Wahlquark

FREISLERS ERBEN WÜTEN WEITER: TRADITIONSLINIEN DER POLITISCHEN JUSTIZ IN DEUTSCHLAND

Fazit


1. Die Politische Justiz in den aktuellen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen
2. Traditionslinien der Politischen Justiz
3. Sonderjustiz gegen "Terroristen"
4. "Anti-Terror-Kampf gegen die legale radikale Linke
5. Fazit
6. Literatur
7. Links

Die Revolution ist großartig, alles andere ist Quark.
Rosa Luxemburg

a.) Justiz gegen links und gegen rechts: Feindjustiz und Freundjustiz
Im politischen Strafprozeß geht es nicht um Wahrheitsfindung, sondern um die Vernichtung von Feinden und die Rehabilitierung von Freunden. Und der Feind des deutschen Richters steht immer links.

'Die stolze Geschichte der Richterschaft durchzogen stets die Treue zur Staatsführung und die Liebe, mit der man dem Staate diente", so der ehemalige Landgerichtspräsident Hubert Schorn 1959, der nur vergißt, daß diese Liebe und Treue dem Kaiserreich, dem Hitlerfaschismus und der BRD, nicht aber der Weimarer Republik galten. Und so gilt auch heute noch, daß Feinde des Staates vor den Gerichten nichts zu hoffen und Freunde nichts zu fürchten haben.

Zur Differenzierung gibt es die Konstruktion des 'subjektiven Täterwillens", den das Gericht nach eigenem Ermessen feststellt. Hiernach haben linke "Terroristen" immer 'Vie Tat als eigene gewollt" und sind deshalb als Täter lebenslänglich zu verurteilen, auch wenn sie selber nie geschossen haben. Demgegenüber haben die faschistischen Mörder "nicht mit eigenem Täterwillen" gehandelt, sondern wollten nur "in Erfüllung ihrer Pflicht tätig werden", wodurch sie nach Auffassung der Gerichte nur "Gehilfen" wären, und so, auch wenn sie mit eigener Hand gemordet haben, straffrei oder mit geringen Strafen wegkommen. Wie wir oben sahen, wurden dadurch sogar SS-Generale zu bloßen "Gehilfen".

Gegenüber Staatsfeinden gilt grundsätzlich eine Schuldvermutung. Der ganze Prozeß wird darauf ausgerichtet, eine Verurteilung herbeizuführen. Alle, die einen "linksterroristischen" Angeklagten nicht als Feind betrachten, werden als "Sympathisanten" diffamiert (inklusive deren VerteidigerInnen, wenn sie, wie es ihre strafprozessuale Pflicht ist, für die Angeklagten Partei nehmen.) Für den Fall, daß einzelne Gerichte nach Beweislage entscheiden und nicht nach dem Freund-Feind-Schema, gibt es ja noch den BGH, dessen fanatischer Kampf zur Vernichtung der nichtlegalen Linken und um die Rehabilitierung der faschistischen Mörder bisher jeden Versuch abgewehrt hat, in der BRD irgendwelche Mindeststandards von "Rechtsstaatlichkeit" durchzusetzen.

Bei Verfahren gegen rechte Terroristen werden die Organisationszusammenhänge systematisch ausgeblendet bzw. geleugnet, bestraft werden allenfalls die unmittelbaren Täter, nicht aber die Führungspersonen. Rechte sind immer "Einzeltäter", Linke handeln immer kollektiv. Im Jargon von Regierung und Justiz heißt "Terrorismus" immer Linksterrorismus", rechter Terror wird verharmlosend "Gewalt von rechts" genannt. Dementsprechend werden Nazis auch wesentlich seltener nach §129a verfolgt. Besonders groß ist der Unterschied in der Verfolgung des "Werbens für eine terroristische Vereinigung" (also von politischen Meinungsäußerungen): der Anteil der "Werbungen" an 129a-Verfolgungen beträgt bei Linken 60%, bei Faschos dagegen kaum mehr als 10%. D.h. im Gegensatz zum Befürworten systemoppositioneller Gewalt (Gegengewalt gegen die Gewalt der HERRsehenden) wird die Propagierung rechten Terrors kaum justiziell geahndet.

Eine Studie des Bundesiustizministeriums besagt, daß bei linken "Terroristen" wesentlich "häufiger Untersuchungshaft angeordnet und vollzogen (wird), die Dauer der U-Haft ist zudem deutlich länger als bei Verfahren mit rechtsextremistischem Bezug. Beachtliche Unterschiede fanden sich auch bei der Strafzumessung, gegen linksterroristische Straftäter wurden häufiger Freiheits- bzw. Jugendstrafen verhängt, die im Durchschnitt auch höher waren als bei Verurteilungen wegen Straftaten mit rechtsextremistischem Bezug. Ebenso wurde dort der Strafrahmen stärker ausgeschöpft." Das verlautbart - wohlgemerkt - das Bundesjustizministerium.

