Welt ohne Strafe

DEN GENTECHNIKSUMPF TROCKENLEGEN!

Einleitung


1. Einleitung
2. Die Teile der Seilschaften
3. Besondere Blicke auf das Geflecht
4. Überblicke
5. Rückblicke: Aktionstage an den Orten der deutschen Gentechnikseilschaften
6. Links
7. Buch und Broschüre

Die Seilschaften der Agrogentechnik waren beeindruckend - etwas einmaliges aber waren sie nicht. Eher der Normalfall, eben jetzt auch in dieser neuen Technologiesparte. Ob Bildungswesen, Pharmazie, Energiekonzerne oder andere - die Seilschaften sind eng und reichen in alle Amtsstuben, Institute und viele Organisationen. Gegenüber diesen ist es in der Gentechnik vieles recht frisch. Aber ein bisschen Geschichte hat es schon. Dorthin soll ein kleiner Blick fallen. Startpunkt ist die erste Freisetzung im Gelände - wohlwissend, dass damit eine lange Vorphase ausgeblendet bleibt, in der die Entwicklung gentechnischer Verfahren und dann gentechnisch veränderter (gv-)Pflanzen in Laboren und Gewächshäusern vorangetrieben wurde. Und ohne Rücksicht darauf, dass es durch eine erfolgreiche Mischung aus kreativ-militanten und breitenwirksamen Aktionen gelang, die Agrogentechnik-Mafia wieder aus Deutschland zu vertreiben und die geschaffenen Briefkastenfirmen und Netzwerke zur Auflösung zu zwingen.

Warum 78 bis 90% Ablehnung der Agro-Gentechnik nicht reichen, selbige zu verhindern - aber 6% Befürwortung, sie durchzusetzen: Notwendige Worte zu Ämtern, die eigentlich VerbraucherInnen schützen und Firmen kontrollieren sollen ... sie waren von Sommer 2009 für fast ein Jahr teilweise zensiert!!! Doch das ist vorbei, die Seiten entsprechen den rechtlichen Vorgaben. Vorweg zunächst zwei Nachdenk-Stücke:

Wenn Gentechnik Häuslebauen wäre: Die Geschichte von Heinz M.

Warum das Teilen in gute und böse, deutsche und US-Gentechnik Unsinn ist!


Im Original: Stichwortgeber der Debatte "Monsanto auf Deutsch"
Sigmar Gabriel: "Organisierte Unverantwortlichkeit" (Reuters am 11.7.2008)
Paris (Reuters) - Einige EU-Staaten wollen angesichts der großen Skepsis in der Bevölkerung grundsätzlich keine genetisch veränderten Organismen (GVO) mehr zulassen.
"Einige Länder wollen sich GVO-frei erklären können", sagte die französische Umwelt-Staatssekretärin Nathalie Kosciusko-Morizet am Freitag nach dem Treffen der EU-Umweltminister in Paris. Dies wünschten sich vor allem Inselstaaten. EU-Umweltkommissar Stavros Dimas erklärte Diplomaten zufolge jedoch, dies sei nicht möglich ohne eine Änderung des EU-Vertrages. Denn eine solche Ausstiegsklausel verletze das Prinzip des Binnenmarktes.
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel befürwortete nationale Ausnahmemöglichkeiten. Doch Deutschland müsse sie nicht in Anspruch nehmen, weil gesetzlich geregelt sei, unter welchen Bedingungen genetisch veränderte Pflanzen angebaut werden könnten. EU-Diplomaten zufolge wollen Griechenland, Zypern, Malta, Luxemburg und Österreich deshalb aus dem europaweiten Herangehen ausscheren.
Das europaweite Genehmigungssystem für Einfuhr oder Anbau von Gen-Pflanzen solle auf den Prüfstand, sagte Kosciusko-Morizet. Dieses ist stark umstritten, denn regelmäßig erklärt die zuständige wissenschaftliche Agentur GVO für unbedenklich, während die Mitgliedsländer und die EU-Kommission gespalten wegen der Unklarheit über Gefahren für Gesundheit und Umwelt sind. Nach Umfragen ist eine Mehrheit der Bevölkerung gegen genetisch veränderte Produkte, 70 Prozent lehnen solche Lebensmittel ab. Im EU-Ministerrat kommt es deshalb regelmäßig zum Patt von Befürwortern und Gegnern der Gentechnik. Inzwischen liegen bereits mehrere Verfahren zum Ärger der Industrie wegen der Zerrissenheit über die Gentechnik in der EU auf Eis.
Auch Gabriel kritisierte das Hin und Her, das der Bevölkerung nicht mehr zu vermitteln sei. "Was wir heute betreiben, ist organisierte Unverantwortlichkeit", sagte er. Jeder könne sich hinter jedem verstecken und am Ende zeigten alle mit dem Finger auf die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit. Die EFSA bewertet aus wissenschaftlicher Sicht die Gefahren für die Gesundheit. Ihre Arbeit soll nun verbessert werden. So sollen die Experten auch die langfristigen Folgen für Gesundheit und Umwelt eingehender überprüfen. Bei ihrer Bewertung sollen sie außerdem die Einschätzungen von gentechnikkritischen Organisationen und Forschern einbeziehen.
++ Abkürzungen

