Aktionsraum Gießen

BOLO'BOLO (AUSZÜGE)

sibi


1. Der grosse Kater
2. Die drei Grundbestandteile der Maschine
3. Drei Deals in Krise
4. Der A-Deal: enttäuscht vom Konsum
5. Der B-Deal: frustriert vom Sozialismus
6. Der C-Deal: genug von der Entwicklung des Elends
7. Der Bankrott der Realpolitik
8. Die Schattenwirklichkeit
9. Substruktion
10. Dysko
11. Triko ... und: bolo'bolo - Grundrisse für ein Projekt
12. Fahrplan
13. ibu
14. bolo
15. sila
16. taku
17. kana
18. nima
19. kodu
20. yalu
21. sibi
22. pali
23. sufu
24. gano
25. bete
26. nugo
27. pili
28. kene
29. tega
30. fudo
31. sumi
32. asa
33. buni
34. mafa
35. feno
36. sadi
37. fasi
38. yaka
39. Anmerkungen
40. Sechs Jahre bolo'bolo
41. Abfahrt

Im bolo verbinden sich Agrikultur (kodu) und Fabrikultur (sibi). Die ibus brauchen nicht nur Nahrung, sondern auch Gebäude, Wasser, Elektrizität, Brennstoffe, Werkzeuge und Maschinen (vor allem für die Landwirtschaft), Kleider, Möbel, Rohmaterialien, elektronische und andere Bauteile, Geräte aller Art, Fahrzeuge, Geschirr, Schmuck, Schallplatten, Filme, Strassen, Leitungsrohre usw.

Ein grosser Teil der heutigen industriellen und handwerklichen Produktion wird überflüssig werden: Autos, Rüstung, Strassenbau, elektronische Massenprodukte usw. Oder es wird davon dank anderer Nutzung viel weniger gebraucht (1 Kühltruhe, 1 Fernseher, 1 Waschmaschine, 1 Kleinbus, 1 Computer, 1 Bohrmaschine pro Haus oder pro bolo). Trotzdem ist es möglich, die bolos so gut auszurüsten, dass sie die meisten handwerklichen Arbeiten, den Gebäudeunterhalt, Reparaturen an Geräten, Möbeln, Kleidern, Wagen, Velos, Sanitäranlagen, selbst durchzuführen können. Ein bolo wird weniger Geräte brauchen und trotzdem viel selbständiger sein als ein heutiges Quartier oder gar ein Haushalt. Da niemand mehr ein Interesse an der Herstellung defekter oder sich schnell verschleissender Produkte haben wird, fallen weniger Reparaturen an. Dank einer solideren und einfacheren Konstruktion sind diese Reparaturen auch leichter durchzuführen und werden Defekte weniger einschneidende Folgen haben. Die Befähigung, handwerkliche Arbeiten selbst ausführen zu können (vor allem im Bereich Landwirtschaft und Energie), ist eine weitere Garantie für die Unabhängigkeit der bolos. Sie können kurzfristig kaum erpresst werden. Zudem verkleinert sich dadurch der zeitliche und energetische Aufwand: Elektriker oder Klempner brauchen nicht durch die halbe Stadt zu reisen und Pannen können schneller behoben werden. Ein bolo ist gerade gross genug, um diese bescheidene handwerkliche Spezialisierung möglich zu machen.

Der Hauptinhalt des sibi ist aber das Ausleben produktiver Leidenschaften, die zur Lebensweise oder kulturellen Eigenart eines bolo gehören. Es gibt dann vielleicht Maler-bolos, Schuhmacher-bolos, Gitarren-bolos, Photo-bolos, Leder-bolos, Farbenbolos, Parfüm-bolos, Elektronik-bolos, Automobil-bolos, Buch-bolos, Holzschnitt-bolos, Flugzeug-bolos, Marmor-bolos, Video-bolos usw. In gewissen bolos wird sibi weniger wichtig sein. Sie werden sich nicht spezialisieren und von allem ein bisschen tun. Andere bolos werden Produktion und Gebrauch von Dingen bewusst auf ein Minimum reduzieren (Tao-bolos). Ihre "Produkte" sind dann immateriell. Produktion ist keine Verpflichtung - etwas Landwirtschaft und Instandhaltung genügen. Da die Leute nicht für einen Markt arbeiten und nur in zweiter Linie für den Austausch, gibt es keine Unterscheidung zwischen Handwerk und Kunst, zwischen Job und Berufung, zwischen Arbeitszeit und Freizeit, zwischen Neigung und wirtschaftlicher Notwendigkeit (abgesehen eben von Landwirtschaft und Unterhaltsarbeiten). Selbstverständnlich werden diese typischen Produkte oder Dienstleistungen zwischen den bolos ausgetauscht werden, genau so wie landwirtschftliche Spezialitäten. Durch Geschenke, Tauschverträge oder über Nachbarschaftsdepots und Märkte werden sie zirkulieren, persönliche Beziehungen schaffen und verbessert werden.

