Wahlquark

Ö-PUNKTE 1/1998

Aufruf zur kritischen Diskussion


1. Mittelalterliche Idee als Zukunftsperspektive? Zur Geschichte des Nachhaltigkeitskonzeptes
2. Mittelalterliche Naturvorstellungen4 und Umweltprobleme5
3. Die Entstehung der Idee nachhaltiger Waldwirtschaft 8
4. Bewertung der mittelalterlichen Tradition der Nachhaltigkeitsidee
5. Aus der Idee wird ein aufgeklärtes Wirtschaftsprinzip
6. Bewertung des nachhaltigen, aufgeklärten Forstwirtschaftsprinzips
7. Die Entwicklung bis Rio im Überblick17
8. Bewertung der jüngeren Entwicklung
9. Die Konzeption von Rio22
10. Aufruf zur kritischen Diskussion

Die Ergebnisse von Rio bedeuten einen Rückschritt gegenüber der Diskussionsbandbreite der Siebziger Jahre. Eine Fülle geschickter Formulierungen täuscht konsequente Handlungsbereitschaft nur vor. Sie relativiert sich durch einander widersprechende Teilziele und insbesondere die festgelegten, nicht in Frage gestellten Eckpunkte Wirtschaftswachstum, Marktwirtschaft und Großtechnologien, deren Bedrohungspotential für Menschheit und Umwelt teilweise noch überhaupt nicht absehbar ist. Aber nach dem Einblick in den historischen Ablauf nimmt dieser Tatbestand weniger wunder. Denn mit ihm erweisen sich folgende Traditionen des Nachhaltigkeitsprinzips lediglich als ungebrochen lebendig:
  • im Angesicht einer möglichen Katastrophe die Betonung der Selbstverständlichkeit, nicht mehr in Anspruch nehmen zu wollen, als auf Dauer vorhanden ist, wie im Mittelalter;
  • lineares wirtschaftliches Denken (statt an Kreisläufen orientiertes) ? wie im Mittelalter;
  • Ausnutzung und Zementierung der Machtverteilung zwischen Arm und Reich im schärfer werdenden Konflikt um die Nutzung von Wirtschaftsgütern - wie im Mittelalter;
  • Hang zu technischen Lösungen und entsprechendem Machbarkeitsglauben mit dem Ziel, den Zugriff auf die Lebensgrundlagen bis zur optimalen Grenze auszureizen - wie im aufgeklärten Frühkapitalismus;
  • Aktualisierung der menschlichen Forderungen an die Natur, ohne auch nur den Versuch zu machen, ihr davon unberührte Daseinsrechte einzuräumen - wie im vorigen Jahrhundert;
  • Umweltschutz nach neustem Erkenntnisstand als Mittel zum Zweck des Erhalts des wachstumsorientierten Wirtschaftssystems anstatt einer Abkehr von ihm - wie bisher zu allen beschriebenen Zeiten.

Natürlich steht es Organisationen und Einzelnen frei, ihre inhaltliche Kritik auch bei aktiver Teilnahme an der Umsetzung des Nachhaltigkeitskonzept von Rio zu artikulieren. "Doch es macht keinen Sinn, das Konzept ' von links ´ zu besetzen".28 Die Machtmechanismen von Politik und Wirtschaft sind nicht zu unterschätzen. Nach Jahren unter öffentlichem Druck ist es ihren Vertretern gelungen, die eigenen nach wie vor von Wachstumsideologie geprägten Vorstellungen zum zentralen Punkt der öffentlichen Debatte und sogar der Aktivitäten von sozialen Initiativen zu machen, die sich als unabhängig-kritisch verstehen. Angesichts der ungebrochenen historischen Traditionen des Nachhaltigkeitsprinzips bedürfen dieser Vorgang und das Konzept dringend einer breiten und (selbst)kritischen öffentlichen Auseinandersetzung. Mit ihm verbindet sich eine wichtige Hoffnung. Vielleicht kann so "... die Gefahr abgewendet werden, zwar die Nachhaltigkeit zu beschwören, aber in der Praxis unreflektiert im Rad der Geschichte zu verbleiben und immer wieder die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.29




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Zuletzt überarbeitet am 5. Mai 1998
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