Umwelt und Macht

DER GROSSE PROZESS GEGEN PROJEKTWERKSTÄTTLER ... ZWEITE INSTANZ

Das Urteil des Landgerichts Gießen als Text

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Geschäftsnummer:
3 Ns 501 Js 1969/02

LANDGERICHT GIESSEN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In der Strafsache


g e g e n

1 . Jörg Bergstedt,
geb. am 02.07.1964 in Bleckede,
wohnhaft Ludwigstraße 11, 35447 Reiskirchen,
ledig, Deutscher,

2. Patrick Neuhaus,
geb. am 03.06.1981 in Hemer,
wohnhaft Ludwigstraße 11, 35447 Reiskirchen,
ledig, Deutscher,

w e g e n gefährlicher Körperverletzung u. a.,

hat die 3. kleine Strafkammer des Landgerichts Gießen auf die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Gießen vom 15.09.2003 in der Hauptverhandlung vom 10.03., 21.03., 24.03., 04.04., 07.04., 11.04., 14.04., 18.04. 21.04., 25.05., 29.04. und 03.05.2005, an der teilgenommen haben:

Vors. Richterin am LG Brühl als Vorsitzende

Rentner Harald Bagehorn
Lehrerin i. R. Ursula Schmidt als Schöffen

Staatsanwalt Vaupel am 10.03., 21.03., 24.03., 04.04., 07.04., 11.04., 14.04., 18.04. 21.04., 25.05., 29.04.2005
Oberstaatsanwalt Hübner am 03.05.2005 als Beamte der Staatsanwaltschaft

Rechtsanwältin Verleih für den Angeklagte Ziff. 1. am 10.03.2005
Rechtsanwalt Künzel für den Angeklagten Ziff. 2. am 10.03.2005 als Verteidiger

Justizangestellter Seipp als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

am 03.05.2005 für Recht erkannt:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Der Angeklagte Bergstedt wird wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung in sechs Fällen, wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Hausfriedensbruchs und wegen Beleidigung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt.

Gegen den Angeklagten Neuhaus wird wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung in sechs Fällen und wegen Hausfriedensbruchs die Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,-- E verhängt. Dem Angeklagten wird gestattet, die Strafe in monatlichen Raten von jeweils 50,-- E zu bezahlen, wobei die Vergünstigung bei Zahlungsverzug entfällt.

Im Übrigen werden die Angeklagten freigesprochen.

Die Angeklagten haben die Kosten des Verfahrens zu tragen, soweit sie verurteilt wurden. Im Übrigen trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die den Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.

Angewandte Strafvorschriften: Angekl. Ziffer 1: §§ 303, 113, 224 Abs. 1 Nr. 2, 123, 185, 25 Abs. 2, 52, 53 StGB,

Angekl. Ziffer 2: §§ 303, 123, 25 Abs. 2, 53 StGB.

3 Ns 501 Js 19696/02

Gründe:
I.

Das Amtsgericht Gießen verurteilte den Angeklagten Bergstedt wegen Sachbeschädigung in 8 Fällen, wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in 2 Fällen, dabei in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher und in einem Fall mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Hausfriedensbruchs und wegen Beleidigung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten. Der Angeklagte Neuhaus wurde wegen Hausfriedensbruchs und wegen Sachbeschädigung in 9 Fällen zu der Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt.

Gegen dieses Urteil haben beide Angeklagte rechtzeitig Berufung eingelegt mit dem Ziel freigesprochen zu werden. Ihre Rechtsmittel hatten teilweise Erfolg.

