Kritik der Konsumkritik

MACHEN UND MITMACHEN!

Seid ehrgeizig: Mehr Wille zum Erfolg, bitte ...


1. Aktuelle Projekte rund um die Projektwerkstatt
2. Neue Projekte und Aktionsgruppen auf der Suche nach Mitstreiter*innen
3. Gesucht: Projekträume nutzen und mitgestalten/aufbauen!
4. Gesucht: Menschen, die Geräte reparieren oder am Hausausbau mitwirken können
5. Gesucht: Programmieren und digitale Infoverbreitung
6. Transporte
7. Die Immer-mal-wieder-zu-tun-Liste unserer "Villa Kunterbunt des kreativen Widerstandes"
8. Seid ehrgeizig: Mehr Wille zum Erfolg, bitte ...

Der folgende Text entstand im Gießener Knast während einer halbjährigen Haft wegen Zerstörung eines Genversuchsfeldes ...

Ich finde, wir* schlagen uns permanent unter Wert. Simpelste Organisierungsvorgänge gelingen nicht mehr nicht weil wir zu blöd sind, sondern weil wir unsere Möglichkeiten ständig weder erkunden noch nutzen. Das geschieht sowohl in der Organisierung im Alltag als auch bei politischen Aktionen. Das Ergebnis ist fast Naturgesetz: Nach kurzer Phase des Engagements kommt es zu Frustrationserscheinungen. Alles ist furchtbar anstrengend (weil rich¬tig schlecht organisiert und auch aufwändig, weil kaum Know How angeeignet wird) oder das gute Gefühl kann gerettet werden, in dem einfach ganz viele Sachen liegen bleiben bzw. den Bach runtergehen. Die Gleichgültigkeit dem Scheitern oder dem Verlust von viel Kraft und Material gegenüber unterstreicht die Herangehensweise eines höchstens mittelmäßig, meist aber gar nicht ausgeprägten Willens, es hinzukriegen, es gut zu machen, die eigenen Handlungsmöglichkeiten zu erkunden, auszuweiten und dann umzusetzen.

Diese Tendenz ist überall sichtbar:
  • Bei Aktionen, die zwar im Kern oft klappen, aber drumherum alles schnell wegbröselt erst recht hinterher. Die materiellen Ressourcen werden von anderswo übernommen und oft gleichgültig dem Zufall überlassen, als gäbe es keine weitere Aktion nach der Aktion.
  • Die Orte, die eigentlich als Aktionsplattformen dienen sollen, werden einfach für die eigenen Belange leergeräumt. Wo das Zeug eigentlich herkommt, wer es hinterher neu aufbaut all das interessiert nicht.
  • Im Alltag, wo der kurzen Phase einiges Ausprobierens der Wiedereinstieg in die kapitalistische Reproduktion folgt Dienstleistung anderer einkaufen mit Geld, dafür Arbeiten, die vorbereitende Ausbildung anfangen oder Transfergelder beziehen. Ohne systematische Selbstorganisierung entsteht auch gar keine Alternative zur Rückkehr in die Normalität. Diese bietet uns Unterschlupf, wenn wir uns ihr Anpassen. Selbstorganisiertes Leben ist auf Dauer viel zu anstrengend, wenn es mit der gleichen Trübe Tassen Mentalität erfolgt wie der Kapitalismus es von uns ja sogar wünscht.
  • Bei allem fehlt auch das eine Folge des mangelnden Willens, erfolgreich zu sein das Bewusstsein, die Lage überhaupt einzuschätzen, denn Reflexion ist eine Methode, die nur nötig ist, wenn mensch es hinkriegen will. Der ständige Misserfolg, der Verbalradikalismus in Sachen Autonomie und Selbstorganisierung geht unter in selbstgeschmiedeten Dauerausreden, dem Zugriff auf Ressourcen, die besser organisierte Zusammenhängen geschaffen haben, und eine betörende Mischung aus Drogen und Cliquenhaftigkeit.

