Martin Luther

SAASEN AM 1. MAI 2002 UND DANACH ...

Berichte


1. Einleitung zur Attacke auf die Projektwerkstatt am 1.5.2001
2. Vorgeschichte: Acht Jahre Ausgrenzung und Angriffe
3. Zwei Tötungsversuche, mehrere Brandattacken, endlos viel Sachbeschädigung: Die ersten zehn Jahre
4. Was ist ein Pogrom?
5. Der "Mitte"-Mob* greift an: Bericht vom 1. Mai
6. Die Mitte setzt ihre Institutionen ein: Politische Äußerungen zum Geschehen
7. Walpurgisnacht-Vorfälle in Saasen haben Nachspiel
8. Das Trauerspiel geht weiter
9. Links zu 2001
10. Die Vorphase 2002 und das Verhalten verschiedener Teile der Gesellschaft
11. Berichte
12. Gegendarstellung (aus dem Dorf)
13. Die Monate danach
14. Scharmützel nach 2002
15. 2014 und 2015: Nazistress
16. Ende 2015: Eine Flüchtlingsunterkunft nach Saasen ...

Die folgenden Texte sind Berichte von Einzelpersonen. Es gibt keine "offizielle" Meinung der Projektwerkstatt - und obwohl es egal ist, sei gesagt: Keiner der Menschen, die vor und anch dem 1. Mai regelmäßiger in der Projekwerkstatt lebten und werkelten, ist unter den AutorInnen. Wer das folgende also als "Meinung der Projektwerkstatt" interpretiert, hat ein bißchen viel Obrigkeitsdenken oder Vereinerfahrung abbekommen ...

Zu dieser nachträglichen Bemerkung gehört aber auch die Schilderung, daß zum einen Sachbeschädigungen vor allem im Gartenbereich der Projektwerkstatt weitergehen und zum anderen die Pöbeleien gegen ProjektwerkstättlerInnen und Gäste alltäglich sind. Sie stammen vor allem von Kids und Jugendlichen zwischen 10 und 15 Jahren, die keinerlei eigenes Wissen über die Projekte und Personen in der Projektwerkstatt haben. Wir haben einige von ihnen angesprochen, woher sie ihren Haß beziehen. "Das hat mir mein Papi erzählt" oder "Von meinen Eltern" waren die Antworten. Genau so entstehen Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und, wie in diesem Fall, Sozialrassismus.
Mit anderen Menschen aus dem Dorf gibt es ein entspannteres Verhältnis - mensch grüßt sich wieder, manch einer spricht uns an oder läßt sich ansprechen. Bedauerliche Ausnahme war das ein Training der Jugendfeuerwehr nahe dem Bahnhof, aus dem heraus etliche Anwesende unter Zusehen der BetreuerInnen pöbelten. Auch das könnte die Gefahr vergrößern, daß eine neue Haßgeneration heranwächst - obwohl wir weiterhin sicher sind, daß unser Haus eher ein bunter, spannender Punkt im Dorf sein könnte ... gerade weil vieles anders ist. Was auch so bleiben wird, solange die Menschen hier rund um die Projektwerkstatt es wollen.

Saasen: wie der andere 1. Mai noch anderster kam
Etwa 50 Menschen und ein Hund hatten sich im Verlaufe des 30.4. in Saasen eingefunden, um die Projektwerkstatt gegen den jährlichen sozialrassistischen Übergriff der DorfbewohnerInnen und einen eventuellen Nazi-Angriff zu verteidigen (Foto: Pink-Silver vor Bullenwagen).
Fazit: wir leben alle noch, das Haus steht und so wird es hoffentlich noch lange bleiben.

Wir hielten es auf Grund des ziemlich diffusen und unüberblickbaren Bedrohungsszenario für nötig, eine ausgefeilte Verteidigungs- und Vermittlungsstrategie zu erarbeiten. Die Grundlagen hierfür waren bereits auf dem Organisierung-von-Unten Treffen an Ostern geschaffen worden. Manche Menschen kamen bereits am Abend des 29., um den ganzen nächsten Tag die Verteidigung vorzubereiten. Neben der Sicherung des Hauses, der Einrichtung eines Löschsystems und anderen technischen Installationen galt es vor Allem, den strategischen Verteidigungsplan zu erarbeiten und vorzubereiten.

