Umwelt und Macht

BÜRGERINNENPROTESTE & FELDBESETZUNGEN STOPPEN ALLE VERSUCHE IN HESSEN!!!

Hessen ist gentechnikfrei!


1. Der Start am 1.1.: Gentech-Zeitung kündigt massiven Protest an
2. Einleitung und Protest in Niedermöllrich
3. BürgerInnenprotest in Rauischholzhausen
4. Besetzung des Gengerstenfeldes vom 30. März - 20. April
5. Gentechnikfrei!!! Auch das letzte Feld in Hessen fällt - Besetzung in Groß Gerau
6. Hessen ist gentechnikfrei!
7. Mehr Aktionen und Links

Michael Grolm: „Die Feldbesetzungen im April haben Hessen gentechnikfrei gemacht. Warum sollten Feldbefreiungen nicht den Landkreis Kitzingen gentechnikfrei machen?“
(Quelle: Kraut&Rüben, 20.6.2008)


Aus einem ddp-Artikel zum gentechnikfreien Hessen (6.5.2008)
Die Zukunft der Agrar-Gentechnik in Hessen sieht trübe aus: Der Landtag mit seiner Mehrheit von SPD, Grüne und Linke will keinen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen mehr. Die geschäftsführende CDU-Landesregierung bietet als Kompromiss ein fünfjähriges Moratorium für Gensaaten "auf landeseigenen Flächen" an. Nach Protesten verzichtet die Universität Gießen von sich aus auf die Aussaat von Gen-Mais auf ihren Versuchsfeldern. Wie es mit der Gensaat-Forschung weitergehen soll, ist unklar.
Der Gießener Uni-Präsident Stefan Hormuth, sonst eher als ruhiger und diplomatischer Mann bekannt, ist hörbar erregt: "Ich bin an einem Punkt, an dem ich mich Feldbesetzern beugen musste." Zuletzt hatten sich Protestler auf einem Versuchsacker für Gen-Mais in Groß-Gerau niedergelassen. Davor hatten die Aktivisten drei Wochen lang ein Feld für Gen-Gerste direkt auf dem Gelände der Uni Gießen besetzt, das allerdings dieses Jahr schon nicht mehr bestellt werden sollte. Zurückgelassen hatten die Besetzer einen beschädigten Zaun und weitgehend ratlose Wissenschaftler. ...
"Ein Verbot würde ein Risiko implizieren, das wissenschaftlich nicht nachweisbar ist", sagt der Gießener Uni-Vizepräsident Karl-Heinz Kogel. Die Arbeit des promovierten Pflanzenphysiologen ist von dem Streit unmittelbar berührt, denn das nach den Protestaktionen in Gießen stockende Gersten-Experiment hat er selbst geleitet. Die Finanzierung weiterer Forschungsprojekte sei bereits vom Bund bewilligt. Sollte in den nächsten Jahren die Gensaat-Forschung aus Hessen verbannt werden, "wären wir davon sehr betroffen", sagt Kogel.



Jammern auf der anderen Seite
Die FAZ als eines der Frontblätter für die Gentechnik bot Versuchsleiter Friedt breiten Raum, sich auszubreiten. Im Wochenabstand gab es Texte und Interviews - die GentechnikgegnerInnen kamen nie zu Wort.

