Aktionsraum Gießen

BIS 2010: BAUBEHÖRDEN ALS REPRESSION!

Die zweite Versiegelung ... 1997


1. Bis 2010: Baubehörden als Repression ... die Anfänge
2. Die erste Versiegelung ... 1994
3. Zwischenärger ...
4. Die zweite Versiegelung ... 1997
5. Das dritte Mal: Ankündigung der Totalversiegelung ... 2004
6. Das Ende ab 2010: Eine baurechtliche Genehmigung
7. Der Förderverein und das Finanzamt
8. Zensur und mehr durch staatliche Einrichtungen

Bis 1997 passiert eher wenig. Immer mal wieder kommen MitarbeiterInnen der Bauaufsicht vorbei - fotografieren dieses oder notieren jenes. Einige formulieren recht deutlich, daß sie aus politischen Gründen geschickt werden. NachbarInnen stellen Anzeigen aller Art, ein Nachbar gegenüber arbeitet als Spitzel der Gemeindeverwaltung und gibt alles durch, was er auf dem Gelände der Projektwerkstatt sehen kann. Das läßt nach, als die BauamtmitarbeiterInnen durch ihre häufige Präsenz auch die Schwarz-Ausbauten der NachbarInnen mitbekommen ...

Im Herbst 1997 (also nach über 2 Jahren Untätigkeit hinsichtlich des Bauantrages) wird die Bauaufsicht drängender. Sie verlangt einen bauzeichnungsberechtigten Bauleiter für den später beantragten Raum und die Vorlage einer statischen Berechnung durch diesen. Die Projektwerkstatt findet einen solchen - doch die Bauaufsicht in darüber eher unzufrieden. Sie erkennt ihn nicht an an und will nun selbst einen Statiker einschalten - einen von ihnen kontrollierten! Am 12.11.1997 erhält die Projektwerkstatt dann eine Ankündigung einer Besichtigung durch die Bauaufsicht. Am 18.11.1997 findet das Treffen statt. Der Verlauf ist ein sinnloser Versuch von Kommunkation. Der Statiker geht durch die Räume und macht haarsträubende Äußerungen, u.a.
  • Am Durchmesser eines Schraubenkopfes kann mensch die Länge einer Schraube ablesen. Etliche Schrauben seien daher zu kurz und würden keine Statik sichern.
  • Ein Geländer sei nicht haltbar - er probiert dann, es wegzubrechen. Das Geländer gibt kein Stück nach, der Statiker reagiert überrascht.
  • Fenster müßten immer eine Mindestbreite von einem Meter haben. Auf die Entgegnung, dass er da viel zu tun hätte im Lande, denn solche Fenster seien eher selten, antwortet er: "Es gilt nicht, was ist, sondern was wir definieren". Die Kommunikation wurde sinnlos.
  • Schließlich stellte der Statiker fest, dass das Anwesen vor 150 Jahren falsch gebaut und nicht sanierbar sein. Nachbesserung sein nicht möglich. Der Hinweis, daß zwei Gebäude in der gleichen Straße identisch gebaut seien, interessierte ihn nicht ...

Am Rande gab es ein direktes Gespräch mit dem Brandschutzbeauftragen. Dessen Anregungen wurden im weiteren Ausbau der Projektwerkstatt verwirklicht - weil Brandschutz aus im Interesse der Projektwerkstatt liegt.

Am 21.11.1997 (plötzlich arbeitet der Laden richtig schnell ...) erfolgt dann die Versiegelung des größten Teils der Projektwerkstatt. Aus der "Verwaltungsverfügung":

  1. Gemäß § 78 Abs. 1 i.V.m. § 61 Abs. 1, 2 und 3 der Hessischen Bauordnung (HBO) i.d.F. vom 20.12.1993 (GVB1. 1 S. 655) i.V.m. den § 4, 5, 6, 7 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) vom 31.03.1994 (GVBI. I S. 174) wird Ihnen untersagt, nach Zustellung dieser Verfügung die auf dem beiligenden Grundrißkopien in rot schraffierten Gebäude bzw. Gebäudeteile des o.g. Anwesens zu nutzen, zu vermieten oder weiteren Dritten zur Verfügung zu stellen.
  2. Für den Fall der Nichtbefolgung der Anordnung zu 1. wird gemäß den §§ 29 4, 68, 69, 71, 72, 76 des Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (HVwVG) vom 19.12.1990 (GVBI. I. S. 752) die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhen von 15.000,00 DM (in Worten: Fünfzehntausend Deutsche Mark) angedroht.
  3. Die sofortige Vollziehung zu 1. wird gemäß § 80 Abs. 2 Ziffer 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwG0) vom 19.03.1991 (BGBl. I S. 687) angeordnet.

