Fiese Tricks von Polizei und Jostiz

AUFERSTANDEN AUS VERTUSCHUNGEN: ZUFÄLLE FÜHREN ZUM SKANDAL

Die Folge: Bouffier & Co. eiern herum


1. Reaktionen bei Behörden, Parteien, justizkritischen und politischen Gruppen
2. Kooperationsanfragen an justizkritische und Antirepressionsgruppen
3. Eingaben an Behörden und Parteien
4. Reaktion und Nicht-Reaktion in den Medien
5. Als plötzlich das Interesse wieder erwachte ...
6. Die Folge: Bouffier & Co. eiern herum
7. Justiz tut, was sie soll - sie schützt die Mächtigen
8. Links und Infos zum Thema

Nun tauchte ein Schreiben von Bouffier auf - eine Antwort auf die Anfrage eines Grünenpolitikers. Grundaussage von Bouffier: Ich weiß von nichts. Soso. Die Blackouts und Gedächtnislücken haben in der CDU ja Tradition. Außerdem behauptete Bouffier, zu dem Vorgang schon mal Aussagen gemacht zu haben. Das stimmte aber nicht - vielmehr kam er bei der Fülle illegaler Festnahmen ein bisschen durcheinander und verwechselte die Sache des 14.5.2006 mit einer Festnahme Anfang Januar 2003.


Aus der Seite 1 des Schreibens

Peinlich war sein Schreiben für Staatsanwaltschaft und Polizei. Denn er schrieb auf Seite 2, dass es offenbar nie Ermittlungen gegeben habe - er als Beschuldigter hätte es wohl mitkriegen müssen ...


Damit aber bestätigte er genau, was der Betroffene Justiz und Polizei immer vorwarf - nämlich, dass sie gar nicht ermittelten. Wenn der Beschuldigte noch nicht einmal etwas davon bekommen hat, hat es wohl kein Ermittlungsverfahren gegeben ...

FR am 27.8.2010 zu den Gedächtnislücken von Bouffier sowie ein Kommentar im Wortlaut:
"Eine gravierende Panne bei der Polizei bringt einen Mann zu Unrecht in den Knast. Wer für die Freiheitsberaubung strafrechtlich verantwortlich ist, kann die Justiz nach langen Ermittlungen nicht aufklären. Die politische Verantwortung jedoch liegt auf der Hand: Chef der Polizei ist Innenminister Volker Bouffier. Das ist jener Mann, der sich heute leider nicht mehr an die Umstände der Freiheitsberaubung erinnern kann. Am Dienstag will er zum Ministerpräsidenten gewählt werden. CDU und FDP zeigen keinerlei Interesse daran, dass das Unrecht aufgeklärt wird. Sie verweisen darauf, dass man den zu Unrecht inhaftierten Aktivisten mit Vorsicht genießen müsse, da er selbst in der Auseinandersetzung mit Politik und Polizei nicht vor Straftaten zurückschrecke. Doch nur umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wer verhindern will, dass Menschen Vertrauen in parlamentarische Politik und die Sicherheitsbehörden verlieren, muss solches Unrecht verhindern. Wenn es trotzdem geschieht, muss alles zur Aufklärung getan werden. Die hessischen Regierungsparteien tun jedoch genau das Gegenteil."

Im Oktober 2010 fragte die SPD im Landtag nach, was es denn nun mit dem Ganzen auf sich habe. Im Dezember beschwerte sie sich, warum es keine Antwort gäbe