Unser Verteidigungskonzept beinhaltete 3 Eskalationsstufen. Damit wollten wir gewährleisten, dass alle, die mitmachen möchten, auch eine Aktionsform finden, die zu ihnen passt und die sie sich zutrauen. Dabei war es nicht verboten, während des Vorgangs notfalls bei einer anderen Stufe mitzumachen. Wichtig war uns, nicht selbst den totalen Nahkampf herbeizuführen. Abgesehen von diesen unerfreulichen militaristischen Überlegungen, hatten wir auch den Anspruch, direkten Kontakt aufzunehmen und eine inhaltliche Vermittlung an die Dorfbevölkerung zu erreichen. Dafür hatten wir um ein Fußballspiel gegen die örtliche MANNschaft angefragt, was diese aber leider absagten.
Außerdem wollten einige eine Art Visionen- oder Anarchieseminar auf dem Dorfplatz machen, nach dem Motto "Was denkt ihr, ist Anarchie?". Dies scheiterte leider an der geringen Zahl der am Nachmittag in der Projektwerkstatt Anwesenden, als das hätte laufen können.

Bei leichten Pöbeleien und Verbalgefechten wollten zunächst einzelne "KonfliktmanagerInnen" versuchen, den meist alkoholisierten patriarchalen Dorfmackern die Sinnlosigkeit und Dummheit ihres Verhaltens sowie unsere politischen Inhalte, Lebensweisen und Anliegen näher zu bringen. 
Gleichzeitig würde ein Pink-Silver Block in Aktion treten und versuchen, subversiv und frech das mackerige Sozialverhalten einiger DorfbewohnerInnen zu untergraben. Mit Puscheln, Lippenstift, Lollies und anderen Attributen ausgerüstet sollten patriarchale Typen dekonstruiert werden und ihnen die Chance zu einem "Mann-zu-Mann-Kampf", wie sie ihn herausfordern, zu nehmen. 
Für den Fall, dass dies nichts hilft und die Pink-Silvers ermüden oder scheitern, etwaige Angreifer aber keineswegs an einen Rückzug denken, hatten wir als Eskalationsstufe 2 eine "Distanzwaffengruppe" eingerichtet. Diese sollte das in Massen bereitstehende faule Gemüse und den an ein Fass Jauche angeschlossenen Gartenschlauch bedienen. Harte Gegenstände oder Dinge, die auf uns zurückgeworfen werden können und uns dabei gefährlich würden, wollten wir nicht verwenden.
Erst wenn all dies GAR nicht hilft, oder falls ein Trupp organisierter Nazis einfällt (dann wäre Stufe 1 auf jeden Fall ausgefallen), sollte Gruppe drei als militant ausgerüstete Truppe eingreifen. Hierfür hatten wir auch Blendlicht aufgebaut. 
Die Bullen hatten auf Grund der Lage des Vorjahres und unserer Mobilisierung angekündigt, eine Sondereinheit im Dorf zu stationieren und jeden Menschen, der aggressiv in die Nähe der Projektwerkstatt käme und nicht von uns eingeladen sei, in Gewahrsam zu nehmen. Wir haben des zur Kenntnis genommen, aber klar gemacht, dass es von unserer Seite keine Kooperation geben wird. 

Wir sind sehr froh, dass das meiste nicht zum Einsatz kommen musste. Aus verschiedenen Gründen konnte ein Angriff der sozialrassistischen Dorfclique abgewehrt werden.
Nazis sind keine aufgetaucht, deren Erscheinung war für uns auch nur ein zu befürchtender Aspekt gewesen, da sich die Naziaktivitäten in der Region in der letzten Zeit verstärkt hatten.
Die Stationierung der angekündigten Sondereinheit der Bullen fand nicht statt. Die Polizei war mit ein paar Streifen und vier Zivil-Staatsschützern zugegen, welche meist relativ schnell zur Stelle waren und als Einschüchterungsinstrument gegenüber der alkoholisierten Dorfgesellschaft einigermaßen funktioniert hat.
Gleichzeitig war die höhere Politik wie SPD Bürgermeister, SPD Kreistagsabgeordneter und Ortsvorsteher die ganze Nacht als Aufpasser zugegen. Zwar haben diese im Vorjahr die AngreiferInnen teilweise politisch gedeckt, dieses Jahr aber hätte ein erneuter Angriff zu einem politischen Debakel führen können. Somit hatten sie ein eigenes politisches Interesse an einer ruhigen Nacht und haben dieses auch versucht durch ihre eigenen Macht- und Autoritätsstrukturen durchzusetzen. Den ganzen Tag über hatte die Dorfbevölkerung unsere Aktivitäten neugierig beobachtet und konnte sich somit sowohl von unserer intensiven Vorbereitung als auch von unserer stetig durch Anreisende steigenden Zahl überzeugen (selbstverständlich haben wir ihnen keine Möglichkeit gegeben, genaueres über unsere Ausrüstung etc. herauszufinden).