Begründung:
... Mit Bescheid vom 17.10.1994 wurde Ihnen die Stufenbaugenehmigung Teil 1 - Az.: A/1507/93/2627 zum Ausbau und Nutzungsänderung der Scheune und Ställe für Werkstätten und Aufenthaltsräumen auf dem o.g. Anwesen erteilt. Grundlage dieser Baugenehmigung sind die von Ihnen eingereichten und von der Bauaufsichtsbehörde genehmigten Planunterlagen. Desweiteren haben Sie mit Bauantrag vom 07.09.1995 die Bauautsichtsbehörde um Genehmigung zur Anderung eines vorhandenen Zwischenbaues auf dem o.g. Anwesen ersucht. Über diesen Bauantrag ist bisher noch nicht entschieden worden. Mit dem Bauvorhaben selbst wurde gem. Baubeginnsanzeige am 18.11.1994 begonnen. Weitere Bauzustandsmitteilungen wurden der Bauaufsichtsbehörde bisher nicht vorgelegt.

... Das Ermessen der Behörde ist im vorliegenden Fall so zusammengeschrumpft, daß der Erlaß eines sofort vollziehbaren Nutzungsverbotes die einzige ermessensfehlerfreie Entscheidung ist, da die öffentiche Sicherheit und Ordnung, und hier insbesondere die schutzwürdigen Güter Leben und Gesundheit der Menschen, akut gefährdet ist.

Unter öffentlicher Sicherheit ist insbesondere die Unversehtheit der Güter Leben und Gesundheit zu verstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine Gefahr dann vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des Objektiv zu erwartenden Geschehens mit Wahrscheinlichkeit geschütztes Recht schädigen wird (BVerwG BRS. Band 24 Nr. 122).

Der Eintritt eines Schadens ist dann wahrscheinlich, wenn mit ihm irgendwann in überschaubarer Zukunft hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann. Zu den Schutzgütern, bei denen eine geringere Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts genügt, um von einer Gefahr über die öffentliche Sicherheit auszugehen, gehören insbesondere Leben und Gesundheit der Menschen.

Mit diesem Vorgang ist der Kontakt zwischen Projektwerkstatt und Bauaufsicht beendet. Aufgrund der unter mehreren Zeugen gemachten Aussage der nicht-sanierungsfähigen Bauform erscheint jegliches Bemühen sinnlos. Auch die mehrjährige Nichtbearbeitung des Bauantrages und die freche Begründung des Nutzungsverbots mit eben diesem Nichtstun der Behörde zeigt, dass es hier nicht mit rechten Dingen, sondern politischem Willen abläuft.

Die ruhigen Jahre nach dem Nutzungsverbot können sich auch darauf zurückführen lassen, dass Baudezernent Wilfried Schmied nach der Machtübernahme durch die Regierung Roland Koch zum Regierungspräsidenten von Mittelhessen aufsteigt und ein FWGler das Amt übernimmt. Der Landkreis Gießen wird von einer SPD-/FWG-Koalition geführt. Der Baudezernent der FWG stirbt im Jahr 2003. Zum Zeitpunkt seines Amtsantritts erfolgt 2004 der nächste Zugriff der Bauaufsicht.

Gegenkontrolle ... 1998
Aufgrund der Repression durch Baubehörden besuchten Projektwerkstättler während der Öffnungszeiten zwei Behörden, um die gleichen Kriterien mal dort zu überprüfen. Das Ergebnis ist ein kurzes Protokoll ... hier vollständig wiedergegeben:

Besichtigung von Behörden (Protokoll vom 22.4.1998)
Kreisbauaufsicht: Erdgeschossfluchtweg linker Trakt zum Hauptausgang durch 85cm Brandschutztür und 70cm Holztür.
Obergeschoß-Fluchtweg: Flure stehen voll mit Aktenordnern bzw. Schränke (Holz), Bodenbelag PVC oder Linoleum. Treppe breit genug, eventuell PVC?


Naturschutzbehörde: Abstand zwischen Treppengeländern: 95cm. Stufenbreite 110cm. Gelände aus Massivholz. Treppe komplett Holz. Treppe von unten mit 12,5mm Regips-Platte verkleidet (Ränder aber Holz). Belag ist PVC.

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