Der Bericht in der Gießener Allgemeinen am 28.12.2010 mit einer Kurzzusammenfassung der damaligen Abläufe und einem Zitat des Gießener FDP-Abgeordneten Greilich, der offenbar findet, dass selbst sein kläglicher Rechtsstaat nicht allen zustehen soll ...
Die unrechtmäßige Verhaftung des Reiskirchener Politaktivisten Jörg Bergstedt im Sommer 2006 in Gießen beschäftigt den Landtag. Nach Mitteilung der SPD-Landtagsabgeordneten Nancy Faeser gibt es seit Anfang Oktober einen Berichtsantrag ihrer Fraktion in der Angelegenheit, der noch nicht beantwortet worden ist. Faeser kritisiert das "zögerliche Vorgehen" des Innenministeriums bei der Aufklärung der Hintergründe der damaligen Polizeiaktion.
Rückblende: Der Gründer der Saasener Projektwerkstatt war in der Nacht des 14. Mai 2006 festgenommen worden, als er sich radelnd auf dem Heimweg von Gießen nach Saasen befand. Die Polizei machte ihn verantwortlich für Schmierereien an einem Wohnhaus und eine Sachbeschädigung der CDU-Kreisgeschäftsstelle im Spenerweg. Und weil man ihm unterstellte, er werde weitere Straftaten begehen, blieb er vier Tage im Vorbeugegewahrsam. Später kam heraus: Bergstedt konnte es nicht gewesen sein, denn der selbsternannte Berufsrevolutionär spielte zeitgleich mit einem Gesinnungsgenossen Federball vor dem Landgericht an der Ostanlage und radelte im Anschluss Richtung Saasen davon. Lückenlos dokumentiert wurden die Schritte der "Spaßguerilla" in dieser Nacht, weil ein Mobiles Einsatzkommando der Polizei, das sich ansonsten eher um Schwerverbrecher wie Geiselnehmer kümmert, Bergstedt und Co. observierte. Gegen seine Ingewahrsamnahme, die das Gießener Landgericht wenige Tage später bestätigte, legte Bergstedt beim Oberlandesgericht Frankfurt Beschwerde ein - und hatte Erfolg. Der Beschluss des OLG, die Inhaftierung für rechtswidrig zu erklären, sorgte im Juni 2007 für Aufsehen, weil das OLG - unter Bezugnahme auf die Praxis im Dritten Reich - vor einer missbräuchlichen Anwendung des im hessischen Polizeigesetzes verankerten Unterbindungsgewahrsams in Richtung einer Schutzhaft warnte.
Der Fall blieb überregional lange Zeit unbeachtet. Erst Ende August dieses Jahres, nachdem die "Frankfurter Rundschau" (FR) unmittelbar im Vorfeld der Wahl von Innenminister Volker Bouffier (CDU) zum Ministerpräsidenten ganzseitig unter der Überschrift "Feinde fürs Leben" eine Männerfeindschaft zwischen dem Minister aus Gießen und dem Politaktivisten aus Saasen zeichnete und dabei von einem "erstaunlich wenig beachteten Skandal" schrieb, wurde die Opposition im Landtag hellhörig; zumal der Bericht den Eindruck erweckte, Bouffier könnte direkt Einfluss auf den Polizeieinsatz in jener Sommernacht des Jahres 2006 genommen haben.
Der Innenausschusses des Landtags befasste sich dann wegen der FR-Berichterstattung am 26. August mit dem Fall des "Herrn B.", als der Grünen-Abgeordnete Jürgen Frömmrich vom damaligen Staatssekretär Boris Rhein und dem damaligen Landespolizeipräsidenten Norbert Nedela Informationen begehrte.
Seinerzeit warnte der Gießener FDP-Landtagsabgeordnete Wolfgang Greilich die Opposition vor einer Parteinahme für Bergstedt. Greilich sagte laut Protokoll: "Ich empfehle ganz kollegial starke Zurückhaltung bei der Befassung mit diesem Fall des Herrn B., der jetzt ganz nebenbei - damit hatte der Innenminister offenkundig überhaupt nichts zu tun, er war noch nicht einmal in der Nähe -, rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, weil er schwere Sachbeschädigung vorgenommen hatte. Ich empfehle Zurückhaltung mit dem Fall. Irgendwann fällt das auf den zurück, der meint, er müsse solche Themen nach oben bringen."
Frömmrich entgegnete, er wisse die Person und dessen Umfeld sehr wohl einzuordnen, aber es gehe darum, dass auch in solchen Fällen "nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten gehandelt werden muss". Jemand zu Unrecht vier Tage einzusperren, sei schließlich "keine Petitesse". In ihrer Presseerklärung vom vergangenen Donnerstag spricht die SPD-Abgeordnete Faeser von einem "prekären Sachverhalt" und fordert umgehend eine "umfassende Aufklärung" durch den neuen Innenminister Rhein. Faeser: "Im Interesse der Polizei muss alles unternommen werden, den Eindruck zu verhindern, dass die Ursachen für offenkundig rechtswidriges Verhalten in der Polizei verschleiert oder nicht aufgeklärt werden." Denn bis heute habe das Polizeipräsidium Mittelhessen nicht erklären können, wie es zu der Ingewahrsamnahme habe kommen können, obwohl die Polizei selbst habe wissen müssen, dass der Festgenommene die ihm zur Last gelegten Taten nicht begangen haben konnte.


