Umwelt und Macht

NATURSCHUTZ VON OBEN

Ökoimperialismus: Umwelt dient Machtausbau


1. Natur schützen, Menschen vertreiben?
2. Zitate: Forderungen für eine hierarchische (Öko-)Welt
3. Der Traum von Institutionen voller Macht
4. Internationale Schutzgebiete - moderner Kolonialismus
5. Ökoimperialismus: Umwelt dient Machtausbau
6. Weltordnungs- und Entwicklungspolitik
7. Links und Leseempfehlungen

Dirk Maxeiner und Michael Miersch, 1998
Doch ohne die Devisen der Feriengäste wäre Amboseli eine Agrarregion, in der Rinderherden grasen und Maisäcker gedeihen: Kein Platz fuer wilde Tiere...Mit Grzimeks Trick, konnte die Serengeti weiterleben. ...
Wer Feuer entfacht, kann Waelder in Steppen verwandeln. Und genau dies haben Naturvoelker, und später die Hirtenkulturen in grossem Massstab getan... Bis heute besitzt Brandrodung (etwa in den Regenwaldregionen Suedamerikas und Suedostasiens) mehr Zerstoerungskraft als mancher Umweltfrevel der technischen Zivilisation.


Paul Alan Cox und Thomas Elmqvist, in Ambio 1997
Alejandro Argumedo, ein Quechua-Indio aus Peru wies darauf hin, dass bis zum 19. Jahrhundert die meisten unverdorbenen Gebiete von indigenen Voelkern kontrolliert wurden. Als Ergebnis davon enthalten weiterhin die von Ureinwohnern kontrollierten Gebiete mehr gefährdete Tier- und Pflanzenarten als alle Naturreservate der Welt zusammen.

Robin Hanbury-Tenison, Präsident von Survival International, 1994
Vertrieben vom Land ihrer Vorfahren, um für Touristen Platz zu schaffen, wurden die Massai geschlagen und ins Gefängnis gesteckt, wenn sie ihren Herden erlaubten, zurückzukehren.

So wirbt die TUI in ihrem Reisekatalog „Faszination Ferne“, November 98, um neue und alte Kunden
Schnee auf dem Kilimanjaro. Flirrende Hitze in der Serengeti. Auf einer Expedition ins Tierreich pirschen wir wie einst Professor Grzimek auf den Spuren der Big Five: Elefant, Nashorn, Leopard, Büffel und Löwe. Afrikas berühmtester Nationalpark ist einfach ein tierisches Abenteuer.

Aus Norbert Suchanek, 2000: Ausgebucht – Zivilisationsflucht Tourismus
Begonnen hatten die Vertreibungen der Massai - Professor Grizmek lässt grüssen - mit der Errichtung des Serengeti-Schutzgebiets Ende der 50er Jahre. Damals war Tansania noch eine britische Kolonie. Dass die ostafrikanische Savanne auch angestammter Lebensraum der Massai ist, respektierten weder Kolonialverwaltung noch Tierschützer. Die in der Serengeti beheimateten Massai wurden kurzerhand in das erheblich kleinere Gebiet des Ngorongoro-Kraters umgesiedelt. Als immer mehr tierliebende Urlauber ins Land kamen, waren sie 1974 aber auch im Ngorongoro-Krater nicht mehr touristisch erwünscht. 250 Massai wurden mit ihren 1.800 Rindern vom tansanischen Militär aus dem Krater vertrieben. Diese angebliche Tierschutzpolitik, die auf die Vertreibung der Ureinwohner aus den „Tierparadiesen“ abzielte, wurde in den Folgejahren ebenso in anderen Regionen Afrikas konsequent weitergeführt. ...
Die thailändische Regierung plant - mit Hilfe japanischer Kredite in Höhe von umgerechnet 2,3 Millionen Mark - ein neues Reservat im bislang nur schwer zugänglichen Regenwald von Wat Chan, wo die Ureinwohner seit Generation leben. Während innerhalb des Schutzgebiets eine „Öko-Lodge“ fuer die internationalen Natururlauber vorgesehen ist, wollen die staatlichen Planer die Karen ausserhalb des Waldreservats in für Touristen bequem erreichbare „Cultural Villages“ umsiedeln. „Menschen können nicht im Wald leben, weil menschliche Lebewesen keine Tiere sind. Anders als wir können sich Tiere an die Wildnis oder an irgendeine Umwelt natürlich anpassen“, begründet der Forstdirektor die geplante Umsiedlungsaktion. ...
Der vielleicht schlimmste Fall der letzten Jahre wurde in Thailand aufgedeckt: „21 Kinder und 12 erwachsene Frauen aus dem Volk der Padaung sind in Burma gekidnappt und in einem Menschenzoo nahe Chiang Mai im Norden Thailands gefangen gehalten worden, wo sie während 18 Monaten den Touristen als Fotoattraktion vorgeführt wurden“, berichtete 1998 der in Basel ansässige Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung.


Der Massai Kanderi ole Toroge in In Focus, Tourism Concern 1997
Touristen zahlen 25 Pfund Eintritt, um in den Park zu kommen, und doch so gut wie nichts von dem Geld kommt zu uns. Wie kann dies richtig sein?


Aus Norbert Suchanek, 2000: Ausgebucht – Zivilisationsflucht Tourismus
Ureinwohner raus - Touristen rein
Das Prinzip „Ureinwohner raus - Touristen rein“ galt und gilt fuer viele sogenannte Schutzgebiete in den Entwicklungsländern des Südens. Und erst recht gilt dies fuer ein menschenverachtendes Regime wie in Myanmar, dem ehemaligen Birma oder Burma. Recherchen der britischen Zeitung The Observer zufolge flohen Mitte der 90er Jahre 30.000 Karen aus ihren burmesischen Gebieten in die Wälder des benachbarten Thailands. Ursache dieser Massenflucht seien, so der Observer 1997, brutalste Aktionen von Burmas Militär gewesen. „Dörfer wurden zerstört, viele Ureinwohner versklavt, vergewaltigt oder getötet, nur um Platz für das in der Welt grösste Naturreservat seiner Art zu schaffen.“ Die Rede ist vom geplanten Myinmoletkat Nature Reserve. In diesem von den Karen besiedelten Gebiet haben noch Tiger, asiatische Elefanten und Sumatra-Nashörner überlebt, weshalb die in New York ansässige Wildlife Conservation Society und die Smithsonian Institution in Washington das Projekt der burmesischen Junta unterstützen. Nach Meinung des Observer wolle die Militaerregierung mit dem geplanten Schutzgebiet zum einen Tausende von Naturtouristen anlocken. Zum anderen solle das Tierschutzengagement dem blutigen Regime ein grünes Deckmäntelchen verschaffen. Als der Bericht des Observers in der Weltpresse praktisch keinen Widerhall fand, brachte Sue Wheat von Tourism Concern die Doppelmoral unserer Freizeitgesellschaft auf den Punkt: „Wenn das burmesische Militaer 2.000 Gorillas oder Tiger geschlachtet hätte, um Platz fuer eine Stadt zu machen, der Aufschrei der internationalen Öffentlichkeit wäre erheblich stärker gewesen.


Anne Nuorgam, Mitglied des Sami Council von Finnland
(Tourismus-)Unternehmen haben Sami-Attraktionen am Polarkreis errichtet, aber in Wirklichkeit sind es meist Schauspieler, die einen Sami darstellen. Die Unternehmen beschaeftigen junge finnische Studenten, die sich dann Sami-Kleidung anziehen und irgendetwas vorfuehren, von dem sie glauben, es sehe wie Sami-Kultur aus. Dies geschieht in einem sehr grossen Umfang.

Deborah McLaren, Direktorin des Rethinking Tourism Project
Tourismus sucht sich zunehmend die Heimat Indigener Völker und ihre Kulturen als Zielgebiete für touristische Entwicklung aus.

