Welt ohne Strafe

KRITIK DER SELBSTVERWALTUNG & KOMMUNEN

Der "Fall" ZEGG


1. Kommunekritik
2. Beispiele
3. Vom Alternativen zum Unternehmen
4. Der "Fall" ZEGG

Von besonderer Bedeutung ist das ZEGG (Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung) in Belzig - auch deshalb, weil der Streit um die Positionen und Verhältnisse dort sehr prägend war und sich viele Kommunen solidarisch mit dem ZEGG erklärt haben. Was dort abgeht, kann als relativ breit toleriert angesehen werden.

Links mit Informationen und Diskussionen
  • Informationen und Diskussionen auf Indymedia 
  • Vortrag zum ZEGG und Diskussion als Radiobeitrag (ajz radiogruppe bielefeld)
  • Die umfangreichen Zitatesammlungen als Windows-Help-Dateien (Nr. 1 und Nr. 2)

Alles ganz neu? Alles ganz anders?
2007 veröffentlichte das ZEGG (endlich!) Stellungnahmen zu den Kritiken und zu ihrem Verhältnis zu Dieter Duhm und Sabine Lichtenfels. In den Texten werden auch Individuen aus dem ZEGG zitiert. Der gesamte Text wird aber eher so dargestellt, als sei es ein Gesamtbild der Auffassungen im ZEGG. Daher können die Texte auch dem offensichtlich bestehenden Kollektiv der Menschen im ZEGG entgegengehalten oder - wahlweise - zugute gehalten werden.


Doch das Ergebnis war streckenweise unbefriedigend, an vielen Stellen blieben die Hauptfragen einfach offen, aber ein "Immerhin" ließ sich an einigen Punkten auch ableiten. Daher sollen hier einige Kommentare und Zitate zu den Ausführungen (siehe Links aus der Kurz-Stellungnahme) und anderen aktuellen ZEGG-Texten folgen.

Immerhin ...
Nach vielen Jahren des Schweigens gibt es endlich Texte und Stellungnahmen aus dem ZEGG zu den Kritiken. Damit ist eine wichtige Voraussetzung für eine aktualisierte Bewertung von Ideologie und Praxis des ZEGG geschaffen, denn solange unklar blieb, wie sich die Menschen im ZEGG zu den kritisierten Texten, Ursprüngen und Handlungsweisen verhielten, war es auch nicht möglich, sich auf die aktuellen Verhältnisse zu konzentrieren.

Aber ...
Bereits die lange Zeit zwischen Kritik und Antwort wirft eine Menge Probleme auf. Die Stellungnahme aus dem ZEGG bezieht sich vor allem auf Texte aus der Anfangsphase des Projektes. Die Kritiken dort werden meistens mit der heutigen Praxis im ZEGG verglichen. Das ist unlauter. Die Texte z.B. der Rosaroten PantherInnen (siehe Windows-Helpdateien Nr. 1 und Nr. 2) stammen aus dem Jahr 1995 und kritisieren die Lage dort. Der Verweis, dass es heute anders ist, ist keine Widerlegung der Kritik, sondern höchstens ein Hinweis, dass es nicht (mehr) so ist. Ob die Kritik damals zugetroffen hat, wird in den ZEGG-Entgegnungen meist gar nicht erörtert. Damit ist die ZEGG-Stellungnahme keine Auseinandersetzung mit der Kritik, aber (auch hier: immerhin!) eine Klärung der heutigen Situation. Ob aktuellere Kritik auch erst in zwölf Jahren im ZEGG angekommen sein werden???

..., zudem ...
Enttäuschenderweise bleibt die Stellungnahme an ganz vielen Punkten äußerst schwammig. Gerade an den besonders strittigen Punkten weichen die AutorInnen aus dem ZEGG auf Begriffe wie "missverständlich" aus oder dass irgendetwas im Gesamtzusammenhang gesehen werden muss (siehe dazu vor allem den Punkt 3. unten).

... und außerdem noch:
Ebenfalls gar keine Aussagekraft haben Vorwürfe der Art "war ja noch nie im ZEGG". Das kann zwar sein (woher die, die das behaupten, es allerdings so genau wissen wollen, bleibt schleierhaft - nicht jeder Besuch wird offiziell bzw. korrekt registriert ...), ergibt aber kein Argument. Insbesondere dann nicht, wenn Kritik an Texten erfolgen. Die lassen sich nämlich auch außerhalb des ZEGG lesen.