Massenverfolgungen und systematische Ausforschung wurde nie gegen rechts angewandt; Verfahren gegen Linke wegen "Terrorismus" waren in den 80er Jahren 25 mal so häufig wie ,gegen Rechte, bei ca. gleich vielen Straftaten und deutlich mehr Morden durch Rechte im gleichen Zeitraum.

Selbst nach dem mörderischen Brandanschlag von Mölln erklärte GBA von Stahl noch: 'Die Anschläge haben mit Rechtsterrorismus nichts zu tun. Die Anschläge sind spontane Aktionen von aufgeputschten, fehlgeleiteten Jugendlichen... " und "Überwiegend sind die Straftäter Jugendliche und Heranwachsende, die die Straftaten aus den verschiedensten Motiven heraus - Frust, Perspektivlosigkeit, auch Auflehnung gegen die Eltern - begehen. Das Rechtsextremistische und Neonazistische ist meiner Meinung nach in vielen Fällen nur symbolhaft aufgesetzt. "

Dementsprechend werden rechtsterroristische Gruppen auch nicht nach §129a verfolgt: z.b. entschied der BGH 1992, daß die mit Maschinenpistolen, Handgranaten und Sprengstoff hantierende "Werwolf-Jagdeinheit Senftenberg" keine terroristische Vereinigung sei und begründete das damit, daß der Bestand der Gruppe vom "Willen ihres Führers abhängig" sei; mit anderen Worten: weil militante Nazi-Gruppen streng hierarchisch organisiert sind, können sie keine terroristischen Vereinigungen sein. Genauso zynisch ist die Begründung im Fall der "Wehrsportgruppe Hoffmann", auf deren Konto mindestens der Bombenanschlag auf das Münchener Oktoberfest und ein Doppelmord gehen. Sie ist keine "terroristische Vereinigung", weil sie "ihren Sitz im Ausland" hat.

b.) Das Freund-Feind-Schema
Grundlegend für die HERRschende Rechtstheorie ist das zuerst von dem Staatsrechtler und intellektuellen Wegbereiter des Faschismus Carl Schmitt systematisierte Freund-Feind-Schema. Danach hat der Staat das Recht, sein eigenes Recht zu brechen, wenn es darum geht, seine Feinde zu vernichten. Wer Feind ist, bestimmt der Staat.

Schmitt propagiert den "starken", d.h. von allen Fesseln befreiten Staat und untersucht dessen Konstitutionsbedingungen. Der Staat sei durch nicht gleichgerichtete gesellschaftliche Interessen geschwächt: 'Der Staat erscheint tatsächlich in weitem Maße von den verschiedenen Gruppen abhängig, bald als ein Opfer, bald als Ergebnis ihrer Abmachungen, ein Kornpromißobjekt sozialer und wirtschaftlicher Machtgruppen, ein Agglomerat heterogener Faktoren, Parteien, Interessenverbände, Konzerne, Gewerkschaften, Kirchen usw. ... Im Kompromiß der sozialen Mächte ist der Staat geschwächt und relativiert...“ (Staatsethik und pluralistischer Staat, S.136)

Die von ihm erwünschte Homogenität der Gesellschaft kann der Staat herstellen indem er einen Feind konstruiert: 'Die Unterscheidung von Freund und Feind hat den Sinn, den äußersten Intensitätsgrad einer Verbindung oder Trennung ... zu bezeichnen; sie kann theoretisch und praktisch bestehen, ohne daß gleichzeitig alle jene moralischen, ästhetischen, ökonomischen oder anderen Unterscheidungen zur Anwendung kommen müßten. Der politische Feind braucht nicht moralisch böse, er braucht nicht ästhetisch häßlich zu sein; er muß nicht als wirtschaftlicher Konkurrent aufzutreten ... . Er ist eben der Andere, der Fremde, und es genügt zu seinem Wesen, daß er in einem besonders intensiven Sinne etwas Anderes und Fremdes ist, so daß im extremen Fall Konflikte mit ihm möglich sind, die weder durch eine im voraus getroffene generelle Normierung, noch durch den Spruch eines 'unbeteiligten' und daher 'unparteiischen' Dritten entschieden werden können." (Der Begriff des Politischen S. 14f.)

