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Links wählen?



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Den ganz billigen Protest wählen?
Die politische Oligarchie in diesem Land ist in ein Patt geraten und lässt deshalb die Subalternen zur Wahl bitten. Es darf nun über eine neue Zusammensetzung des politischen Personals mitbestimmen. Dabei schafft jede Wahl mit begründeter Aussicht auf Veränderung des leitenden Personals zunächst einmal einiges an Erleichterung ? vordergründig. Es spricht ja einiges dafür, nach dem 18. September die Visagen von Schröder, Fischer, Künast, Schily und Trittin für’s erste los zu sein. Und darüber soll man sich schon jetzt nicht freuen dürfen? Der große Johannes Agnoli hat Befreiung einmal als ein Bedürfnis bezeichnet, das sich in dem Wunsch eines jeden Untergebenen konkretisiert, einmal seinen Herren einen Fußtritt zu verpassen. Insofern stellt die anstehende Bundestagswahl frei nach dem Motto. „Hey ihr da, runter vom Sofa!“ so etwas dar, wie eine großzügig gewährte Lizenz zum legalisierten Fußtritt gegen die Schröder?Fischer?Bande. Alle die diese brünstig gewährte Gelegenheit in diesem Sinne nutzen, werden sich danach einen kleinen Moment besser fühlen. Punkt. So ist das nun mal, wenn man mit Aussicht auf Erfolg zum Mittel des billigen Protestes greift. Klar ist dabei auch, das nach dem 18. September einfach mit neuer Wähler?Legitimation ausgestattete andere Visagen an die SteIle der alten treten und beanspruchen unsereins zu regieren. Zu erwarten steht dann von der neuen Regierung mindestens genauso viel wie von der Schröder -Fischer?Bande spätestens nach dem von ihr vom Zaun gebrochenen Nato?Angriffskrieg im Kosovo im März 1999: Gar nichts. Allerdings steht für diese Wahl eine erneute Optimierung des ansonsten ultrastabilen Parteiensystems dieses Landes auf dem Programm. Allerorten steht zu hören, das es tatsächlich eine neue Partei auf der Seite der Linken geben soll. Das Umfrageroulett sagt ihr voraus, möglicherweise als drittstärkste Kraft in den Bundestag einzuziehen. Zentrale Legitimationsquelle der als „neu“ vorgestellten Formation sind dabei die Sozialproteste der Zeit seit dem November 2003, die Hunderttausende auf die Strassen getrieben haben. Doch das Establishment hat wohl selbst daran geglaubt, das wieder Ruhe im Karton ist, wenn man allen diesen Leuten über die von ihr kontrollierte Medienindustrie ein achselzuckendes „Fuck you“ zumurmelt. Doch weit gefehlt: Diese, den sozialstaatlich formierten Kernschichten der fordistischen Periode der 60er und 70er Jahre in West? und Ostdeutschland zuzurechnenden Leute sind keine marginale gesellschaftliche Randgruppe. Sie verlangen nach einer repräsentativen Vertretung ihrer Interessen in den etablierten Foren der politischen Willensbildung. Und die steht nun mit der irgendwie als „neu“ bezeichneten Linkspartei an.

Solche Linksradikalen machen keine Fehler
Vielleicht haben davon auch die linksradikalen Massenorganisationen Fels und die Antifaschistische Linke gehört und gleich einen „Offenen Brief an die Linkspartei“ geschrieben, der mit Vor? und Zunamen, Funktion und Respektabilität unterschrieben werden darf. Mit diesem Schreiben wird beansprucht, anstatt eines Pflasterstein lediglich einen „Prüfstein“ ? honorig, honorig ? in das offizielle politische Spiel des Verfassungsbogens einzubringen. Im Zentrum stehen dabei nicht die nächsten Kampfetappen und Ziele dieser beiden Gruppen, sondern man reibt sich ein wenig die Augen – das Wohl der Flüchtlinge in diesem Land, zu denen man sich offensichtlich nicht zählt. Offenbar will man in dieser Manifestation nicht von seinen eigenen schnöden Interessen sprechen, sondern es soll an dieser Stelle an Großzügigkeit nicht fehlen. Schaut man sich die aktuelle Unterschriftstellerliste in Gestalt von 345 Namen an, so finden sich dort schon einige Doktortitel des akademischen Betriebes. Sowas kann schon in einem Bewerbungsschreiben für Referentenposten in einer zukünftigen Bundestagsfraktion etwas hergeben. Zum Zweck dieses Briefes will uns die Gruppe Fels auf ihrer Homepage doch allen Ernstes weismachen, das man diesen nicht als eine Wahlempfehlung, „sondern vielmehr als einen Prüfstein (verstehe), inwieweit die neu zusammengesetzte Linkspartei eine Zukunft als emanzipative Kraft haben kann“'. Wie bitte? Lothar (Prost) Bisky, Lafontaine, Gysi und diverse IG?Metall?Sekretäre nicht nur als eine „emanzipative Kraft'“ sondern auch noch als „Zukunft“" Fels und andere haben nicht das Recht, diesen verdienten Funktionären des etablierten Politikbetriebes so Unrecht zu tun! Es ist einfach nicht richtig, erkennbar falsche Verdrehungen als kluge Anmerkungen zu verkleiden.

