Martin Luther

MEDIEN, INTERNET & CO.

Autoritäre Strukturen im Internet: Mehr Beispiele


1. Wikipedia: Kontrollierter Mainstream
2. Löschen, Löschen, Löschen ... bei Wikipedia
3. Wikipedia unter Kontrolle
4. Wikipedia unter Zensur: Seiten aus der Projektwerkstatt
5. Wikipedia unter Zensur: Unerwünschter SeitenHieb-Verlag
6. Autoritäre Strukturen im Internet: Mehr Beispiele

Wikileaks
Die Enthüllungsplattform machte 2010 Karriere zum meistdiskutiertesten Medium der Welt. Die Konsequenz war aber typisch: Aus der chaotisch-offenen Plattform wurde eine kontrollierte, von wenigen beherrschte Internetseite. Etliche Mitwirkende der Anfangsphase verließen das Projekt oder wurden hinausgedrängt. Die Zeiten, wo alles veröffentlicht wurde, was den MacherInnen von Wikileaks an geheimen Dokumenten zugespielt wurde, sind vorbei. Jetzt herrschen Wenige über die Seite und benutzen sie in politisch gerichteter Form (z.B. recht einseitig gegen die US-Regierung).

Aus "Vom Hacker zum Popstar", in: taz, 1.12.2010 (S. 4)
Wie Wikileaks heute arbeitet und warum es seine Ausrichtung geändert hat, darüber sprechen vor allem Leute, die bei Wikileaks ausgestiegen sind und deren Sichtweise, auch wenn sie sehr glaubwürdig erscheint, natürlich eingefärbt ist. Nach ihren Aussagen ergibt sich folgendes Bild: Nachdem Wikileaks größere Erfolge mit seinen Veröffentlichungen hatte, mussten sich die Macher angesichts einer wachsenden Flug von Dokumenten entscheiden. Manche, darunter die meisten der heutigen Exilanten, wollten große Veröffentlichungen zunächst vermeiden und das Netzwerk ausbauen, es dezentraler und weniger abhängig vom Kern der Gründer organisieren. Julian Assange hingegen hatte spätestens seit der Veröffentlichung eines Videos über schießwütige US-Soldaten im Irak Gefallen am Spektakulären gefunden. Publiziert wird seither vor allem contra Vereinigte Staaten, Dokumente aus anderen Teilen der Welt bleiben liegen. ... "Das liegt nicht an der Quellenlage, sondern an der Auswahl". Domscheit-Berg und andere haben Julian Assange deshalb den Rücken gekehrt.
Die Kritiker sagen auch, es sei für sie oft nicht nachvollziehbar gewesen, wann welches Dokument warum an die Öffentlichkeit gegeben worden sei, Assange habe Deals mit Medien ausgehandelt, von denen man wenig oder erst hinterher erfharen habe. Domscheit-Berg sagt dazu: "Es fehlt die Transparenz, wie eigentlich Entscheidungen getroffen werden, und deshalb traue ich dieser Organisation so wenig, wie ich einer anderen Organisation mit ähnlichen Problemen trauen würde. Gerade weil ich drin war und weiß, was hinter den Kulissen ablief".


Fraglos sind auch hier die Medien, die über den Wandel zu einem kontrollierten, machtdurchzogenen Internetangebot berichteten, Hauptverursacher der Veränderung. Wie an vielen anderen Baustellen gesellschaftlicher Aktivität fordern sie Kontrolle, scheinbare Seriösität und Führungsfiguren ein. Was horizontal organisiert ist, wird regelmäßig nicht zur Kenntnis genommen oder sogar dafür kritisiert. Wie bei Wikipedia schon.

Flickr
Noch ein Beispiel, dass Horizontalität nicht nur endet, wenn einige sie beenden könnten und andere nicht, sondern sie wird auch ständig beendet ...


