Martin Luther

LAIENVERTEIDIGUNG

Als Laie verteidigen? Wie geht das denn?


1. Einleitung
2. Ziele: Gegenseitige Hilfe und Solidarität ohne Bevormundung
3. Als Laie verteidigen? Wie geht das denn?
4. Probleme
5. Unterstützung von Gefangenen
6. Kontaktformular und Adressen
7. Links und Materialien

Grundlage ist der § 138, Absatz 2 StPO: "Andere Personen können nur mit Genehmigung des Gerichts gewählt werden." Danach ist erstens klar, dass die Sache nur für Strafverfahren und dem ebenfalls in diesem Punkt nach der StPO ausgerichtetem Strafvollzug gilt. Zweitens gilt, dass ein Rechtsbeistand ohne Anwaltszulassung nur mit Genehmigung des Gerichts möglich ist. Folglich muss ein Antrag gestellt werden. Das darf auf jeden Fall die betroffene, also die beschuldigte, angeklagte oder inhaftierte Person. Ob sich die zum Rechtsbeistand gewählte Person selbst beantragen darf, ist unklar. Was aber auf jeden Fall auch geht, ist die sogenannte konkludente Genehmigung, d.h. die*r Laienverteidiger*in macht Handlungen beim Gericht, die ohne Genehmigung nicht möglich wären. Akzeptiert das Gericht den Vorgang, ist gleichzeitig die Genehmigung erteilt.
Wer also bereits im Knast sitzt oder sich für den Fall der Verhaftung vorbereiten will, sollte Name, Adresse und ein paar Unterlagen zur Rechtskunde der gewünschten Laienverteidiger*in haben, um auch dann den Antrag stellen zu können, wenn sonst nicht mehr viel geht, weil Mauern und Stacheldraht die Restwelt abtrennen. Wird dem Antrag stattgegeben, ist schon alles erledigt: Die gewählte Person kann nun genauso wie Anwält*innen agieren, also z.B. vor Gericht verteidigen, Anträge stellen. Briefe, Gespräche usw. im Knast oder Polizeigewahrsam sind geschützt und auch außerhalb von Besuchszeiten möglich.
Wird der Antrag abgelehnt, haben sowohl die betroffene Person als auch der abgelehnte Rechtsbeistand Beschwerderecht, d.h. sie reichen beim ablehnenden Gericht je ein Schreiben ein und begründen, warum die Entscheidung nicht sinnvoll war. Dann kann das bislang ablehnende Gericht Abhilfe schaffen, sonst muss es den Vorgang an das nächsthöhere Gericht weitergeben.
Ein Nachteil ist, dass die Laienverteidigung einfacher wieder abgesägt werden kann als echte Anwält*innen. Dafür gibt es zwar keine gesetzliche Grundlage, aber in Gerichtssälen hat sich so manche Tradition eingebürgert, die mit dem geltenden Recht wenig in Einklang steht. So dürfen Gerichte den Beschluss zur Laienverteidigung nachträglich wieder aufheben. Es wird dann so getan, als ob es den nie gegeben hätte – die Handlungen der Laienverteidiger*in bleiben trotzdem gültig. Wer das absurd findet, hat es verstanden. Vor allem in Verfahren, die politischen Auseinandersetzungen folgten, fielen schon die abenteuerlichsten Entscheidungen, z.B. der Rauswurf von gleich drei Laienverteidiger*innen beim Amtsgericht Erkelenz durch das höherstehende Gericht wegen derer justizkritischen Haltung bei Äußerungen außerhalb des Gerichtssales. Die Justiz will offenbar sauber bleiben und Meinungsfreiheit hat da nichts zu suchen …