Beispiele
Was mich am meisten nervt, ist, dass Menschen, die noch nie im ZEGG waren, immer wieder alte Vorwürfe aufwärmen, die durch die Jahre und die oftmalige Wiederholung nicht wahrer werden. ... Zumal sich dann auch die meisten der Kritiken auf Literaturstellen von Dieter Duhm und Sabine Lichtenfels beziehen und fast nie auf konkrete Gegebenheiten oder Vorkommnisse im realen ZEGG. ...
Schade ist, dass die KritikerInnen so selten herkommen um sich ein eigenes Bild zu machen oder sonst wie das Gespräch suchen. Ich bin sehr gerne bereit dazu, denn ich verstehe die Kritik an den Textstellen, aber ich bin traurig über die hartnäckigen Vorurteile, die daraus entstanden sind.


Zuzustimmen ist dem ZEGG ...
In der Tat absurd ist der Vorwurf an das ZEGG, eine Sekte zu sein. Und zwar nicht, weil die dahinterstehenden Kritikpunkte nicht greifen, sondern weil der Begriff "Sekte" und die mit diesem Wort gebildete Logik kein Argument, sondern nur eine Kategorie darstellt. Sekte ist nichts anders als etwas Abgespaltendes, im weiteren umgangssprachlichen Bedeutungswandel des Wortes als etwas Abweichendes, durch die Abweichung Isoliertes oder sich Isolierendes. Historisch sind hiermit vor allem Glaubensgemeinschaften stigmatisiert worden, die sich von der offiziellen Glaubensgemeinschaft abtrennten. Definitionsmacht hatte dabei die ofifzielle Glaubensgemeinschaft. Will heißen: Die Sektenbeauftragten der einen an absurde Außenwelten glaubenden Gruppe definieren andere, die an andere absurde Außenwelten glauben, als Sekte. Aus emanzipatorischer Sicht kommt die Stigmatisierung einer Gruppe als Sekte daher grundsätzlich nicht in Frage, weil das Anderssein nicht per se eine Kritik auslösen kann - jedenfalls nicht, wie formuliert, mit emanzipatorischer Perspektive.
Daher: Sekte ist ein Kampfbegriff der "Norm"alität. Als solcher ist er zu entlarven statt ihn selbst zu benutzen - zumal in durchaus ähnlicher Absicht, nämlich der Inszenierung als InhaberInnen der Definitionsmacht über richtige und falsche Alternativprojekte in diesem Land.

Gleichzeitig bleiben bis heute viele Positionen problematisch ... 1. Sexualitäts-Hype
In den alten Texten (siehe Quellensammlungen Nr. 1 und Nr. 2) finden sich sehr viele und recht deutliche Beispiele dafür, dass fast alle Themen (Hunger, Krieg, Umweltzerstörung ...) auf unerfüllte Liebe oder, reduziert, unerfüllte Sexualität zurückzuführen seien oder zumindest eine Heilung der Welt ohne Befreiung der Sexualität gar nicht geht.

Auch die taz berichtete am 30.07.1993:
Im Zegg steht dagegen der Versuch, eine "angstfreie Sexualität" zu entwickeln, im Mittelpunkt. Diese ist für die Mitglieder zugleich der archimedische Punkt für eine Veränderung der Gesellschaft. Es ist gerade die von Duhm formulierte Ansicht, die Weltprobleme Krieg und Unterernährung könnten erst dann gelöst werden, wenn bei den Menschen der "Hunger nach Liebe gestillt" sei, die dem Projekt immer wieder Anfeindungen aus dem linken Lager einbringt.

In ihrer aktuellen Stellungnahme führt das ZEGG nun aus:

Aus der Erklärung:
Wir sehen die aktuellen gesellschaftlichen Probleme nicht "ausschließlich in der Unterdrückung der Sexualität begründet".
Die kritische Analyse des kapitalistisch-patriarchalen Systems ist Grundlage unserer Arbeit im ZEGG.
Zu unserer Suche nach bewusst gelebter Sexualität müssen immer unsere Konzepte für Partnerschaft und Gemeinschaft und unsere politischen Ziele mitgedacht werden. Wer das nicht mitzitiert, entwirft das eindimensionale Bild von "Rettet die Welt durch Sex …"


Stimmt das? Zwar finden sich an keiner Stelle heute mehr die absurden Sexualität-befreit-von-allen-Problemen-Texte, aber Denkweisen, die die Sexualität zumindest als Kern aller menschlichen Handlungen und Motive einstufen, sind auch in aktuellen Texten unübersehbar. Auch die Auswahl der Stichpunkte auf dem Eingangsbild der ZEGG-Homepage zeigt eher in diese Richtung (siehe oben).