Zur Person der Angeklagten und zu ihren persönlichen Verhältnissen wurde folgendes festgestellt: Der 40-jährige Angeklagte Bergstedt ist ledig. Er hat 2 Kinder im Alter von jetzt 9 und 12 Jahren. Die Kinder leben bei der Mutter, die sich vor etwa 7 Jahren vom Angeklagten trennte. Der Angeklagte hat Kontakt zu seinen Kindern. Sie besuchen ihn manchmal. Unterhalt für die Kinder zahlt der Angeklagte, der keiner geregelten Erwerbstätigkeit nachgeht und weder Sozialhilfe noch sonst eine finanzielle staatliche Unterstützung erhält, nicht. Seinen eigenen Lebensbedarf bestreitet er von unregelmäßigen Einnahmen, die er mittelbar oder unmittelbar durch seine Arbeit in der Projektwerkstatt in Reiskirchen-Saasen erzielt. Gegen Entgelt gibt er in der Projektwerkstatt erarbeitete Broschüren und andere Druckwerke an Interessenten ab. Er betätigt sich außerdem auf Honorarbasis als Trainer in "workshops" und hält bundesweit Vorträge, wofür man ihn "buchen" kann.

Nachdem der Angeklagte Abitur gemacht hatte, studierte er Landschaftsplanung. Kurz vor dem Abschluss brach er sein Studium allerdings ab. Eine Abschlussprüfung legte er nicht ab. Etwa ab 1985 betätigte er sich aktiv in der Jugend- und Umweltbewegung. Bis 1990 war er im Bundesvorstand der Naturschutzjugend tätig. Die von ihm maßgeblich beeinflusste Projektwerkstatt.in Saasen wurde bis Mitte der 90-iger Jahre durch öffentliche Gelder - teilweise recht großzügig - gefördert. Ausdruck hiervon ist u.a., dass die Räumlichkeiten in Saasen, ein ehemaliger Bauernhof, von einem Förderverein für Jugend- und Umweltarbeit erworben werden konnten. Die Räurne werden vom Angeklagten Bergstedt, bzw. den anderen Personen, die mehr oder weniger regelmäßig dort anwesend sind, offen gehalten für interessierte Besucher. Bis Anfang der 90-iger Jahre gab es Projekte, zur Förderung von Begegnungen mit ostdeutschen Jugendverbänden u.a. in Saasen und Jena. Das bisher letzte Projekt war das Gießener Projekt "Krach und Klang" im Jahr 2003, das mit EU-Geldern finanziert worden war.

Der Angeklagte wurde am 21. 5. 2002 vom Amtsgericht Stuttgart wegen gemeinschaftlichen Hausfriedensbruchs zu der Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Er hatte mit anderen in Stuttgart auf dem Dach eines Universitätsgebäudes ein Banner angebracht, wobei er zuvor widerrechtlich in die Räumlichkeiten eingedrungen war.

Der Angeklagte wird sich in Zukunft weiter so verhalten wie bisher. Staatliche Sanktionen, insbesondere Geld- oder Freiheitsstrafen können ihn davon nicht abhalten. Einen Gefängnisaufenthalt würde er als Bereicherung seiner Erfahrungen betrachten.

Der jetzt 23-jährige Angeklagte Neuhaus leistete nach dem Abitur anstelle von Wehrdienst in einem Altenheim Zivildienst ab. Eine Ausbildung zu machen oder einem Job nachzugehen, kam für ihn nicht in Frage. Er wollte selbst bestimmen, womit er sich beschäftigt, und wann er etwas tut. Den Angeklagten Bergstedt lernte er im Jahr 2000 kennen. Nach gelegentlichen Besuchen blieb er seit Mitte/Ende 2001 in der Projektwerkstatt in Saasen. Bis dahin hatte er noch bei seinen Eltern gelebt. Er brachte seine Sachen nach Saasen, stellte sie jedoch bis auf wenige, ganz persönliche Dinge dem dort anwesenden, wechselnden Personenkreis zur Mitbenutzung zur Verfügung. So machen es im Übrigen alle dort anwesenden Freunde und Gäste. Auch der Angeklagte Neuhaus bezieht keine Sozialhilfe. Im Gegensatz zum Angeklagten Bergstedt ist er nicht krankenversichert. Er hat nur manchmal Geld, wenn "etwas reinkommt". Kleidung besorgt er sich kostenlos z. B. in einem sog. Umsonstladen, wobei er bescheiden ist und sich u.a. das Barfußgehen zur Gewohnheit gemacht hat. Er beschäftigt sich mit Musik und Elektronik, textet, macht Buchprojekte und auch workshops, die sich z.B. mit Gruppendynamik und dem Abbau von Hierarchien befassen.