Dann endlich - am 28. Januar 2011 geschrieben - folgte die Antwort aus dem, inzwischen von Boris Rhein geleiteten, Innenministerium. Doch die fiel dürftig aus. Wurde hier gemauert?
Bericht in der Frankfurter Rundschau am 19.2.2011 (Seite Hessen 1)

Rechtsbruch ohne Schuldigen
Vor fünf Jahren wurde ein linker Politaktivist rechtswidrig vier Tage lang in Gewahrsam genommen. Innenminister Boris Rhein kann den illegalen Freiheitsentzug nicht erklären, die SPD ist „fassungslos“.
Fast fünf Jahre nach dem rechtswidrigen Freiheitsentzug für einen linken Politaktivisten aus der Nähe von Gießen ist die Landesregierung immer noch nicht in der Lage zu erklären, wie es dazu kommen konnte. Es bestünden jedenfalls „keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung und damit eines Dienstvergehens“ bei der Polizei, antwortete Innenminister Boris Rhein (CDU) jetzt auf eine Anfrage der SPD.
Der Anarchist Jörg Bergstedt, der politische Kampagnen gegen Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) organisiert hat, war im Mai 2006 für vier Tage in Gewahrsam genommen worden. Er wurde verdächtigt, Sachbeschädigungen in der Nähe von Bouffiers Wohnhaus und an der Gießener CDU-Geschäftsstelle begangen zu haben. Die Polizei observierte ihn jedoch beim Federballspiel, während die Taten verübt wurden. Er konnte daher nicht der Täter sein. Das stellte später auch das Oberlandesgericht Frankfurt fest, das den Freiheitsentzug für rechtswidrig erklärte.
In der vorigen Instanz allerdings hatten die Behörden dem Gericht die Tatsache vorenthalten, dass Bergstedt zur Tatzeit observiert worden war. Dieses Versäumnis erklärt Minister Rhein nun mit „ablauforganisatorischen Mängeln“. Welche das gewesen sein sollen, erläutert er nicht. Ohnehin handele es sich nur um eine „vorläufige Bewertung“, da viele Akten noch bei der Staatsanwaltschaft seien. Auch die Justiz hatte keinen Schuldigen ermittelt und die Verfahren eingestellt. Da noch über Beschwerden Bergstedts gegen die Einstellung zu entscheiden sei, lägen aber auch die Akten noch bei der Staatsanwaltschaft, hieß es in Rheins Antwort.