Fast religiöse Aufwertung der Sexualität
Aus Richter, Dolores (2005): UTOPIE der Geschlechterliebe
Eins: Religion und Eros
Es ist eine religiöse Sehnsucht und eine erotische Sehnsucht. Mann und Frau haben einander erkannt. ANGEKOMMEN. Ein ganz personaler und ein ganz universeller Vorgang. Schöpfungsakt. Zeugung. Aus zwei werden eins. Oft entsteht etwas Drittes. Auf der Ebene der Geschlechterliebe, der sinnlichen, seelischen und sexuellen Hingabe aneinander, ist das der Moment, wo ich das Sakrament der Ehe tief verstehen kann. Da gibt es etwas Süßes, was Dauer will... Hochzeit in einem neuen Sinn ist ein Fest, wo sinnliche Erlebnisse solcher Art von der Gemeinschaft gefeiert werden – und dadurch ins Große „entlassen“ werden. Zeugenschaft erweitert den Raum.


In ihrem Vortrag "Freiheit ist da, wo du liebst" bezeichnet Dolores Richter das Thema als "Kernbereich dieses Platzes", gemeint: "die Kulturarbeit an der Liebe". Und weiter:

Eros ist eine anarchische Kraft ... Die Geschlechterliebe ist die existentiellste von allen, weil sie entlang geht mit der sinnlichen, erotischen und sexuellen Liebe. Da diese so starke seelische und körperliche Zustände hervorruft, die jeden Menschen in Bann ziehen, uns Beben, Hoffen oder Resignieren lassen. Es ist eine Aufgabe, diese Kraft ans Licht zu holen und zu verstehen. ...
Der Eros ist die schöpferische Antriebskraft des Universums. Treibstoff alles Lebendigen, das nach eigenen Gesetzen handelt. So gibt es auch eine ursprüngliche oder geheilte Sexualität, von der Dieter Duhm spricht: „Sexualität liegt allen Bereichen der menschlichen Existenz zugrunde, und durchzieht die ganze Gesellschaft wie ein unsichtbares Nervengewebe... - Würden wir das Leibliche lieben, würden wir nichts Leibliches mehr zerstören. Sexualität ist die Seelenkraft in der Welt, die alles Leibliche zusammenhält.“


Zu "Das ZEGG ist eine Platz für Liebe" (ZEGG-Programm (2002), S. 22)
Die Liebe braucht ein spirituelles Fundament, denn sie ist eine universelle Kraft. Ohne spirituelles Fundament suchen wir in der Liebe zu einem einzelnen Menschen, was wir im Kontakt zum Universum verloren haben.

Auch Dieter Duhm benennt in neueren Texten den Hauptpunkt Sexualität weiter.

Aus seiner Erklärung von 2005:
Um Frieden zu verwirklichen, brauchen wir funktionierende Gemeinschaften; um funktionierende Gemeinschaften zu erzeugen, brauchen wir ein unverlogenes Liebesleben mit unverlogener Sexualität.

Vorgeworfen wurde dem ZEGG auch, Menschen stark zu häufigem Sex zu drängen, dafür Angebote zu schaffen und den Platz eher als Plattform zum Rammeln als in der Art eines alternativen Lebensprojektes zu organisieren. Es gibt AugenzeugInnenberichte dazu, die auch veröffentlicht sind. Dazu hat das ZEGG nie Stellung bezogen. Auch jetzt verzichtet es darauf. Stattdessen schreibt es über die heutige Situation:

Aus der Erklärung:
Im ZEGG gibt es keine Pflicht zu "möglichst viel Sex" oder eine "Pflicht zur Sexualität mit mehreren Personen". Unsere Utopie von "Freier Liebe" ist weder durch die Art der Sexualität noch durch die Zahl der Partner definiert und bedeutet nicht wahllose Promiskuität.

Unbefriedigend bleibt, dass das ZEGG sich auch hier mit der damaligen Situation nicht auseinandersetzt. Ebenso aber gilt auch hier ein uneingeschränktes: Immerhin! Gut, wenn es heute auf dem Platz kein Drängeln zum Vögeln mehr gibt. Gut, wenn sich auch Menschen dort wohlfühlen können, deren Selbstbewusstsein nicht aus der Horizontal-Olympiade erwächst.