Im Rahmen eines bolo, eines Quartiers oder einer Stadt werden Handwerker oder kleine Industriebetriebe in engem Kontakt mit den Benützern ihrer Produkte stehen. Umweltzerstörung, Lärm, schlechte Qualität oder Missachtung der Bedürfnisse der "Verbraucher" werden an der Wurzel verunmöglicht. Viele Produkte werden persönlichen Charakter haben, weil der Benützer den Hersteller kennt. Defekte Güter können zurückgebracht werden und es gibt eine Wechselwirkung zwischen Anwendung und Entwurf. Diese Verhältnisse werden eine neue Technologie hervorbringen, die vielfältiger und raffinierter ist als die heutigen Massenfertigungen, die keine Rücksicht auf lokale Gegebenheiten und besondere Bedürfnisse nehmen. Es wird mehr Prototypen nach Mass geben, weniger Abhängigkeit von grossen Systemen, von hohem Energieverbrauch, von Spezialisten. Daneben bleibt die Massenproduktion ausgewählter Güter, vor allem von Bauteilen, die für vielfältige Zwecke verwendet werden können, weiterhin eine Möglichkeit (z.B. Elektromotoren, Glühbirnen, Benzin, Baumaterial, Gummistiefel usw.)

Der Bereich handwerklicher und industrieller Produktion ist breiter und vielfältiger als die Landwirtschaft, da er weniger "natürlichen" Beschränkungen unterworfen ist. Das bedeutet, dass die bolos in dieser Beziehung mehr auf Austausch und Zusammenarbeit im grösseren Rahmen angewiesen sind. Wasser, Energie, Rohstoffe usw. müssen regional, eventuell sogar weltweit gewonnen und verteilt werden. Dies kann durch gemeinsame Unternehmungen geschehen, an die alle beteiligten Gemeinschaften Beiträge in Form von Arbeitskräften (kene) leisten. Dabei wird man darauf achten, möglichst in der Nähe von Rohstoffquellen zu produzieren und überhaupt so wenig Güter wie möglich zu verschieben. Durch Wiederverwertungskreisläufe wird der Rohstoffverbrauch niedrig gehalten und damit auch Arbeitsaufwand und Abhängigkeit. Es wird sich eine neue Technologie entwickeln, die darauf aus ist, örtlich verfügbare Materialien einzusetzen und die heutigen internationalen Standardprodukte zu ersetzen (Holz statt Stahl, Steine statt Beton, Lehm statt Blech, Glas statt Kunststoff usw.). Wo die industrielle Fertigung wirklich Vorteile bringt, kann dies in Quartier-, Bezirks- oder Regionalwerkstätten geschehen. Zusammenarbeit im Produktionsbereich ist auch darum sinnvoll (d.h. arbeitsfeindlich), weil viele Maschinen und Einrichtungen von einem bolo allein gar nicht ausgelastet bzw. unterhalten werden können. Warum soll jedes bolo eine eigene Getreidemühle, Baumaschinen, medizinische Labors, Lastwagen, haben? Fahrzeugund Maschinenpools ergeben sich so von selbst. Oder bestimmte Güter werden in Quartierwerkstätten für alle beteiligten bolos gemeinsam hergestellt (z.B. Brot, Stühle, Druckerzeugnisse, Fensterrahmen, Bier, Leder, Bretter). sibi bedeutet keineswegs, dass einfach zu alten Produktionsweisen zurückgekehrt wird, denn diese sind meist auch nur Vorstufen der heutigen, auf Herrschaft ausgerichteten Technologie. Es geht darum, aus traditionellen Methoden zu lernen, was es zu lernen gibt. Einige industrielle Technologien können wie sie sind benutzt werden, in stark reduziertem Massstab. Andere können mit wenigen Veränderungen "umgenutzt" werden. Daneben können neue Technologien entwickelt werden, die auf die bolo'bolo-Bedrüfnisse abgestimmt sind. Der "andere" technische Fortschritt, der von der Herrschaftstechnologie seit Jahrtausenden unterdrückt wurde, kann dann beginnen...


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