Antje Lorch und Christoph Then (2008): Netzwerke, Seilschaften und Klüngelrunden auf allen relevanten Ebenen
Die Politik ... ist umschlungen von einem fast undurchdringbaren Geflecht von Experten, Consulting-Firmen, Spezialagenturen, Arbeitsgruppen, Initiativen und den vielfältigen Aktivitäten ihrer Beamten, die gemeinsam mit der Industrie sowohl die Risikobewertung als auch die Risikokommunikation organisieren und dabei Politik und Öffentlichkeit zu ihrem Spielball machen. Im Zentrum des Geflechts findet man dabei selten die großen Firmen selbst, sondern eher „Spezialagenturen“ mit exzellenten Kontakten zu Behörden, Politik, Medien und Konzernen. Sie arbeiten als Tarnkappenstrategen der Industrie, finanziert sowohl durch die öffentliche Hand als auch durch die Wirtschaft, sie haben Netzwerke, Seilschaften und Klüngelrunden auf allen relevanten Ebenen organisiert, die Institutionen der EU-Mitgliedsstaaten infiltriert und eine weitgehende Definitionsmacht errungen.

80% (je nach Umfrage mal mehr, mal weniger) der Menschen in Deutschland lehnen grüne Gentechnik ab.1 Doch dieser hohe Wert wird in den Gentechnikseilschaften locker übersprungen: 100 Prozent aller Gentechnikprojekte werden durch die zuständige Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS, Beratungsgremium u.a. des BVL) für sicher befunden und ebensoviele dann vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) genehmigt. Alle revelanten Posten in Entscheidungs- und Fachbehörden sind in ihrer Hand. Das Landgericht Würzburg ließ als wahr behandeln, "dass

  1. die im BVL in Fragen der Gentechnik entscheidungs- und unterschriftenleistenden Beamten (Dr. Buhk und Bartsch) uneingeschränkt die Gentechnik befürworten,
  2. alle abstimmenden Mitglieder der ZKBS die Gentechnik uneingeschränkt die Gentechnik befürworten,
  3. alle entscheidungsberechtigten Mitglieder der GMO-Arbeitsgruppe bei der EFSA die Gentechnik uneingeschränkt befürworten,
  4. alle an der Erforschung der Grundlagen zu den gesetzlichen Regelungen wie Abstandsgrößen und Grenzwerte leitend arbeitenden MitarbeiterInnen staatlicher Institute (vTI, JKI) die Gentechnik uneingeschränkt befürworten,
  5. die unter 1-4 genannten Personen in verschiedenen Zusammenschlüssen vertreten sind, die sich der Förderung der Agro-Gentechnik verschrieben haben." (Az. 2 Ns 701 Js 18810/2008)