2. Dieter Duhm, Sabine Lichtenfels und Tamera
Es lohnt sich, vorab nochmal die Texte von Duhm und Lichtenfels durchzulesen, auf die sich die Kritik bezieht - nicht die neueren, geglätteten Texte, sondern die von damals (Anfang der 90er Jahre), auf die sich die Kritik bezieht. Denn um die Kritik der damaligen Texte geht es hier (Quellensammlungen Nr. 1 und Nr. 2). Und angesichts der Sprüche, die beide damals gekloppt haben, fallen die vorsichtigen Distanzierungen sehr zurückhaltend aus - auch wenn (Stichwort: Immernhin!) überhaupt ein Abrücken von den ehemaligen inspirierenden und zentralen Personen sichtbar wird.
Das Projekt Tamera ist deshalb von Bedeutung, weil Duhm und Lichtenfels mit etlichen ZEGG-BewohnerInnen dorthin ausgewandert sind und dieses Projekt noch heute bestimmen. Für Tamera würde die Kritik also auch heute noch uneingeschränkt gelten. Vergessen werden darf aber nicht, dass ZEGG und Tamera zusammen mit anderen, z.B. ebenfalls reichlich dubiosen Projekten (z.B. dem schottischen, wurzelrassistischen Findhorn) ein europäisches Netzwerk, das GeN, aufrechterhält. Darin ist Tamera das tonangebende Projekt.

Grundsätzlich
Die Kritik am ZEGG bezieht sich oft nicht auf das ZEGG selbst, sondern auf Aussagen in den Büchern von Sabine Lichtenfels und Dieter Duhm. Sie waren die Inspiratoren des Netzwerkes MEIGA, aus dem heraus das ZEGG 1991 entstand, haben aber nie im ZEGG gelebt, sondern leiten seit 1995 das Projekt Tamera in Portugal.

Beispiele
Das ZEGG hat eine gegenüber Dieter Duhm und Sabine Lichtenfels eigenständige und von ihrem 1995 gegründeten Projekt Tamera deutlich unterscheidbare Entwicklung genommen. Die beiden Projekte ZEGG und Tamera arbeiten unabhängig voneinander. ...
Das ZEGG geht seinen eigenen Weg. Die Beschreibung unserer Entwicklung bezieht sich auf 15 Jahre Projektzeit - aus ihr lassen sich aber keine "Umkehrschlüsse" auf den Stand der Dinge im von Dieter Duhm und Sabine Lichtenfels heute geleiteten Projekt Tamera ziehen - dies verlangt eine völlig eigene Auseinandersetzung mit diesem Projekt.


Aber auch:
Die Verbindung besteht aufgrund langjähriger Freundschaften zwischen einigen MitarbeiterInnen der Gemeinschaften. Ein Teil der ZEGG-MitarbeiterInnen nutzt Tamera nach wie vor als Ort für ihre persönliche Inspiration.

Duhm und Lichtenfels haben unstrittig eine erhebliche Bedeutung für das ZEGG in deren Anfangszeit:
Sabine Lichtenfels und Dieter Duhm sind Mitbegründer und geistige Inspiratoren des Projekts MEIGA, aus dem das ZEGG hervorgegangen ist. Beide haben nie im ZEGG gelebt, aber in den ersten Jahren beim Aufbau der Gemeinschaft mitgewirkt.
Sie waren gelegentlich im ZEGG zu Gast, das letzte Mal im Jahr 2003. Bis 2005 veranstaltete Tamera einmal im Jahr eine "Herbsttagung" im ZEGG.
Viele der zur Trägergruppe des ZEGG 1991 gehörenden Gemeinschaftsmitglieder waren Mitglieder der "Bauhütte" (1983-1986), einer "Pionier-Gemeinschaft" unter der Leitung von Dieter Duhm.


Das geht auch aus damaligen Aussagen der ZEGG-Geschäftsführerin hervor in einem Bericht der taz, 30.07.1993
Duhm, dessen Buch "Angst im Kapitalismus" vor über zwanzig Jahren die Suche der Linken nach neuen Lebensformen beinflußt hat, sei lediglich der "geistige Inspirator" des Projekts. Er habe mit den Erfahrungen seines früheren Gruppenexperimentes im Schwarzwald die "Gruppe angeleitet und zusammengehalten".

Dürftige Teilkritik bis weiter vorhandene Akzeptanz als VordenkerInnen
Die Bandbreite der Meinungen im ZEGG geht von
"Die Grundgedanken sind, unabhängig von Projekten und Zugehörigkeiten, nach wie vor politisch wichtig und wahr."
bis
"Die Bücher sind nicht unsere Bibel, sondern z. T. autobiografische Erzählungen und Gedanken zweier unbequemer ›Neudenker‹. Man kann sich von ihnen inspirieren lassen oder sie weglegen."

Kommentar: Das ist schon enttäuschend, aber auch klärend: Eine ablehnende Haltung gibt es scheinbar nicht. Denn der rhetorische Trick der "Bandbreite" suggeriert hohe Unterschiedlichkeit. Das die reicht offenbar nur von Zustimmung bis zu Neutralität - Ablehnung gibt es offenbar nicht.