Der Angeklagte Neuhaus ist nicht vorbestraft.

II.

Die vorliegend festgestellten Taten ereigneten sich allesamt vor dem Hintergrund der politischen Aktivitäten der Angeklagten und ihrer Anhänger, die sich in der Projektwerkstatt in Saasen betätigten. Die Angeklagten und ihre Mitstreiter wollten mit ihrer Arbeit Unterdrückung und Ausbeutung von Menschen bekämpfen und dabei die bestehenden Machtstrukturen sichtbar machen, die die gewünschten Veränderungen der Gesellschaft verhindern. Sie entwickelten Ideen und verabredeten Strategien, um die bestehenden Zustände und Strukturen transparent zu machen und öffentlich anzuprangern. Das von ihnen - und vor allem auch vom Angeklagten Bergstedt - jedenfalls zur Tatzeit favorisierte Konzept lässt sich damit umschreiben, dass Herrschaftsstrukturen und die Unterdrückung Andersdenkender entlarvt werden sollten, indem diejenigen, die Gewalt ausüben, mit ihren eigenen angeblichen Fehlern, Unzulänglichkeiten und Überschreitungen ihrer Kompetenzen öffentlich konfrontiert und dadurch herausgefordert werden, ihre Verhaltensweisen zu wiederholen. Anschaulich erläuterte der Angeklagte Bergstedt auch anhand von Beispielen, dass dazu viel Phantasie und durchaus scharfsinnige Überlegungen notwendig sind.

Dabei überschritten die Angeklagten, wie die Beweisaufnahme ergab, in verschiedener Weise die Grenzen des Erlaubten und machten sich strafbar.

1. Während des Wahlkampfs zur Bundestagswahl 2002 entschlossen sich die Angeklagten und andere, unbekannt gebliebene Personen, die die Aktivitäten der Angeklagten unterstützten, Wahlplakate durch Aufkleber zu verunstalten und Parteien und ihre Vertreter lächerlich und damit deren Plakatwerbung sinnlos zu machen. Auf diese Weise wollten sie demonstrieren, dass Wahlen, so wie sie hierzulande durchgeführt werden, zur Herbeiführung politischer Veränderungen ungeeignet und eine Farce seien. In Ausführung ihres Tatplans waren die Angeklagten und nicht ausschließbar einige ihrer Mitstreiter am 28./ 29. 8. 2002 nachts in Reiskirchen unterwegs. Sie wollten zuvor ausgeschnittene Teile von Computerausdrucken mit Klebstoff auf die Plakate aufbringen, und es war ihnen klar, dass ihre Aufkleber ohne Zerstörung des Untergrunds nicht mehr entfernt werden konnten. So klebten die Angeklagten oder, was die Kammer nicht mit der notwendigen Sicherheit ausschließen konnte, ihre unbekannt gebliebenen Mittäter mit Wissen und Wollen der Angeklagten bei einem Plakat der SPD über das Gesicht des abgebildeten Kandidaten einen Totenschädel, den Bundestagskandidaten der CDU verunstalteten sie mit einem Aufkleber auf den Mund, der Zahnprothesen (Gebiss) zeigte. Auf die gleiche Art wurden 2 weitere Plakate, die Bundeskanzler Schröder und Edmund Stoiber zeigten, beklebt. Bei diesen beiden Plakaten wurde außerdem der Schriftzug „14. 9. Aktionstag Gießen - www.proiektwerkstatt.de/qiessen“ und das Wort „Typen" aufgebracht. Bei zwei weiteren Plakaten der SPD wurde einmal das Gesicht des Bundeskanzlers und zum anderen das des Bundestagskandidaten mit einem Affenkopf überklebt sowie bei letzterem auch der Schriftzug www.wahlguark.siehe.website angebracht.