So ist es auch tatsächlich: In den zuständigen Behörden und Ämtern, bei Geldvergabestellen und den großen Forschungsförderern besetzen BefürworterInnen der Gentechnik alle Führungsposten. Skeptische oder kritische Stimmen gibt es in Kommissionen, Genehmigungs- und Kontrollbehörden nicht. Seit Jahren haben die Seilschaften dort ihre Fäden gezogen. Dass Agro-Gentechnik und ihre Voraussetzungen trotz der überwiegenden Ablehnung durchgesetzt und alle institutionellen Ressourcen der Agrarförderung dorthin umgelenkt werden, liegt nicht nur, aber auch an diesen Geflechten. Die haben sich im Laufe der Zeit immer intensiver entwickelt - etwas einmaliges aber sind sie nicht. Eher der Normalfall, eben jetzt auch in dieser neuen Technologiesparte. Ob Bildungswesen, Pharmazie, Energiekonzerne oder andere - die Seilschaften sind eng und reichen in alle Amtsstuben, Institute und viele Organisationen. Gegenüber diesen ist es in der Gentechnik vieles recht frisch. Aber ein bisschen Geschichte hat es schon. Dorthin soll ein kleiner Blick fallen. Startpunkt ist die erste Freisetzung im Gelände - wohlwissend, dass damit eine lange Vorphase ausgeblendet bleibt, in der die Entwicklung gentechnischer Verfahren und dann gentechnisch veränderter (gv-)Pflanzen in Laboren und Gewächshäusern vorangetrieben wurde.


Das Einleitungskapitel aus dem Buch "Monsanto auf Deutsch" als PDF-Download!


Im Original: Ergänzung der Seilschaften-Recherche im Januar 2015
Aus Andreas Bauer-Panskus & Christoph Then: "Der lange Arm der Industrie - Einflussnahme auf Forschung und Behörden in Deutschland im Bereich Gentechnik und Lebensmittelsicherheit"
Insgesamt ergab sich das Bild einer organisierten und zum Teil verdeckten Einflussnahme auf Behörden und Forschung insbesondere im Bereich der Agro-Gentechnik. ...
Es zeigt sich, dass die Politik auch bei äußerst problematischen Personalien über Jahre hinweg nicht aktiv wird. Der gegenwärtige Zustand ist das Ergebnis einer regelrechten Tradition der institutionellen Verflechtung zwischen Behörden und industrienahen Einrichtungen in Deutschland. Dabei scheint sich die Bundesregierung auf den Standpunkt zu stellen, dass man Interessenkonflikte am besten einfach verleugnet. Ähnlich wie dies im Umfeld der Tabakindustrie über Jahrzehnte hinweg üblich war (siehe zum Beispiel Kyriss et al., 2008; Grüning et al., 2012), hat sich hier eine gewisse Selbstverständlichkeit im distanzlosen Umgang mit den Interessen der Industrie entwickelt, eine Überprüfung der Unabhängigkeit findet oft nicht statt. Damit leistet die Bundesregierung einem äußerst bedenklichen Zustand Vorschub: Die vielfältigen Verflechtungen weisen darauf hin, dass die Industrie über verschiedene Institutionen versucht, systematisch Einfluss auf Behörden, Forschung und Risikobewertung zu nehmen.
Die beschriebenen Netzwerke nehmen Einfluss auf die Forschungspolitik, die Risikoforschung, die Durchführung von Forschungsprojekten, die Entscheidungsfindung in der Politik und die öffentliche Meinung. Gleichzeitig hat der Einfluss der Industrie über Drittmittel-Projekte auch an den Universitäten in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Heute dominiert daher die Sichtweise der Industrie in der Diskussion über Gentechnik-Risiken. Dies gibt Anlass zur Sorge, dass beispielsweise eine kritische Untersuchung der Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen erheblich be- bzw. verhindert wird. Damit haben Politik und Gesellschaft keine ausreichende Basis, um Chancen und Risiken des Einsatzes der Agro-Gentechnik wirklich abzuwägen.



Alle zwei Jahre - die DLG-Feldtage. Hier werben Firmen für ihre (Industrie-)Agrarprodukte. 2012 gab es ein Themenzelt zur Gentechnik ... zusammen von allen Teilen der Seilschaften. Nach dem Motto "Ist der Ruf erst ruiniert, filzt's sich gänzlich ungeniert!"