Schleppende Bearbeitung
Bemerkenswert war die Rolle des Polizeipräsidenten von Mittelhessen, Manfred Schweizer, wie aus dem Text hervorgeht. Der Polizeichef habe die Observation des Verdächtigen angeordnet und sei schon am Morgen des 14. Mai 2006, an dem Bergstedt festgenommen wurde, über deren Ergebnisse unterrichtet worden.
Dies legt nahe, dass Schweizer von Bergstedts Federballspiel wusste – und davon, dass dieser nicht der Täter sein konnte. Zugleich sei Schweizer „über die Entscheidung der Ingewahrsamnahme“ des Aktivisten informiert worden, schreibt der Minister weiter.
Warum der Polizeipräsident den Freiheitsentzug dann nicht verhinderte, klärt Rhein nicht auf. Dennoch stellt er fest: „Da den beteiligten Beamten des Polizeipräsidiums Mittelhessen nach derzeitigem Stand kein Vorwurf gemacht werden konnte, gab es keinen Anlass zu personellen Konsequenzen.“
Für seine Antwort nahm sich das Ministerium gut zwei Monate mehr Zeit als vorgesehen sind. Erst nachdem die SPD-Innenpolitikerin Nancy Faeser in einem Brief an Rhein ihre „Verwunderung“ über die schleppende Bearbeitung ausgedrückt hatte, kam nun Post vom Minister.
Sozialdemokratin Faeser kommentierte, die Antwort mache sie fassungslos. „Statt hier Verantwortlichkeiten aufzugreifen und Konsequenzen zu ziehen, weicht der Innenminister aus, und scheut offenbar den Konflikt mit dem mittelhessischen Polizeipräsidenten oder dem Ministerpräsidenten Bouffier, der Polizeipräsident Manfred Schweizer 2005 ins Amt brachte“, kritisierte Faeser. Mit Rechtsstaatlichkeit habe ein solches Vorgehen nichts zu tun.


Foto:
Der Aktivist
Jörg Bergstedt (46) saß 2006 für vier Tage zu Unrecht in Gewahrsam. Der Betreiber der alternativen Projektwerkstaat im mittelhessischen Reiskirchen hat sich immer wieder mit Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) angelegt, der 2006 Innenminister war.
Wegen der Zerstörung eines Gentechnik-Feldes verbüßt Bergstedt derzeit eine sechsmonatige Haftstrafe. In dieser Zeit hat er sein Buch „Monsanto auf Deutsch“ fertiggestellt. pit


Kommentar zu dem Vorgang von Pitt von Bebenburg:
Rhein schützt Bouffier
Der Fall Bergstedt stinkt zum Himmel – und der heutige Ministerpräsident Volker Bouffier trägt dafür die politische Verantwortung.

Aufklärung sieht wahrlich anders aus als das, was Innenminister Boris Rhein nach monatelangem Nachdenken zum Fall Bergstedt zuwege gebracht hat. Es scheint ihn nicht zu bekümmern, dass da ein Mann unschuldig vier Tage hinter Gittern gesessen hat, obwohl die Polizei wusste, dass er unschuldig war. Der Fall stinkt auch deswegen zum Himmel, weil die Polizei dem Gericht die entscheidende Information vorenthielt, dass Politaktivist Bergstedt während der Tatzeit an einem ganz anderen Ort observiert worden war.
Die politische Verantwortung liegt beim damaligen Innenminister und heutigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier. Jahrelang hat sich niemand die Mühe gemacht, den Skandal aufzuklären. Schließlich ist keine Partei gut auf den Systemgegner Bergstedt zu sprechen. Doch Grundrechte gelten auch für politisch unbequeme Menschen, selbst für solche, die zuweilen bewusst gegen Gesetze verstoßen.
Die Landesregierung weiß, wie die Aufklärung eigener Versäumnisse funktioniert. Vor wenigen Monaten hat sie es gezeigt, als es um illegale Vergabepraktiken der alten Koch-Regierung ging. Doch Koch und Finanzminister Weimar sind abgetreten, Bouffier ist noch da. Das dürfte der wahre Grund sein, weshalb Rhein sich um die notwendige Aufklärung drückt.


Nun schrieb auch wieder die lokale Presse, zumindest eine der beiden Tageszeitungen (im HR herrscht Sendeverbot zu den Vorgängen).