Und weiter geht es:
Wir sehen jedoch keinen Grund, uns generell vom Inhalt der Bücher zu distanzieren und erst recht nicht von den Menschen Dieter Duhm und Sabine Lichtenfels, mit denen einige Bewohner freundschaftlich verbunden sind, und denen wir die Inspiration zu einem Projekt verdanken, das wir lieben.
Wir meinen, dass einige Texte von Dieter Duhm und Sabine Lichtenfels zu wenig berücksichtigen, dass ihr Inhalt stellenweise nur zusammen mit einem Wissen um die zugrunde liegende konkrete Lebenspraxis und das zugrunde liegende Menschenbild, sowie die Erfahrungen des langjährigen Gemeinschaftsaufbaus verstehbar ist. ...
Aus der Stellungnahme einer früheren Besucherin des ZEGG: "Wenn ich die Texte von Sabine Lichtenfels und Dieter Duhm auf der Folie der bürgerlichen Weltsicht lese, ist die Kritik, die ihr übt, absolut richtig! Im Rahmen der bestehenden Verhältnisse die dort beschriebenen Lebensformen zu leben, wäre ein absurder zum Scheitern verurteilter Versuch und ein Rückschritt in der Emanzipation der Frau."
Wir verstehen die Texte jedoch als visionäre Texte. Ihnen liegt ein Ausstieg aus dem patriarchalen kapitalistischen Denken zugrunde, und sie fordern den Aufbau konkreter anderer gesellschaftlicher Bedingungen.


Im Jahr 1997 nahm das ZEGG "missverständliche" (Lieblingswort in den Erklärungen) Äußerungen von Dieter Duhm zur Vergewaltigung Minderjähriger durch den Chef der AAO, Otto Muehl, von der eigenen Homepage. Nehmen wir an, das war so, dann zeigt es (erfreulicherweise), dass das ZEGG sich damit auseinandergesetzt und auch gehandelt hat. Andererseits bestätigt es aber auch Kritiken, die ja vorher erfolgt sind. Dass der Text von der Homepage genommen wurde, macht ja nicht die vorherige Kritik falsch, sondern im besten Fall nur für die Zukunft gegenstandslos. (ZEGG-Dokumentation des Vorganges).

Die Formulierungen in der Stellungnahme des ZEGG:
Wir halten die in diesem Zusammenhang zitierten Textstellen für sehr missverständlich. Die Missverständnisse wurden noch verstärkt dadurch, dass die Zitate von den Kritikern oft aus dem Zusammenhang gerissen wurden und so verkürzt nicht mehr nachvollziehbar sind. ...
Die Zitate sind unseres Erachtens im Zusammenhang der von Sabine Lichtenfels formulierten Absicht zu sehen: "(…) neue soziale Strukturen des menschlichen Zusammenlebens im Kernbereich von Liebe und Sexualität zu entwickeln, in denen es keine reale Vergewaltigung und keine Hörigkeit mehr gibt".


Nein, das befriedigt nicht. Die Aussagen von Duhm und Lichtenfels sind klar und deutlich - wahrscheinlich würden sie darauf sogar selbst bestehen. Der Hinweis auf Missverständnisse ist eine Ausflucht. Selbst wenn im ZEGG keine generelle Distanzierung zu den InitiatorInnen Duhm und Lichtenfels möglich scheint - von diesen Absätze wäre es schon nötig. Und auch im Sinne einer kritischen Auseinandersetzung schlicht zu erwarten. So fällt ein Schleier der Unglaubwürdigkeit auf die gesamte Stellungnahme. Dient diese mehr der Beruhigung der KritikerInnen? Warum schaffen es die Menschen im ZEGG nicht einmal zu diesen sehr eindeutigen Zitaten, mal eine klare Formulierung zustande zu bringen?
Beim Vorwurf des Kindesmißbrauchs und der Vergewaltigung lohnt sich auch de Blick auf aktuellere Schriften von Dieter Duhm selbst.

1997 in der von der ZEGG-Homepage verschwundenen Stellungnahme sagt er noch, er wisse von nichts:
Ich weiß nicht, was im Fall Muehl wirklich stattgefunden hat.