Aus „Genmais ist unbedenklich für die Umwelt“, in: FAZ, 9.5.2008
Seit Jahren kämpft Wolfgang Friedt bei Versuchen mit gentechnisch verändertem Mais mit dem Widerstand von Gentechnik-Gegnern. So hat der Forscher zuletzt Feldversuche in Gießen und Groß-Gerau abgesagt. Nun fordert die linke Mehrheit im hessische Landtag eine gentechnikfreie Landwirtschaft. Dabei bringt Genmais für Bauern und Verbraucher Vorteile mit sich, wie er im folgenden Interview der Rhein-Main-Zeitung sagt. ...
Könnte die grüne Gentechnik helfen, indem Ernteerträge in Schwellenländern gesteigert werden?
Davon bin ich hundertprozentig überzeugt. Es scheint so, dass wir beim Flächenertrag herkömmlicher Sorten heute an einem gewissen Limit angelangt sind. Dagegen könnte das Ertragspotential etwa bei Weizen mit Hilfe der Gentechnik möglicherweise noch gesteigert werden. Ich gehöre bestimmt nicht zu denen, die das Potenzial der Pflanzenzüchtung allein in der Gentechnik sehen. Ich sage nur, dass sie in manchen Punkten wirklich weiterhelfen kann. Mit Blick auf die großen Herausforderungen durch Krankheiten und Wasserknappheit etwa.
Haben Sie schon mal Produkte aus gentechnisch verändertem Mais gegessen?
Indirekt auf jeden Fall. Ich esse recht gerne Fleisch, wenn auch nicht in großen Mengen. Ich glaube, da verzehre ich jedes Mal Fleisch, das mit gentechnisch verändertem Soja erzeugt worden ist.
Wieso das?
Weil etwa 80 Prozent der Sojasaat, die weltweit produziert und auch in Europa zu Öl und Schrot verarbeitet wird, vermutlich aus gentechnisch veränderten Pflanzen stammt. Zudem hat die Europäische Union erst im Frühjahr wegen allgemeiner Futtermittelknappheit gentechnisch veränderten Mais als Futtermittel eingeführt, und der ist auch ja sicherlich verfüttert worden.


  • Presseinfo der fundamentalistischen Gentechnik-Anhängerin Happach-Kasan (FDP-MdB) am 30.6.2008
  • Presseinfo von Gentechnik-Lobbyverbänden am 30.6.2008

Überregionale Zusammenfassungen und Stellungnahmen zu den Feldbesetzungen

Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) veröffentlicht Liste verhinderter Felder (PDF) und jammert in seinen Rundbriefen
Feldzerstörer immer dreister
Mit bereits 21 Feldzerstörungen in diesem Jahr steuern die Gentechnikgegner in 2008 auf ein trauriges Rekordniveau zu. Letztes Jahr hatten die Aktivisten im gesamten Jahr „lediglich“ 20 Felder niedergetrampelt. Auffällig ist das systematische Vorgehen: Binnen 7 Tagen wurden allein in Bayern auf 5 Feldern Pflanzen herausgerissen. Geschädigt sind vor allem Landwirte, die Bt-Mais als Schutz gegen den Maiszünsler
anbauen. Besonders bedauerlich: Diverse Hochschulen haben sich dem Druck der Aktivisten bereits im Vorfeld gebeugt und Versuche abgesagt. Die Behinderung von Forschungsfreiheit treffen Wissenschafter hart und gefährden den Forschungsstandort Deutschland. Das öffentlich zugängliche Standortregister macht es den Gentechnikgegnern leicht: neben den genauen Flächendaten bietet das BVL nun auch eine digitale Karte an, mit denen die gv-Felder spielend lokalisiert werden können. Eine detaillierte Übersicht über die Zerstörungen sind im Internet abrufbar unter ... (Link funktioniert nicht mehr, aber hier abrufbar)
(Quelle: BDP-Nachrichten 3/2008, S. 7)

Aus "Saures für die Zuckerrübe", in: Jungle World, 30.4.2008
Die neunziger Jahre kehren wieder: Wie damals besetzen in diesem Frühling Gegner der Gentechnik an etlichen Orten Felder oder zerstören Versuchspflanzungen.

Rechts: Aus Umwelt aktuell 6/2008 (S. 18 ++ größer durch Klick!)