Weil die Einheit einer antagonistischen Gesellschaft nicht positiv (durch gleichgerichtete Interessen) herstellbar ist, muß sie durch Konfrontation mit dem "Feind" hergestellt werden, gegenüber dem alle Mittel recht sind, gegenüber dem die "im vorraus getroffene generelle Normierung" (d.h. hier: Grundgesetz, Strafgesetz, Strafprozeßordnung etc.) keine Anwendung finden. Dementsprechend fordert Schmitt die Aufhebung des positiven Rechts zugunsten eines "dynamischen", d.h. den jeweiligen Staatsinteressen untergeordneten Rechts.

„Die Begriffe Freund, Feind und Kampf erhalten ihren realen Sinn dadurch, daß sie insbesondere auf die reale Möglichkeit der physischen Tötung Bezug haben und behalten. Der Krieg folgt aus der Feindschaft, denn diese ist seinsmäßige Negierung eines anderen Seins. " (Der Begriff des Politischen S.20).

Als treue Carl-Schmidt-Schüler begreifen die deutschen Richter auch heute noch den Kampf gegen die Linke als (Bürger-)krieg, indem alle Mittel erlaubt sind, ob sie nun Verfassung und Gesetzen entsprechen oder nicht, Hauptsache, sie führen zur Vernichtung des Feindes.

c.) Herausragende Beispiele von Freund- und Feindjustiz
Der Thälmann-Mörder SS-Stabsscharführer Wolfgang Otto wurde trotz ihn überführender Zeugenaussagen freigesprochen.

Das Verfahren gegen den Marineoffizier Tillessen, den Mörder des Zentrum-Politikers Erzberger, der den Versailler Vertrag unterzeichnet hatte, wurde vom Landgericht Offenburg eingestellt, nicht ohne die „Vaterländischen Motive" des Mörders zu rühmen. Grund für die Einstellung: das Gericht hielt die 1933 von Hitler erlassene Amnestie für alle von Nazis in der "Kampfzeit" der Weimarer Republik begangenen Verbrechen für "rechtsgültig".

Auch die Frage, welche "Opfer" als besonders schützenswert gelten, zeigt, wer besondere Freunde der deutschen Justiz sind: 1938 plante Maurice Bavaud, Hitler zu erschießen, der jedoch nicht in die Reichweite seiner Pistole geriet. Dies wurde vom Landgericht Berlin 1955 folgendermaßen geahndet: "Bavaud hat sich des versuchten Mordes schuldig gemacht. " (Das heißt, das Gericht unterstellt - 1955 (!) - einer versuchten Erschießung Hitlers niedrige Motive!) 'Das Leben Hitlers ist ... in gleicher Weise als geschütztes Rechtsgut anzuerkennen wie das Leben eines jeden anderen Menschen." Die Tat sei "kriminelles Unrecht", also verurteilte das Gericht den 1939 Erschossenen posthum zu 5 Jahren Zuchthaus.

Gerhard Bögelein wurde nach der Annexion der DDR doch noch ein Opfer des Racheprogramms der BRD-Justiz an WiderstandskämpferInnen gegen das Nazi-Regime. Bögelein widersetzte sich den Völkermordabsichten der Wehrmacht und wurde wegen Befehlsverweigerung und Desertionsversuchen von der NS-Militärjustiz mehrfach zum Tode verurteilt. Nach seinem Überlaufen zur Roten Armee war er Mitarbeiter des sowjetischen NKWD und verhörte deutsche Kriegsgefangene, vor allem SS-Offiziere. Dazu urteilte schon das Hamburger Schwurgericht 1953: 'Dieser Mann maßte es sich an, den Offizieren, die zum Teil doppelt so alt waren wie er, im Rahmen der AntifaKurse weltanschaulichen Unterricht zu geben, wobei er frech und zynisch auftrat. ( ... ) Offenbar war Bögelein ein schlimmer und gefährlicher Psychopath. "

Schon kurze Zeit nach dem Ende der DDR wird Bögelein angeklagt, den Oberstabsrichter Kallmerten ermordet zu haben. Kallmerten, der als Chef der Militärjustiz der "Kurland-Armee" massenhaft Todesurteile verbrochen hatte (178 gestand er ein), wurde 1947 von unbekannten anderen Kriegsgefangenen erschlagen. Obwohl die zugrundegelegten Ermittlungen aus den 50er Jahren von dem Volksgerichtshofrichter Steckel stammten, und obwohl weder Tatzeugen noch Indizien vorlagen, wurde Bügelein am 18.5.1992 in Hamburg wegen "Mordes" zu lebenslänglich verurteilt. Er starb im März 1993.