Wie alles anfing ...
Am Anfang war der Misserfolg. Und der Misserfolg war bei den Firmen. Denn die hatten 1990 versucht, in Deutschland eine manipulierte Pflanze anzusiedeln. Im Juli waren die Forscher vom Kölner Max-Planck-Institut (MPI) für Züchtungsforschung noch zuversichtlich gewesen. In prachtvollem Lachsrot blühten die rund 30 000 Petunien auf dem fußballfeldgroßen Versuchsareal. Nur einige der beliebten Zierpflanzen hatten weißgestreifte oder weißgefleckte Blüten entfaltet. Der Anteil dieser Ausreißer hielt sich im Rahmen der wissenschaftlichen Vorhersagen. Dann kamen die Hundstage des Sommers 1990, und der durch einen meterhohen Drahtzaun gesicherte Testacker auf dem MPI-Gelände erbleichte. Im August war das Lachsrot einem beinahe reinen Weiß gewichen. Als die Hitzewelle verebbte, wechselten die Petunien abermals ihre Blütenfarbe. Doch sie färbten sich, sehr zum Leidwesen der MPI-Forscher, nicht zurück ins monochrome Lachsrot; vielmehr glich der Blumenacker nun dem Petunien-Angebot auf einem Wochenmarkt: Es blühte weiß und blaßrot, ziegelrot, blau und rosa. Der heftig umstrittene erste deutsche Freilandversuch mit gentechnisch veränderten Pflanzen war - die Farbenpracht signalisierte es - zu einem "großen Flop" geraten, wie die Berliner Tageszeitung urteilte (Quelle: "Fiasko in Farbe", in: Spiegel 48/1990 vom 26.11.1990).

Im Original: Berichte der ersten Freisetzung von GVO 1990 in Köln
Aus Umweltinsititut München: "Die Natur als Experimentierfeld - Freisetzungen"
Die aller ersten Freisetzungen von Laborpflanzen fanden 1986 in den USA und in Frankreich statt. Es handelte sich um gentechnisch veränderte Tabakpflanzen. Nur vier Jahre später zog Deutschland nach. 1990 erfolgte in Köln die erste Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in der Bundesrepublik. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts (MPI) untersuchten etwa 40.000 genmanipulierte Petunien. In die Zierpflanzen war ein Mais-Gen eingeschleust worden. Durch diese Manipulation sollten die Petunien ein lachsrotes Pigment ausprägen und rot anstatt weiß blühen. So lauteten zumindest die Prognosen der Forscher und die ersten Tests im Gewächshaus schienen die Hypothese zu bestätigen. Die Überraschung zeigte sich im Juli 1990 im Freiland: Nur die Hälfte der Blüten wurde weiß, einige Petunien blühten wie erwartet rot und wieder andere wurden rosa. Damit nicht genug. Die Petunien wiesen ganz neue, von der Farbprägung unabhängige Eigenschaften auf: Die Pflanzen hatten mehr Blätter und Triebe und waren gegenüber krankheitserregenden Pilzen widerstandsfähiger als ihre unmanipulierten Verwandten. Neben einem überraschend bunten Blütenmeer zeigten die Freilandversuche eines eindeutig: Sichere - im Sinne von wissenschaftlich zuverlässige - Prognosen über das Verhalten von transgenen Organismen im Freiland sind nicht möglich.

Bericht des versuchsdurchführenden MPIZ, in: MPIZ aktuell 1/1996
Der Freilandanbau dieser gentechnisch veränderten (transgenen) Petunienlinie führte zu einer interessanten Beobachtung: nach intensiver Sonneneinstrahlung und hochsommerlichen Temperaturen wurde das A1-Gen "umprogrammiert". Ein großer Teil der ursprünglich lachsrot blühenden Pflanzen bildete neue Blüten, die nunmehr weiß, schwach gefärbt oder rot-weiß gemustert waren.

Bericht zum Petunienversuch 1991-1993 auf www.biosicherheit.de
Im Verlauf des Projektes gab es unerwartete Effekte: Intensive Sonneneinstrahlung und hochsommerliche Temperaturen führten in den freigesetzten transgenen Petunien zu einer „Umprogrammierung“ des eingefügten Maisgens. Viele der ursprünglich lachsroten Petunien bildeten neue, nun aber weiße oder rot-weiß gemusterte Blüten.

Agro-Gentechnik drängt also schon über zwei Jahrzehnte in die Landschaft, außerhalb Deutschlands schon vier Jahre länger. Doch nicht nur der Versuch mit Petunien wurde eher zur Lachnummer, auch der Widerstand gegen die Gentechnik war offensiv und direkt. Nicht die langweiligen Apparate von Umweltverbänden oder der damals nur in wenigen Bundesländern schon machtverwöhnten Grünen ergriffen die Initiative, sondern LandwirtInnen, BürgerInnen, örtliche Gruppen von Verbänden und AktivistInnen - vor allem aus der Umgebung der Felder, einige reisten immer hinzu, um die Protestaktionen zu unterstützen. Es wurde gesenst, herausgerissen, Fußball gespielt oder besetzt. Das brachte viel Aufmerksamkeit, zunehmend mehr öffentlichen Protest.