Kommentar von Christof Potthof im GID, 2/2008 (S. 18)
Versuchsfreisetzungen in der Kritik
Eine Reihe Freisetzungsversuche ist in den vergangenen Wochen von Seiten der Anmelder und Betreiber zurückgezogen beziehungsweise abgesagt worden: Neben den Freisetzungen der Firma Monsanto in Niedermöllrich (Hessen), werden die Sortenversuche mit gentechnisch verändertem (gv) Mais in Oberboihingen (Hochschule Nürtingen, Baden-Würtemberg) und Ebsdorfergrund-Rauischholzhausen (Uni Gießen, Hessen), der gv-Weizen-Versuch in Rostock und Üplingen (Uni Rostock, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt), der Standort Müncheberg (Brandenburg) eines Freisetzungsversuches der BASF mit gv-Kartoffeln und eventuell auch der Freisetzungsversuch mit gv-Gerste in Gießen (Uni Gießen, Hessen) mindestens in diesem Jahr nicht stattfinden.
Als offizielle Beweggründe werden genannt: zu später Zeitpunkt der Entscheidung, Rückzug der Fläche durch den Eigentümer, Feldbesetzungen und regionaler Widerstand und anderes.
Da an allen Orten - zum Teil seit ein paar Wochen, zum Teil seit Jahren - Widerstand geleistet wird, zeigt sich, dass dieser seine Wirkung nicht verfehlt - auch wenn es oft nicht eindeutig zu belegen ist, ob die Aktionen unmittelbar zur Rückzugs-Entscheidung geführt haben. Bemerkenswert ist die Bandbreite, mit der gegen die Freisetzungsversuche vorgegangen wird: In Gießen und Oberboihingen wurden die Felder besetzt, in Müncheberg, Ebsdorfergrund-Rauischholzhausen und Niedermöllrich gibt es regionale Initiativen und gegen den Freisetzungsversuch mit gv-Weizen hat es eine große Zahl an überregional gesammelten Einwendungen gegeben, die auch von einem breiten Bündnis von insgesamt mindestens 130 Verbänden und Gruppen aus der Zivilgesellschaft aber auch aus der Wirtschaft unterstützt worden war.


Bericht von Christof Potthof im GID Juni 2008 (S. 36-37)
Direkte Aktionen erfreuen sich wachsender Beliebtheit
Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Organismen waren in den vergangenen Wochen ein bevorzugtes Ziel der Aktivistinnen und Aktivisten. Die Vorzüge liegen auf der Hand: Die Felder sind überschaubar groß und der mögliche Erfolg, die Verhinderung der Durchführung, ist unmittelbar messbar.
In der Regel scheuten die AktivistInnen nicht die Konfrontation mit den VersuchsleiterInnen und/oder der Polizei. Ganz im Gegenteil: Nach dem Vorbild der Aktionen der Initiative Gendreck weg und anderer wurde die Feststellung der Personalien und die zu erwartende Strafanzeige einkalkuliert. Das führt mitunter zu erstaunlichen Positionen, die allein durch ihre Offenheit bestechen und verstören können. ...
Speziell ist der Gießener Aktivist, der sagt, die ganze Debatte um Auskreuzung, konventionelle Pflanzen hier, gentechnisch veränderte Pflanzen dort, das interessiere ihn weniger. Das sei eine „ExpertInnendebatte”, die ablenkt. Bei der Kritik an der Gentechnologie ginge es vielmehr um „grundsätzliche Positionen zu Macht und Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen - allen voran den genetischen Ressourcen für die Landwirtschaft”. Diese sei bedroht von einer zunehmenden Marktkonzentration beim Saatgut, aber auch durch stärkere Kontrollmechanismen und die Patentierungspraxis, die gerade bei gentechnisch veränderten Pflanzen mittlerweile gang und gäbe sei.
Er ist damit auch beispielhaft für die verschiedenartige Argumentation, mit der das eigene Vorgehen begründet wird und die sich eben nicht immer mit dem Für und Wider von technischen Details zufrieden gibt. ...
Für den Rest der Bewegung ist der Umgang mit den AktivistInnen nicht immer ganz leicht (was vermutlich auf Gegenseitigkeit beruht ...). Versuchen diese ein Auskommen in der einen oder anderen Art und Weise mit den verschiedenen Spielarten der Agro-Gentechnik zu finden - dies kann verschiedene Triebfedern haben, so zum Beispiel die, zu verhindern, dass die Auseinandersetzung zur Aggro-Gentechnik wird - nehmen jene für die eigene Strategie in Anspruch, dass die Macht der Konzerne und deren Auftreten den Aggressionen längst freien Lauf gelassen habe. Damit sei die direkte Aktion gegen Sachen, das heißt die Feldbefreiung, Zerstörung, manche nennen es die vorzeitige Ernte der transgenen Pflanzen, auf den Feldern ausreichend legitimiert. ...