  • Ich wünsche mir, dass wir mehr wollen und deshalb auch besser werden was natürlich heißt, dass die Einzelnen den Willen zu mehr entwickeln und dort, wo Menschen kooperieren, dieser Wille gemeinsam vorhanden ist. Ich wünsche mir das aus mindestens drei Gründen:

    1. Für mich Selbst
    Mein aktuelles Leben ist eher beschissen, weil es gar keine Kreise von kreativ widerständigen Menschen mit Willen zum Erfolg mehr gibt. Der Wille zum Erfolg ist komplett abgewandert in Firmen, Parteien, NGOs und Bewegungs¬agenturen, die all die Massen mit Fast Action (synonym zu Fast Food, meinetwegen auch "lnstant Action“ als Synonym zu Instant Kaffee) füttern und dafür ihre Mitgliederkarteien und Spendenkonten füllen. Ich habe viele Menschen kennengelernt, die etwas anderes wollten. Manche sind tatsächlich zum Spießer geworden und hängen jetzt in voller Oberzeugung in Hierarchien oder Parlamenten rum. Viele aber hielten diesen fehlenden Willen zu guter Aktion und Organisierung nicht mehr aus und sind dahin gegangen, wo zwar die Inhalte scheiße sind, aber das wenigstens gelingt. Ich bin einer der wenigen Übriggebliebenen und möchte gern mal wieder in einer größeren Zahl von Menschen untergehen, die sich selbst entfalten, Eigenartigkeit zeigen und den Willen entwickeln, sich selbst und erfolgreiche Aktionen zu organisieren.

    2. Für eine schlagkräftigere, emanzipatorische Politik
    Wenn politische Initiative außerhalb von Apparaten und Lohnarbeit immer nur eine Sache von ein oder zwei ziemlich chaotischen Jahren ist, bevor die AkteurInnen mangels entwickelter Alternative dann in die vorgegebenen Kanäle zurückgehen oder meistens eher fallen. Wer sich etwas Know How sammelt und wenigstens etwas weitermachen will, wechselt in die Apparate. Übrig bleiben unabhängige Zusammenhänge, in denen vor allem Desorganisierung und mangelnder Wille fehlt. Nur ab und zu zeigt sich, dass es anders ginge, bei ganz konkreten Aktionen, die oft bemerkenswert gut klappen. Aber das sind immer Strohfeuer. Der fehlende Wille, das strategisch anzugehen, also nicht nur in einer kurzfristigen, oft gehetzten Einzelaktion, ist auch hier sichtbar. Die praktische Aktivität ist eine chaotische, unzusammenhängende und Mensch plus Ressourcen auffressende Jagd nach Einzelhypes. Der ständige Verlust von Menschen bedeutet, dass unabhängige Bewegung ständig auf den Stand Null zurückgeworfen wird und so gut wie über keine Erfahrung in Selbstorganisierung besteht. Fast alle nutzbaren Ressourcen werden von den wenigen Älteren aufrechterhalten. Das ist für mich auch ein bemerkenswerter Widerspruch zu meiner eigenen Biografie. Als ich in den 80er Jahren mit überregionalen Aktivitäten begann, haben wir Ältere systematisch rausgedrängt. Wir wollten es selbst machen. Und haben es selbst gemacht.

    3. Für "Euch" (gemeint: die vielen Anderen, die immer wieder an die Normalgesellschaft verloren gehen) Ich würde mir wünschen, wenn mehr dabeibleiben. Und zwar nicht aus verbissenem Entschluss das klappt sowieso nicht. Sondern deshalb, weil selbstorganisierter Alltag und Widerstand die bessere Variante ist, mehr Freiheit, mehr Handlungsmöglichkeiten bietet aber eben nur, wenn wir auch den Willen dazu entwickeln, statt uns treiben zu lassen, ein paar Monate auf besetzen Feldern oder in Projektwerkstätten, dann in der Normalität des Kapitalismus. Letztendlich ist selbstorganisierten Leben nämlich kräftesparend durchschnittlich jedenfalls. Die Kreativzentren im Kopf, das reflektierende Bewusstsein, der Wille und die Aufmerksamkeit, aus den Situationen was zu machen, sind mehr belastet. Dafür sparen wir uns den täglichen Ganz zu Uni, Arbeit, Arbeitsamt, Supermarkt und vieles mehr.

    Es ist eine Frage des Willens der Einzelnen.

    Ich jedenfalls kann und will nicht mehr in der Atmosphäre der letzten Jahre weitermachen. Mir machen Begegnungen mit Menschen nur noch Angst, weil ich weiß: Jede Aktion macht den immer gleichen Menschen vorher, dabei und vor allem nachher viiiiiel Arbeit. Die meisten Gesichter, die ich sehe, brauche ich mir nicht merken. Bei Kooperationen mache ich das, was andere zugesagt haben, am besten gleich mit. Denn ich will nicht immer verlieren.
    Ich möchte in der Projektwerkstatt Saasen endlich mit Menschen was zusammen machen, die auch den Willen haben, dass es gelingt. Das ist kein Zwang, sondern ein Wille. Wenn mal was schief geht das passiert. Aber es ist dann nicht egal. Ich ärgere mich, wenn was schief geht egal ob ich es versemmele oder andere. Den meisten anderen scheint es egal. Mit solchen Menschen will ich nicht mehr kooperieren.