Aus dem Buch "Das Mephisto Prinzip" von D. Maxeiner und M. Miersch
Wenn die Wildnisgebiete dieser Welt von Profis der Reisebranche oder besser noch der Unterhaltungsbranche vermarktet würden, müßte sich niemand mehr über bedrohte Arten sorgen machen. Man stelle sich vor, die Walt Disney Corporation würde die Virunga-Vulkane samt Gorillas vom Staat Ruanda pachten. Die Tiere wären sicher wie in Abrahams Schoß, die Menschen hätten jobs und ein warmer Dollarregen würde über dem Regenwald niedergehen.

Aus: Georg Simonis: Der Erdgipfel von Rio - Versuch einer kritischen Bewertung, in Peripherie 51/52 (1993)
Das Ziel der nachhaltigen oder dauerhaften Entwicklung (sustainable development) ersetzt problemlos das Ziel der nachholenden Entwicklung, da es zur Rechtfertigung einer Entwicklungspolitik dienen kann, die auf die Krise der Peripherie reagiert und gleichzeitig die Interessen des Zentrums zu berücksichtigen erlaubt. Das Prinzip der Dauerhaftigkeit setzt Überlegen voraus ..., worunter nicht alleine das Überleben der Ärmsten zu verstehen ist, sondern auch die Sicherung der Stabilität westlicher Produktions- und Konsummuster unter sich wandelnden ökologischen und ökonomischen Bedingungen subsumiert werden kann.

Im Original: Naturschutz per Militäreinsatz
Weltverband der Naturschutzverbände will Naturschutz durch Kriege verwirklichen
Aus Schattenblick, 6.10.2008
Vertreter der Weltnaturschutzunion suchen Gespräch mit den Militärs, weil sie hoffen, sie könnten deren Schlagkraft für eigene Interessen einspannen; umgekehrt lassen Militärs die Chance, sich ein grünes Feigenblatt zu verschaffen, nicht ungenutzt verstreichen.
Innerhalb der breiten gesellschaftlichen Umweltbewegung gibt es eine Fraktion, die der Ansicht ist, dass sich grüne Farben gut vermischen lassen und dass das Tarngrün der Militärs zu dem Grün ihrer Richtung passt. Auch wenn diese Fraktion auf den ersten Blick eine große Bandbreite an Meinungen vertritt - angefangen von der Bereitschaft zur Zusammenarbeit, damit sich die Militärapparate umweltfreundlicher verhalten, bis zu Angeboten wie, dass Soldaten zur Sicherung von wertvollen Naturressourcen eingespannt werden oder gegen Umweltfrevler vorgehen könnten - überwiegt letztgenannte Ausrichtung. Kritik am Militär wird dabei weitgehend ausgespart. ...
Frits Hesselink, Vorsitzender der niederländischen Beratungsfirma HECT Consultancy und Mitglied der IUCN-Kommission für Ausbildung und Kommunikation (CEC). Er möchte auf dem Workshop ein Gespräch jenseits von "Kampfgebiet-Auswirkungen" führen und sowohl Umweltimplikationen des Militärs als auch militärische Implikationen für Umweltkrisen erkunden. Seiner Meinung nach könnte das Militär analog zu Friedensmissionen auch darin unterwiesen werden, Wälder zu schützen und sich um die Wasser- und Nahrungsversorgung zu kümmern. "Zur gleichen Zeit haben wir offene Ohren für Umweltpersonen, die das Militär als Gefahr anstatt als Verbündeten betrachten, und doch ist das Militär die einzige Organisation, das die logistische Kapazität besitzt zu helfen", behauptet Hesselink [2].
Man wolle jedoch über den lediglich primären Umweltschutz des Militärs - eigene Umweltverschmutzungen beseitigen oder Manöver verschieben, "damit Vögel brüten können" - hinausblicken.
Geradezu naiv mutet es an, wenn Wouter Veening, Präsident des Institute for Environmental Security (IES) und stellvertretender Vorsitzender der Kommission für Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik (CEESP) bei der IUCN, das Szenario entwirft, dass die Flüsse im Himalaya mangels Schmelzwässer austrocknen und dann Menschen abwandern und mit Wasser versorgt werden müssen und dass niemand anderes als das Militär über die Kapazität (Hubschrauber, Schiffe, Lastwagen) und die Erfahrungen in großmaßstäblichen Operationen verfügt, um die Betroffenen zu versorgen.


Eine Reportage über eine fragwürdige Mission von Jack Hitt, 45, Reporter und Buchautor, schreibt für verschiedene US-amerikanische Magazine, u.a.New York Times (aus dem Amerikanischen: Petra Groll)
Die Ökosöldner