Im Original: Lokalpresse in Gießen
Text in der Gießener Allgemeine zu dem Vorgang (23.2.2011):
Innenminister spricht von "ablauforganisatorischen Mängeln"

Gießen (mö). Im Fall der unrechtmäßigen Verhaftung und viertägigen Ingewahrsamnahme des Saasener Politaktivisten Jörg Bergstedt im Mai 2006 in Gießen gibt es neue Erkenntnisse.
Wie der Hessische Innenminister Boris Rhein (CDU) jetzt auf Anfrage der SPD-Landtagsabgeordneten Nancy Faeser mitteilt, wusste am Morgen nach der Festnahme Bergstedts neben dem damaligen Leiter der Abteilung Einsatz auch Polizeipräsident Manfred Schweizer, dass Bergstedt die ihm zur Last gelegten Taten gar nicht begangen haben konnte, weil er in der vorherigen Nacht von einer Spezialeinheit der Polizei observiert worden war. Der Umstand, dass Bergstedt damit ein wasserdichtes Alibi hatte, hielt die Polizei nicht davon ab, den Gründer der Saasener Projektwerkstatt für vier Tage in einen sogenannten Unterbindungsgewahrsam zu nehmen. Über die Inhaftierung war der Polizeipräsident laut Rhein informiert worden.
Rückblende: Bergstedt war in der Nacht des 14. Mai 2006 festgenommen worden, als er sich radelnd auf dem Heimweg von Gießen nach Saasen befand. Die Polizei machte ihn verantwortlich für Schmierereien an einem Wohnhaus und eine Sachbeschädigung der CDU-Kreisgeschäftsstelle im Spenerweg. Und weil man ihm unterstellte, er werde weitere Straftaten begehen, blieb er vier Tage im Vorbeugegewahrsam. Später kam heraus: Bergstedt konnte es nicht gewesen sein, denn der selbsternannte Berufsrevolutionär spielte zeitgleich mit einem Gesinnungsgenossen Federball vor dem Landgericht an der Ostanlage und radelte im Anschluss Richtung Saasen davon. Lückenlos dokumentiert wurden seine Schritte in dieser Nacht, weil ein Mobiles Einsatzkommando der Polizei, das sich ansonsten eher um Schwerverbrecher wie Geiselnehmer kümmert, Bergstedt und Co. observierte.
Gegen seine Ingewahrsamnahme, die das Gießener Landgericht wenige Tage später bestätigte, legte Bergstedt beim Oberlandesgericht Frankfurt Beschwerde ein - und hatte Erfolg. Der Beschluss des OLG, die Inhaftierung für rechtswidrig zu erklären, sorgte im Juni 2007 für Aufsehen, weil das OLG - unter Bezugnahme auf die Praxis im Dritten Reich - vor einer missbräuchlichen Anwendung des im hessischen Polizeigesetz verankerten Unterbindungsgewahrsams in Richtung einer Schutzhaft warnte.
Dass Bergstedt die ihm zur Last gelegten Taten gar nicht begangen haben konnte, weil er zeitgleich observiert worden war, wurde freilich erst im besagten Verfahren vor dem Oberlandesgericht bekannt, da weder dem Amtsgericht und danach dem Landgericht ein entsprechender Vermerk der Polizei vorgelegt worden war.
Auf die Frage Faesers, warum der Vermerk erst im Verfahren vor dem OLG auftauchte, antwortet Rhein nun: "Nach derzeitiger vorläufiger Bewertung beruhte die verspätete Vorlage des Observationsvermerks auf ablauforganisatorischen Mängeln. Eine endgültige Beantwortung dieser Frage ist allerdings erst nach Einsichtnahme in die Akten möglich."
Folgen wird der unrechtsmäßige Freiheitsentzug für die an dem Einsatz beteiligten Polizisten wohl nicht haben. Innenminister Rhein weiter: "Da den beteiligten Beamten des Polizeipräsidiums Mittelhessen nach derzeitigem Stand kein Vorwurf gemacht werden konnte, gab es keinen Anlass zu personellen Konsequenzen."
Die strafrechtliche Würdigung des Falls ist laut Rhein aber noch nicht endgültig abgeschlossen, da die Staatsanwaltschaft Wiesbaden noch Beschwerden Bergstedts gegen die Einstellung von Ermittlungsverfahren prüft. Die Anklagebehörde in der Landeshauptstadt hatte fast 30 Strafanzeigen wegen Freiheitsberaubung gegen die eingesetzten Polizisten und den Haftrichter des Gießener Amtsgerichts verworfen, die Bergstedt selbst gestellt hatte.