2005 nimmt er nochmals Stellung und verteidigt nun Otto Muehl - das ganz sei eine Verleumdung, also falsch:
Was die „verbrecherischen“ Sexualpraktiken betrifft, die ihm vorgeworfen werden, so kann ich nur versichern: Ich habe nie etwas davon erlebt! Und ich halte es aufgrund meiner Kenntnis seiner Person und seines Charakters für unmöglich, dass er Kinder sexuell mißbraucht hat. Es ist fürchterlich, es ist eine fürchterliche Riesensauerei, was ihm da zur Last gelegt wird, und was einfach so geglaubt wird! Vergewaltigung junger Frauen ab 13, sexueller Mißbrauch von Kleinkindern ab dem vierten Lebensjahr – und das jahrelang!! Ich kann es immer noch nicht fassen, wenn ich solche maßlosen Verleumdungen irgendwo lesen muß. Ich war fast ein halbes Jahr lang auf dem Friedrichshof im österreichischen Burgenland, wo er lebte und arbeitete. Warum habe ich nie auch nur das Geringste davon gemerkt?

Beim Blättern in den Texten des ZEGG fällt zudem auf, dass die bei der bewussten kritischen Formulierung gewählten Äußerungen nicht überall zu gelten scheinen. Vielmehr ist ein positiver Bezug auf GründerInnen prägend.

Aus der ZEGG Selbstdarstellung (2005), S.8
Die Idee des ZEGG basiert in ihren Wurzeln auf den Arbeiten von Dieter Duhm und Sabine Lichtenfels, die das Projekt „Tamera “ in Portugal mit aufbauen.

Dolores Richter (ZEGG) empfiehlt im Vortrag "Freiheit ist da, wo du liebst" zum Weiterlesen nur Dieter Duhm:
Wir müssen die Geschichte in ihrer vollen Bandbreite zur Kenntnis nehmen, wenn wir verstehen wollen, was heute noch zwischen den Geschlechtern geschieht. Ich empfehle dazu das Buch „Die heilige Matrix“ von Dieter Duhm zu lesen.

Auch Dieter Duhm hat 2005 noch einmal zu den Kritiken Stellung bezogen. Das Lesen lohnt sich - hier ist deutlich zu merken, dass ein Nachdenken offensichtlich nicht stattgefunden hat. Die gehäuften Portionen Hass gegen die KritikerInnen hier ...

In beiden Stellungnahmen von Duhm (1997 und 2005) befinden sich zudem Aussagen über die Verbindungslinien zwischen ihm, Tamera und dem ZEGG.

Stellungnahme von 1997:
Wenn ich im Folgenden von "wir" spreche, so meine ich keine feste Gruppe, sondern alle, die an der Erarbeitung und Verwirklichung der Ziele von MEIGA aktiv beteiligt sind. Das sind zur Zeit die Kerngruppe von Tamera, einige Mitarbeiter des ZEGG und einige Einzelpersonen.

Stellungnahme von 2005:
Tamera und seine Gründer freuen sich auf eine sachdienliche Zusammenarbeit. Der alte Familiengram mit den Freunden im ZEGG und das Vorurteil in der Öffentlichkeit könnten jetzt durch eine lösungsorientierte Kooperation ersetzt werden. Möge wieder zusammenkommen, was zusammen gehört.

3. Geschlechterrollen und Heteronormativität
Zunächst ein paar Einblick, was Sabine Lichtenfels und Dieter Duhm zu diesem Thema zu sagen hatten - auch im und für das ZEGG in dessen Anfangsjahren:

Sabine Lichtenfels, "Der Hunger hinter dem Schweigen" (S.77 ff.)
Solange die Frau kein positives Verhältnis zum Sex hat, solange sie nicht annimmt und bejaht, daß sie ganz wesentlich aus Sex besteht, purem Sex, solange sie hier ihre Verantwortung nicht sieht, sondern dem Mann die Regie und Verantwortung übergibt, solange wird sie nie aus ihrem Schuld-Dilemma austreten können. Fast alle Frauen wehren sich immer noch gegen ihre sexuelle Grundnatur. Hier liegen ihre Scham und Verurteilung sich selbst gegenüber. Der eigentliche Vorwurf der Frau an den Mann heißt nicht: Du benutzt mich ja nur als dein Objekt! Das ist der Vorwurf, der aus der größten Verdrängung erwächst. Der eigentliche Vorwurf heißt: Warum tust du es nicht endlich? Warum tust du es nicht endlich ganz? Ich will dein Lustobjekt sein. Viel mehr, als du glaubst. Wenn nur ein Mann dies ganz verstünde! Erst dann fühle ich mich ganz gesehen und erkannt als Frau. Erst dann fühle ich mich erweckt. Da, wo er mich ganz zu behandeln versteht als "sein Stück" ohne Gewalt und ohne Verachtung, erst da trifft und berührt er mich ganz. ...
Um es pathetisch zu sagen, im Sex erst liegt meine eigentliche Würde als Frau. Die Würde der Frau hat immer ein Loch. ...
Warum erkennt und akzeptiert der Mann es nicht, daß mein Leib ganz und gar nach dieser elementaren, objektiven, rein materiellen Erfüllung schreit? Dementsprechend möchte er gepflegt, bedient, behandelt und voll benutzt werden.


