Kritik der Konsumkritik

ORGANISIERUNG VON UNTEN

Eigene Ohnmacht gegenüber unendlichen Ressourcen von Staat und Gesellschaft; Irrelevanz und Marginalisierung der politischen Arbeit und ihrer AkteurInnen, der Individuen und ihrer freien Zusammenschlüsse überhaupt


1. Einleitung und Thesen zu allen Bereichen
2. Gesamter Text "Organisierung ... WIE GEHT DENN DAS?
3. Grundsätze für eine "Organisierung von Unten"
4. Was funktioniert nicht, und warum funktioniert es nicht?
5. Gesellschaftliche Konstruktionen und Mechanismen des Sozialverhaltens wirken weiter
6. Eigene Ohnmacht gegenüber unendlichen Ressourcen von Staat und Gesellschaft; Irrelevanz und Marginalisierung der politischen Arbeit und ihrer AkteurInnen, der Individuen und ihrer freien Zusammenschlüsse überhaupt
7. Bedürfnis nach schnellen Erfolgen
8. Unwillen zu kontinuierlicher Arbeit
9. Geringe Handlungsmöglichkeiten durch Einbindung der AkteurInnen in gesellschaftliche Zwänge (Arbeit, Familie, Ausbildung usw.)
10. Fehlende Phantasie, Vorstellungskraft für Organisierung von unten und Alternative zu gesellschaftlichen Zwängen
11. Angst vor Vielfalt, Dynamik und produktivem Streit
12. Aktiv gegen Repression
13. Angst vor Vereinzelung, Eigenverantwortung, Eigeninitiative und Offenheit
14. Kommunikation
15. Abschließendes und konkrete Pläne zur Umsetzung
16. Viertes Treffen Organisierung von unten in Saasen
17. Debatte auf Hoppetosse-Mailingliste (Auszüge)

Politische Arbeit erscheint uns manchmal wie ein endloses Rennen gegen eine Mauer, die einfach nicht einfallen will. Ich kann zwanzig Reihen von PolizistInnen durchbrechen, nur um auf die einundzwanzigste Reihe zu stoßen; der Castor kommt letztlich auch jedes mal durch; Gelungene Aktionen haben eventuell die Verschärfung der Repression zu Folge. Die meisten Aktionen, können ohnehin nur symbolisch sein, wirkliche Veränderung können wir uns meist nicht erhoffen, wenn wir Glück haben, denken ein paar BürgerInnen zwei Minuten darüber nach.
Dieses Gefühl von Ohnmacht und Marginalisierung, die Unerreichbarkeit der Ziele, Wünsche und Träume lässt viele Aktionspläne in der Schublade verstauben, da schlicht die Motivation fehlt, bei scheinbar so wenig Anreiz, etwas zu tun. Einer der wenigen Bereiche, wo dies anders ist, ist der antifaschistische Kampf, da auch die Nazis keiner scheinbar unerschöpflichen Ressourcen haben, direkt konfrontiert, frustriert und "besiegt" werden können. Diese Aussicht auf Erfolg macht den Anti-Nazi-Kampf sehr attraktiv.