Und natürlich: Der Hetzer Guido Tamme, Chefredakteur Stadt Gießen bei der Gießener Allgemeine) muss den Vorgang kommentieren (am 26.2.2011 auf S. 26)
Aber auch die hiesigen Ordnungsbehörden tun sich gelegentlich schwer damit, Emotionen und Maßnahmen in Einklang zu bringen. Ihre Abneidung gegenüber dem selbsternannten Berufsrevolutionär, der Polizei und Justiz seit Jahren auf der Nase herumtanzt und derzeit im offenen Vollzug einsitzt, ist nur zu verständlich. Trotzdem hat natürlich auch ein solcher gesellschaftlicher Außenseiter einen Anspruch auf rechtsstaatlich einwandfreie Behandlung. Dagegn aber ist schon wiederholt verstoßen worden, die Nicht-Gießener Richter konstatieren mussten. Der bislang gravierendste Fall liegt zwar schon Jahre zurück, könnte aber immer noch zum Politikum in Wiesbaden werden: Die hiesige Polizei inhaftierte den Politaktivisten, weil sie ihn für Sachbeschädigungen verantwortlich machte. Tatsächlich hatte die Dauerbeobachung des Dauerverdächtigen durch auswärtige Polizisten belegt, dass der Verhaftete gar nicht der Täter gewesen sein konnte. Das erfuhr auch die hiesige Polizeiführung, die den Revolutionär dennoch mit Unterstützung der Justiz vier Tage lang grundlos schmoren ließ. Über die prompt erstatteten Strafanzeigen wegen Freiheitsberaubung durdch den juristisch versierten Betroffenen ist noch nicht endgültig entschieden worden.

Und noch einmal die FR:

Auszug aus "Mehr oder weniger Spitze", in: FR, 2.3.2011 (D6)
Auch der Fall des linken Aktivisten Jörg Bergstedt müsse vollständig aufgeklärt werden, forderte Faeser. Bergstedt war 2006 vier Tage lang in Gewahrsam genommen worden - obwohl er observiert worden war und die Polizei deshalb wusste, dass er Taten nicht begangen haben konnte, die ihm vorgeworfen wurden. Bis heute haben weder die Landesregierung noch die Staatsanwaltschaft berichtet, wer dafür die Verantwortung trug. Faeser sagte, eine solche "Freiheitsberaubung" durch staatliche Organe sei "in einem Rechtsstaat das Schlimmste". Sie werde nicht ruhen, bis dieser Fall aufgeklärt sei.


Dann eine weitere interessante Wendung: Die Polizei haut eine völlig neue Version raus - so wird es berichtet in der FR am 26.5.2011 (PDF)