Eine neue Generation von Umweltschützern wie die Aktivisten der US-amerikanischen Organisation „WildAid“ begnügt sich nicht mehr mit PR-Maßnahmen. Sie setzt bewaffnete Truppen ein. Zum Beispiel in Kambodscha.
Weit über einen Kilometer tief stürzt der Felsen in die flauschige Decke des Regenwalds und in den Golf von Thailand darunter. Unsichtbare Fischerboote ziehen schaumgekrönte Kurven auf die spiegelnde Oberfläche. Das Ruinenfeld von Bokor, der ehemaligen Ferienresidenz der französischen Kolonialmacht im südlichen Kambodscha, krönt der einst Atem raubende Patio eines Hotels und Casinos aus den Zwanzigerjahren. Verkohlt heute, von Einschüssen durchsiebt, angefüllt mit geplatzten Sandsäcken - verlassene Maschinengewehrnester der Roten Khmer. Während des brüchigen Friedens, den Kambodscha seit einigen Jahren erlebt, konnte der Dschungel den Ort zurückerobern. „Schauen Sie dort rüber“, sagt Mark Bowman, verantwortlich für die Ausbildung der zehn bewaffneten kambodschanischen Parkranger, die hinter mir stehen. Ihre AK-47-Gewehre baumeln lässig von der Schulter, sie rauchen und unterhalten sich auf Khmer. Bowman deutet auf einen Faden weißen Rauchs über dem Wald unter uns: „Das sind die Wilderer.“
Wo es kaum Hilfe für die Bevölkerung gibt, versucht eine neue Generation von Umweltschützern, der Natur zu helfen und bedrohte Arten des südostasiatischen Raums vor dem Aussterben zu bewahren. Mit bewaffneten Truppen. Mark Bowman, 1,90 Meter groß, australischer Infanterist in Tigerstreifencamouflage und dem passenden Schlapphut, ist ein umtriebiger Mensch. Abgebrüht durch unzählige Missionen und ausgestattet mit einem Repertoire harten Humors, Sex mit Affen, Tod im Minenfeld und dergleichen. Ein Gefahrensucher, UN-Blauhelm 1992 und Soldat im Minenräumprogramm am Flughafen von Phnom Penh, Sicherheitschef von Hollywoodstar Matt Dillons Filmprojekt „City of Ghosts“ in Kambodscha, das im Frühjahr in die Kinos kommt. Als ich ihn beiläufig als Söldner anspreche, grinst Bowman kurz. Ganz kurz. „Ich bin taktischer Berater“, sagt er, „ich bilde Parkranger aus: Verhaftungsmethoden, Hinterhalttechnik, Nachtpatrouillen.“
Wieder scannt er die Wipfel und macht bald sieben Feuer aus. „Diese beiden da sind etwas größer als die anderen“, sagt er, „das sind wahrscheinlich Sägemühlen.“ Typisch für Holzdiebe, erklärt er, die sägten die Beute meist direkt im Camp und bauten schlammige Pisten, auf denen das Holz dann schnellstens fortgeschleift werden kann. „Hätte ich jetzt die richtige Funkausrüstung, dann wäre eine Einheit der Ranger in Nullkommanichts vor Ort.“ Bowmans Bemerkung ist eher an Peter Knights gerichtet, den 38-jährigen Briten, der diesen Einsatz - die Ausbildung einer Chaostruppe (nicht wenige sind ehemalige Infanteristen der Roten Khmer) zu einer effektiven Wildschutzeinheit - als Herzensangelegenheit betrachtet. Knights ist einer der vier locker Verbündeten, die sich „WildAid“ nennen: zwei erfahrene Umweltschützer, der frühere Referent für Gegenspionage an der George-Washington-Universität und eine wohlhabende Erbin. Drei Männer und eine Blondine, der Eingreiftrupp des Dschungels.
Vorbei die Zeiten, meint Knights, als es ausreichte, einen ökologischen Skandal publik zu machen und die Reaktion der Regierung abzuwarten: wie bei der Weltklimakonvention oder beim Walfangverbot. Mit Gesetzen und Verträgen allein komme man gegen die globalisierende Wirtschaft nicht an. Deshalb bilden Knights und seine Kollegen bewaffnete Truppen aus, die Naturschutzgesetze rund um den Globus durchsetzen sollen. WildAid kontaktiert die einzelnen Regierungen mit dem Angebot, Rangern aus dem öffentlichen Dienst - wie den Männern in Bowmans Trupp - eine Sonderprämie zu zahlen und sie in westlichen Methoden effektiver Verbrechensbekämpfung zu trainieren.
In Russland haben WildAid-Ranger geholfen, den von Jägern bedrohten Sibirischen Tiger vor dem Aussterben zu schützen. In Thailand und Kambodscha verteidigen sie die meistgejagten Dschungelbewohner: Elefanten, Tiger, Schildkröten, Affen und Schlangen. Auf den Galapagosinseln hilft WildAid, den Vertriebsweg für Haifischflossen zu unterbrechen. Die Nachfrage ist dramatisch gestiegen, seit Haifischflossensuppe das Symbol für Luxus geworden ist, den sich Chinesen der aufstrebenden Mittelklasse gern gönnen. Im vorigen Mai drückte die US-Regierung mit einer Spende über achtzigtausend Dollar erstmals ihre Anerkennung für die Arbeit von WildAid aus.
„Wir wissen, wo es langgeht hier draußen“, sagt Knights, als wir vor dem alten Kasino stehen. „Wir brauchen keine weiteren Untersuchungen und Berichte.“ Mit seinem strubbeligen Haar erinnert Knights an den jungen Sting und war vor gar nicht langer Zeit tatsächlich Bassist der „Idle Hands“, einer Popband wie den Talking Heads. Als er sich dem Umweltschutz widmete, stieß er auf Gleichgesinnte, die Mitbegründer von WildAid: den Briten Steve Trent und die beiden US-AmerikanerInnen Steve Galster und Suwanna Gauntlett. Bereits 1990 gehörte Galster zu jenen Umweltschützern, die sich mit dem Schmuggel von Rhinozeroshörnern beschäftigten. Anstatt aber einen Bericht zu verfassen, versteckte er eine Kamera in seinem Rucksack und mischte sich unter die Schwarzhändler. Mit Erfolg. Er konnte den Plan der chinesischen Mafia aufdecken, Nashornelfenbein zu horten - das ohnehin für dreißigtausend US-Dollar das Kilo gehandelt wird - und dann den Preis mit einem ultimativen Trick noch weiter in die Höhe zu drehen: Nashörner bis zum Aussterben zu jagen.
Die Arbeit im Dschungel stellt nur eine von vielen Möglichkeiten dar, den illegalen Welthandel mit Naturgütern zu stoppen. Knights und seine Freunde haben Kommandos von Detektiven in Bangkok und Phnom Penh ausgebildet, die die Aktivitäten illegaler Mittelsmänner auf Video aufzeichnen und sie später verhaften und anklagen. Andere Programme sollen die Verteilungsketten unterbrechen. In den Dörfern am Rande des Dschungels überzeugen WildAid-Berater Wilderer von einer sinnvolleren Karriere in der Landwirtschaft. Natürlich wird auch Insiderwissen über die illegalen Strukturen gut bezahlt. Und man versucht per Aufklärung die Nachfrage in Asien zu drücken: mit Megaprominenten wie Hollywoodstar Jackie Chan, der sich in einem TV-Spot gegen die pseudomedizinische Nutzung bedrohter Arten ausspricht.
Mag er seine Agententricks auf der Straße erworben haben, Peter Knights Ausbildung ist konservativ. Er kommt von der London School of Economics und denkt wie alle freien Manager. „Wir finden jede Schwachstelle im Handelskreislauf heraus und greifen sie an“, sagt Knights.
Als in Bokor die Nacht anbricht, kehren wir zurück zum Außenposten von WildAid. Wie überall im ländlichen Kambodscha, wo in buchstäblich jeder Hütte ein Liter Benzin die einzige Glühbirne und einen Fernsehapparat antreibt, röhrt draußen ein Minigenerator, der für die Beleuchtung unserer Kochstelle sorgt. Die Ranger reinigen ihre Waffen. Bowman erzählt, dass die Wilderer nicht selten der Militärpolizei angehören. Oder es sind Eingeborene, die Aloe sammeln, ein Holz, dessen Duft Parfum- und Weihrauchhersteller sehr schätzen. Oder sie suchen Gelben Wein, den Wirkstoff einer Bleichcreme, die manche Asiaten benutzen, um ihre Haut aufzuhellen. Derlei Ernten wären an sich nicht so schlimm, würden die Wilderer nicht kurzerhand den ganzen Baum fällen, um an die Weinranken an seiner Spitze zu gelangen. Und würden sie nicht jedes beliebige Tier schießen, das ihnen vor die Flinte läuft.
Einige Wilderer besitzen Kettensägen. Der Neupreis liegt bei achthundert Dollar, ein Vermögen in Kambodscha, wo der Monatslohn sich um die zwölf Dollar bewegt. Entsprechend bemerkenswert ist die Beute, wenn ein Wilderer mit Kettensäge gestellt wird. Andererseits arbeiten diese Wilderer häufig für den organisierten Schwarzmarkt und sind bewaffnet. Alle Ranger in unserem WildAid-Trupp haben bewaffnete Auseinandersetzungen hinter sich. Nur wenige Monate vor meiner Ankunft wurde eine Patrouille von einer Granate gestoppt, die plötzlich aus dem Gebüsch segelte. Sieben der Ranger trugen Splitterverletzungen davon.