    Ich möchte in Projekten, auf jeden Fall in den neu vorgeschlagenen wie dem LaienverteidigerInnen Netzwerk, der Akademie für intellektuelle Selbstverteidigung oder was auch immer, mit Menschen kooperieren, die etwas wollen. Die sich ärgern, wenn etwas nicht klappt (und dann was Neues probieren).

    Ich will nicht mehr, dass das Netzwerk FreiRäume eine Ansammlung gescheiterter Häuser ist, in denen irgendwelche Menschen die Reste an Substanz vernutzen ohne jeglichen Willen, irgendwas zu machen aus dem, was da ist (verbalradikal sind sie natürlich die Top Häuslebauerlnnen ... manche schon seit Jahren ... die Praxis ist aber eher, dass es schon zu anstrengend ist für den unbenutzten Kopf, das Fenster bei Frost oder Regen zu schließen, das Werkzeug wegzuräumen oder die Schornsteinfegerrechnung zu bezahlen).

    Ich wünsche mir eine Atmosphäre, in der ein Wille zum Erfolg vorherrscht eben nicht als dauernder Druck, sondern als Wille für das, was jeweils überlegt und gemacht wird. Ich habe in der Vergangenheit viele Leute schlechter werden gesehen. Sie kommen in diese absurde Atmosphäre von Gleichgültigkeit, Abhängen, Schmusen und gegenseitigem Bejammern der schlechten Situation (mit ausgleichendem Streicheln, Kiffen, Steinewerfen oder Vögeln) Anfangs ist mitunter noch ein bisschen Wille da, vielleicht auch nur aus Relikt aus den Zeiten, wo fremdbestimmt Leistung gezeigt werden musste. Manche Aktionen, z.B. Besetzungen, fangen auch mit etwas Elan an. Aber Aktionen und auch die Menschen selbst lassen ständig nach. Es ist völlig klar, dass nur der Sprung in die Normalität sie irgendwann vor dem völligen Ende rettet.

    Willensstärke ist nicht Leistungsgesellschaft oder ständiger Druck. Eher im Gegenteil: Wenn es mein Wille ist, möglichst wenig Zeit für meine materielle Reproduktion zu verbrauchen (und das ist so), dann werde ich Wege suchen, die bei weniger Leistung zu einem besseren Ergebnis führen. Das wäre Effizienz in der Selbstorganisierung. Aber die ist nicht das einzige Kriterium. Ohne Willensstärke entsteht hingegen auf Dauer der Druck zu Leistung, weil diese Gesellschaft keine Hängematten aufstellt. Die muss mensch sich schon selbst hinhängen symbolisch gesprochen. Und nicht, weil es irgendwie cool ist Lind dort auch Kuschel oder BettpartnerInnen zu finden sind, in schein alternativen Strukturen suchen.

    Willenstärke führt auch nicht automatisch zu Elitebildung. Das ist nur dann der Fall, wenn die Willensstarken einen Überbau bilden, der die Willensschwachen in genau dieser Rolle braucht, weil er es nur auf deren Geld und Statistenrolle absieht. Das ist ja die übliche Logik politischer Bewegung im Moment. Willensstärker vieler Menschen würde das Gegenteil bedeuten. Wenn viele den Erfolg wollen, sich dafür Know How aneignen und dieses, weil es die Erfolgswahrscheinlichkeit stärkt, auch weitergeben, dann wäre das der gegenteilige Prozess zur Elitebildung. Wer Elite sein will, ist bei Grünen, ausgestrahlt, bürgerlichen Medien, in NGO Apparaten, Campact oder anderen Stellen auch besser aufgehoben.

    Kontakt: Jörg Bergstedt
    Bis 22.3.2011 c/o JVA, Gutfleischstr. 6, 3,5390 Gießen

    *Das "Wir' ist hier nicht als kollektive Identität gemeint die gibt es auch nicht. Das beweist ja schon dieser Text, der eine deutliche Distanzierung von ansonsten weit verbreiteten Orientierungen ist. Durch "mensch" wollte ich es aber auch nicht ersetzen, weil schon in einer unscharfen Grenzziehung eine konkrete Menge Menschen gemeint ist, nämlich die, die mit eigenen Ideen und aus eigener Kraft etwas verändern wollen an dieser Welt und dabei auf die Hilfe von hochsubventionierten Labels, Hauptamtlichenapparate, formale Hierarchien und vorgekaute Großaktionen verzichten.

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