Dieter Duhm, "Politischen Texte" von 1992 (S. 85)
Könnten Frauen ihre gesellschaftliche Rolle ganz erfüllen, dann wäre wohl keine Therapie mehr nötig. Eine Frau ist, wenn sie ihre weibliche und universelle Identität gefunden hat, eine natürliche Anlaufstelle für alle Männer. Eine reife Frau ist in einer Gemeinschaft ein sexueller und ein seelischer Pol für alle. Sie ist dies ganz einfach durch ihr authentisches Dasein. In einer organischen Gemeinschaft wird sie z.B. ganz von selbst die Liebeslehrerin vieler junger Männer sein. Nicht, weil sie darin ihre eigene Sucht nach Jugendlichen stillen muß, sondern weil es ihre natürliche Funktion ist und weil sie natürlicherweise in dieser Funktion aufgesucht wird.

  • Mehr Zitate in den Texten der Rosaroten PantherInnen: Nr. 1 und Nr. 2

Zunächst stammelt Dieter Duhm in seiner Erklärung von 2005 herum, warum das Zitieren seiner Texte unfair ist: Mensch hätte auch andere Zitate erwähnen sollen. Macht das die Genannten besser? Ist das nicht eher die Akzeptanz der Kritik?

Aus der Erklärung von 2005:
Es war zu billig, mir Sexismus vorzuwerfen. Man hat Zitate herausgesucht, die meine „sexistische“ Haltung zur Sexualität auf plattester Ebene beweisen sollten. Warum hat man nicht auch die anderen gebracht, ...

Aus dem ZEGG ist zu diesen Zitaten gar nichts zu lesen. An dieser Stelle sind die neuen Erklärungen am unbefriedigendsten. Zugegeben: Verharmlosung von Vergewaltigung und den "Die Frau ist purer Sex" oder "Die Würde der Frau hat immer ein Loch"-Sprüche der Marke Duhm/Lichtenfels kommen heute im ZEGG nicht mehr vor. Klare Distanzierung, die hier sehr wohl angemessen wären statt dem Gestammel von Missverständnissen und Unklarheiten, finden sich von den alten Schriften gar nicht.
Stattdessen lässt sich ständig erkennen, wie das ZEGG heute über Männer und Frauen denkt: Nicht mehr in der Rollenverteilung, dass Frauen "natürliche Anlaufstellen" für Männer und "purer Sex" sind, so dass nur die Frage ist, "wie" Männer die Frauen besteigen sollen, aber immer noch in ganz klassischen und sehr ausgeprägten Rollenklischees - eben in genau zwei Geschlechtern gedacht, die füreinander da sind und über sehr unterschiedliche Merkmale verfügen. Diese zum Ausdruck zu bringen, so die Aufgabe.

Aus der Erklärung
Wir leiten nicht aus einer "naturgegebenen" Geschlechterdifferenz entsprechende "Rollenzuweisungen" ab. Wir teilen die Auffassung, dass Menschen frei sind, sich unabhängig von ihrem Geschlecht Aufgaben in der Gesellschaft zu suchen. ...

Doch schon in dieser Erklärung finden sich Rückgriffe auf das vermeintlich "Männliche" und "Weibliche":
Auf der Basis von Respekt für das andere Geschlecht und auch für andere sexuelle Orientierungen, sowie der Anerkennung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Gleichberechtigung von Männern und Frauen erforschen wir unter uns die verschiedenen Qualitäten und die Polarität von "männlich" und "weiblich".

Noch viel schlimmer wird es in anderen Texten. Hier zeigt sich: Die Rollenklischees werden im ZEGG weiter auf breiter Front hochgehalten. Daher gibt es dazu eine gesondere Übersicht.

  • Extra-Seite zur zweigeschlechtlich-heteronormativen Ausrichtung der aktuellen ZEGG-Programmatik (2005)

4. Familie

Aus der Erklärung
Bewusst gewählte und verantwortliche Elternschaft ist für uns ein hoher Wert.
Dazu gehört die Annahme der Verantwortung für die eigene Partnerschaft und für die eigenen Kinder, denn sie brauchen für eine angstfreie Entwicklung feste verlässliche Bezugspersonen und ein Klima emotioneller Wärme.