Spät in der Nacht erläutert Bowman den Plan für den kommenden Tag: Wir werden ans Nordende des Bokornationalparks vorstoßen, wo WildAid-Informanten einen starken Anstieg der Plünderungen ausgemacht haben. Bald lechzt der Generator nach den letzten Tropfen Sprit. Die Geräusche des Dschungels dringen durch die Fenster des Kasinos, als wir unsere Nachtlager aufsuchen. Stirnrunzelnd fragt Bowman, ob ich weiterhin vorhabe, mein rotes Jagdhemd zu tragen. „Ziehen Sie dies an“, knurrt er und wirft mir ein schwarzes Hemd zu. „So machen sie sich ja zum Ziel für jeden Anfänger.“
Zehn kambodschanische Ranger quetschen sich am folgenden Morgen in den Minipickup. Bowman, Knights und ich folgen in einem weiteren Fahrzeug. Vor uns liegen drei Stunden Fahrt zu einem Dorf namens Pichnil, einem weiteren Außenposten. Normalerweise schickt WildAid fünf Leute zur Dreitageschicht in den Dschungel, aber für diese Mission ist die Mannschaft verdoppelt worden. Nördlich von uns soll sich ein ehemaliger Kommandant der Roten Khmer aufhalten, der für die Morde an drei westlichen Touristen verantwortlich gemacht wird, im Süden ein nicht geräumtes Minenfeld. Im Gänsemarsch betreten wir den Dschungel auf einem alten Holzfällerpfad. Ek Phyrum, der kambodschanische Anführer, ordert jeweils fünf Mann zur Sicherung an die Spitze und an den Schluss der Truppe.
Im Dschungel ist es wichtig, lautlos zu kommunizieren. Bowman hat Ek und seinen Leuten Handzeichen beigebracht. Eine geballte Faust heißt: „Halt!“ Die Hand vor dem Mund und der Zeigefinger meinen: „Still, da ist was, versteckt euch!“ Lautlos und dunkel gekleidet kann die ganze Mannschaft in Sekundenschnelle mit dem Dschungel verschmelzen. Um das Gefühl für die Zeit zu bewahren, machen wir jede Stunde fünf Minuten Trinkpause. An einer Wegbiegung gibt Ek plötzlich das Alarmsignal. Sofort verschwinden wir im Gebüsch. Und hören Sekunden später ein Motorrad. Es kommt näher und die Ranger absolvieren ihr Programm: Die Waffen im Anschlag, stoppen sie den Wilderer und seinen Beifahrer. Bowman strahlt vor Zufriedenheit, und sein Kamm schwillt, als sie den Tatort sichern, die Waffen checken und den beiden Wilderern schließlich keinen Weg mehr offenlassen, als Abstand von ihrer Ausrüstung nehmen.
Beide sind Militärpolizisten. Der Fahrer trägt ein Baseballcap mit der Aufschrift „Camel Trophy Adventure Wear“ und beteuert noch, er sei kein Wilderer, als die Ranger in einer Satteltasche einen in Kambodscha geschützten Brüllhirsch finden. Die beiden werden vorläufig festgenommen. Sein Mittelsmann auf dem Schwarzmarkt, protestiert der Ältere, zahle ihm einen guten Preis für den Hirsch, der dann an ein Spezialitätenrestaurant geliefert werde: sechstausend Riel. Das kann nur ein Übersetzungsfehler sein, denke ich, und bitte den Mann, den Preis zu wiederholen. „Nein, nein“, sagt er, „sechstausend Riel.“ In Phnom Penh habe ich viertausend Riel gegen einen US-Dollar getauscht.
Der Polizist und sein Kumpel erhalten eine drastische Lektion über die Notwendigkeit des Artenschutzes. Jeder Wilderer bekommt sie zu hören. Anders als bei uns im Westen, wo die Haltung dominiert, Gott habe die Natur geschaffen, um sie dem Menschen untertan zu machen, kann im buddhistischen Kambodscha der Naturschutz auf kulturellen Stolz und religiöse Geschichte bauen. Das hilft, die Lektion zu schlucken. Am Ende scheinen die Wilderer ehrlich betroffen und beklagen nur an einem Punkt, wie beschwerlich es doch gewesen sei, den Hirsch zu fangen. Die Ranger verdonnern beide. Das Moped des Offiziers wird für zehn Tage beschlagnahmt - eine verheerende Strafe. Der Mann senkt den Kopf, während die Ranger ihm eine eidesstattliche Erklärung vorlegen, die besagt, dass er nie wieder wildern wird. Der Offizier bestätigt sie mit seinem Fingerabdruck.
Gute zehn Kilometer kommen wir an diesem ersten Tag im Dschungel voran und machen dabei ein Dutzend solcher Fänge. Mehr als einmal schnappen die Ranger einen einzelnen Wilderer und wenige Minuten später stellt sich der Komplize. Eine Zeit lang müssen sie sogar anstehen und warten, bis sie den Fingerabdruck loswerden. Während Ek die Prozedur ausführt, hält sich Bowman im Hintergrund und beobachtet dessen Vorgehen. Gelegentlich macht er sich Notizen und kritisiert anschließend den laxen Umgang der Ranger mit ihren Waffen. Mehrere haben die Angewohnheit, den Zeigefinger in die Mündung ihrer Kalaschnikow zu stöpseln. Oder sprechen während der Pirsch einfach zu laut. Und natürlich kann man auch nicht während der Mittagspause nackt im Fluss baden: Wilderer könnten einen übertölpeln und erschießen, warnt Bowman. Aber nach Tagesmärschen in brütender Hitze und Nächten in verschwitzten Schlafsäcken fällt die Entscheidung zwischen einer Erfrischung im Fluss und einer Kugel im Kopf nicht so leicht, wie es scheinen mag.
Bei Sonnenuntergang überqueren wir tief im Dschungel den Koh-Sla-Fluss und steuern einen steilen Pfad an, als ein Wilderer, die Kettensäge wie eine Waffe über der Schulter, auf den gleichen Hügel zuhält wie wir. Er sieht uns und verschwindet mit einem Satz im Busch. Ek ordnet Deckung an, drei Ranger lassen ihre Sachen fallen und sprinten ihm nach. Tief geduckt harren wir aus, kein Knistern, kein Rascheln entgeht uns. Nach einigen Minuten beruhigt sich mein fliegender Atem, dann befällt mich eine Art kulturelles Déjà-vu:
Gerade sechzig Kilometer von Vietnam entfernt stecke ich jetzt in der Klemme. Mit ein paar westlichen „Beratern“ auf der Seite der „Guten“, die Jagd auf das „Böse“ machen. Was für ein Irrsinn.
Zehn gespannte Minuten später sind die Ranger zurück. Ohne den Wilderer, aber mit reicher Beute. Der Mann konnte nur entkommen, weil er sich von seiner schwersten Last befreite, der teuren Kettensäge, die die Ranger jetzt stolz vorführen. Peter Knights steht das Vergnügen im Gesicht geschrieben. Angesichts der großen Entfernung beschließt Ek, das Beweisstück nicht zurück ins Hauptquartier zu bringen, wo siebzig Sägen wie ein Thronschatz bewacht werden. Ek zieht ein Verfahren vor, das Bowman Kettensägenmassaker nennt. Ein schwerer, flacher Stein ist bald gefunden und dann ist jeder Ranger einmal dran. Ein Ritual unter Glaubensbrüdern. Die Reste wandern auf einen Haufen Holz und gehen sofort in Flammen auf.
Bei Sonnenuntergang suchen wir einen Platz für unsere Hängematten, zum Schutz bilden die bewaffneten Ranger einen Kreis um uns. Still und verzweifelt hoffen wir, dass endlich der verdammte Schweiß verdampft, der sich wie eine Lackschicht auf die Haut legt. Wir schlafen nur in Schüben. Nicht aus Angst vor den modernen Räubern des Dschungels, sondern vor den alten, vor den Kobras, Tigern, Malaienbären und Pythons. Tagsüber war es spannend, ihre Fährten und Spuren zu entdecken. Aber nachts, wenn jedes seltsame Geräusch existenzielle Folgen haben kann, dann überwiegt die bedrohliche Seite der Wildnis. Haben diese Tiere auch nur ein Maul voll Dankbarkeit für all die guten Taten, die in ihrem Interesse geschehen?
Es war unumgänglich, dass sich der Umweltschutz analog zur Wirtschaft global ausdehnt, entlang der gleichen Routen, der legalen und illegalen, denen der Handel folgt. Unumgänglich auch, dass dabei seltsame Bettgenossen Allianzen bilden. Kambodscha zählte zu den gröbsten Umweltsündern und plünderte den Dschungel mit Kahlschlägen, als die wichtigsten Geldgeber des Landes - vor allem Weltbank, Internationaler Währungsfonds und die Asiatische Bank für Entwicklung - 1999 jede weitere Zahlung der 1,5 Milliarden Dollar Hilfe von Fortschritten beim Umweltschutz abhängig machten. Zum Abkommen gehörte die Berufung der Organisation „Global Witness“ zu unabhängigen Beobachtern. Im vorigen Jahr konstatierte der Bericht von „Global Witness“, dass Kambodschas ohnehin verwüsteter Dschungel weiterhin von Plünderern heimgesucht wird. Als Eva Galabru, eine leitende Angestellte der Organisation in Phnom Penh, eines Tages im Juni aus ihrem Büro kam, stoppte vor ihr ein Auto mit quietschenden Reifen. Mehrere maskierte Männer sprangen heraus und schlugen sie zusammen. Die Männer entkamen, ohne ihr Geld, ihre Papiere anzufassen. Am Tag darauf erhielt sie eine knappe E-Mail: „Hau ab!“