Die Polizeibeamten Haberkorn und Gontrum waren gegen 1 Uhr am 29. 8. 2002 mit einem Streifenwagen nach Reiskirchen gefahren, weil im Bereich An der Hell Heinrich Heine Straße ein Autoalarm angegangen war und eine Anwohnerin in der Meinung, dass das Fahrzeug gestohlen werden sollte, die Polizei gerufen hatte. Auf ihrem Weg zu dieser Einsatzstelle sahen die Polizeibeamten, die bis dahin die beschädigten Plakate noch nicht wahrgenommen hatten, an der Einmündung Jahnstraße - Heinrich-Heine Straße - nur etwa 250 m von den in Rede stehenden Wahlplakaten entfernt - die Angeklagten auf dem rechten Gehweg laufen. Während der Annäherung des Streifenwagens wechselte der Angeklagte Bergstedt auf die linke Gehwegseite und rannte dann in der Fahrtrichtung des Streifenwagens davon. Die Polizeibeamten glaubten, es mit den Autodieben zu tun zu haben und hielten sofort an, um die Personen festzunehmen. Der Angeklagte Neuhaus konnte sogleich gestellt und festgenommen werden, der Angeklagte Bergstedt erst nach einer ca. 100 - 120 m langen Verfolgung bis zu einem am Straßenrand stehenden Container mit Bauschutt, in den er verschiedene Dinge warf. Bei der Durchsuchung der Festgenommenen wurde beim Angeklagten Bergstedt eine nicht angebrochene Dose mit Sprühkleber gefunden. Der Angeklagte Neuhaus trug eine Umhängetasche bei sich, in welcher sich zahlreiche ausgeschnittene bzw. zurecht geschnittene bedruckte Papierstücke befanden, u. a. solche, die auf den Plakaten, wie beschrieben, Verwendung fanden. Dem schenkten die Polizeibeamten in Unkenntnis der wahren Sachlage allerdings keine Beachtung. Sie wollten die Angeklagten wieder frei lassen, hatten aber versehentlich keine passenden Schlüssel dabei, um die zur Festnahme verwendeten Handfesseln zu öffnen. Daher musste eine andere Polizeistreife gebeten werden, entsprechende Schlüssel zu bringen. Dies geschah, und die Angeklagten wurden nach einer guten halben Stunde wieder auf freien Fuß gesetzt. Beim Zurückfahren zu ihrer Dienststelle erkannten die Polizeibeamten die veränderten Wahlplakate. Sie waren aufgrund der zuvor getroffenen Feststellungen überzeugt, dass die Angeklagten aufgrund vorausgegangener Vorkommnisse hierfür verantwortlich seien. Eine anschließende etwa 1 Y2stündige Bestreifung der gesamten Umgebung führte jedoch nicht zum Wiederauffinden der Angeklagten. Bei der Absuche des Bauschuttcontainers konnten keine den Angeklagten zurechenbaren Gegenstände festgestellt werden, sondern nur noch ein feuchter Fleck und eine geringe Anhaftung, die sich ähnlich wie Tapetenkleister anfühlte.

2. Da in der Region in der Folgezeit weitere Plakate in ähnlicher Weise verunstaltet worden und verschiedene andere auf den Wahlkampf bezogene, störende Aktionen bekannt geworden waren, als deren Urheber der Angeklagte Bergstedt und seine Mitstreiter von der Polizei verdächtigt wurden, fand am 10. 1. 2003 in der Projektwerkstatt in Saasen eine Durchsuchung durch die Polizei statt. Unter anderem wurden Teile der dort benutzten PC's beschlagnahmt und von der Polizei mitgenommen. Dadurch veranlasst entschlossen sich der Angeklagte Bergstedt und andere zu einer Aktion auf dem Seltersweg in Gießen. Mit einem Spruchband mit der Aufschrift "Freiheit stirbt mit Sicherheit" und einem Megaphon ausgerüstet, traf sich die Gruppe von 10 bis 12 Personen am späten Vormittag des 11. 1. 2003 in der Fußgängerzone der Giessener Innenstadt und zwar in Höhe der Einmündung der Plockstraße in den Seltersweg bei den "3 Schwätzern", einer allseits bekannten Skulptur.