a) Lösung von Oben:
  • Schaffung einer Scheinmächtigkeit: Manche Organisationen vermitteln ihren AktivistInnen bei jeder noch so minimalen Aufgabe eine übergroße Wichtigkeit, die sich bis zu einem internalisierten Zwang hin entwickeln kann. Dabei beginnt jedes Individuum in einer Atmosphäre der allgemeinen Euphorie sich selbst unter enormen Handlungszwang zu stellen und die Bedeutung des eigenen Handelns vor sich zu überhöhen. Das endet zweifelsohne in einer Erschöpfung und dem inneren Ausbrennen des Individuums. Auch Fanatismus oder Religiosität erreichen hohe Aktivitätsgrade. Alle drei Formen der "Überwindung" des Marginalisierungsproblems sind für die AkteurInnen eher ungesund und können einen körperlichen und/oder psychischen Zusammenbruch zur Folge haben. In derart strukturierten Gruppen stellt sich häufig ein hoher MitgliederInnen-durchlauf ein, der plötzliche Rückzug von einer hochentwickelten Aktivität in totale Passivität ist beobachtbar.
  • Pressegeilheit: Das Ziel, mit der Aktion in den Medien erwähnt zu werden ersetzt das Ziel, etwas anderes mit der Aktion zu erreichen. Der Erfolg der Aktion misst sich an der Qualität und Quantität der Berichterstattung. Dieses Ziel ist nicht schwer zu erreichen und es ist auch möglich, ihm manipulativ nachzuhelfen, etwa weil mensch Kontakte zur Presse hat. Der Stolz auf die erreichte Berichterstattung gaukelt einen Erfolg der Aktion vor. Dies ist allerdings nicht ganz von der Hand zu weisen, da eventuell auch Inhalte transportiert und wesentlich mehr Menschen erreicht werden. Allerdings sollten Medienberichte nicht zum Selbstzweck werden und auch nicht als Maßstab für die Qualität der Aktion. Auch wenn niemensch berichtet, kann es eine sehr gute Aktion gewesen sein.
  • Da "große Ziele" so schwer erreichbar scheinen, versteigen sich manche Organisationen in Minimalreformismus (Bsp. Tobinsteuer) oder gar Scheinreformismus (Bsp. "Atomkonsens"). Damit werden die Ziele erreichbar, die Qualität der Ziele leidet allerdings sehr stark darunter. Nachdem ein solches Miniziel erreicht ist, erschlafft die Anstrengung und mensch gibt sich zufrieden. Veränderung hat aber meist nicht stattgefunden. So werden Bewegungen abgespeist und eingelullt. Dass der Atomkonsens eben nicht der versprochene Ausstieg ist, hat die Anti-Atom-Bewegung glücklicherweise erkannt - und Protest und Widerstand konnten nicht geschwächt werden, was sonst der Fall gewesen wäre, ohne dass sich im geringsten etwas verändert hätte.
  • Ein typisches Mittel gegen die Aufreibung der eigenen Ressourcen im Kampf gegen einen überstarken Gegner (Staat, Wirtschaft, Gesellschaft) ist die Kooperation mit seinen Machtinstitutionen und Lobbyismus. So wähnt mensch sich auf einer Ebene mit ihm und direkt an den Schalthebeln der Veränderung. Was Lobbyismus allerdings bewirkt, zeigen die "Erfolge" der zahlreichen NGOs, die sich dieser Taktik verschrieben haben: Weder hat Amnesty International die Bundesregierung an Waffenlieferungen in die Türkei gehindert, noch Greenpeace die WirtschaftsbossInnen und PolitikerInnen zu mehr Klimaschutz überreden können. Auch die Grüne Partei ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Position an des Schalthebeln der Macht die Chancen auf Veränderung minimiert: Sie haben sich nicht nur von der Atommafia über den Tisch ziehen lassen, sondern auch noch ihre Friedensprinzipien gebrochen. Die größten Erfolge bei der Veränderung der Politik haben die Bewegungen von der Strasse errungen. Hier zeigt sich die Diskrepanz bei den Grünen und Greenpeace: Wo sie in den Machtstrukturen sind, werden sie lasch und selbstverräterisch, wo sie auf der Strasse, basisorientiert arbeiten, sind sie gut und erfolgreich. Dennoch geben sie sich den Anschein, es sei andersherum. "es zu etwas gebracht haben" und "erfolgreich sein" hat in unserem gesellschaftlichen Diskurs eben etwas mit "sozialem Aufstieg", hohen Positionen, Titeln und Ämtern und damit verbundener "Macht der Beeinflussung" zu tun. Diese hängt mit der "ExpertInnengläubigkeit" der Menschen zusammen.
  • Einen ähnlichen Effekt kann mensch erreichen, indem TitelträgerInnen und andere MachtvertreterInnen in die eigenen Strukturen geholt werden. Damit erhofft mensch sich einen Gewinn an Bedeutung und damit Zugang zum Gehör der Medien, Regierungen und der Masse (die allerdings eher unwichtig ist). Im Allgemeinen ist eine Zunahme des Redeschwalls und eine Abnahme der Aktivität zu verzeichnen. "VIPs" gehen nicht auf die Strasse, sondern beschwatzen lieber in endlosen Talkrunden alle möglichen anderen VIPs. Das Maß an Veränderungen sinkt rapide. Der Diskurs wird ver-intellektualisiert, ver-theoretisiert, entpraktiziert und ent-radikalisiert.
  • ? Der Sensationsgeilheit und dem Erfolgsdurst der AktivistInnen kann auch mit einem Hype der verschiedenen (Gipfelsturm-) Events begegnet werden. Die Arbeit der Organisation verkommt zum Eventhopping, denn hier können kurzfristige Erfolge wie das Blockieren einer Strasse oder eines Gebäudes, das Erobern einzelner Gebiete gegen die Polizei und andere Minimalsiege errungen werden. Das gibt ein gutes Gefühl. Auch ist mensch hier nicht allein, sondern hat durch die Internationalität und Überregionalität das Gefühl, viele zu sein, ein großes "Wir-Gefühl", das im täglichen lokalen Kampf oft vermisst wird. Über diesen ganzen Hype wird vergessen, dass die Gipfelstürmerei kein Selbstzweck ist, nicht ewig weiter gehen kann und letztlich nichts wirkliches bewegt. Der Aufbau lokaler. tragfähiger Strukturen leidet, es gibt nichts, in das mensch vom Gipfel zurückkehren kann, wodurch sich die Sehnsucht nach noch mehr Gipfelstürmerei wiederum vergrößert.