Der typische Angriffszeitraum um kurz nach Mitternacht verstrich aus diesen verschiedenen Gründen ereignislos, statt dessen blieb das übliche Dorfbesäufnis auf dem Dorfplatz. Das nahmen einige von uns zum Anlass, die Dorfis selbst dort aufzusuchen und mit ihnen ein Gespräch zu beginnen. Schließlich müssen die Menschen von der Projektwerkstatt 365 Tage mit den DorfbewohnerInnen auskommen und sind an Maßnahmen, die zu einer friedlichen Koexistenz führen Können, interessiert.
Auch wir fingen an uns wieder mehr zu entspannen. Gegen 2 Uhr bekamen einige von uns mit, dass Gruppen von DorfbewohnerInnen vorhatten, nach Abzug der Polizei und Beendigung der Gespräche auf dem Platz, doch noch zur Projektwerkstatt zu ziehen. So entstand der Vorschlag, sich vom Dorfplatz zurückzuziehen, um zu sehen, ob diese alkoholisierten Dorfis dann kommen würden. Darüber herrschte unter uns leider länger Unklarheit, weil andere meinten, auf der Gesprächsebene würden sich sehr viele Aggressionen abbauen und auf Dauer zu einem besseren Verhältnis führen. Trotzdem zogen wir uns später vom Dorfbesäufnis zurück, mit dem Ergebnis, dass nach kurzer Zeit einige Dorfis hinterherkamen. Um Neugierigen aus dem Dorf eine Kommunikation mit uns zu ermöglichen hatten wir vorher beschlossen, nicht angreifende Dorfis auf bestimmte Bereiche des Hofes und des Hauses zu lassen. Nun befand sich eine aus DorfbewohnerInnen und ProjektwerkstättlerInnen gemischte Masse auf dem Hof. Einige der Dorfes begehrten Einlass, den wir ihnen verwehrten. Die Pink-Silver- und KonfliktmanagerInnen – Gruppe schaffte es, gut organisiert und mit viel Spaß Puscheln, Musik und Subversion die anwesenden Dorfis vom Haus weg zu halten oder ein wenig weiter abzudrängen. Während dieser Phase kam es mehrfach zu von einzelnen als bedrohlich empfundenen Situationen. Dennoch war die Stimmung im allgemeinen nicht aggressiv. Ein Beschluß, alle Dorfis aus Gründen der Übersichtlichkeit und Einschätzbarkeit vom Hof auf die Straße zu entfernen, wurde später heftig als intransparente Entscheidung kritisiert.
Über unsere Entscheidungswege wollen wir uns noch einmal auseinandersetzen, wobei Vorschläge, wie mensch in solch militaristischen Situationen emanzipatorische Entscheidungsfindung aufrechterhält, willkommen sind. 
Schließlich schafften wir es, mit Pink-Silver, Musik und Gesprächen, die meisten auf die Straße zu komplimentieren und mussten am Ende nur noch länger wach bleiben und warten, bis auch der letzte Dorfi ins Bett gegangen war. 

An dieser Stelle: vielen, vielen Dank an die UnterstützerInnen, die zum Teil von sehr weit her kamen und so überlegt, organisiert und motiviert geholfen haben, eine Fortsetzung des traditionellen Übergriffes zu verhindern. Ihr wart super! Der glimpfliche Ablauf des Abends ist zu großen Stücken Eurer Anwesenheit zu verdanken.
Hier wäre nur noch eine frühere Ankunft und damit ein längerer gemeinsamer Vorbereitungsprozess zu verbessern gewesen.