Wie der Angeklagte wusste, fand etwa 25 bis 30 m von dieser Einmündung entfernt (in Richtung Selterstor) an diesem Tag, einem Samstag, eine genehmigte Wahlveranstaltung der CDU statt und zwar in der Form, dass ein Stand mit Info-Material und einige Stehtische aufgestellt worden waren. Hier sollten Passanten verweilen und sich - auch durch Gespräche mit Parteimitgliedern - informieren, und hier wollte der Angeklagte Bergstedt mit seinen Mitstreitern durch eine Aktion auf sich aufmerksam machen, indem durch das erwähnte Transparent und durch Ansagen des Angeklagten Bergstedt mit dem Megaphon rechtswidrige Obergriffe der Polizei und besonders die tags zuvor stattgefundene Durchsuchung der Projektwerkstatt angeprangert werden. Der Angeklagte wusste, dass sich in der Nähe des CDU-Stands mit Sicherheit Polizeikräfte aufhalten werden, und dass die Polizeibeamten gegen ihn zumindest als S t ö r e r nach Polizeirecht einschreiten würden.

Um die Mittagszeit hielten sich neben dem Angeklagten Bergstedt und etwa 12 seiner Mitstreiter, verschiedene Wahlhelfer der CDU, der Hessische Innenminister Bouffier und der Giessener Polizeipräsident Meise sowie einige Passanten am oder in der Nähe des CDU- Stands auf. Gegen 13 Uhr wurde von den Begleitern des Angeklagten Bergstedt das mitgebrachte Transparent ausgebreitet. Gleichzeitig begann Bergstedt, durch das Megaphon u. a. die Durchsuchung der Projektwerkstatt durch die Polizei als unerhörten, rechtswidrigen Obergriff staatlicher Gewalt darzustellen. Er stand dabei in einer Entfernung von etwa 10 - 12 m direkt vor dem CDU-Stand und sprach in Richtung des Stands und der sich dort aufhaltenden CDU - Anhängern und interessierten Bürgern. Er redete mit Unterbrechungen mehrfach hintereinander, insgesamt mindestens 10 Minuten lang. Währenddessen meinten sowohl der Innenminister als auch der Polizeipräsident Meise gegenüber dem Zeugen Walter, der als Einsatzleiter der Polizei für Sicherheit und Ordnung vor Ort verantwortlich war, dass man sich "das", gemeint war die Aktion des Angeklagten Bergstedt, nicht bieten lassen wolle. Dann rief der Zeuge Walter, der nur mit einem weiteren Kollegen vor Ort war, Verstärkung herbei. Als kurz darauf etwa 8 - 9 weitere Beamte eingetroffen waren, wollte der Zeuge Walter das Tun des Angeklagten und seiner Begleiter beenden. Er trat deshalb zusammen mit weiteren Polizeibeamten an den Angeklagten Bergstedt heran. Der Angeklagte wusste sofort, dass er aufhören und am besten mit seinen Mitstreitern weggehen sollte. Dem wollte er sich jedoch nicht beugen. Er umklammerte daher mit beiden Händen und Unterarmen augenblicklich das Megaphon. Mit der Androhung, es werde dem Angeklagten abgenommen, wenn er es nicht freiwillig herausgebe, griff der Zeuge Walter sodann nach dem Megaphon, weil der Angeklagte dieses weiter umklammerte und seinen Oberkörper schützend darüber beugte. Da auch das Abnehmen nicht gelang, erklärte der Zeuge Walter dem Angeklagten mit knappen Worten, er (der Angeklagte) werde in Gewahrsam genommen, wenn er weiter die Herausgabe des Megaphons verweigere. Nachdem auch diese Androhung wirkungslos blieb, ergriffen der Zeuge Walter und der Zeuge Ernst den Angeklagten an den Oberarmen, um ihn zu einem unweit abgestellten Polizeifahrzeug zu bringen, das ihn zur zuständigen Polizeistation transportieren sollte. Aus dieser Situation heraus entwickelten sich sodann tumultartige Szenen. Verschiedene Begleiter des Angeklagten griffen dabei von der Seite oder von hinten nach den Polizeibeamten, um sie vom Angeklagten wegzuziehen. Das wiederum suchten weitere Beamte zu verhindern, um den Abtransport des Angeklagten sicher zu stellen. Zuletzt zogen und trugen 3 - 4 Beamte den Angeklagten zu einem Polizeifahrzeug, das an der Einmündung der Plockstraße in den Seltersweg geparkt war. Vor der Schiebetür, durch die man zu den hinteren Sitzbänken des Ford-Transit gelangte, setzten die Beamten den Angeklagten auf die Straße. Der Zeuge Walter forderte den Angeklagten zum Einsteigen auf, als die Tür geöffnet worden war. Dies verweigerte der Angeklagte. Daher wurde er angehoben und in das Fahrzeug geschoben und gezogen, wobei der Zeuge Walter die Füße des Angeklagten gepackt hatte. Obwohl dem Angeklagten Bergstedt bewusst war, dass er schwere, halbhohe Schnürstiefel anhatte, deren Sohlen vorn mit einem Eisen verstärkt waren, und obwohl er sah, dass der etwas gebückte Zeuge Walter mit seinem Gesicht in der Nähe seiner Füße war, machte er eine Abwehrbewegung mit dem Bein in Richtung des Kopfes des Zeugen Walter. Dabei traf er den Zeugen Walter, freilich nicht mit großer Wucht aber doch schmerzhaft, mit der Schuhspitze in der Mitte der Stirn. Diese für ihn vorhersehbare Folge seines Handelns nahm der Angeklagte zumindest billigend in Kauf. Der Zeuge Walter langte sich kurz an die schmerzende Stirn, ergriff jedoch sogleich wieder den Fuß des Angeklagten und brachte ihn unter Mithilfe der Beamten Hinkel und Dietermann anschließend in das Fahrzeug. Der Angeklagte wurde bis zum Schluss der CDU-Veranstaltung in Polizeigewahrsam gehalten.

