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PETA - MIT POPULISMUS UND RECHTEN KONTAKTEN FÜR TIERRECHTE?

PETAs Kampagne „Der Holocaust auf Ihrem Teller“ - Eine Kritik aus der Tierbefreiungsbewegung


1. Zitate zum Holocaust-Vergleich
2. PETAs Kampagne „Der Holocaust auf Ihrem Teller“ - Eine Kritik aus der Tierbefreiungsbewegung
3. PETA und Holocaust: Schweine in the Slaughterhouse
4. Links zur Holocaust-Kampagne von PETA

Anfang März startet auch in Deutschland und Österreich die in den USA bereits angelaufene und stark umstrittene Kampagne „Der Holocaust auf Ihrem Teller” der Tierschutzorganisation PETA (People for the ethical treatment of animals). Auf Werbeplakaten und im Rahmen einer Wanderausstellung werden Fotografien von nationalsozialistischen Konzentrationslagern Abbildungen der Gefangenschaft und industriellen Tötung von Tieren gegenübergestellt, um die Unterdrückung tierlicher Individuen durch die menschliche Gesellschaft anzuprangern. Trotz vielfacher Proteste soll die Kampagne in unveränderter Weise auf Europa ausgeweitet werden. Auch in Deutschland brandete bereits eine erste Woge der Kritik durch die Medienlandschaft, die vor allem an der „menschenverachtenden Gleichsetzung von Mensch und Tier“ Anstoß nahm. Im folgenden entwickeln wir eine grundlegende Kritik der laufenden Kampagne und ähnlichen Diskussionen, die nicht auf tierverachtende und speziesistische Argumentationsmuster zurückgreift und aus einem generell herrschaftskritischen Ansatz dem enthistorisierenden Vergleich mit der Shoah widerspricht. PETA: SKANDAL UND PROPAGANDA

PETA ist eine seit 1980 bestehende, auf Medienwirksamkeit ausgerichtete Organisation, die mit gezielt provozierenden Kampagnen auf sich aufmerksam macht. Die Marketingstrategie von PETA zielt auf eine skandalisierende Darstellung der von ihnen angesprochenen Themen, unter der Verwendung von Slogans wie „Lieber nackt als im Pelz“, „Fleisch füttern ist Kindesmissbrauch“ und dem aktuellen „Der Holocaust auf deinem Teller“. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Kritik findet nicht statt. Stattdessen wird – im aktuellen Fall – gezielt versucht, deren Legitimität in Frage zu stellen, indem auf der PETA-Website positive Zuschriften jüdischer BürgerInnen präsentiert werden, die als Beleg für die moralische Unangreifbarkeit der Kampagne dienen sollen. PETA begründet ihre massive Medienarbeit damit, dass „tierliche Interessen nur durch Menschen repräsentiert werden können“. Laut PETA gibt es keine andere Möglichkeit, als das „Barbarentum, das an Tieren verübt wird, mit dem gleichen und vertrauterem Extrem menschlichen Leidens” zu vergleichen, damit es „letztendlich für alle fassbar wird und zu Handlungen inspiriert“ (frei übersetzt nach www.masskilling.com/analogy.html). Die instrumentalisierende Besetzung eines kontroversen Themas war auch in der Vergangenheit Strategie von PETA. So wurde beispielweise die Krebserkrankung von New Yorks Bürgermeister Giuliani dafür verwandt, auf die Gefahren des Milchkonsums hinzuweisen. Einige Berühmtheit erlangte in den neunziger Jahren die Kampagne „Lieber nackt als im Pelz“, für die leicht bekleidete Supermodels in großflächigen Anzeigen um die Sympathien der Bevölkerung warben. Dass dabei die Reflexion über das eigentliche Thema in den Hintergrund tritt, zeigt sich auch an der Durchführung der aktuellen Kampagne, die auf Provokation, Skandalisierung sowie auf die Instrumentalisierung des Holocaust setzt.

DIE SINGULARITÄT DES HOLOCAUST
Der von PETA angestellte Vergleich der Shoah mit der sytematischen Ermordung von Tieren in Schlachthöfen trennt die Verbrechen der Deutschen während des Nationalsozialismus von ihrem historischen Zusammenhang. Dieser Zusammenhang soll hier kurz erläutert werden, um unsere Kritik an dieser Form der Enthistorisierung zu verdeutlichen. In Deutschland entwickelte sich im späteren neunzehnten Jahrhundert eine neue Form des Antisemitismus, die in der historischen Tradition eines jahrhundertelang innerhalb der gesamten christlich-westlichen Zivilisation vorherrschenden Antijudaismus steht. Dieser neue, eliminatorische Antisemitismus projiziert alle negativen Erscheinungen des erstarkenden Kapitalismus auf Jüdinnen und Juden, weist ihnen eine Schuld für sämtliche Auswirkungen der neu entstandenen industriellen Ordnung zu, die die bislang etablierte vormoderne Gesellschaftsordnung ablöste, und sucht ihrer durch Vernichtung Herr zu werden. Im antisemitischen Weltbild wird „den Juden“ eine große Macht zugesprochen. Sie werden als die im Hintergrund wirkenden entwurzelten Kräfte gesehen, die die Fäden der Weltgeschichte in der Hand halten. Sie stehen in dieser Ideologie sowohl hinter den kapitalistischen wie auch den sozialistischen Mächten, verkörpern also in beiden Varianten die unbegriffene abstrakte Seite der Moderne, die an ihrer Person konkret vernichtet werden soll. Deswegen ist die Ausrottung der Jüdinnen und Juden für den Antisemiten auch nicht Mittel zum Zweck, sondern Zweck an sich. Moishe Postone bemerkte in seinem Aufsatz „Nationalsozialismus und Antisemitismus“ dazu folgendes:

Sie wurden nicht aus militärischen Gründen ausgerottet oder um gewaltsam Land zu nehmen (wie bei den amerikanischen Indianern); es ging auch nicht um die Auslöschung der potentiellen Widerstandskämpfer unter den Juden, mit dem Ziel, den Rest als Heloten besser ausbeuten zu können. (Dies war übrigens die Politik der Nazis Polen und Russen gegenüber.) Es gab auch kein „äußeres“ Ziel. Die Ausrottung der Juden musste nicht nur total sein, sondern war sich selbst Zweck - Ausrottung um der Ausrottung willen -, ein Zweck, der absolute Priorität beanspruchte. (Moishe Postone: Nationalsozialismus und Antisemitismus. Ein theoretischer Versuch, in: Dan Diner (Hrsg.): Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz, Frankfurt a.M. 1988, S. 243)

Nur vor dem Hintergrund dieses antisemitischen Wahns ist zu erklären, warum die Nazis in den letzten Kriegsjahren einen Großteil des Schienenverkehrs für den Transport der Jüdinnen und Juden zu den Gaskammern benutzten und nicht für die logistische Unterstützung des Heeres, obwohl ihre Stellungen bereits von der Roten Armee überrollt wurden. Die antisemitische Ideologie ist historisch unter anderem als „antikapitalistische Revolte“ zu verstehen. Obwohl ihre Genese durch zahlreiche weitere Faktoren – religiöse und sozialpsychologische Motivationen, Aufkommen der Rassentheorien etc. – bedingt ist, werden wir uns in unserem Text auf die Analyse der verkürzten Kapitalismuskritik und der nazistischen Dämonisierung der abstrakten Sphäre des Kapitals beschränken, da diese für unsere Argumentation die zentralen Punkte sind. Im bereits oben erwähnten Aufsatz stellt Moishe Postone deren Bedeutung für die Erklärung der Shoah heraus:

Eine kapitalistische Fabrik ist ein Ort, an dem Wert produziert wird, der „unglücklicherweise” die Form der Produktion von Gütern annehmen muss. Das Konkrete wird als der notwendige Träger des Abstrakten produziert. Die Ausrottungslager waren demgegenüber keine entsetzliche Version einer solchen Fabrik; sie müssen vielmehr als ihre groteske arische „antikapitalistische” Negation angesehen werden. Auschwitz war eine Fabrik zur „Vernichtung des Werts”, d.h. zur Vernichtung der Personifizierungen des Abstrakten. Sie hatte die Organisation eines quasi industriellen Prozesses mit dem Ziel, das Konkrete vom Abstrakten zu „befreien”. Der erste Schritt dazu war die Entmenschlichung, das heißt, dem jüdischen Bevölkerungsanteil die „Maske” der Menschlichkeit „wegzureißen” und Juden als das zu „zeigen”, was sie nach nazistisch-rassistischer Auffassung „wirklich sind”: Schatten, Ziffern, Abstraktionen. Der zweite Schritt war das Ausrotten dieser Abstraktheit, ihre „Verwandlung” zu Rauch ... (Moishe Postone, S. 253f.)

Hier wird ein wesentlicher Unterschied zwischen der Vernichtung der Jüdinnen und Juden durch den Holocaust und der Ermordung von Tieren in den Schlachthöfen deutlich. Die Schlachthöfe funktionieren nach einem ökonomischen Prinzip. Die Hühner, Kühe, Schweine, etc. sollen nicht vernichtet werden, aus ihnen/durch sie soll Wert produziert werden. Ihre Tötung ist nicht Zweck an sich, sondern der Zweck ist die Produktion von Fleisch, die Produktion von „Nahrung“ für die Menschen. Doch nicht nur aufgrund des analytischen Unterschiedes und des faktisch falschen Vergleichs zwischen Shoah und Schlachthaus ist die PETA-Kampagne nicht tragbar. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Antisemitismus aus den Köpfen der Menschen noch keinesfalls verschwunden ist, sondern sich in einem sekundären Antisemitismus manifestiert. Dieser zeigt sich in Deutschland vor allem in Form einer Verdrängung der Schuld, einer Relativierung der Geschehnisse während des Nationalsozialismus und in der modernen Tarnung des Antizionismus. Eine Instrumentalisierung des Holocaust aus werbestrategischen Gründen, wie sie PETA praktiziert, trifft auf genau diesen Boden und kommt dem deutschen Bedürfnis nach einer Entsorgung der Vergangenheit entgegen.

