatorisch.Aber es gäbe andere Reformen, die Selbstbestimmung fördern undHerrschaft abbauen. Um sie lohnt sich die politische Aktion. Gleiches giltfür eine Revolution, bei der hinterher nur eine Organisation (z.B.eine Partei) alles dominiert - sie ist antiemanzipatorisch. Aber Revolutionen,die nicht um die Macht streiten, sondern Herrschaft abbauen, sind genial!Was wir brauchen, sind große Visionen und kleine Schritte, die Stückfür Stück Herrschaft abbauen.

FreiRäume erkämpfen – die Welt Stück für Stück „befreien“!
JedeGruppe, jedes Büro, jedes Haus und jeder Platz, jede Aktion und jederzeitweise besetzte Raum (Zug, Veranstaltungsraum, Bühne usw.), denwir uns schaffen, erobern oder aneignen, kann ein Ort sein, in dem wirdherrschafts- und verwertungsfreie Räume schaffen – gegenüberden Zwängen von außen („Freie Republiken“, unabhängigeGruppen, Medien usw. gründen) und gegenüber dem eigenen herrschaftsförmigenVerhalten und Strukturen.
Visionenund Positionen – there are many alternatives!
Wirbrauchen mehr Mut. Nicht das Elend wird viele Menschen dazu bringen, Veränderungenzu wollen, sondern die Faszination einer besseren Welt – die Vision! Dieseist zudem Maßstab für die kleinen Schritte und Forderungen,denn deren Qualität hängt davon ab, ob sie ein Schritt sind aufdem Weg zu mehr.
Organisierungvon unten – Basisbewegung, widerständig und kreativ!
Stattgroßer Namen, Prominenter und zentraler Kader brauchen wir eine gleichberechtigteVernetzung von Basisgruppen sowie intelligente Konzepte für Aktionsformenund Öffentlichkeitsarbeit, in der Verschiedenheit zur Stärkewird. Also nicht einen Verband, der zwei oder drei zentrale Forderungenim Namen aller (ungefragt!) vertritt, sondern ein Konzept der Vielfaltmit dem gemeinsamen Nenner der Emanzipation von Herrschaft und Verwertung.Das stellt die bestehenden Organisation nicht in Frage, aber schafft einenanderen Weg mit anderen Mitteln und anderen Zielen.

Es geht nicht um Ausgrenzung, sondern um Unabhängigkeit und klare Positionen. Wer seine staats- und marktkonformen Positionen immer mit dem Deckmäntelchen des „kleinsten gemeinsamen Nenners“ durchboxt und viele, viele Gruppen und BasisakteurInnen ungefragt instrumentalisiert, ist nicht der richtige Rahmen. Der muß er noch geschaffen werden – nicht von oben, mit zentralen Büros, Prominenten und viel Geld, sondern durch einen Prozeß, in dem die Gruppen in ihrer Vielfalt und mit ihren unterschiedlichen Vorlieben und Möglichkeiten zusammenkommen und sich organisieren - unter dem klaren gemeinsamen Nenner der „Emanzipation“ (revolutionär: Abschaffung von Herrschaft und Verwertung; reformerisch: Demokratisierung der Gesellschaft). Fangen wir damit an und verlassen wir die langweiligen Pfade endlich!

Wer Lust hat, an diesem Prozeß mitzuwirken, den laden wir gerne ein:
Organisierung von unten: Treffen vom 2.-4.11. in Saasen und „Februartreffen“ vom 22.-24.2. in Düsseldorf
Hoppetosse – Netzwerk für kreativen Widerstand
Umweltschutz von unten: go.to/umwelt und Bundes-Ökologie-Treffen vom 21.-25.11. in Berlin

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