Ganz undifferenziert wird die Auflösung der verbindlichen Familienstrukturen kritisiert:
Es geht auch um Alternativen zur Vereinzelung in der Gesellschaft, zur zunehmenden Zahl Alleinerziehender, zu Patchwork-Familien und zu dem ratlosen Umgang unserer Gesellschaft mit erotischer Anziehung und der "Sprengkraft", die für viele im Widerspruch zwischen sexuellen Sehnsüchten und der Unerfüllbarkeit des romantischen Liebesideals liegt.

Ein seltsamer Baustein der ZEGG-Stellungnahme ist die Abwehr einer vermeintlichen Kritik am ZEGG, bei dem diesem vorgeworfen wird, Kindern die Bezugspersonen nehmen zu wollen. Als Reaktion verteidigt das ZEGG-Papier nun deutlich eine Mama-Papa-Struktur:

Aus der Erklärung
Kinder brauchen "Mama und Papa". Unsere Kinder wachsen bei ihren Eltern auf, wohnen bei ihnen und können jederzeit mit ihnen zusammen sein, um aus der Geborgenheit bei ihren Eltern heraus die Welt zu erobern. Unser Ziel ist es, Eltern und Kinder dabei in den größeren Kontext einer Gemeinschaft einzubetten, in der die nötige Unterstützung für eine liebevolle Begleitung der Kinder vorhanden ist.

Aber gleich im nächsten Absatz folgt eine Relativierung - immerhin!
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Kinder sich in der Gemeinschaft andere Männer und Frauen "adoptieren" - als zusätzliche "Mütter", "Väter", als zusätzliche Freundinnen und Freunde. Sie bauen sich, wenn man sie sich ihren sozialen Bezugsrahmen frei aufbauen lässt, ein Netzwerk, das einer kleinen Gemeinschaft entspricht. Sie haben bei ihren Eltern ihren festen Halt, die "Nestwärme", die sie brauchen, und die ganze Gemeinschaft als verbindlichen und stabilen Lebensraum.

5. Esoterik
Auch in der neuen Erklärung wird ein offensiv-positiver Bezug auf transzendente Welten formuliert:

Aus der Erklärung:
Spirituell zu leben bedeutet für uns, ein Leben zu führen in dem Wissen, Teil eines Schöpfungsganzen zu sein. Eine spirituelle Praxis ist keine beliebige Angelegenheit. Sie ist die Folge der Verantwortung gegenüber dem eigenen Glück, der eigenen Lebensaufgabe und gegenüber der Welt.

Das passt zu vielen weiteren aktuellen Texten des ZEGG, zum Beispiel:

Aus der Zegg Selbstdarstellung (2005)
Die MitarbeiterInnen im ZEGG verfolgen verschiedene spirituelle Wege. Allen Wegen ist gemeinsam, dass sie die tieferliegenden universellen Gesetze erfahrbar machen wollen und eine Praxis etablieren, die hilft, ein Leben in Einklang mit diesen Gesetzen zu festigen. Eine spirituelle Praxis ist keine beliebiege Angelegenheit. Sie ist die Folge der Verantwortung gegen über dem eigenen Glück, der eigenen Lebensaufgabe und dem Großen Ganzen, aus dem alles hervorgeht. ...
Nur wer in einer tieferen Ebene des Seins ruhen lernt, vollzieht den Wechsel vom Habenwollen zum Dienst am Ganzen. (S.15)

Ankündigung zu einem Seminar „Spirituelle Praxis – Basis “:
Jeder Mensch ist Teil eines gr ößeren Ganzen, mit allem verbunden und auf nichts ohne Wirkung. Im Alltag geht dieser Zugang zu großer innerer Stärke oft verloren. Wir nehmen uns Zeit, kreativ und lustvoll zu erforschen, welche Praxis sp ürbar hilft, den Blick zu erweitern und das Göttliche, unsere Quelle – oder wie auch immer wir es nennen – zu berühren. (S. 36)

Links zum ZEGG

ZEGG wieder bewegungsintegriert?
  • In der Jungen Welt vom 1.10.2005 (S. 4) veröffentlichte Leila Dregger, Ex-Öffentlichkeitschefin des ZEGG
  • In der analyse & kritik vom 16.9.2005 (S. 35) wird für eine ZEGG/Tameraveranstaltung geworben.
  • Kritische Infoseite zum spirituellen bis esoterischen Netzwerk Holon

Etliche Texte und Zitate sind mit, andere ohne Namen - das liegt zum einen daran, wie wir die Texte bekommen haben, zum anderen können die, deren Texte hier abgedruckt sind, auch selbst bestimmen ... per Info- und Kontaktformular mit Begründung genügt und der Name wird, wenn das Argument überzeugt, gestrichen bzw. hinzugefügt.

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