Fall Jörg Bergstedt. Nach fünf Jahren eine neue Version
Die unrechtmäßige Festnahme von Jörg Bergstedt in Hessen gibt weiter Rätsel auf. Nun hat das hessische Innenministerium eine neue Version geliefert, wonach das Polizeipräsidium erst eine Woche nach der Festnahme vom Alibi des Umweltaktivisten erfahren hat.
Gut fünf Jahre nach dem unrechtmäßigen Freiheitsentzug gegen den Umweltaktivisten Jörg Bergstedt hat das hessische Innenministerium eine neue Version geliefert. Demnach erfuhr das Polizeipräsidium erst eine Woche nach der Festnahme, dass Bergstedt von Polizeikräften beobachtet worden war und daher die ihm vorgeworfenen Straftaten gar nicht begangen haben konnte.
Bergstedt war am 14. Mai 2006 nach Sachbeschädigungen nahe dem Wohnhaus des damaligen Innenministers Volker Bouffier (CDU) für vier Tage festgesetzt worden. Er war jedoch zur Tatzeit von Polizeikräften beim Federballspiel beobachtet worden.
Landespolizeipräsident Udo Münch sagte am Donnerstag im Innenausschuss des Hessischen Landtags auf eine Anfrage der SPD, das Polizeipräsidium habe „erst sechs oder sieben Tage später“ erfahren, dass Bergstedt gesehen worden sei. Erst dann hätten die „Objektschutzkräfte“ ihre Berichte über diese Nacht vorgelegt. Diese „Fremdkräfte aus der Bereitschaftspolizei“ hätten Bergstedt beobachtet und nicht, wie bisher angenommen, „Observationskräfte“. Am Morgen nach der Festnahme seien nur die „Observationskräfte“ befragt worden.
Unklar blieb aber weiterhin, warum Bergstedts Alibi den Gerichten vorenthalten wurde. Nach Münchs Angaben hatte die Polizei die Berichte der Objektschützer am 22. Mai erhalten und noch am gleichen Tag an die Staatsanwaltschaft weitergegeben.
Die Justiz konnte bisher in zahlreichen Ermittlungsverfahren keinen Schuldigen für die Freiheitsberaubung ausfindig machen. Keine Ermittlungen gab es allerdings nach Angaben von Innenminister Boris Rhein (CDU) und der Wiesbadener Staatsanwaltschaft gegen den mittelhessischen Polizeipräsidenten Manfred Schweizer.


Da stellten sich einige Fragen:
  • Wenn die Polizei Gießen das nicht wusste, warum gibt es dann Protokolle von Einsatzbesprechungen in den Akten, bei denen über die Observation berichtet wurde und die lokalen Einsatzgruppen angewiesen wurden, selbst nicht mehr zu kontrollieren?
  • In den Akten war zu lesen, dass die Einsatzzentrale über alle Beobachtungen informiert werden sollte. Wurde das missachtet, ohne dass es der Polizei selbst auffiel?
  • Warum erteilte die Einsatzzentrale um 1.26 Uhr den Befehl, nach den späteren FederballspielerInnen zu suchen, weil die Observationskräfte (wegen einer Metallschranke) die RadlerInnen verloren hatten? Diese Information können sie wohl nur von den Observationskräften selbst erhalten haben.
  • Nach den Aktenvermerken haben dreimal Fahrzeuge der Gießener Polizei selbst das Federballspiel beobachtet und ihre Beobachtungen an die Einsatzzentrale durchgegeben. Es ist in einem Vermerk einer Gießener Polizeistreife explizit von Federballspiel die Rede. Von dort erhielten sie jeweils den Auftrag, nicht weiter zu observieren, weil Observationsspezialkräfte vorhanden seien. Wieso konnte die Einsatzzentrale solche Einsatzbefehle geben, wenn sie von den Observationskräften nichts wusste?
  • Wieso stehen im Antrag auf Unterbindungsgewahrsam Observationsergebnisse? Und warum wurde Richter Gotthardt angewiesen, von der Observation nichts zu sagen?

Die gesamte Story der Landespolizei ist nichts als eine erneute komplette Lügenstory, um vergangene Lügengeschichten zu vertuschen. Erneut steht das Innenministerium direkt hinter diesem Versuch. Eine Aufklärung wird nur möglich sein, wenn der Verschleierung durch die kriminelle Vereinigung uniformierter, robentragender und Regierungsämter innehabender Kreise ein nachdrücklicher Aufklärungswille entgegengestellt wird. Die Betroffenen der Freiheitsberaubung von Mai 2006, illegaler Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen, übler Nachrede und politischer Verfolgung haben diese Arbeit bereits geleistet (siehe im Buch "Tatort Gutfleischstraße" und im Internet). Von Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten ist zu erwarten, dass sie sich gegenseitig decken. Unabhängige Institutionen gibt es in einem Staatssystem nicht. Es bedarf daher der Kontrolle und Einmischung von außen - in diesem und in vielen anderen Fällen.