Kambodschas Politik funktioniert ähnlich wie die afghanische. Lokale Kriegsfürsten können den Missbrauch ihrer Macht rücksichtslos ausdehnen. Auf der anderen Seite haben (internationale) NGOs (Nichtregierungsorganisationen) längst festgestellt, dass sie fast wie nationale Machtfaktoren handeln können. Weil sie die Bundesregierung nachhaltig stabilisieren, herrscht nach Aussage eines Botschaftsangehörigen in Kambodscha eine „NGO-Regierung“. Das wollte ich bei meiner Rückkehr nach Phnom Penh genau anschauen.
Suwanna Gauntletts Weg, die mobile Einheit von WildAid einzurichten, gilt als Lehrstück. Um die Händler und ihre Mittelsmänner zu stellen, werden Kriminalpolizisten, Polizisten und Ranger verschiedener Regierungsbereiche bei Razzien zusammengezogen. Zwei Tage verbringen wir auf abgelegenen Farmen, wo gefesselte Tiere unter Strohballen versteckt werden, und durchsuchen Restaurants in der Stadt, wo exotische Lebewesen verschnürt und in Plastik eingetütet in engen Schränken verstaut sind. Wie die Parkranger werden die Männer von der Regierung bezahlt. Zuzahlungen, Krankenversicherung, Verpflegung, Uniformen und Erfolgsprämien kommen von WildAid. Gauntletts Einfluss nimmt ständig zu. Der Bürgermeister der Hauptstadt, der zu ihren Vertrauten zählt, hat jeden Verzehr bedrohter Arten in Phnom Penh verboten. Einer der Strippenzieher des Landes, Senator Nhim Vanda, präsentiert jedoch einen Privatzoo als Symbol seiner Macht. Suwanna Gauntlett und ihre mobile Einheit zuckten nicht mit der Wimper, zwei seiner neuen Tiger mitsamt dem funkelnagelneuen Transporter zu beschlagnahmen.
Am Morgen als ich aus dem Urwald komme, liest mich die mobile Einheit mit einem Konvoi aus drei Fahrzeugen auf. Mit frischen Durchsuchungsbefehlen ausgestattet, jagen sieben Polizisten, vier Umweltofficer und Suwanna Gauntlett ins nächste Dorf, Ream. „Sobald unsere Fahrzeuge irgendwo gesichtet werden“, erläutert sie, „schlagen die Händler in der ganzen Gegend mit ihren Handys Alarm.“ Das Restaurant in Ream präsentiert am Eingang ein großes Aquarium, randvoll mit einem fleischigen Knäuel eingelegter Schlangen. Reifen quietschen, die Polizisten schwärmen aus. Mit erhobenen Waffen stürmen sie den Laden, die Umweltspezialisten laufen in den hinteren Bereich, in Vorratsräume und leere Schlafzimmer.
Die Wirtin schreit die bewaffneten Polizisten an, ihre fünf Kellnerinnen, alle sehr junge Mädchen, rennen wild durcheinander, um uns abzulenken. Auf den Schrei eines Officers laufen alle in den Hinterhof, wo mehrere langschwänzige Makaken in kleine Käfige gesperrt sind. In einem anderen wir finden Schildkröten, groß wie Autoreifen, und einen Berg transparenter, gelber Plastiktüten, in jeder eine Kobra. Eine zischt und versucht sich aufzurichten und schlägt dabei in ihrer Tüte immer wieder wie wahnsinnig auf den Holzboden. Eine andere hat sich in klassischer Position aufgestellt.
Zischen kann sie nicht, denn die alte Frau hat zur üblichen Vorsichtsmaßnahme gegriffen und der Schlange das Maul zugenäht. Als wir die Tiere ins Auto des Veterinärs laden, keift sie empört, dass die Polizisten auch die Ketten mitnehmen, die sie gekauft hat, um die Affen zu fesseln. Widerwillig bestätigt sie die übliche Erklärung mit ihrem Daumenabdruck.
Wird sie nochmals erwischt, drohen Geldstrafe oder Gefängnis.
Es wird ein nächstes Mal geben, so viel ist sicher. Wie sollte sie sonst Geld verdienen? Ein Übersetzer erklärt mir das ganze „Delikatessen“-Angebot ihres Ladens, wo ein Arbeiter eine wirklich scharfe Nacht damit verbringen kann, all seine virilen Bedürfnisse zu befriedigen: Die „Kellnerinnen“ sind dreizehn-, vierzehnjährige Prostituierte, die an einem der Tische das Essen servieren. Dann folgt ein Potenz steigerndes Dessert, beispielsweise eine lebende Kobra, die die Männer an einem anderen Tisch zu rasender Wut provozieren. Nach ihrem Glauben setzt völlige Rage mehr der wirksamen Sexualhormone frei. Die Schlange wird enthauptet, der Mann lässt ihr Blut in ein Whiskeyglas tropfen, leert es in einem Zug und wählt schließlich eines der Mädchen zur Begleitung ins enge Hinterzimmer aus. Schweigend fahren wir davon. Ein paar Schildkröten konnten wir retten - die Mädchen lassen wir zurück. „In Kambodscha tut man, was man tun kann“, meint Gauntlett achselzuckend.
Fünf Stunden bin ich am kommenden Tag mit der mobilen Einheit in Dörfern an der vietnamesischen Grenze unterwegs. Unter anderen durchsuchen wir das Haus eines der reichsten Männer der Region, ein zweistöckiges Gebäude mit eingefasstem Hof und zwei Generatoren. Als wir ankommen, ist er über alle Berge. Seine Frau hat er zurückgelassen. Die aber bietet einen Deal an: Für eine geringe Strafe verrät sie die Adresse ihrer Konkurrentin ein paar Dörfer weiter.
Unser Konvoi bewegt sich in die abgelegene Kompong-Cham-Provinz. Staunend versammeln sich die Leute am Straßenrand, Autos sind hier eine seltene Erscheinung. In dieser Gegend fahren die Wohlhabenden alte, verbeulte Schwinnfahrräder. Der Kerl, hinter dem wir her sind, der mächtigste Mann im Dorf, wohnt in einer Hütte. Seinen Reichtum demonstriert er auf eine in Kambodscha übliche Art, die allerdings auch Donald Trump verstehen würde:
Türen gibt es nicht, aber einen riesigen Kleiderschrank, durch dessen Glastüren beneidenswerte Stapel von T-Shirts, ein Fernseher, ein Ghettoblaster und Schnapsflaschen zu sehen sind. Wie der letzte Händler hat sich auch der Donald von Kompong Cham aus dem Staub gemacht und überlässt seiner Frau die Cops.
In einem Schuppen finden wir reichliche Wildbeute. Unter anderem sechs Pangolins, Ameisenfresser, die sich aufrollen wie geschuppte kleine Reifen, wenn sie sich aufregen. So passen sie dann in die gleichen gelben Plastiktüten, in denen wir zuvor die Kobras gefunden hatten. Wir befreien die Pangolins und erfrischen sie mit eimerweise kühlem Wasser. Der Officer lässt die Frau zur Standardlektion vor dem Haus Platz nehmen. Die meisten der Dorfbewohner, etwa siebzig Männer, Frauen und überwiegend nackte Kinder haben sich versammelt, als sie mit ihrem Daumenabdruck die Erklärung unterzeichnen muss: Beim nächsten Mal droht Strafe. Geradezu ehrfürchtig verfolgen die Leute die ganze Prozedur, die ihnen höchst fremd, wenn nicht bedrohlich erscheinen muss.
Immer wieder betrachten die Frau und die anderen Dorfbewohner den gestickten Schriftzug „WildAid“ auf der Hemdtasche des Officers. Ein exotisches Wort in einem bizarren Alphabet, für sie sicher so unverständlich wie Khmer für mich. Während der Durchsuchungsaktionen fällt mir öfter dieser rätselhafte Gesichtsausdruck auf, und ich frage mich, ob die Generation von Amerikanern vor mir nicht den gleichen Ausdruck hervorrief, als sie über die Gegend kamen. Sicher, die Folgen der Interventionen unterscheiden sich erheblich. Es ist etwas anderes, ob man dir das Moped für zehn Tage abnimmt oder mit Napalm kommt. Wenn aber eine Frau etwa für den Besitz einer Schildkröte bestraft wird, nicht jedoch für Kinderprostitution, in solchen Momenten scheint sich Geschichte in absolut lächerlicher Weise zu wiederholen.
Auf der anderen Seite sind die kambodschanischen WildAid-Ranger der Sache schon aus buddhistischen Glaubensgründen und Nationalstolz verbunden. Elefant, Tiger, Schlange, Affe und Malaienbär haben Kultcharakter, sie gelten in Kambodscha als magisch und göttlich. Derzeit herrscht im Land der freudige Geist einer Wiedergeburt. In diesem Sinn kommt auch die Lektion, die die Wilderer sich anhören müssen, beim Volk an. Beginnt nicht jede Schöpfungsgeschichte mit den Tieren? „Es sind die Tiere meiner Vorfahren“, sagt ein Ranger, der Englisch spricht, und beendet seinen Satz, als bedürfe es keines weiteren Motivs, den Dschungel zu retten.
Als die Leute immer näher an den Tisch kommen, schaut die Frau vom Schriftzug auf der Uniform auf. In ihrem Gesicht suche ich nach einer Spur von Erkenntnis oder Offenbarung, ob hier neuerlich eine „Mission“ des Westens stattfindet oder eine neue kambodschanische Ordnung entsteht. Aber das ist schwer zu sehen. Schnell fällt die Dämmerung über die Szene, und in ganz Kambodscha beginnen die Generatoren zu dröhnen.


