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PATRIARCHAT, KAPITAL UND GESELLSCHAFTLICHE REPRODUKTION VON SEXUELLER GEWALT

Patriarchale Strukturen und sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder


1. Was ist Patriarchat?
2. Patriarchale Strukturen und sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder
3. Ausblick
4. Modernisiertes Patriarchat

Im folgenden soll es darum gehen, patriarchale Strukturen zu benennen und darzustellen, wie diese sexuelle Gewalt produzieren bzw. wie sexuelle Gewalt unsere patriarchale Kultur aufrechterhält.Die wichtigsten Kennzeichen der patriarchalen Gesellschaften sind die ungleiche Macht- und Ressourcenverteilung zugunsten des männlichen Geschlechts sowie die geschlechtliche Arbeitsteilung, die in Ehe und Familie gesellschaftlich verankert ist.Macht- und RessourcenverteilungMacht und Ressourcen, wie z.B. Bildung, materielle Güter, politische Mitbestimmungsrechte, soziale Positionen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik etc., werden einseitig zugunsten des männlichen Geschlechts vergeben. Diese unterschiedliche Verteilung begünstigt sexuelle Gewalt, da aus ihr resultiert, dass Frauen mit weniger materiellen und ideellen Handlungsmöglichkeiten ausgestattet sind. Neben dem institutionalisierten ungleichen Status von Männern und Frauen, der verbunden ist mit der Ideologie der männlichen Überlegenheit, ist zudem auch das Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern zu beachten.Mädchen und Frauen werden damit weniger Möglichkeiten gegeben, sich gegen sexuelle Übergriffe zu wehren, da z.B. eine Ehefrau sich aufgrund ihrer i.d.R. bestehenden ökonomischen und/oder emotionalen Abhängigkeit von ihrem Ehemann nur erschwert gegen von ihm ausgehende sexuelle Gewalt zur Wehr setzen kann.Ein Mann, der durch seine gesellschaftlich höher bewertete Position mit mehr Macht ausgestattet ist, kann durch diese Überlegenheit andere zwingen, seine Interessen zu befriedigen. Auch kann er sich der Solidarität seiner Geschlechtsgenossen sicher sein, weil Männer gleichzeitig an den wichtigsten Schalthebeln von Politik, Forschung, Massenkommunikation, Justiz, Polizei usw. sitzen. Die Aufdeckung u.a. der strukturellen gesellschaftlichen Zusammenhänge sowie die Verurteilung der einzelnen Tat steht nicht unmittelbar im Interesse der Männer, da sie als Angehörige des männlichen Geschlechts in der patriarchalen Gesellschaft von der sexuellen Gewalt gegen Frauen und Mädchen und ihrer systemstabilisierenden Wirkung profitieren.

Geschlechtliche Arbeitsteilung
Das Geschlechterverhältnis wird in allen Gesellschaften durch die geschlechtliche Arbeitsteilung bestimmt. In patriarchalen Gesellschaften unterliegt die gesellschaftliche Arbeit der Frauen Herrschaftsstrukturen, mit denen eine Minderbewertung dieser Arbeit einhergeht. Frauen verrichten weltweit 2/3 aller gesellschaftlich notwendigen Arbeit, erhalten dafür 1/10 des Lohns und verfügen über 1/100 der Produktionsmittel.Diese Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern führt für die Frauen zu sozialer Unterordnung und ökonomischer Abhängigkeit. In patriarchalen Gesellschaften ist sie in Ehe und Familie institutionalisiert und damit gesellschaftlich verankert. Die Institutionen Ehe und Familie sind wesentliche Struktur- und Funktionsmerkmale, die auf der geschlechtlichen Ungleichstellung und Ausbeutung aufbauen und diese wiederum zugleich fördern.Die tradierte männliche Verfügungsgewalt, die Verdinglichung der weiblichen Sexualität und die die Handlungsautonomie beschränkende weibliche Geschlechtsrolle sind ebenfalls materielle und ideelle Handlungsressourcen, die in engem Zusammenhang mit der geschlechtlichen Arbeitsteilung stehen.