Der neue Bericht des Innenministeriums an den Ausschuss vom 4.5.2011 ++ Stellungnahme eines Betroffenen dazu
Bericht "Fall Bergstedt: Keine Akten für die Richter" in der FR am 29.5.2011
Warum die hessischen Gerichte vom Alibi des grundlos eingesperrten Aktivisten Jörg Bergstedt nichts wussten.
Wiesbaden – Der Fall des linken Politaktivisten Jörg Bergstedt, der vor fünf Jahren rechtswidrig für vier Tage eingesperrt wurde, ist bis heute nicht aufgeklärt. Jetzt hat die Landesregierung erstmals eine Erklärung dafür abgegeben, warum den Gerichten entscheidende Akten vorenthalten wurden. Danach soll die für das Verfahren zuständige Verwaltungs-Abteilung im Gießener Polizeipräsidium nichts von den wichtigen Dokumenten gewusst haben, die nur die Staatsschutz-Sachbearbeiterin im eigenen Haus gekannt habe. Auch Polizeipräsident Manfred Schweizer sei nicht informiert gewesen, heißt es in der Antwort von Innenminister Boris Rhein (CDU) auf eine Anfrage der SPD im Landtag.
Der Anarchist Bergstedt aus der Nähe von Gießen hatte mit zahlreichen Aktionen gegen die Politik des damaligen Innenministers und heutigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) protestiert. Im Mai 2006 wurde er für vier Tage in „Unterbindungsgewahrsam“ festgesetzt, obwohl Polizeikräfte wussten, dass er die ihm vorgeworfenen Taten – Sachbeschädigungen an der CDU-Geschäftsstelle und in der Nähe von Bouffiers Haus in Gießen – nicht begangen haben konnte. Bergstedt war nämlich zur Tatzeit von Polizisten beim Federballspielen beobachtet worden.
In der vorigen Woche hatte Innenminister Boris Rhein (CDU) erklärt, dass der Bericht der Observation erst eine Woche später im Polizeipräsidium eingegangen sei, so dass man bei der Festnahme nichts davon wusste. Bergstedt klagte wegen der Freiheitsberaubung. Dabei wurden den Gerichten in erster und zweiter Instanz die Unterlagen über die Observierung aber ebenfalls vorenthalten. Erst das Oberlandesgericht Frankfurt erhielt sie, gab Bergstedt recht und stellte das Fehlen der entscheidenden Information in den vorigen Instanzen fest.
Minister Rhein lieferte auf Anfrage der SPD-Innenpolitikerin Nancy Faeser nun eine Begründung dafür. Danach hat in der Gießener Polizeibehörde die eine Hand nicht gewusst, was die andere tat. Dabei war die Zuständigkeit eigentlich geklärt. „Das Verfahren betreffend die Rechtmäßigkeit der Inverwahrungsnahme von Herrn B. wurde in Abstimmung mit der Behördenleitung und der Abteilung Einsatz von der Abteilung Verwaltung, Hauptsachgebiet V 1 bzw. der zuständigen Juristin geführt“, teilte der Minister mit. Genau dieser Abteilung und dem Behördenleiter seien jedoch die „Einsatzvermerke“ mit den Beobachtungen über den federballspielenden Aktivisten „nicht bekannt“ gewesen.
Das Polizeipräsidium Mittelhessen habe zwar über sie verfügt, allerdings nur die „Sachbearbeiterin des ZK 10“, also der Staatsschutz-Inspektion. Sie habe die Dokumente an die Staatsanwaltschaft weitergegeben, aber offenbar nicht an die eigenen Kollegen. Die Frage, warum das Wissen der Staatsanwaltschaft in den Prozessen nicht bekannt wurde, wird vom Minister nicht geklärt.
Der betroffene Bergstedt nannte die neue Version der Regierung über den späten Eingang der Überwachungsprotokolle bei der Polizei „eine erneute komplette Lügenstory“. Die SPD-Abgeordnete Faeser kündigte an, sie werde der Sache nachgehen, bis sie endlich vollständig aufgeklärt sei.


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