Staatsanwalt des Verfahrens war ein gewisser Duhn, der, weil erst Jahrgang 1931, kein alter Nazi ist, aber schon vorher eindrucksvoll bewiesen hatte, daß die faschistische Kontinuität der deutschen Justiz nicht von ihrer personellen Kontinuität abhängt. Er machte sich seinen Namen z.B. im Verfahren gegen den SS-Obersturmführer Strippel, wo er die Ermittlung um 5 Jahre verzögerte, bis dieser 1983 für verhandlungsunfähig erklärt wurde. Dabei gab es gar nichts mehr zu ermitteln, denn ein englisches Militärgericht hatte bereits 1946 bewiesen, daß Strippel im April 1945 20 jüdische Kinder erhängen ließ. SS-Offiziere machen auf Duhn immer einen .'glaubwürdigen Eindruck", es sei denn, sie machen belastende Aussagen. Geständnisse gegenüber den Allierten sind für Duhn "zweifelhaft", da SS-Leute nach ihrer Gefangennahme '~lanmäßig ausgehungert" worden seien. Auch mit seinen "Cap Arcona"-Ermittlungen erwies sich Duhn als wahrhaft würdiger Vertreter des deutschen Juristenstandes: Kurz vor Kriegsende schoß der SS-Führer Wiehagen mit seiner Maschinenpistole auf KZ-Gefangene, die von Bord des brennenden Schiffes "Cap Arcona" sprangen. Nachdem der SS-Scherge selbst über Bord gehen mußte, erschlug ihn ein russischer Gefangener mit einem Holzscheit - Duhn leitete 1980 (!) ein Ermittlungsverfahren wegen "Mordes" gegen den unbekannten Russen ein.

Während auch noch die mörderischsten Nazi-Juristen in der BRD großzügige Pensionen erhielten, wurden ihren Opfern allenfalls kümmerliche Entschädigungszahlungen geleistet. Aber auch auf die hatten nicht einmal alle Opfer Anspruch, da viele als "entschädigungsunwürdig" deklariert wurden. So z.B. Zwangssterilisierte, Angehörige von Euthanasieopfern, "Rassenschänder", Roma, Deserteure und Kommunistinnen (letztere mußten sogar die in den ersten Nachkriegsjahren ausgezahlten Entschädigungen zurückerstatten). Schon das Verteilen von oppositionellen Flugblättern reichte aus, Entschädigungsansprüche zu verlieren; das Bestreben, Vie politische Führung zu diffamieren", so der BGH, mache "entschädigungsunwürdig". Noch 1970 nannte der BGH das Heraushängen einer roten Fahne am 1. Mai als einen legalen Grund für die Nichtvergabe von Entschädigungen.

Das aktuellste Beispiel von Freundjustiz ist die Ermittlung in Zusammenhang mit der Ermordung von Wolfgang Grams in Bad Kleinen. Es gibt zwei AugenzeugInnen, die berichten, daß Grams von GSG-9-Bullen erschossen wurde, als er wehrlos auf den Gleisen lag. Die Kioskverkäuferin Joanna Baron sagte aus: 'Der Beamte zielte auf den Kopf und schoß aus nächster Nähe, wenige Zentimeter vom Kopf des Grams entfernt. Dann schoß auch der zweite Beamte auf Grams, aber mehr auf den Bauch oder die Beine. " Außerdem konnte der Rechtsanwalt von Grams' Eltern eine Fülle von Beweisvernichtungen durch das BKA nachweisen, dennoch wurde der Mord von der Justiz vertuscht.

d.) Strategische Konsequenzen
Die sogenannten "konservativen" Juristen standen den erklärten Nazis in Verfolgungswut, Verurteilungswillen, Bereitschaft zur Rechtsbeugung, Bestialität und Menschenverachtung in nichts nach. Diese "Konservativen" (NSDAP-Mitglieder waren sie nach Selbsteinschätzung nur aus

"Opportunismus") sind die Begr'ünder, ihre Einstellungen die Maßstäbe der heutigen deutschen Justiz. Auch wenn die Generation aus dem Faschismus langsam wegstirbt, so werden doch die Vorstellungen und Traditionen in den Amtsstuben und den juristischen Seminaren fortgeschrieben. Deshalb kann mann und frau sie zwar an ihren eigenen Legitimationsgrundlagen messen, um zu zeigen, wie verlogen sie sind, aber es ist Unsinn, von ihnen (für die anderen staatlichen Repressionsapparate gilt ähnliches) zu erwarten, daß sie sich daran halten, daß sie "gerecliC wären, daß sie doch -auch die Nazis bekämpfen - weder können noch wollen sie das.

Der Kampf gegen die Nazis und gegen diese " Staat sind ein und derselbe, es geht gleichermaßen darum, den Handlungsspielraum von Justiz, Polizei, Geheimdiensten einzuengen, wie den der Nazibanden. Es bleibt gleichermaßen das Ziel, diese alle zu zerschlagen.

Wirksamer Antifaschismus heißt immer Kampf dem imperialistischen Staat!

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