"Aufgrund der in traditionellen heterosexuellen Beziehungen meist bestehenden ökonomischen Abhängigkeit von Frauen wird ihre Sexualität zu Ware, die sie zusammen mit verschiedenen Reproduktionsleistungen gegen ökonomische Lebenssicherung und Status von seiten des Mannes tauschen (...). Sie (die Verdinglichung weiblicher Sexualität) ist darüber hinaus die Grundlage dafür, dass Männern in mancherlei Hinsicht ein Eigentums- oder Verfügungsrecht über die weibliche Sexualität zugesprochen wird." (1)

Die ideologische Verankerung der sexuellen Ausbeutung von Frauen und Kindern liegt somit in der männlichen Besitzermentalität. Bedeutsam ist auch der Zusammenhang, dass der Geschlechtsverkehr traditionell ein Zeichen der Inbesitznahme einer Frau und eines Kindes und damit ein deutlicher Ausdruck von Macht ist. Neben der Verfügungsgewalt über die Ehefrau wird die sexuelle Ausbeutung in der Familie oder im familiären Umfeld als zweite Linie des Missbrauchs männlicher Macht zur sexuellen Benutzung Abhängiger im Rahmen der grundgesetzlich gesetzlich geschätzten ,Keimzelle' der Gesellschaft angesehen.Die Verfügungsgewalt über Frauen und Kinder lässt Männer annehmen, dass ihnen ihre Frau / ihre Kinder zur Verfügung stehen müssen und dass damit sexuelle Übergriffe ihr gutes Recht sind. "Sie ist meine Tochter, und das gibt mir das Recht, mit ihr zu machen, was ich will", "Ich habe Dich gemacht, Du gehörst mir."Dies macht deutlich, dass die Familie (und das familiennahe Umfeld) als Hort der Liebe und vor allem als Schutzraum Ideologie ist, da gerade hier die meisten Fälle von sexueller Gewalt bzw. sexueller Ausbeutung passieren.Geschlechterrollen und sexuelle GewaltDie Verinnerlichung von sexistischen Normen, Werten und Verhaltensweisen werden von den Mitgliedern einer Gesellschaft internalisiert und damit wiederum an die nachfolgenden weitergegeben, das heißt die Gesellschaft reproduziert ihre Normen und Werte und letztlich sich selbst.

"Subtilere sexistische Methoden werden oft nicht wahrgenommen, weil sie sich im Laufe der Jahrhunderte in Traditionen und geltendes Recht verwandelt haben. (...) Sexistische Haltungen sind ausschlaggebend für sexuelle Gewalt." (2)

Die geschlechtsspezifische Erziehung durch Eltern und Schule, aber auch in einem nicht zu vernachlässigenden Maße durch Medien und Kultur, ist die Verknüpfung von Individuum und Gesellschaft. Mädchen und Jungen werden von der Geburt an nach ihrem Geschlecht unterschieden und mit den kulturell geprägten Normen und Werten sowie stereotypen Bildern von patriarchaler ,Männlichkeit' und ,Weiblichkeit' konfrontiert. Bei Mädchen werden eher soziale Fähigkeiten, Rücksichtsnahme auf andere, Fürsorglichkeit, Duldsamkeit und Passivität gefördert, während Jungen eher Durchsetzungsvermögen zeigen sollen und lernen, ihre eigenen Ziele zu verfolgen, Verantwortung zu übernehmen und aktiv zu sein. Zudem bekommen die Kinder sehr früh vermittelt, dass alles was mit ,weiblich' assoziiert wird, minderwertig und analog dazu das männliche Prinzip überlegen ist.Mit diesen kulturell geprägten, sozial konstruierten Geschlechtscharakteren werden von Mädchen und Jungen Prädispositionen zur Täter- bzw. Opferwerdung sexueller Gewalt erworben. Mädchen lernen von früh auf, sich zu unterwerfen und Grenzüberschreitungen hinzunehmen, während auf der anderen Seite Jungen vermittelt wird, dass Grenzüberschreitungen und Willensstärke als besonders männlich angesehen wird.Die in patriarchalen Gesellschaften vorherrschende Ideologie der männlichen Überlegenheit und die gesellschaftlichen Normen "bestärken Jungen in ihrem gewalttätigen und diskriminierenden Verhalten gegenüber Mädchen und Frauen als legitime, als gewünschte Einübung in die männliche (patriarchale) Rolle." (3) Des weiteren ist für die Sozialisation von Jungen das gesellschaftliche Bild männlicher Sexualität wichtig. Gerade in der sexuellen Sozialisation von Jungen / Männern liegt die Ursache sexueller Gewalt. So herrscht gesellschaftlich das Bild des rationalen Mannes vor, der keine Gefühle hat oder empfindet; Sexualität wird mit Leistung gleichgesetzt. Dies fördert die Sexualisierung von Bedürfnissen nach Nähe und Zuneigung, da letztere der patriarchalen männlichen Geschlechtsrolle entgegenstehen. Männliche Sexualität ist zudem gesellschaftlich eng mit Aktivität, Aggressivität und der Unterordnung von Frauen verbunden. Macht-, Kraft-, Aggressivitäts- und Potenzdemonstrationen können daher vielen Männern zur Bestätigung ihrer männlich-sexuellen Identität dienen.Die tiefe Verankerung der Frauenabwertung geschieht schon in den ersten Lebensjahren. Der Prozess der Identitätsbildung von Jungen geschieht über eine Umwegidentifikation. Jungen erleben den Alltag in den ersten Jahren aufgrund der geschlechtlichen Arbeitsteilung als frauendominiert.Sobald sie merken, dass sie ein anderes Geschlecht haben, müssen sie feststellen, dass ihnen keine Identifikationsfigur zur Verfügung steht, da Männer, insbesondere Väter, abwesend sind. Die Frau wird als ,Nicht-Mann' wahrgenommen - eine kulturell in unserer Gesellschaft weitverbreitete Sichtweise -, die sie als defizitär erscheinen lässt.Die eigene Identifikation des Jungen als ,Nicht-Nicht-Mann' führt sozusagen zu einem Negativabdruck, mit dem die Abwertung des Weiblichen einhergeht.