Es ist von der Stimmung und den Ereignissen im Verlaufe des Jahres im Dorf Saasen abhängig, wie die Situation am nächsten 1. Mai ist. Vielleicht machen wir dann was ganz anderes.

Weitere Berichte

Nach meinen gestrigen Gesprächen mit einigen männlichen Kids auf dem Saasener Dorfplatz und auf der Straße vor der Projektwerkstatt (ich war in der Gruppe 1, die Kommunikation betreiben sollte) verstehe ich jetzt besser, was Jörg Bergstedt mit „sozialrassistisch“ meint, auch wenn ich den Begriff selbst so nicht gebrauchen würde.
Die jungen Erwachsenen wandten sich aggressiv gegen den sozialstaatlichen status quo. Sie forderten eine deutliche Absenkung der Lohnersatzleistungen und der Sozialhilfe mit dem Argument, dass sie als junge Arbeitnehmer, Beitrags- und Steuerzahler nicht bereit seien, „faule Aussteiger“ aus der Projektwerkstatt zu finanzieren. Die Bewohner der Projektwerkstatt seien unsozial, weil sie auf ihre Kosten leben wollten.
Dass Arbeitslosengeld eine beitragsfinanzierte und selbstverwaltete Leistung ist, auf die sie im Bedarfsfall ebenfalls einen Rechtsanspruch haben, war ihnen völlig unbekannt. Ebenso wiesen sie die Vorstellung, selbst von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein, weit von sich („Ich komme in meiner Firma gut klar und gehe da gerne hin“).
Auf drohende Privatisierungen (einer der Jungs hatte sich als Auszubildender bei den Stadtwerken Reisskirchen zu erkennen gegeben) angesprochen, reagierten sie äußerst unwirsch (verdrängte Ängste?).
Insgesamt ist das Ensemble ihrer Wertvorstellungen und Grundüberzeugungen als eine Mischung aus Neoliberalismus und Volksgemeinschaft zu charakterisieren. Konflikte zwichen Kapital und Arbeit (aktuelle Tarifkonflikte und steuerpolitische Verteilungsungerechtigkeiten wurden von uns in Old-Labour-Diktion angesprochen) wurden überhaupt nicht gesehen, stattdessen eine totale Interessenidentität zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern („mir geht es nur gut, wenn es auch meinem Betrieb gut geht“) behauptet. Auf unseren Einwand, dass hohe Profite nicht automatisch hohe Löhne seien, sind sie nicht eingegangen.
Es handelt sich bei ihnen m. E. zwar um typische proletarische männliche Jugendliche vom Land (Zentralität von Erwerbsarbeit im Habitus und wichtig für das eigene Selbstvertrauen), es fehlen aber völlig die in Städten (bei ähnlich autoritären Charakteren) anzutreffenden Reflexe „gegen die da oben“. Wie gesagt, in Saasen völlige Fehlanzeige.
(Jugend-) kulturell fällt das Fehlen jeden Bezugs zu den kulturellen Veränderungen seit Ende der sechziger Jahre auf. Aber diese Veränderungen hatten ja eh eher Mittelschichtsangehörige betroffen. Wer sich im Dorf nicht anpasse, dürfe sich über Ausgrenzung nicht wundern. Wir forderten sie daraufhin auf, Respekt und Toleranz gegenüber anderen Lebensentwürfen zu üben. Das lehnten sie (und das war ihnen völlig unverständlich) ab mit dem Hinweis, einen anderen Lebensentwurf als Angriff auf die eigene Identität zu empfinden.
Energisch beschuldigten sie Jörg Bergstedt, selbst ein schlimmer Umweltverschmutzer (und Heuchler) zu sein, weil dieser mit einem alten Traktor durch das Dorf heize, der penetrant Öl verliere.