ANTHROPOZENTRISCHE KRITIK AM HOLOCAUST-VERGLEICH
Ein Großteil der derzeitigen Kritik an der PETA-Kampagne enthält wenig Auseinandersetzung mit der Singularität der Shoah. Anstatt diese herauszustellen und auf die Historizität des Vernichtungs-Antisemitismus zu verweisen, dessen ideologisches Fundament sich – wie oben dargestellt – grundlegend von dem der Degradierung, Verachtung und Ausbeutung von Tieren unterscheidet, wird nicht selten versucht, das Bild des Menschen in der Unterscheidung zu Tieren zu bewahren. Nicht die Einzigartigkeit des Holocaust wird in den Mittelpunkt gestellt, sondern die Einzigartigkeit des Menschen. Die Reaktion der Medien ist bislang einhellig: „Kadaver toter Schweine” dürfen nicht gleichzeitig mit einem „Leichenberg” auf Plakaten erscheinen, ist in der Jungle World (Nr.50, 3.1203) zu lesen. Die TAZ beschwert sich darüber, dass es für die Mitglieder von PETA „keine Unterschiede zwischen Mensch und Tier“ gibt. Spiegel-Online (vom 14.11.03) hält die PETA-Kampagne für schlicht „menschenverachtend”. Eine derart verkürzte Kritik geht am eigentlichen Thema des Vergleiches von eliminatorischem Antisemitismus in NS-Deutschland und der institutionellen Gewalt sowie dem industriellen Mord an Tieren vorbei. Darüber hinaus wird die Unterdrückung von Tieren innerhalb der gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse nicht thematisiert. Was zu stören scheint, ist das In-Bezug-Setzen von Gewalt gegen Tiere und Gewalt gegen Menschen. PETAs plakative Gleichsetzung der äußerlichen Phänomene von Shoah und Schlachthofgesellschaft erzeugt im anthropozentrischen Geist eine Kränkung des menschlichen Selbstbildes. Der aktuelle Diskurs bedient also hauptsächlich die öffentliche Empörung, die durch den Schock der Thematisierung des Massenmordes an Tieren ausgelöst wird.

EINE TIERBEFREIUNGSPERSPEKTIVE OHNE VERGLEICHE
Eine Kritik an den tierfeindlichen Verhältnissen dieser Gesellschaft sollte sich darauf konzentrieren, das Wesen von Tierausbeutung zu analysieren, anstatt ihre Phänomene zu vergleichen. Ziel der Tierbefreiungsbewegung muss stets auch eine umfassende Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse sein, mit dem speziellen Augenmerk auf die Verwobenheit des Speziesismus mit anderen Macht- und Herrschaftsformen. Als speziesistisches Grundprinzip sehen wir die dualistischen Konstruktionen von „der Mensch“ und „das Tier“ und die Zuschreibungen, die diesen scheinbar gänzlich unvereinbaren Kategorien anhaften. So werden Gemeinsamkeiten negiert und Unterschiede überbetont. Diese Logik greift auf ein grundlegendes binäres Denkmuster zurück, das ein wesentliches Merkmal abendländischen Denkens ist. Dass diese Logik den gesamten Kulturkreis durchzieht, und deshalb in der Analyse mit anderen Herrschaftsformen zu verbinden ist, lässt sich an weiteren Dualismen erkennen, die in ihrer sozialen Konstruktion dem Mensch/Tier-Dualismus ähnlich sind und zum Teil auf ihn verweisen: Mann/Frau, Kultur/Natur, Vernunft/Instinkt, Geist/Körper, etc. Die Befreiung der Tiere aus dem gesellschaftlichen Unterdrückungsverhältnis bedeutet für uns eine grundsätzliche Kritik an ihrer Verdinglichung und die Beendigung ihrer Nutzung. Die alltägliche Ausbeutung, Unterdrückung und Ermordung von Tieren durch die menschliche Gesellschaft spricht für sich selbst und bedarf keiner Skandalisierung. Ihre Abschaffung muss Grundbedingung einer wahrhaft emanzipierten Gesellschaft sein. Als Tierbefreiungsbewegung, die sich diesem Gedanken verpflichtet fühlt, lehnen wir PETAs Ansatz und den Vergleich mit dem Holocaust grundsätzlich ab.

AG des Hamburger Tierbefreiungstreffens

UnterstützerInnen: Palanqueta, Tierrechtsgruppe Verdura Ludwigsburg, Basisgruppe !Tierrechte! (Wien), Foodfighters, TierrechtsAktion Nord, Berliner Tierrechtsaktion (BerTA), Georg Hemprich (Kampagne zur Abschaffung der Jagd), AuTuMN (Bremen), AntiSpeziesistische TierrechtsInitiative (ASTI), Tierrechtsmagazin VOICE, Albino, Vegan-Laden Berlin

Kontakt: TierrechtsAktion Nord, c/o Schwarzmarkt, Kleiner Schäferkamp 46, 20357 Hamburg tan@tierrechts-aktion-nord.de

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