Die Agro-Gentechniklobby reagierte mit dem, was sie von Anfang an als wichtigste Strategie wählte: Vertuschen, Verschleiern und Verharmlosung bis zu schlichten Lüge. Prägnantes Beispiel ist das Flugblatt des schon damals bedeutenden Gentechnikanwenders Prof. Wolfgang Friedt (Uni Gießen), der 1997 die Frechheit besaß, die Menschen um seine gv-Rapsfelder in Rauischholzhausen mit der Behauptung zu beruhigen, Raps könne nicht auskreuzen! Doch die Lügen verfingen nicht. So kam schließlich ein Moratorium, das die Ausweitung der Agro-Gentechnik stark begrenzte. Direkte Aktionen nahmen ab - obwohl durchaus weiter Felder mit gv-Saat angelegt wurden. Mitunter geschah das auch illegal. Selbst staatliche Behörden deckten solche Versuche oder waren selbst beteiligt. Dazu gehörten Rapsfelder, die um das Jahr 2000 angelegt wurden und nicht wirklich unter Kontrolle gebracht werden konnten. Das alles aber konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Agro-GentechnikerInnen nicht recht zum Zuge kamen. Frust herrschte. Und die Hoffnung auf ein Wunder, einen Befreiungsschlag oder irgendwas, was die Sache wieder in Gang brachte. Das Wunder geschah. 1999.

Ein deutsches Märchen 1999: Papi Staat und die 38 Mio. Mark für den Aufbau der Gentechnik-Seilschaften
Es begab sich aber zu einer Zeit, da Rot-Grün im Land herrschte, dass ein Wettbewerb ausging von der Forschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD), damit sich das deutsche Land erneuere und zukunftsfähig aufstelle in der großen Schlacht um weltweite Marktanteile und Machtpositionen. Und dieser Wettbewerb war mit sehr viel Geld verbunden und geschah nach der Zeit, da Horst Rehberger Wirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt gewesen war und Gentechnikfirmen mit Schätzen aus Steuergeldern aufpäppeln ließ.
Da machte sich auf auch Uwe Schrader aus Wulferstedt, nahe der Stadt Oschersleben, und schrieb für die PR-Agentur tti, die da sitzt in Magdeburg, ein Konzept für die Biotechnologieregion Sachsen-Anhalt, weil er aus dem Hause und der Partei Horst Rehbergers war, damit er sich Schätze geben ließe für ein Projekt namens InnoPlanta, seiner vertrauten Gentechnik; das war lukrativ. Und als er es geschrieben hatte, kam die Zeit, dass die rot-grüne Bundesregierung entscheiden sollte. Und sie entschied sich für das Konzept zum Aufbau der Gentechnik-Seilschaften. Schrader aber nahm das Geld, entwickelte einen Plan zur Durchsetzung der Gentechnik und legte Felder mit gentechnisch verändertem Mais an. Denn durch die Millionen hatte InnoPlanta genug Raum für die Aussaat, die sie Erprobungsanbau nannten.
Doch es waren Bienen in derselben Gegend auf dem Felde bei ihren Stöcken, die holten tags ihren Pollen und Nektar. Und die Imker und Bauern sahen die Gefahr, und die Macht des Staates schuf Patente, Grenzwerte, Versuchsanlagen und Mindestabstände; doch sie fürchteten sich immer noch sehr vor den Gefahren und ihrer Abhängigkeit. Und InnoPlanta sprach - wie viele andere - zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn wir haben heute die für unseren Profit sorgenden Pflanzen ausgebracht, welche ist Mais und Kartoffeln und Raps und Weizen, überall in Stadt und Land. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden den Pollen und Samen in der Natur, auf dem Acker, in Maschinen, Saatgut und Lebensmittelpackungen liegen. Und alsbald war da bei InnoPlanta die Menge der irdischen Heerscharen, die lobten den Staat und das Geld und sprachen:
Ehre sei die Forschungsförderung in der gezahlten Höhe
und Gensaat auf Erden bei den Firmen, denen es wird wohl gefallen.