Nehmen wir den Inhalt des offenen Briefes Ernst, dann spiegelt sich darin nicht nur das ganze Elend einer fehlenden intellektuellen Debatte um den programmatischen, gesellschaftlichen wie praktischen Stellenwert der als „neu“ lackierten Linkspartei. In ihm zeigt sich, korrespondierend dazu, wie leidenschaftslos und wie ungedacht sich die beiden Gruppen Fels und die Antifaschistische Linke an den Sozialprotesten in dem Zeitraum der letzten 12 Monate beteiligt haben. Obwohl sie doch ganz genau wissen, das der fortlaufende Angriff auf die unteren Masseneinkommen nur dann mit etwas Aussicht auf Erfolg sabotiert werden kann, wenn sich die Leute dazu befähigen, irgendwie aus ihren Alltagsstrukturen raus auf die Strasse gehen, suchen sie den exklusive Dialog mit einer linken Parlamentspartei die daran auch nicht das allergeringste Interesse besitzt. Doch niemand braucht so dumm zu sein, wie es der vorliegende offene Brief bei vielen Leserinnen voraussetzt. Fels und andere haben wider ihres eigenen Wissens mit einem Dokument der intellektuellen Selbstentwaffnung fast unverblümt zu der Wahl einer Parlamentspartei aufgerufen. In leichter Abwandlung eines gegen Autonome im Jahre 1991 erhobnen Anwurfes lässt sich fortan ganz trefflich, begründen: „Die Gruppe Fels macht keinen Fehle sie ist selbst der Fehler.“ So kehrt die einstmals vehement an anderen geübte Kritik einfach wieder zu den maulstarken Absendern zurück.

Beruhigung?
Die weit über das irgendwie zusammengekegelte Wahlergebnis am 18. September hinausreichende Problemstellung mit der Konstitution einer Linkspartei liegt aber tiefer, als es der in Ton und Inhalt biedere offene Brief zur Sprache bringt. Für die allermeisten, die in den letzten zwei Jahren gegen Hartz 1 ? 5 usw. auf die Strasse gegangen sind, wird die Präsenz der neuen Linkspartei im Parlament Beruhigung zu schaffen. Doch guckt man sich das in der Regel gut bekannte Personal jener neuen Partei etwas genauer an, dann sieht sie eher alt aus. Das gleiche gilt im Grunde auch für ihr Programm. Wenn man ihr böse will, könnte man sie für eine unglaublich gewieft eingefädelte Rochade der PDS-Führungsspitze halten. Sie sucht einfach schnöde davon abzulenken, das man dort, wo man den Regierungszipfel in Händen hält, auch nur das macht, was die anderen Parteien tun. Oder anders herum: Die neue Partei ist ein Trick von Lafontaine unter zur Hilfenahme der Bild-Zeitung, die aktuell so auf den Hund gekommene Sozialdemokratie schon in wenigen Jahren unter seiner Führung wieder zu vereinigen. Denn letztlich geht es zwischen der SPD und der neuen Linkspartei nicht um Republik oder Revolution, sondern erstens darum, das sich das Spitzenpersonal persönlich nicht mag, und zweitens schlicht um ein paar hundert Euro Arbeitslosenkohle im Monat mehr oder weniger. Triste Befinde, wohl wahr. Trotzdem mischt die Existenz dieser sozialstaatlichen Ordnungspartei aus den Wurzeln der traditionellen reformistischen Linken das totalitäre neoliberalistische Einheitsdenken aller anderen politischen Kräfte zumindest in einem formalen Sinne auf. Die Linkspartei kann in der Tat als eine neopaternalistische halbautoritäre Alternative zu der hegemonialen Politik der coolen egoistischen und genussüchtigen Abzock? und Bereicherungskräfte in der Republik durchgehen. Das ist dann die Wahl zwischen einem Zustand, wo man von national gestimmten Ärmelaufkremplern notfalls am Kragen gepackt und zur Billig Lohn?Arbeit gezerrt wird und dem grün?alternativ-kosmopolitanen Grinsgesicht, das einem das eigene Elend als ziemlich individuell gefällte freie Entscheidung verkauft, und einen nebenbei sanft aus allen sozialen Sicherungssystemen als Kostenfaktor herausbefördert. Doch weder das eine wie das andere ist für das Millionenheer derjenigen, die im Fadenkreuz des fortlaufenden sozialen Angriffes stehen, weder eine tröstliche noch gar beruhigende Perspektive. Verschärft wird diese bedrohliche Situation zudem noch durch das faktische Nichtvorhandensein einer herausfordernden intellektuellen Debatte um die Perspektiven des kleinen Alltagsglückes jenseits der großen Politik. Billig ist nun mal nicht reich und schon gar nicht glücklich und so droht die Eindirnensionalität der herrschenden Verhältnisse die Köpfe selbst derjenigen zu ergreifen, die dagegen zu opponieren beanspruchen.

Timur und sein Trupp

  • (Quelle: Interim 621, 1. Septeber 2005)
  • Kritische Seiten zur Linkspartei.PDS und ihren linken "Fans "

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