Hallöchen ihr Lieben,
zu aller erst, es hat mir voll Spass gemacht in Saasen, und so wie es sich auf imc liesst, war an anderen Orten nicht gerade was richtig tolles los. Aber so im Nachhinein habe ich doch ein paar Kritikpunkte so weit klar, dass ich sie formulieren kann.
Also, ich finde, dass unser Anspruch von OvU nicht wirklich eingehalten wurde, obwohl ich gerade wegen M1 ueberzeugt bin, dass es der „bessere“ Ansatz ist. Ich finde es einfach fett zu kritisieren, dass sich eine Art „Zentrale“/Koordination herrausgebildet hat. Nicht zu letzt deswegen, weil einige Menschen da furchtbar im Stress waren und sich wahnsinnig um alles kuemmern mussten, weil es in ihren Augen nicht selbst organisierte. Und da gabs echt Ansätze von MackerInnentum, die mich ziehmlich angekotzt haben. Auch die Reflexion darueber fande ich doof, denn als Alternative wurde nur genannt: „Wir haetten doch nicht fuer alles ein Plenum machen koennen.“ Seit weit predigen wir den Plenas als DIE emanzipatorische und kreative Methode? Plenas sind voll doof. Punkt. Ich wuensche mir echt fuer Aehnliche Aktionen, dass es keine Koordinierungsgruppe oder sonst ne zentrale gibt. Es erstickt naehmlich die kreativität. Jede „wichtige“ Aufgabe kann von einer gleichberechtigten Gruppe durchgefuehrt werden, eine Hierarchie von Aktionen/Aktionsformen/Aufgaben existiert doch echt nur in den Köpfen mancher menschen.
Und da moechte ich einen weiteren Kritikansatz kritisieren, der ab und zu aufkam. Es ginge nicht, dass menschen erst super spaet kommen, weil da nicht wirklich Zeit waere etwas vorzubereiten. Also ich finde es halt ein bischen elitaer so etwas von den Menschen zu verlangen, ich lebe auch in kapitalistischen Zwaengen und kann nicht immer... Auch hier waere ein deutlich dezentralerer (also nur gleichberechtigte Gruppen) und unhierarchischer (im Sinne von gleich-wichtigkeit der Aufgaben) Ansatz besser gewesen. Ich will mal einfach ein bischen ueberlegen, welche Gruppen sinnvoll gewesen waeren:
  • feste Kuechengruppe, die ausserhalb des Essenszeitraumes Tee/Kaffee/usw. nach drausen zu den anderen Menschen bringt. Erstens kann dies auch als deeskalationsmoment eingesetzt werden, und es ist eine moeglichkeit fuer menschen sich einzubringen, die auf andere Aktionen keinen Bock haben/sich diese nicht zutrauen/sich nicht darauf vorbereitet haben.
  • Einweisungsgruppe/mensch: fuer Neuankommende die wichtigsten Infos, Kontaktmoeglichkeiten zu bereits bestehenden Gruppen, Vorschlaege fuer selbstorganisierung von Aufgaben.
  • Ich finde, dass Konzept war zu unkonkret fuer menschen, die kurzfristig kamen. Konkrete Aufgaben (als Vorschlaege) und Moeglichkeiten waeren besser gewesen.
  • und noch mehr...

Meine persoenlich Erfahrung war sehr gut. Mit den menschen, mit denen ich action hatte, lief sehr viel an permanenten Austausch. Und kein Zwang zur Kollektivität, d.h. jedeR hatte immer die eigene Entscheidungsfreiheit, ob er ein bestimmtes Verhalten auch jetzt fuer Oberwichtig haelt. Auf der Ebene von ich es richtig meinen Beduerfnissen entsprechend (auch wenn hier auch noch Kritik angebracht werden kann).
Tja, also ich will echt noch mehr Organisierung von Unten. Und ich finde die genauso (wenn nicht mehr) effektiv als jede Form der zentralisierung, aber verdammt viel sexier.
Wo wir dabei sind, grad voll Liebeskummer. Wie befuerchtet habe ich mich in meine 1.Mai-Identität fett verliebt. Bitte Fotos schicken sobald fertig. Ohje, diese verdammte Sehnsucht.

