Fiese Tricks von Polizei und Jostiz

MUTATIONEN EINER GEDICHTELESUNG
DIE (LÜGEN-)GESCHICHTE DES 9.12.2003

Das Geschehen rund um den 9.12.


1. Intro: Einordnung des 9.12. und Bedeutung des Falles
2. Das Geschehen rund um den 9.12.
3. Beschwerden, Anzeigen, Einstellungen und neue Lügen
4. Fazit
5. Links

Die Tage davor: Sicherheitswahn und kreative Aktionen
Am 15.12.2003 fand ein umfangreicher Prozess gegen zwei Aktive aus dem Umfeld der Projektwerkstatt Saasen statt - die Vorwürfe umfassten Sachbeschädigung (veränderte Wahlplakate, Graffiti auf der Gallushalle Grünberg vor Besuch des CDU-Ministerpräsidenten Koch), Hausfriedensbruch bis hin zu Körperverletzung. Schon weit im Vorfeld sorgte die Polizei mit absurden Sicherheitsvorkehrungen um den Gerichtskomplex für Aufsehen - Tag und Nacht wurden die Gebäude von Streifenwagen und zivilen Kräften bewacht. Trotz der immensen Sicherheitsvorkehrungen wurden die Gerichtsgebäude in der Nacht zum 3.12. großflächig mit Farbe und politischen Parolen gegen Strafe und Justiz versehen.

Am 4.12. wurde die Projektwerkstatt in Saasen von der Polizei durchsucht. Am gleichen Tag veranstalte die "Initiative Sicheres Giessen" vor der Staatsanwaltschaft eine als Überidentifikation (d.h. so übertrieben mit den Organen des Staates solidarisieren, dass dies ins Gegenteil umschlägt) angelegte Lichterkette, bei der satirische Lieder über Recht, Gerichte und die dahinter stehende Ordnung gesungen wurden. Diese Performance war im Internet und über Flugblätter angekündigt worden und wurde von zivilen und normalen Einsatzkräften der Polizei überwacht. Dabei gab es weder Zwischenfälle, Personalienkontrollen oder Eingriffe seitens der Polizei. Die "Kunst-Performance" verlief friedlich und ohne Zwischenfälle. Die beteiligten Personen zogen ohne jegliche Einwirkung der Polizei davon.

Dieser Vorgang ist von daher interessant, weil die Machart zur Gedichtelesung am 9.12. sehr ähnlich ist -verwiesen sei auf die Herstellung der Öffentlichkeit im Vorfeld (Flugblätter, Werbung im Internet) sowie künstlerische Darbietungen. Der Polizei war also bekannt, wie solche "Kunst-Performances" ablaufen und welche Wirkung sich die Urheber davon versprechen. Vor diesem Hintergrund bleibt unverständlich, warum die Polizei bei gleichen Voraussetzungen nur wenige Tage gänzlich anders handelt ... womit wir bei der Gedichtelesung angekommen wären.

Eine Gedichtelesung endet mit Gewahrsam
Für den 9.12.03 wurde im Internet eine offene Lesung auf dem Gerichtsgelände an der Ostanlage angekündigt. Gegen 22 Uhr fanden sich am Eingangsbereich der Staatsanwaltschaft (der hellste Punkt des Geländes, der für eine Lesung überhaupt geeignet war) etwa 8-9 Personen ein, weitere kamen später hinzu. Die Personen setzten sich dort zusammen auf den Boden und begannen mit der Lesung. Bereits nach wenigen Minuten wurde die Veranstaltung von ZivilpolizistInnen angesprochen und die Herausgabe der Personalien angeordnet. Da die Gruppe darauf vorerst nicht reagierte und mit der Lesung fort fuhr, forderte die Beamten in zivil Verstärkung an. In kurzer Zeit umstellten mehrere Einsatzfahrzeuge und eine Reihe PolizistInnen die Gruppe. Nach und nach wurden die Personalien aufgenommen und sämtliche Personen körperlich durchsucht - zwar mit deutlichen Protestäußerungen, aber ohne Gegenwehr oder Widerstand. Gefährliche Gegenstände wurden dabei nicht gefunden - mit Ausnahme von Zetteln, auf denen Gedichte geschrieben standen ...