Chaos Computer Club & Congress (CCC)
Aus Laaff, Meike: "Wikileaks war gestern", in: taz, 30.12.2010 (S. 13)
Den gerade die deutschen Hächer vom Chaos Computer Club haben sich in den vergangenen Jahren vor allem dadurch eine bedeutsame Stellung erwartet, dass sie konstruktiv auf Mängel hinweisen, den Dialog mit Behörden, Ministerien und Gerichten suchen, statt ernsthafte Zerstörung anzurichten. Nicht umsonst lautet der Titel des Kongresses, dessen Tickets innerhalb von Stunden ausverkauft waren, "We come in Peace". ...
Reife Hacker, so der allgemeine Tenor, sollten ihr Wissen um die Gefahren dieser Vorhaben in politischen Aktivismus umsetzen, um die Freiheiten des Internets zu verteidigen. Oder, wie Netzaktivist Alvar Freude vom AK Zensur es formuliert: "Wir brauchen Nerd-Lobbyismus."


Sabotage von Internetseiten
Der Provider JPberlin sperrte ohne Rücksprache und aus eigenem Antrieb die komplette www.projektwerkstatt.de - und gab damit sogar noch vor Polizei und Staatsanwaltschaft an (die per Fax an JPberlin explizit erklärten, keine Sperrung zu wollen). JPberlin ist ein ehemals linker Anbieter, dessen Gründer später für Polizei und Staatsanwaltschaft arbeitete. Organisationen wie Rote Hilfe, Attac usw. waren/sind trotzdem noch dort gehostet und reagierten auf das Aus der www.projektwerkstatt.de nicht.

Filz und Seilschaften
Einer der Köpfe von Wikipedia Deutschland war/ist Achim Raschka. Der Deutschlandfunk beschrieb in der Sendungsreihe "Informationen am Mittag" dessen Verflechtungen mit der Großindustrie - von BASF bis RWE arbeitet er gegen Honorar. Auf Wikipedia zensiert er kritische Texte und steuert trotz Präsenz in Industrieseilschaften mehrere industrienahe Projektbereiche der Enzyklopädie. Der Deutschlandfunk berichtete aus einer Studie zu Wikipedia:

Die Studie der Otto-Brenner-Stiftung [1] belegt das Ausmaß von Fälschung und
Manipulation auf Wikipedia. Statt neutraler Fakten finde man dort zunehmend
frisierte Artikel - von PR-Agenturen. "Je länger ich mich mit dem Thema
Wikipedia beschäftigt habe", sagt der Autor der Studie, Journalist und
Dozent Marvin Oppong [2], "desto mehr habe ich den Eindruck gewonnen, dass
PR in Wikipedia weit verbreitet ist."


Digitale Vergabe von Räumen - ganz undigital aufgehoben
Auch im "echten" Leben zeigen die Internetistas, dass das Gerade von Offenheit meist eher Fassade als Überzeugung ist. In Braunschweig existierte mit "Stratum" ein Raum, in dem einmal monatlich politische Diskussionen stattfinden sollten, deren Themen und Beiträge über das Internet geplant wurden. Wer etwas diskutieren und dazu einen Input einbringen wollte, musste das auf der Internetseite eintragen - fertig. Das jedenfalls wurde auf der entsprechenden Seite behauptet. Offenbar tat das niemensch von außerhalb, so dass das Märchen nicht aufflog. Als das erste Mal Leute nun ein von außerhalb der Gruppe, die den Raum betrieben, auf diese Weise ein Thema anmeldeten, war alles vorbei. Der Eintrag wurde gelöscht, der Raum an dem Tag sogar ganz geschlossen (das Monatstreffen wurde also faktisch verboten) und dann sogar der Internetseitentext geändert - damit ja niemensch mehr auf die Idee kommt, hier könnte Freiheit sein ...

Oben: Eintrag im Raumvergabe-Kalender - gestrichen ++ Unten: Änderung der Seite


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