Artikel in der taz, 29. September 2008
Erfolgreiche Gentech-Proteste ++ Gentechniker geben Feldbefreiern nach
Sieg für die Gegner gentechnisch veränderter Pflanzen: Mit ihren Protestbriefen und Feldbesetzungen bringen sie Wissenschaftler dazu, auf Freilandversuche zu verzichten. VON SVENJA BERGT
BERLIN taz Wer in Deutschland Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen durchführen will, hat es zunehmend schwerer. Alleine im vergangenen halben Jahr haben vier Institute und Hochschulen ihre Versuche eingestellt, zurückgezogen oder nicht verlängert. Auch die Zahl der neuen Freilandexperimente ist mit sechs genehmigten Versuchen auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der Forschungen in den 90er-Jahren.
Eine der Hochschulen, die ihre Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen eingestellt hat, ist die Fachhochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. „Wir hatten extremste Proteste und zwar schon über Jahre“, begründet der Rektor Werner Ziegler die Empfehlung der Hochschulleitung. Die Debatte angestoßen hätten vor allem die Bedenken der Anwohner. „Teilweise gab es 20 E-Mails in zwei Tagen.“ Eine Feldbesetzung von Gentechnik-Gegnern im April habe dann das Fass zum Überlaufen gebracht. Ziegler berichtet auch von persönlichen Anfeindungen, vor allem gegen den durchführenden Wissenschaftler Andreas Schier. Daher habe man ihm letzten Endes die Einstellung der Freilandforschung nahegelegt. „Wir wollten Schaden von der Hochschule abwenden“, sagt Ziegler.
Schier selbst gibt an, von der Entscheidung der Hochschule überrascht worden zu sein. Die Bedenken der Anwohner und auch der Biobauern, die sich gegen den Anbau wehren, sieht er nicht, schließlich sei das Miteinander verschiedener Anbauformen „prinzipiell möglich und gesetzlich zugesichert“. Die Hochschule hat die Forschung zunächst für fünf Jahre ausgesetzt.
Anders als Schier erhielt Winfriede Weschke, Wissenschaftlerin am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturforschung (IPK) in Gatersleben, keine Briefe von besorgten Bürgern. Das Institut baute in einem mehrere Jahre umfassenden Versuch Winterweizen an. Das Ziel: bestätigen, dass sich mittels Gentechnik der Eiweißgehalt von Weizen ohne Ernteverluste erhöhen lässt. Am 30. Juni kommenden Jahres sollte der Versuch abgeschlossen sein. Doch dazu wird es nicht kommen: Im April zerstörten Gentechnik-Gegner das Feld. Proteste aus der Bevölkerung gab es auch hier. Denn in Gatersleben befindet sich eine Genbank mit Samen von knapp 150.000 Nutzpflanzensorten aus aller Welt.
Weschke sieht neben ihrem wissenschaftlichen Verlust auch noch eine andere Folge der Feldzerstörung: die Förderung, die immer problematischer wird. „Ich weiß nicht, wie sich ein Geldgeber zu der Möglichkeit stellt, dass er sein Geld wieder in den Sand setzt“, sagt Weschke. Das Land Sachsen-Anhalt hatte den Versuch finanziell unterstützt - „und nun seine Mittel in den Sand gesetzt“. Sie glaubt nicht daran, bei einem Folgeantrag hohe Erfolgschancen für eine Förderung zu haben.
Schier weist darauf hin, dass gerade junge und spezialisierte Wissenschaftler ins Ausland gehen würden. Weschke erwägt das derzeit nicht. Doch Roland Schnee, Pressesprecher des IPK, bestätigt, dass es grundsätzlich die Überlegung gebe, Versuche im Ausland durchzuführen. Vor allem Südamerika komme für entsprechende Kooperationen in Frage.
Das gentechnikkritische Umweltinstitut München begrüßte die Entwicklung. Jetzt zeige der Widerstand aus weiten Teilen der Bevölkerung seine Wirkung. Vorstand Harald Nestler forderte auch eine gentechnikfreie Region in und um Gatersleben - dafür einsetzen solle sich das IPK.


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