Ein Polizeibeamter hatte gegenüber einem Betroffenen ausgesagt, dass alle Personen einen Platzverweis erteilt bekommen würden. Nach Abschluss der Personenkontrollen und Durchsuchungen kam es aber noch viel dicker: 12 Personen wurden für 18 Stunden in Gewahrsam genommen (Foto: Im Flur vor den Haftzellen). Eine Begründung dafür erfolgt nicht. Während des Gewahrsams konnte nur aufgrund des massiven Drucks der LesungsteilnehmerInnen Telefongespräche und Getränke durchgesetzt werden. Bekannt ist inzwischen, dass EKHK Puff (der damalige Chef des Staatsschutz Giessen) beim Amtsgericht Giessen eine Verlängerung des Gewahrsams beantragte mit dem klaren Ziel, die betroffenen Personen bis zum Prozess wegsperren zu können - jedoch ohne Erfolg. Am Mittwoch gegen 17 Uhr wurden die 12 Personen wieder frei gelassen - obwohl der Beschluss des Amtsgerichts bereits gegen Mittag vorlag, wie eine telefonische Auskunft seitens des Amtsgerichts ergab.

Der Anfang der Lügenstory - die Pressemeldung der Polizei
Während die Betroffenen im Zellentrakt des Polizeipräsidium Mittelhessen in der Ferniestrasse 8 sitzen, gibt die Polizei eine Pressemitteilung heraus, die auch ins Internet eingestellt wurde: "Am Dienstag, dem 09.12.03, gegen 22.15 Uhr, wurden 12 Aktivisten am Eingang des Gebäudes der Staatsanwaltschaft Gießen in der Marburger Straße angetroffen. Diese Gruppe hatte offensichtlich die Absicht, Farbschmierereien zu begehen, da entsprechende Utensilien mitgeführt wurden." Bei den Durchsuchungen wurde tatsächlich außer Zetteln mit Gedichten keine Gegenstände (Spraydosen, Farbe usw.) aufgefunden, die für solche Aktionen geeignet wären - was die Polizei selbst in ihren Aktenvermerken bestätigt.

Den Gießener Zeitungen war das noch nicht genug - dort weiß mensch mehr als die Polizei: "Die Gruppe hatte offenbar die Absicht, Farbschmiereien zu begehen, Geräte dazu hatte sie dabei." (Gießener Anzeiger, 11. Dezember 2004, S.9). Noch genauere Informationen müssen Bernd Altmeppen vorgelegen haben: "Bei unterschiedlichen Personen fanden sich Farben und andere Utensilien." (Gießener Allgemeine, 11. Dezember 2004, S. 23, Autor: Bernd Altmeppen). Welche "Geräte" für Farbanschläge die AutorInnen des Giessener Anzeigers gemeint haben könnten, wird wohl ungeklärt bleiben. Der Text der Giessener Allgemeinen verbreitet sogar eindeutige Lügen (Farben sind nach Angaben der Polizei nie gefunden worden). Der für den Artikel verantwortliche Bernd Altmeppen tritt an dieser Stelle nicht zum ersten Mal in Erscheinung und ist bekannt für eine offen diffamierende Berichterstattung über Protestgruppen. Beiden Zeitungen lag eine Gegendarstellung vor - aber statt überhaupt zu recherchieren oder Betroffene zu fragen, werden Angaben der Polizei nicht nur übernommen, sondern um zusätzliche Lügen "bereichert". Auch in den nächsten Tagen findet sich in beiden Zeitungen keine Richtig- oder Gegendarstellung.

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