Mit Herzschmerz & Liebe
-- 
Lost in reality...
Flixy die Cyberelfe

Ich teile Flixys Kritik an unserer Orgastruktur, mir ist aber immer noch nicht klar, wie in einem solchen militaristischen Zustand ein emanzipatorischer prozess der Entscheidungsfindung aufrecht erhalten werden kann. Über Ideen würde ich mich freuen. Klar ist ja, dass das mit den Deligierten nicht hinhaut, weil dann jede Bezugsgruppe erst mal ein Treffen machen muss und dann ein Delitreffen... das dauert unter Umstaenden einfach viel zu lange. Also:
Barrikaden und Haeuserkampf von unten - aber wie?! Hee, wird das ein neues kapitel fuer das OvU Protokoll?!?!?
Das Problem ist natürlich auch, dass viele Menschen 0 Erfahrung in Kampfsituationen haben,dazu gehoere auch ich. Ich kann mir also schon gar nicht VORSTELLEN, wie das dann ist und abgeht. Daher faellt es mir auch schwer, irgendwelche Ideen zu entwickeln fuer das Vorgehen in einer Situation, die ich auch in aehnlicher Weise noch NIE erlebt habe..
Alles in allem habe ich mich aber oberkrass ueber die ganzen Menschen gefreut und fand es richtig nett, mit Euch allen ( und auch denen, die nicht auf der Liste sind) in der ProWe zu sein, Aktionen zu planen und so. Ich finde, das koennte oefter so sein! Wir koennten fett coole Aktionen reissen!

hallo zusammen 
ich hab grad den bericht über den letzten und den diesjährigen bericht über den ersten mai gelesen das ist ja echt heftig. da haben wirs in heidelberg mit den paar burschenschaftler ja echt gut. ich wünsche euch viel erfolg bei eurer arbeit und lasst euch nicht unter kriegen 
tschau lukas

Über Fussball reden ist als Einstieg unschlagbar. Das sind zwei Tage vorm Meisterschaftsfinale unkontrollierbare Reflexe, da MÜSSEN sie was drauf sagen! Von dort über „da gehts nur noch ums Geld“ rüber zur sozialen Frage - und dann ein bisserl Seelsorge, weil man in Deutschland eh nix machen kann. Auch gut: Nachbar zu Nachbar muss sich lieb haben - sonst Erfurt & Palästina! 
Ich mochte - ganz ohne Ironie jetzt - den 45jährigen Gerhard vom Motoradklub echt gern. Früher Gewerkschaftsaktivist, inzwischen resigniert, zwei Töchter (erziehe sie zum Friedensgedanken, Garry!) - aber echt okay, so in Anbetracht der Umstände eben...
Mein Favorite: Diese Connection der Pink&Silver-Transen zu den Walpurgisnachthexen (hey schau, mein Besen hat‘n Schboila, ey!) Das war einfach göttlich und wurde vom Kriegsschamenen der örtlichen Diözese mit Wohlwollen bemerkt.

Hallo, Ihr vom 1. Mai in Saasen!
Jetzt nachdem ich meine Mails mal abarbeiten konnte, habe ich die erfreuliche Schilderung der Saasener Ereignisse gelesen. Wunderbar gemacht! Ich freue mich sehr darueber, dass der diesjaehrige 1. Mai so ungewoehnlich gut abgelaufen ist und ich sende hiermit ein uebergrosses Lob an alle, die an dieser Entwicklung Anteil hatten! Moege dies der Auftakt zu einem verstaendnisvolleren und kontaktfreudigeren friedlichen Mit- oder wenigstens Nebeneinander sein.
Solch gute Nachrichten koennten von mir aus ruhig oefters diese Liste begluecken... :-)

Vielen Dank allen die da waren!!! Ihr ward super!!! Laß uns mehr zusammen machen!

Wichtig finde ich noch als Ergänzung, daß die Menschen aus ganz verschiedenen Orten und Zusammenhängen kamen - ein bunter und kreativer Widerstand. Und daß auch fünf Menschen aus Reiskirchen und Umgebung dabei waren!

Konkrete Vorschläge für Organisierung von unten
  • Infopoint schaffen, wo Besprochenes auch einsehbar ist
  • Deli-Treffen offen für alle (zwei Kreise u.ä., wenn es zuviele werden)
  • bessere Selbstorganisierungsprozesse in autonomen Teilgruppen ermöglichen (eigenen Treffpunkt usw.)