Und als die Pollen überall in den Honig und das Saatgut gelangten, sprachen die Imker, Bauern und viele weitere Menschen untereinander: Lasst uns nun gehen nach Düsseldorf und Einbeck, Ludwigshafen und Leverkusen, Gießen und Oberboihingen, Groß Lüsewitz und Üplingen, Gatersleben und Quedlinburg - und die Geschichten verbreiten und verhindern, die da geschehen, die uns InnoPlanta und andere kundgetan haben. Und sie kamen eilend und fanden alles, geldschwere Institutionen und Firmen, dazu gentechnisch veränderte Pflanzen auf dem Acker liegen. Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie ein warnendes Wort aus über die Gefahren, die ihnen von diesem Geschehen drohten. Und alle, vor die es kam, ärgerten sich über das, was die Firmen, Behörden und Institute getan hatten. Die Firmen, Lobbyverbände und Behörden aber hörten alle diese Worte und bewegten sie in ihrem PR-Abteilungen. Doch viele Menschen bauten Türme, sensten die Pflanzen wieder um, andere priesen und lobten eine selbstbestimmte Landwirtschaft und berichteten, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn die Gentechnik mit Lügen, Betrug und blanker Macht durchgesetzt worden war.
  • Sie finden solche Märchenerzählungen eine blöde Form der Darstellung? Gut, über "Kunst" oder Geschmack lässt sich schwer streiten. Aber lesen Sie mal die Märchen der BefürworterInnen - und die meinen das Ernst!

Die aktuelle Phase der Durchsetzung gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel begann 1999 - in Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg-Vorpommern. In beiden Fällen entstanden Vereine, die das weitere Geschehen maßgeblich initiierten und prägten: InnoPlanta e.V., einer Retortenproduktion aus der Wirtschaftsförderung und Biotechnologielobby rund um Magdeburg und Börde sowie FINAB e.V. aus dem Umfeld der Universität Rostock. Beide erhielten für ihre Pläne richtig viel Staatskohle - und beide von Regierungen, bei denen mensch es vielleicht nicht so gedacht hätte. In Mecklenburg-Vorpommern wurde die rot-rote Landesregierung zum großen Freund der Agro-GentechnikerInnen um Prof. Inge Broer und ihre Freundin Kerstin Schmidt. Die hatten über ihren unter der Flagge der Gemeinnützigkeit segelnden Lobbyverein eine Kampagne für ein großes Agro-Gentechnikzentrum losgetreten. Rot-rot biss an: 260 ha Land und viele Millionen für den Gebäudeneubau sprangen heraus - ein dicker Batzen für den größen Agro-Gentechnik-Spielplatz der Republik.
Noch dicker kam es in Sachsen-Anhalt. Hier zog FDP-Mann Horst Rehberger die Fäden. Der war 1990 aus dem Saarland nach Magdeburg geschickt worden, um als Landesminister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr den Ossis zu zeigen, wie Kapitalismus funktioniert. Als er sein Amt verlor, blieb er im Land und als Geschäftsführer von Gewerbeparks oder selbständiger Unternehmensberater weiter gestaltend in der Wirtschaftspolitik des Landes (Quelle: Horst Rehberger (2009): "Unterwegs", Klappentext). 1999 gelang ihm und einigen Mitstreitern ein großer Wurf: 38 Mio. DM blätterte die Bundesregierung an Steuergeldern auf den Tisch, um die Agro-Gentechnik voranzutreiben. Bemerkenswert: Das Geld ging an einen Lobbyverein, der auch nichts anderes sein wollte: "Die Hauptaufgabe von InnoPlanta ist die Vernetzung der beteiligten Akteure", stellt sich der Lobbyverein selbst vor und nennt auf der eigenen Internetseite als "Ziel des Vereins ..., die vorhandenen Potenziale aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, Landwirtschaft und Verwaltung zusammenzuführen." Die Millionen waren also ein staatlicher Auftrag, Netzwerke, kritischer ausgedrückt: Seilschaften, aufzubauen. Anerkennend muss mensch hinzufügen: InnoPlanta hat den Auftrag perfekt erfüllt - einer der wenigen Fälle, wo Fördermittel auch für das beantragte Ziel ausgegeben wurden. Erschreckend aber ist nicht nur das Ziel der Förderung, sondern auch, wer das Geld gab: Die rot-grüne Bundesregierung!