  • Abhandlung "Zeit der Ökologie - Das neue Akkumulationsregime" über die Gefahr eines diktatorisches Regimes, welches sich durch das Krisenmanagement aufgrund ökologischer, kriegerischer und ähnlich desaströser Prozesse legitimiert
    Kurzfassung auf UntergrundBlätte am 17.1.2024 ++ Langfassung als Broschüre/

Retten, was zu retten ist - den Profit und die "Natur"
Von Klaus Pedersen, in: Junge Welt vom 18.03.2006

In unserer industrialisierten Welt ist Naturschutz eine angesehene Sache. Unter Umständen verbringen unsere Kinder ihre Freizeit bei den "Panda-Rangers" des World Wildlife Fund (WWF) oder einer anderen naturschutzorientierten Jugendgruppe. Uns ist bewußt, daß der Erhalt unserer Lebensgrundlagen mit dem Schutz der natürlichen Umwelt in Zusammenhang steht. Man geht gern "im Grünen" spazieren und sieht sich Tierfilme an, die darüber berichten, wie vom Aussterben bedrohte Arten doch noch gerettet werden, möglichst am Einzelschicksal illustriert.

Ressource Natur
Das verstellt den Blick darauf, daß "Natur" sehr konkreten Begehrlichkeiten bestimmter Branchen ausgesetzt ist, durch deren Geschäftsinteressen aber zugleich jene Natur zerstört wird, die sie zur langfristigen Sicherung ihrer Profite eigentlich benötigen. So hat die Pharmaindustrie ein natürliches Interesse am Erhalt der biologischen Vielfalt. Nach einschlägigen Schätzungen gehen 40 bis 60 Prozent aller heute zugelassenen Medikamente auf pflanzliche Inhaltsstoffe zurück. Zwar basiert inzwischen ein beträchtlicher Teil der Neuentwicklungen auf Zehntausenden firmeneigenen (d. h. patentgeschützten) Molekülen, die darauf getestet werden, ob sie für neue therapeutische Prinzipien geeignet sind. Aber bei den Pharmakonzernen besteht weiterhin Innovationsbedarf durch neu entdeckte pflanzliche Wirkstoffe. Das Schlüsselwort heißt Biopiraterie. Zu den klassischen Fällen gehören Ayahuasca, das "Drachenblut", der Hoodia-Kaktus, Immergrün, der Neem-Baum und die "Teufelskralle". Weniger spektakulär, aber gefährlicher sind die sogenannten Bioprospektionsprojekte. Bei diesen wird die Flora ganzer Gebiete systematisch erfaßt, werden Proben gesammelt und anschließend in chemisch-analytische oder molekularbiologische Labors geschickt. Die aufgrund solcher Untersuchungen angemeldeten Patente lassen sich in der Regel nicht zurückverfolgen, so daß Biopiraterie-Fälle dieser Art, die vermutlich massenweise auftreten, nicht bekannt werden. Nicht umsonst weigern sich die Industrienationen hartnäckig gegen eine Verpflichtung zur Offenlegung der geographischen Herkunft bei Patentanmeldungen, die biologisches Material betreffen.
Die Pharmaindustrie hat ein vitales Interesse am Erhalt der "Natur", insbesondere in den wenig abgegrasten tropischen Regionen. Gegenden, in denen, wie es die indische Ökofeministin und Trägerin des alternativen Nobelpreises Vandana Shiva ausdrückt, die Kolonien des 21. Jahrhunderts von den "Innenräumen der Körper von Frauen, Pflanzen und Tieren" gebildet werden (1). Das Abgrasen dieser Regionen - die Bioprospektion - erfordert jedoch mehr Zeit, als die verbreitet anzutreffende Zerstörung "unberührter" Natur zuläßt, die vom Profitstreben anderer Wirtschaftszweige direkt oder indirekt verursacht wird. Dieser Widerspruch ist ein plastisches Beispiel für einen der fundamentalen Widersprüche des Kapitalismus, wo "der enormen Steigerung von Partialrationalitäten die Irrationalität des Ganzen dieser Gesellschaft ohne Vermittlung gegenüber[steht]" (2).
Dabei hat sich die "Irrationalität des Ganzen" der kapitalistischen Wirtschaftsweise als Phänomen bis in Regierungskreise herumgesprochen. Bereits im Jahr 2000 schrieb der "Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen" (WGBU) der Bundesregierung: "Die biologische Vielfalt, das natürliche Kapital unseres Planeten, erlebt gegenwärtig einen dramatischen Zusammenbruch: ihre '6. Auslöschung'. Sie könnte die letzte große Krise, bei der vor 65 Millionen Jahren u. a. die Saurier ausstarben, an Wucht sogar noch übertreffen."

Strategie der Vertreibung
Die Gegenstrategie entfaltet sich - dem üblichen Politikstil folgend - in der Weise, daß aus korrekt beobachteten Phänomenen viele Schlußfolgerungen gezogen werden, ohne die Gründe jener Erscheinungen zu untersuchen. In der Medizin heißt das symptomatische Behandlung, die im günstigen Fall zu einer zeitweisen Linderung führt, ohne daß die Ursache der Krankheit beseitigt wird. Welche Risiken und Nebenwirkungen hat nun die von den herrschenden Eliten verordnete Therapie für die "Habenichtse" unseres Planeten?
Charles Geisler, Professor für ländliche Soziologie an der Universität Wisconsin, berechnete die Zahl jener, die allein in Afrika im Namen des Naturschutzes vertrieben wurden, auf über 14 Millionen (3). Für diesen Kontinent gibt es 25 Fallstudien, in denen sowohl die Protagonisten der Vertreibungen (der WWF ist siebenmal genannt) als auch die Details der Ereignisse beschrieben sind. Zum Beispiel führte die von der EU gesponsorte Schaffung eines biologischen Korridors zwischen dem Kibale Forest Reserve und dem Queen Elizabeth National Park in Uganda dazu, daß 30000 Waldbewohner und Kleinbauern ohne jede Vorwarnung ihre Existenzgrundlage verloren, "verbunden mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen, Massenverarmung, dem Niederbrennen und Plündern (der Behausungen), dem Abschlachten des Viehs und dem Tod von Angehörigen der indigenen Bevölkerung (4).
Das transnationale Naturschutzmanagement läßt es an eiskalter Rationalität nicht mangeln. Zu den Opfern der Bemühungen, das "natürliche Kapital" zu erhalten, zählen die Massai in Ostafrika, die Batwa in Uganda, die San in Botswana - oder die Karen in Thailand, die Huaorani in Ecuador, die Maya in Mexiko, Belize und Guatemala, 600000 Naturschutzflüchtlinge in Tschad und - offiziell eingestanden - 1.6 Millionen Adivasi in Indien. Weltweit wird die Zahl der Naturschutzflüchtlinge (nicht zu verwechseln mit Umweltflüchtlingen im Ergebnis von Naturkatastrophen) auf mehrere zehn Millionen Menschen geschätzt.
Vertreibungen gibt es in vielen Regionen, und deutsches Geld trägt dazu bei. Das Schutzgebiet Bosawas in Nicaragua wird von der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit 2,56 Millionen Euro unterstützt, wobei die Mittel "zu etwa gleichen Teilen für intensive Schutzmaßnahmen (Demarkierungen, Bau und Ausrüstungen von Kontrollpunkten, Beschaffung von Fahrzeugen, Booten, Kommunikationsmitteln etc.) und für kleinere Projekte der sozialen und gegebenenfalls wirtschaftlichen Infrastruktur" verwendet werden (Zitat aus der Projekt-Kurzbeschreibung). Gewährsleute vor Ort berichten, daß die nikaraguanische Naturschutzbehörde de facto unter deutscher Kontrolle steht und daß aus dem von der KfW mitfinanzierten Biosphärenreservat Bosawas wiederholt Menschen vertrieben wurden. Auf einer Versammlung am 5. 2. 2004 in Siuna (Bosawas), an der eine der Gewährspersonen teilnahm, sprachen Vertreter der Regierungsbehörde davon, daß die 663 im Jahr 2003 geräumten Personen nicht ausreichten und daß weitere Räumungen erforderlich seien. Eine entsprechende Forderung wurde in einem Brief des Umweltministers vom 12. 1. 2004 erhoben, der auf dieser Versammlung herumgereicht wurde. Unverblümt wurde ausgesprochen, daß es bei diesem "Entwicklungsprogramm" um die Vertreibung der ansässigen Bevölkerung geht.