Das Vorherrschen stereotyper Bilder männlicher Sexualität ist besonders in der Jugendphase ausgeprägt. Insbesondere die Gruppe der Gleichaltrigen hat einen besonders großen Einfluss auf die männliche Sozialisation. Da gerade die patriarchale männliche Geschlechtsrolle den Jungen verbietet, über ihre Gefühle und Unsicherheiten zu sprechen bzw. diese zuzugeben, orientieren sie sich an dem patriarchalen Männlichkeitsideal.

"Jene Männer und Jungen, denen es nicht gelingt, die unterschiedlichen Männlichkeiten innerhalb und außerhalb ihrer Person in Einklang zu bringen, sind sehr gefährdet, das kulturell in unserer Gesellschaft zur Verfügung gestellte Muster der Herabsetzung der Frauen, das tief in ihrer Person verankert ist, als legitime Möglichkeit der Konstituierung ihrer Männlichkeit zu benutzen." (4)

Im Original: Gewalt gegen Frauen
Offizielle Zahlen aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Aus dem Bericht "Gewalt gegen Frauen – Zahlen weiterhin hoch"
2018 wurden laut der BKA-Statistik insgesamt 140.755 Personen (Vorjahr: 138.893) Opfer versuchter und vollendeter Gewalt (Mord und Totschlag, Körperverletzungen, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexuelle Übergriffe, Bedrohung, Stalking, Nötigung, Freiheitsberaubung, Zuhälterei und Zwangsprostitution) - 81,3% davon sind Frauen, 18,7% Männer. Somit waren insgesamt 114.393 (2017: 113.965) Frauen und 26.362 Männer (2017: 24.928) von Partnerschaftsgewalt betroffen.
Bei Vergewaltigung, sexuellen Übergriffen und sexueller Nötigung in Partnerschaften sind die Opfer zu 98,4% weiblich, bei Bedrohung, Stalking, Nötigung in der Partnerschaft sind es 88,5%. Bei vorsätzlicher, einfacher Körperverletzung sind es 79,9%, bei Mord und Totschlag in Paarbeziehungen sind 77% der Opfer Frauen.
Die Statistik beinhaltet noch weitere alarmierende Zahlen: 122 Frauen wurden 2018 durch Partnerschaftsgewalt getötet (durch Mord, Totschlag und Körperverletzung mit Todesfolge; 2017: 147). Das bedeutet: an jedem dritten Tag. Mehr als ein Mal pro Stunde wird statistisch gesehen eine Frau durch ihren Partner gefährlich körperlich verletzt.
Die aufgeführten Zahlen bilden nur jene Straftaten ab, die überhaupt zur Anzeige gebracht wurden. Die Dunkelziffer ist weitaus höher: Nach sogenannten Dunkelfeldstudien ist jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben von Gewalt betroffen (also nicht nur von Partnerschaftsgewalt). Statistisch gesehen sind das mehr als 12 Millionen Frauen. ...
2018 wurden in Deutschland Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt (versuchte und vollendete Delikte)
von vorsätzlicher einfacher Körperverletzung: 68.482
von Bedrohung, Stalking, Nötigung: 28.657
von gefährlicher Körperverletzung: 12.093
von sexuellen Übergriffen, sexueller Nötigung, Vergewaltigung: 3.086
von Freiheitsberaubung: 1.612
von Mord und Totschlag: 324
insgesamt starben 122 Frauen


Die gesamte Auswertung ++ WIkipedia zu Gewalt gegen Frauen

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