Im Original: Aufbauzeit - Horst Rehberger blickt zurück
Aus Horst Rehberger (2009): "Unterwegs", Info Verlag in Karlsruhe (S. 224. f.)
Im Jahr 1999 hatte das Bundesministerium für Bildung und Forschung den InnoRegio Wettbewerb ausgeschrieben. Durch ihn sollte die Clusterbildung in den neuen Bundesländern vorangetrieben werden. Was lag näher, als im Raum Nordharz/Börde ein Konzept für die Weiterentwicklung der Biotechnologie zu entwickeln, mit dem man an diesem Wettbewerb teilnehmen konnte? Das geschah unter Federführung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Aschersleben (Evelyne Nettlau) und der BioRegion Halle-Leipzig GmbH (Dr. Uwe Schrader). Als Berater wirkte auch Rehberger bei der Erstellung des Konzeptes mit. Auf seinen Vorschlag hin wurde der InnoPlanta e.V. als Netzwerk zur Förderung der grünen Biotechnologie gebildet. In ihm haben sich Wissenschaftler, Saatzüchter, Pflanzenbiotechnologie-Unternehmen, kommunale Gebietskörperschaften und nicht zuletzt Landwirte zusammengeschlossen. Der InnoPlanta e.V. ging im Jahr 2000 als Sieger aus dem Wettbewerb hervor. Er realisierte mit der Prämie von rund 30 Millionen Euro 38 Einzelforschungsvorhaben. Daraus entstanden eine Vielzahl von Patenten und Lizenzen in den beteiligten mittelständischen Unternehmen sowie zahlreiche Arbeitsplätze.

Die Biotechnologie-Offensive
Von der in den nächsten Jahrzehnten weltweit überragenden Bedeutung der grünen Biotechnologie für Ernährung, Gesundheit, Umwelt und Bioenergie überzeugt und ermutigt durch die Erfolge beim InnoRegio-Wettbewerb 2000 hatten Schrader und Rehberger im FDP-Wahlprogramm für die Landtagswahl 2002 und anschließend im Koalitionsvertrag mit der CDU die Forderung nach einer Biotechnologie-Offensive durchsetzen können. Und mit der Übernahme des Wirtschaftsressorts konnte Rehberger diese Idee jetzt in die Tat umsetzen. Was zugleich eine Kampfansage an die rot-grüne Bundesregierung war. Deren Verbraucherschutz- und Landwirtschaftsministerin Renate Künast versuchte nämlich alles, um die Grüne Biotechnologie zu blockieren Als wichtigstes Instrument wurde die BioMitteldeutschland GmbH (BMD) neu aufgestellt. In ihr wirken das Land und die einschlägige Wirtschaft, insbesondere die in Sachsen-Anhalt inzwischen sehr starke pharmazeutische Industrie, bei der weiteren Entwicklung aller Bereiche der Biotechnologie zusammen. Im Bereich der Grünen Biotechnologie wurde ein bundesweiter Erprobungsanbau für gentechnisch verbesserten Mais (Bt-Mais) realisiert. Mit großem Erfolg. Die Federführung dafür lag beim InnoPlanta e.V. Die wissenschaftliche Betreuung bei der Landwirtschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.


So rollten in zwei Bundesländern die neuen Biotechnologie-Offensiven für gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere an. Mit Wirkung, sagt InnoPlanta-Chef Uwe Schrader: "Mit der Auszeichnung der Innoplanta-Initiative im Innoregio-Wettbewerb des BMBF konnte dieses Netzwerk im Harzvorland maßgeblich Einfluss auf die Pflanzenbiotechnologie in Sachsen-Anhalt und ganz Deutschland nehmen." (Bericht vom Statusseminar der Initiative InnoPlanta am 19.10.2006)

InnoPlanta preist sich auch selbst, maßgeblich zum Start des großflächigen Anbaus von Bt-Mais beigetragen zu haben: "In die Schlagzeilen geraten war der Innoplanta e.V. vor allem durch die Freilandversuche mit gentechnisch verändertem Mais. Die Versuche waren, bezogen auf die Resistenz gegen den schädlichen Maiszünsler, erfolgreich. Der dafür entwickelte Bt-Mais ist inzwischen offiziell zum Anbau zugelassen." (Bericht vom Statusseminar der Initiative InnoPlanta am 19.10.2006)


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