Rettung des Regenwaldes
Das korrekt beschriebene Phänomen des Verlusts an biologischer Vielfalt findet seinen dramatischen Ausdruck in der galoppierenden Vernichtung der Regenwälder. Aber der biologische Reichtum in den Ländern des Südens ist auch Teil der Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung. Aufgrund der herrschenden sozial-ökonomischen und politischen Verhältnisse unterliegt er einer rasanten Zerstörung. Ein Beispiel ist der grüne Gürtel Mittelamerikas, der sich von Oaxaca (Südmexiko) bis nach Panama zieht. Von den transnationalen Naturschutzexperten wird er der "Mittelamerikanische Biologische Korridor" genannt. Hier tummeln sich auf 0.5 Prozent der globalen Landfläche 17 Prozent aller terrestrischen (auf dem Land lebenden) Tier- und Pflanzenarten. Zugleich leben in dieser Region etwa 25 Millionen Menschen. Jene, die durch Brandrodungen den Regenwald zerstören, tun das in der Regel nicht freiwillig. Viele von ihnen sind durch die für jene Länder typische ungerechte Landverteilung extrem marginalisiert.
In Guatemala beispielsweise besitzen zwei Prozent der Bevölkerung 70 Prozent des bebaubaren Landes. Große Flächen des Großgrundbesitzes liegen brach. Trotzdem werden Landbesetzer (die eigentlich nur die Versprechungen des 1996 zwischen der Regierung und der Guerilla abgeschlossenen Friedensvertrags einfordern) mit polizeilicher und paramilitärischer Gewalt vertrieben. Neben der Migration in die USA ist für diese landlosen guatemaltekischen Campesinos die Brandrodung im vermeintlichen Niemandsland der Urwaldregion des Petén die einzige Perspektive. Dabei folgen sie den Straßen der Holzfirmen und den Trassen der Ölunternehmen, die ihrerseits unbehelligt bis in die Kernzonen der Naturschutzreservate hinein operieren. Das Resultat ist ein jährlicher Waldverlust von 400000 Hektar in der Nordhälfte des "Mittelamerikanischen Biologischen Korridors", zu dem der Petén gehört. Bei Fortsetzung dieses Tempos wird der Wald im Jahr 2015 verschwunden sein - eine ökologische Katastrophe mit eindeutig sozialen Ursachen - und sozialen Folgen.
Für die Eliten des Nordens hat die Eindämmung des Regenwaldverlusts keine existentielle, sondern eine strategische Bedeutung. Die Sicherung Biodiversität - in Form von "Entwicklungszusammenarbeit" - ist Aufgabe des Staates, getreu dem Prinzip, Aufwendungen (bzw. Verluste) zu sozialisieren und (spätere) Gewinne zu privatisieren. Es ist dieses Prinzip und nicht die Erhaltung der biologischen Vielfalt an sich, die kritisiert werden muß. Wenn man die im Internet recherchierbaren Summen addiert, welche die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) im Laufe der Jahre allein in Lateinamerika in Biodiversitätsprojekte investiert hat, ergibt sich eine Summe von über 100 Millionen Euro. Im günstigen Fall wird dabei - als Nebeneffekt - auch zum Erhalt der Existenzgrundlage der lokalen Bevölkerung beigetragen. Aber oftmals sind an den Naturschutz (= Ressourcenschutz) Forderungen nach menschenleeren Räumen geknüpft, was - wie oben beschrieben - Abermillionen Entwurzelte zur Folge hat.

Landfrage und Ökologie
Den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen bedeutet, Kollisionen mit anderen Profitinteressen (Großgrundbesitzer, extraktive Industrie) zu vermeiden, ungerechte sozialökonomische Verhältnisse unangetastet zu lassen und statt dessen das schwächste Glied der Kette anzugreifen: die lokale Bevölkerung. Die plötzlichen Eruptionen von ökologischem Enthusiasmus seitens der Weltbank und anderer Institutionen haben dazu geführt, daß sich die offiziell geschützten Flächen innerhalb von 16 Jahren verdoppelt haben. Mittlerweile sind über zwölf Prozent der globalen Landfläche - über 30 Millionen km2, mehr als die gesamte Fläche des afrikanischen Festlands, geschützt. Noch immer kommen neue Flächen hinzu. Private Naturschutzgebiete erfreuen sich wachsender Beliebtheit. In Guatemala ließen allein im Jahr 2001 die Besitzer von 31 privaten Reservaten insgesamt ca. 12000 Hektar Fläche registrieren. Das 1990 von der World Parks Commission gesetzte Ziel, zehn Prozent unseres Planeten unter Schutz zu stellen, ist deutlich überschritten - ein makaberer Gegensatz zu den Zielen der Halbierung der Zahl der Hungernden und der Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes, Ziele, deren Verfehlung absehbar ist.
Typisch ist auch, daß viele ältere Biosphärenreservate und Naturschutzparks jahrzehntelang nur auf dem Papier existierten, so daß die in ihnen lebenden Menschen kaum etwas davon verspürten. Zuweilen wurde die Besiedlung zuvor menschenleerer Naturräume geduldet oder sogar aktiv von der jeweiligen Regierung unterstützt - als Ventil zur Entschärfung schwelender sozialer Konflikte.
Ein klassisches Beispiel ist die Siedlungspolitik der mexikanischen Regierung im lakandonischen Urwald in Chiapas. In den 50er und 60er Jahren siedelten sich dort 4000 Familien an, von denen 17 sogar über eine Genehmigung des Präsidenten verfügten. Dann, im März 1978, gab es - schon damals auf Druck internationaler Naturschutzorganisationen - einen neuen präsidialen Erlaß, und das Biosphärenreservat Montes Azules wurde geschaffen. D.h. das Biosphärenreservat wurde, unter Ignorierung der Vorgeschichte, einem komplexen und heiklen Agrarkonflikt übergestülpt. Trotzdem, eine Fläche so groß wie Schleswig-Holstein, existierte danach für fast zwei Jahrzehnte nur auf dem Papier als Schutzgebiet.
Erst seit den 90er Jahren werden Vertreibungen angedroht und zum Teil durchgeführt. Man begann, nicht nur in den Montes Azules und anderen Regionen Mittelamerikas, sondern praktisch in allen biologisch bedeutsamen Regionen des Südens mit großem Eifer Demarkationsarbeiten durchzuführen, Bewirtschaftungsplänen zu erarbeiten und Parkranger auszubilden. Eine interessante Frage ist, ob der plötzliche Eifer, die "unberührte Natur" zu schützen, nur rein zufällig mit der vollen Entfaltung der Gentechnologie und der Entdeckung des (vom Norden verursachten) Klimawandels zusammenfällt. Umfangreiche Bioprospektionsprojekte, wie zum Beispiel die International Cooperative Biodiversity Groups5, die mit Millionen-Budgets in elf verschiedenen Ländern operieren und die intensiv mit molekularbiologischen Labors zusammenarbeiten, sprechen eher gegen einen zufälligen Charakter.

