Kritik der Konsumkritik

PSYCHOLOGIE UND ERZIEHUNG

Einleitung


1. Einleitung
2. Über die psychologischen Hintergründe von Erziehung
3. Abhängigkeit und Gehorsam



Meine Überzeugung von der Schädlichkeit der Erziehung beruht auf folgenden Erfahrungen:
Sämtliche Ratschläge zur Erziehung der Kinder verraten mehr oder weniger deutlich zahlreiche, sehr verschieden geartete Bedürfnisse des Erwachsenen, deren Befriedigung dem lebendigen Wachstum des Kindes nicht nur nicht förderlich ist, sondern es geradezu verhindert. Das gilt auch für die Fälle, in denen der Erwachsene ehrlich davon überzeugt ist, im Interesse des Kindes zu handeln.
Zu diesen Bedürfnissen gehören: erstens, das unbewußte Bedürfnis, die einst erlittenen Demütigungen anderen weitezugeben; zweitens, ein Ventil für die abgewehrten Affekte zu finden; drittens, ein verfügbares und manipulierbares lebendiges Objekt zu besitzen; viertens, die eigene Abwehr, d. h. die Idealisierung der eigenen Kindheit und der eigenen Eltern zu erhalten, indem durch die Richtigkeit der eigenen Erziehungsprinzipien diejenige der elterlichen bestätigt werden soll; fünftens die Angst vor der Freiheit; sechstens, die Angst vor der Wiederkehr des Verdrängten, dem man im eigenen Kind nochmals begegnet und das man dort nochmals bekämpfen muß, nachdem man es vorher bei sich abgetötet hat, und schließlich siebtens, die Rache für die erlittenen Schmerzen. Da jede Erziehung mindestens eines der hier erwähnten Motive enthält, ist sie höchstens dazu geeignet aus dem Zögling einen guten Erzieher zu machen. Niemals wird sie ihm aber zur freien Lebendigkeit verhelfen können. Wenn man ein Kind erzieht, lernt es erziehen. Wenn man einem Kind Moral predigt, lernt es Moral predigen, wenn man es warnt, lernt es warnen, wenn man mit ihm schimpft, lernt es schimpfen, wenn man es auslacht, lernt es auslachen, wenn man es demütigt, lernt es demütigen, wenn man seine Seele tötet, lernt es töten. Es hat dann nur die Wahl, ob sich selbst oder die anderen oder beides.

(Alice Miller (1980). Am Anfang war Erziehung, S. 119)

Ausschnitt aus einem Vortrag eines Hirnforschers zu Neugierde, Lernwille und Zwang (mp3)

bei Facebook teilen bei Twitter teilen

Kommentare

Bisher wurden noch keine Kommentare abgegeben.


Kommentar abgeben

Deine aktuelle Netzadresse: 3.135.207.220
Name
Kommentar
Smileys :-) ;-) :-o ;-( :-D 8-) :-O :-( (?) (!)
Anti-Spam