b) Lösung von Unten:
  • Das Erreichen unserer Ziele erscheint ziemlich erfolglos. Das heißt zwar nicht, dass wir sie deswegen aufgeben sollten, oder den Kampf um des Ziel aufhören sollten. Es wäre allerdings sinnvoller, sich nicht so stur auf statische Ziele zu konzentrieren, sondern sich des Prozesscharakters vieler Kampagnen bewusst sein, und so versuchen Prozesse zu erzeugen. Damit haben viele Aktionen wieder einen Sinn, auch wenn sie kein konkretes Ziel erreichen können, zumindest nicht mittel- oder kurzfristig.
  • Oftmals haben wir keine Lust oder sehen keine Chance, etwas zu verhindern oder zu beeinflussen, weil uns die Mittel und Wege unbekannt sind. Manchmal befinden wir uns in einer Situation, in de wir gerne "was machen" würden, nur nicht wissen was und wie. Die Standartreaktionen, mit denen allerdings oft wenig verändert wird, sind etwa Parolen rufen, Steine schmeißen, zuschlagen. Aus dieser Eintönigkeit und Inflexibilität was das Aktionsvermögen angeht, müssen wir raus! Deshalb ist das Aneignen von Methoden und Aktionstechniken ein wichtiger Schritt, um flexible Handlungsfähigkeit zu erzeugen. Dazu dienen können z.B. (über-)regionale Direct-Action-Gatherings, die sich hier leider noch nicht etabliert haben.
  • Einer ganzen Reihe von Handlungsfeldern sind wir uns gar nicht bewusst, und sie bleiben folglich von uns unberührt, obwohl es gar nicht aufwendig wäre, sie zu nutzen. Verschiedene Konzept direkter Aktion, Intervention im Alltag oder das Schaffen und Füllen von Erregungskorridoren kann ohne große Mühen und Risiken vollbracht werden. Vor allem das Erregungskorridorkonzept ist interessant, da es die diskursive Herrschaft durchbricht und neue Denkmöglichkeiten aufzeigt. Das ist eine sehr wirkungsvolle, risikolose und für die Herrschenden unangenehme Sache. Diskutieren und Provozieren ist ja noch nicht verboten in diesem Land...
  • Intervention im Alltag kann durchaus spaßig sein, schließlich ist jeder Bereich unseres Lebens in irgendeiner Weise vermarktet und beHERRscht. Im Supermarkt, in der Bank, im Zug oder auf der Strasse lassen sich viele Situationen finden und konstruieren, wo mensch alleine einigen Mitmenschen interessante und nachdenkliche Momente beschert. Allerdings gehört dazu eine beträchtliche Portion Frechheit und Selbstvertrauen.
  • In der asiatischen Kampfkunst benutzt mensch die Kraft und Aggression des Gegners, um sie gegen ihn einzusetzen. Mensch braucht sie sogar, denn sie dient als Basis für die eigene Verteidigungsstrategie. In der politischen Aktivität können wir versuchen, die Übermacht unseres Gegners für die eigenen Ziele subversiv zu nutzen. (Beispiele fallen mir keine ein...)
  • Nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Staaten in Osteuropa verkündeten sie uns den Kapitalismus als das "Ende der Geschichte". Tatsächlich wird der Kapitalismus das Ende der Geschichte der Menschheit sein, wenn wir ihn nicht loswerden, weil er täglich unsere Lebensgrundlagen ein wenig mehr zerstört. Viele Menschen haben es satt. Haben die Lügen satt, und die Unausweichlichkeit, die Tatsache, das Träume nicht mehr verwirklichbar sind, ihr Leben ein eintöniges Grau in Grau, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint, außer der Flucht in die Spaßgesellschaft. Wir sollten versuchen, die Menschen wieder zum Träumen zu ermutigen; ihnen das Gefühl geben, dass es richtig ist, an was besseres zu denken als Arbeit, Geld und Leistung; dass es richtig ist, sich eine andere Welt vorzustellen. Wir sollten versuchen den Menschen wieder Mut für Visionen zu geben. Dabei sollten wir unsere eigenen Visionen ruhig öffentlich machen, dem Bild dieser Welt entgegen halten und versuchen, das Träumen, die Visionen wieder populär zu machen. Nach dem Motto: eine andere Welt ist möglich! Und machbar, Herr Nachbar!
  • Lange waren die Zeiten rau für unsere Politik. Die AktivistInnen haben sich in Kellergewölbe, Hinterzimmer und Dachgeschosse zurückgezogen. Doch es wird Zeit, wieder raus zu gehen, auf die Strasse. Die Zeit der verschwörerischen Zirkel muss weichen für offene Teach-ins auf Plätzen, Strassen, in Zügen und Bussen. Wir sollten reingehen in die Gesellschaft, und die befindet sich draußen auf der Strasse, in den Schulen, Unis und Betrieben. Wir brauchen keine Nischen, sondern Open Space. Wir müssen sichtbar und hörbar werden. Also veranstalten wir unsere Diskussionsrunde nicht im Fachschaftszimmer, sondern auf der Verkehrsinsel oder in der Fußgängerzone. Der Aufwand ist minimal, der Effekt vergleichbar groß.


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