Legt los ... Solidarität ohne Bevormundung ist möglich!
Wer das Grundtraining zur Selbstverteidigung besucht und mindestens einen Gerichtsprozess miterlebt hat, ist eingeladen, das eigene Wissen weiterzuentwickeln und weiterzugeben – als Laien-VerteidigerIn. Dafür soll es spezielle Schulungen als Aufbaukurse auf das Grundtraining, zudem aber auch laufenden Austausch und gegenseitige Unterstützung für diese Tätigkeit geben. Es ist zu erwarten, dass Spezialisierungen in Einzelthemen entstehen, so dass der gegenseitige Kontakt bei konkreten Prozessen nützlich ist. Daher sollten sich die Laien-VerteidigerInnen untereinander erreichen können und wissen, wer sich wo auskennt. Eine Koordinierung ist auch nötig, wenn AktivistInnen die Unterstützung suchen.
  • Die Geschichte der Laienverteidigung und bisherige Erfahrungen
  • Gegenschläge der RobenträgerInnen: Rauswürfe und Ablehnungen - beginnend in Dannenberg
  • Freispruch für Laienverteidiger vor dem Landgericht München: Auftritt als Verteidiger auch gegenüber Polizei ist erlaubt
    Abendzeitung am 23.3.2015 ++ Süddeutsche Zeitung am 23.3.2015 ++ Weiterer Prozess: Revision und Freispruch vor OLG München
  • Dramatische Kampf um Laienverteidigung am Amtsgericht Erkelenz: Erst Verwirrung, dann Akzeptanz, dann der Versuch des Rauswurfs. Das alles im Rahmen von zwei Strafprozessen in Sachen "Ende Gelände 2015". Angeklagt waren im ersten Prozess eine Person, der Hausfriedensbruch durch Betreten des RWE-Geländes vorgeworfen wurde, im anderen Prozess, drei Kletterer, wegen derer Aktion die Autobahn zwischen Klimacamp und Kohlegrube Garzweiler gesperrt werden musste und so viele Aktivist_innen über diese zur Grube kommen konnten. Hier tobte ein Grundsatzkampf um die Frage der offensiven Verteidigung mit gegenseitiger Unterstützung. ++ Genauer auf dieser Seite
  • Interview: Klimacamp trifft Degrowth - Nicht auf Kosten der eigenen Strategie ... Aktivistin Maria im Gespräch mit dem Schattenblick: Rechtsberatung und -hilfe in eigener Hand
  • Noch so ein bizarrer Fall, wie der Staat das Laienverteidigungswesen bekämpft: Laienverteidiger wegen rechtlicher Unterstützung eines Gedenkmarsches für die von Nazis Ermordeten im Allgäu vor Gericht (Text auf "terminal Dresden")

Als Anarchist_in oder Kritiker_in von Recht und Justiz gleichzeitig Verteidiger_in sein?
Aus Max Weber (1917): Der Sinn der "Wertfreiheit" der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften. In: ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen: J.B.C. Mohr, S. 458)
Einer unserer bekanntesten Juristen erklärte gelegentlich, indem er sich gegen den Ausschluss von Sozialisten von den Kathedern aussprach: Einen "Anarchisten" allerdings würde auch er als Rechtslehrer nicht akzeptieren können, da der ja die Geltung des Rechts als solches überhaupt negiere - und er hielt dieses Argument offenbar für entscheidend. Ich bin der genau gegenteiligen Ansicht. Der Anarchist kann sicherlich ein guter Rechtskundiger sein. Und ist er das, dann kann gerade jener sozusagen archimedische Punkt außerhalb der uns so selbstverständlichen Konventionen und Voraussetzungen, auf den ihn seine objektive Überzeugung - wenn sie echt ist - stellt, ihn befähigen, in den Grundanschauungen der üblichen Rechtslehre eine Problematik zu erkennen, die allen denjenigen entgeht, welchen jene allzu selbstverständlich sind.

Hilfe auf Gegenseitigkeit ... wie mitmachen oder unterstützen?
Wir sind weder DienstleisterInnen noch AnwältInnen ohne Honorar. Sondern ein Netzwerk auf Gegenseitigkeit. Wir wollen zur Selbstermächtigung beitragen, aber wir freuen uns auch über mehr Menschen, die ihr eigenes Wissen dann wieder zugunsten anderer einbringen. Unter anderem so:
  • Selbst als LaienverteidigerInnen wirken ... Kontaktaufnahme am besten über das Info- und Kontaktformular
  • Anträge und Materialien aus eigenen Prozessen bereitstellen ... Downloadseite bisher gesammelter Anträge (zum Herunterladen) mit Infokasten (in Farbe), wie Ihr neu entwickelte Anträge am besten an uns schickt, damit sie dann Anderen helfen können.

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