Naturschutzkonzerne
Die von ökonomischen Interessen diktierte Vertreibung der Urbevölkerung hat eine über 500 Jahre alte Tradition. Der Genozid, der mit der "Entdeckung" Amerikas begann, blieb nicht auf die amerikanischen Kontinente beschränkt. Bis in die heutige Zeit wird die indigene Bevölkerung rücksichtslos vertrieben, wenn es um den Zugriff auf Erdöl, Bodenschätze, Holz oder fruchtbaren Boden geht. Doch während Shell, British Petrol, International Paper und Bechtel einen vertrauten Klang haben, wenn derartige Fälle von Menschenrechtsverletzungen angeprangert werden, kamen in letzter Zeit einige Namen hinzu. Es handelt sich um Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die in den letzten zehn bis 15 Jahren zu multinationalen Unternehmen mutiert sind, deren Gelder von der Weltbank (d. h. dessen "grünem Arm", der Global Environmental Facility), aus den Töpfen der "Entwicklungshilfe"-Ministerien der Industriestaaten und den Public-Relations-Budgets der Großkonzerne kommen.
Um Mißverständnissen vorzubeugen: Mit diesen Organisationen sind weder NABU noch BUND gemeint, sondern transnationale Institutionen, die fernab von ihren Geldgebern, in den Ländern des Südens operieren.
Allen voran sind dabei die "großen Drei" zu nennen - der WWF, Conservation International und The Nature Conservacy, von denen in Deutschland der WWF mit seinem Stammsitz in der Schweiz am bekanntesten sein dürfte. Sie sind alle wieder dabei, wenn heute - von der EU finanziert - die Experten für "geschützte Gebiete" zusammentreten. Es geht um ein letztes Expertentreffen vor der 8. Konferenz der Vertragsstaaten der UN-Konvention zur Biologischen Vielfalt (COP8), die vom 20. bis 31. 3. 2006 im brasilianischen Curitiba stattfindet.

"Greenwash"
Anfang 2004 wurde zum neunten Mal in Folge vergeblich versucht, auf einem Treffen der Vereinten Nationen in New York eine Resolution einzubringen, die die territorialen und Menschenrechte der indigenen Bevölkerung schützen soll. Im Entwurf dieser erneut gescheiterten UN-Deklaration heißt es: "Die Urbevölkerung darf nicht gewaltsam von ihrem Land oder Territorium entfernt werden. Es darf keine Umsiedlung stattfinden, ohne daß die indigene Bevölkerung ihr freies, informiertes Einverständnis gegeben und eine Einigung über gerechte, angemessene Entschädigung stattgefunden hat, wenn möglich mit der Option zur Rückkehr" (zitiert in 6). Während dieses Treffens erhob sich eine Delegierte der Indigenas und erklärte, daß, obwohl die extraktive Industrie nach wie vor eine ernsthafte Bedrohung darstelle, ihr neuer und größter Feind der "Naturschutz" sei.
Bereits vor sechs Jahren verfügten die "großen Drei" zusammen über einen Haushalt von 965 Millionen US-Dollar, Tendenz steigend. Conservation International (CI), gemeinhin unter dem Verdacht illegaler Bioprospektion in großem Stil stehend, konnte seine Einkünfte von 2004 zu 2005 auf 93 Millionen US-Dollar verdoppeln. Im Jahr 2005 operierte CI mit 114 Millionen US-Dollar in über 40 Ländern. Woher kommt das Geld? Neben Zuwendungen von großen privaten Stiftungen (wie der vom Gründer der Intel Corporation geschaffenen Gordon und Betty Moore Foundation) bezieht CI Gelder von der Weltbank und Regierungsbehörden verschiedener Industrieländer. Hinzu kommt "Corporate Sponsorship", zu deutsch Firmenspenden. Die Liste dieser Geldgeber ist lang - 2005 spendeten 275 Unternehmen insgesamt sieben Millionen US-Dollar. Zu ihnen gehörten u.a. so leuchtende Vorbilder in Sachen Umweltschutz und kultureller Sensibilität wie BP, Coca Cola, Exxon, McDonalds, Monsanto, Walt Disney und Wal-Mart. In seiner kritischen Analyse des Naturschutz-Business fragt Mac Chapin vom World Watch Institute (7), "Ist es nicht ein bißchen sonderbar, daß im Jahr 2003 indigene Gruppen im Amazonasbecken von Oxfam bei ihrem Kampf gegen die Plünderung durch Chevron Texaco unterstützt wurden, während die drei großen Naturschutzorganisationen der gleichen Firma ein grünes Feigenblatt im Austausch gegen finanzielle Unterstützung lieferten?" Für das "grüne Feigenblatt" gibt es seit längerem den Begriff "Greenwash". Dieser hat im Jahr 1999 Eingang in das offizielle Oxford English Dictionary gefunden und wird dort definiert als "Desinformation, die von einer Organisation verbreitet wird, um ein umweltbewußtes öffentliches Image zu verbreiten."
Es lohnt sich also, genau hinzuschauen, wenn Firmen sich mit der Unterstützung von Naturschutzorganisationen brüsten. Es könnte sein, daß mit dem grünen Feigenblatt gleich zwei Dinge zugedeckt werden - die eigenen Umweltsünden und die Zerstörung der Existenzgrundlage ganzer Bevölkerungsgruppen.

1 Shiva, V. (2002): Biopiraterie. Kolonialismus des 21. Jahrhunderts. Unrast, Münster.
2 Metscher, T. (2005): Postmoderne und imperialistische Gesellschaft. Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung. Nr. 62, 109-135.
3 Geisler, C. und de Sousa, R.: From Refuge to Refugee: the African Case. Public Administration and Development 21 (2001): 159-170.
4 Feeney, T. (1993): The Impact of a European Community Project on Peasant Families in Uganda. Oxfam Briefing, No. 6.
5 www.fic.nih.gov/programs/icbg.html
6 Dowie, M. (2005): Conservation refugees. Orion Magazine, www.oriononline.org/pages/om/05-6om/Dowie.html
7 Chapin, M.: A challenge to conservationists. World Watch Magazine, November/December 2004

Klassische Fälle von Biopiraterie
  • Pflanze: Ayahuasca (Banisteriopsis caapi)
    Nutzung: Antiparkinson
    Land: Ecuador
    Patenteigentümer: International Plant Medicine Corporation (USA)
  • Pflanze: "Drachenblut" = Sangre de Drago (Croton Draco)
    Nutzung: Antivirale Wirkung
    Land: Ecuador
    Patenteigentümer: Shaman Pharmaceuticals Inc. (USA)
  • Pflanze: Hoodia-Kaktus (Hoodia gordonii)
    Nutzung/Eigenschaften: Appetitszügler (Substanz P57)
    Land/Region: Süden von Afrika / Kalahari-Wüste
    Patenteigentümer: Phytopharm (Großbritannien)
  • Pflanze: Immergrün = Rosy Periwinkle (Catharanthus roseus)
    Nutzung: Leukämie (Vincristine) und Hodgekinschen Krankheit (Vinblastine); jährlicher Umsatz über 180 Mio. $
    Land: Madagaskar
    Patenteigentümer: Eli Lilly Corporation (USA);
  • Pflanze: Neem (Azadirachta indica)
    Nutzung: vielfältig, u. a. Antimikrobiell
    Land: Indien
    Patenteigentümer: (u. a.) Max-Planck-Gesellschaft und W.R. Grace (USA), insgesamt mehr Als 50 Patente
  • Pflanze: Teufelskralle (Harpagophytum procumbens)
    Nutzung: Rheumamittel, dritthäufigste Naturheilmittel in Deutschland
    Land: Namibia
    Vom deutschen Kolonialsoldaten G.H.Mehnert Anfang des 20. Jahrhunderts gestohlen

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