Im Original: Auswertungstext eines Beteiligten
Bewertung und persönliche Eindrücke
Das dreistufige Aktionskonzept habe ich persönlich als sehr angenehm erlebt, auch politisch: Endlich wurde es mal überzeugende Wirklichkeit, dass Unterschiedlichkeit und Vielfalt der Menschen kein Barriere, sondern eine Bereicherung für emanzipatorischen Widerstand ist, auch in aufgeladenen Verteidigungssituationen. Ob als KonfliktmanagerIn, queeriger Pink-Silver, GemüsewerferIn, Party-Koch-Gruppe, InfocheckerIn oder eher Millitante ... aufgrund der verschieden Möglichkeiten hatte zumindest ich das Gefühl, mich da einbringen zu können, wo ich mich sicher fühle, was ich super wichtig und cool finde. Die Breite des Aktionskonzeptes war gut geeignet, um die verschiedenen subjektiven Ausgangspositionen, Fähigkeiten und Grenzen aufzufangen - auch wenn an vielen Stellen Verbesserungen möglich sind, nicht alles prima lief.
So war es möglich, dass sich verschiedenste Menschen auf ihre individuelle Weise einbringen konnten, auch insbesondere die, welche aus persönlichen oder politischen Gründen nicht mit gewaltförmigen Auseinandersetzungen klar kommen, keine körperliche Gewalt einsetzen können oder wollen. In der Regel werden solche Menschen von "härteren" Konfrontationen ausgeschlossen, weil es dort immer nur eine bzw. ähnliche Aktionsform gibt und kaum reflektiert wird, wie es hinzukriegen ist, dass alle auch tatsächlich dabei sein können! Bevor das dreistufige Konzept aus der Debatte heraus entstand, war ich mir z.B. gar nicht sicher, ob ich mich an der Verteidigung der Projektwerkstatt beteiligen würde ... zu viel Angst vor direkter Gewalt.
Was mich noch beeindruckt hat: Unterschiedliche Aktionsformen respektierten und kooperierten mit einander, etwas, was in dieser Selbstverständlichkeit nicht normal ist. Es gab ein gemeinsam koordiniertes Handeln, wenn auch mit Mängeln in der Praxis (in Bezug auf Hierarchiefreiheit, Transparenz - wie in anderen Auswertungen beschrieben). Mir hat es z.B. Sicherheit gegeben zu wissen, dass es weiter geht, wenn die erste Stufe nicht ausreicht, dass viele Menschen mit ihren Möglichkeiten da waren, um die Projektwerkstatt im Notfall zu verteidigen.

Probleme und Weiterentwicklungen
Ein Problem aus meiner Wahrnehmung war die relativ klare Trennung zwischen frech-frivolem Pink-Silver-Block / KonfliktmanagerInnen und miltanter Strategie. Obwohl das nicht zu krass war, da z.B. Stufe zwei auch von Leuten angenommen wurde, die keine face-to-face Miltanz ausüben wollten, die Übergänge also noch sanft waren.
Allerdings stellte sich schon die übliche, sozialisationsbedingte Normalverteilung ein, was zumindest bei Gruppe drei offensichtlich wurde, die komplett aus als männlich definierten Menschen bestand. Das ist insgesamt ein Problem, weil gesellschaftliche Konstruktionen unangetastet bleiben und fortbestehen können: Es besteht die Gefahr, dass alle sich an der Stelle einsortieren, die ihre gesellschaftliche Zuweisung nahe legt.
Für mich ist die Befreiung ein Teil einer emanzipatorischen Praxis, die im hier und heute ansetzt ... Befreiung von Rollenmustern, Ängsten, Geschlechterkonstruktionen, welche der Selbstentfaltung im Wege stehen und zu Dominanzen führen. Das bedeutet, einen bewussten, reflektierenden Umganz zu entwickeln, insbesondere im Alltag. Das bedeutet praktisch, Möglichkeiten zu entwickeln, wie Menschen individuell und kollektiv ihre Rollenmuster, Ängste und ansozialisiertes Verhalten aufbrechen können, um selbstbestimmt agieren zu können ... im Sinne der Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten. Für mich wäre es sehr befreiend, mit Hilfe anderer endlich auch einen Umgang mit Gewalteskalationen zu entwickeln, schon deshalb, weil es Situationen gibt, wo ich dem nicht aus dem Weg gehen kann oder will (unerwartete Übergriffe auf mich o.a.).
Für folgende Aktionen finde ich es daher ichtig, das auch als Ziel zu benennen und Ideen zur konkreten Umsetzung zu überlegen ... ein paar davon hier:
1. Übergänge zwischen einzelnen Gruppen fließender gestalten
Wenn nicht anders verabredet, sind klare Trennungen und vereinheitlichte Gruppen zu vermeiden. Statt dessen die "Durchlässigkeit" erhöhen, um das Springen zwischen einzelnen Gruppen erleichtern:
  • Ideenaustausch und gemeinsame Brainstormings in der Vorbereitung Que(e)rschießerInnen, die bewusst zwischen den Gruppen hin und her pendeln
2. Vielfalt innerhalb der Gruppen erweitern, Auschlussmechanismen minimieren
Aktionsgruppen sollten so gestaltet sein, dass sie maximale individuelle Selbstentfaltung und Viefalt zum Ziel haben. Auch innerhalb der Gruppen sollten Ja-Nein Situationen vermieden werden, da diese ausschließend wirken. Statt dessen fließende Prozesse: Das bedeutet z.B., immer verschiedene Eingriffs- und Aktionsmöglichkeiten zu überlegen, damit auch ungeübtere, ängstlichere Menschen mitmachen können. So hätte z.B. ein Teil der von Gruppe drei mit schicken, schwarzen Anzügen auflaufen können usw.

3. Trainings und Vorbereitungen
Um Verhaltensweisen, Ängste und Erwartungshaltungen aufzubrechen, ist eine intensive, kontinuierliche Auseinandersetzung innerhalb von Gruppen nötig, die auf starken persönlichen Bezügen, Offenheit und gegenseitigem Vertrauen gründen. All das ist vor Aktionen, in angespannten Situationen nur in abgeschwächter Form möglich; aber auch hier können wir einiges tun:
  • Kleingruppen mit vertrauten Menschen bilden, die sich mit Angst, Rollenverhalten beschäftigen Workshops und Trainings zu "Selbstverteidigung für AnfängerInnen" Einführungen in den Umgang mit div. "Hilfsmitteln"
4. Weitere Gruppen miteinbeziehen
Trotz des breiten Aktionskonzeptes beschränkte sich die (erfreulich gute!) Mobilisierung auf radikalpolitische Zusammenhänge. Schön wäre, auch Menschen aus Szenen einzuladen, die bisher voneinander abgekoppelt sind ... Queer, Künstler- und MusikerInnen, Theatermenschen usw. Sehr cool wären z.B. Sprayer gewsen, die die Bauwägen der Projektwerkstatt verschönern könnten. Wichtig dabei ist, dass wir diese Vielfalt wirklich wollen und nicht Menschen als Aushängeschild instrumentalisieren oder vereinnahmen.

Mehr davon ... vielfältige Aktionsmodelle fördern!
Wichtig finde ich, dass dieses Modell bzw. dessen Weiterentwicklungen auch auf andere Aktionsfelder übertragen wird ... Vielfalt und Rücksicht auf die Bedürfnisse, Fähigkeiten und subjektiven Befindlichkeiten einzelner Menschen fehlen vielerorts. So beschränken sich militante Antifa-Aktivitäten (die wichtig sind, keine Frage!) häufig auf Angriffe, bei denen wiederum viele Menschen nicht mitgehen können, obwohl auch hier wäre viel mehr möglich. Ein Grund, warum bespielsweise ich da nie dabei bin. Ähnliche Ansätze wie das Streckenkonzept beim Castor oder der dezentrale Expo-Widerstand würde ich gern öfter miterleben und mitentwickeln.
Wichtig ist, bunte Aktionskonzepte auch vorher transparent zu machen und immer wieder offensiv zu vermitteln, dass alle Menschen sich am Widerstand beteiligen können, unabhängig von körperlicher Verfasstheit, Durchsetzungswillen. Viele Menschen sind aufgrund schlechter Erfahrungen und sich selbst bestätigender Ängste (i know that!) häufig so abgeschreckt, dass sie gar nicht erst auftauchen.
Mit Wut, Mut und Hoffnung auf mehr Bewegung ... Vielfalt, Offenheit und bunt-kreative Militanz sind eine Waffe(l)!

 

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