Noch am gleichen Nachmittag verfasste der Zeuge Walter, u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung, eine Strafanzeige gegen den Angeklagten. Professor Dr. Oemke attestierte wenige Stunden später als konsultierter Arzt die entstandene Verletzung, nämlich eine 3 mal 2 cm große Hautverletzung, etwa in der Mitte der Stirn gelegen, wobei die Wunde mit Blut bedeckt war, und sich eine Schwellung mit leichter Unterblutung zeigte. Der Zeuge Walter hatte wegen der erlittenen Verletzung eine zeitlang Kopfschmerzen.

3. Am Abend des 27. 3. 2003 fand im Giessener Stadthaus eine öffentliche Stadtverordnetenversammlung statt. Auf der Tagesordnung stand u.a. der Punkt (neue) Gefahrenabwehrverordnung, um die es bereits sehr kontrovers geführte öffentliche Diskussionen gegeben hatte. Es war auch zu erwarten, dass zur Sprache kommen würde, dass der - der CDU angehörende - Oberbürgermeister Haumann im Zusammenhang mit der von ihm und seinen Parteifreunden befürworteten Gefahrenabwehrverordnung erklärt hatte, es habe eine Bombendrohung im Stadthaus gegeben, was tatsächlich nicht geschehen war. Er benutzte diesen Umstand, um zu zeigen, wie notwendig eine verschärfte Gefahrenabwehr sei.

Die beiden Angeklagten und einige ihrer Freunde und Bekannte wollten sich mit einer ihrer Aktionen in die erwartete Diskussion einmischen. Daher begaben sie sich gegen 19.30 Uhr als Zuhörer in den Sitzungssaal. Wie sie es geplant hatten, setzten sich die Angeklagten und der gesondert verfolgte Marc Daren Abresch sowie möglicherweise noch ein oder zwei weitere Mitstreiter in die vorderste Reihe auf einer der zu beiden Seiten des Saals befindlichen Zuschauertribünen. Bald nach ihrem Eintreffen im Stadthaus wurde den polizeibekannten Angeklagten vom Zeugen Urban, der als Polizeibeamter im Einsatz war, angekündigt, dass sie „rausgehen, wenn sie nur einen Mucks machen" - das sei mit dem Stadtverordnetenvorsteher so abgesprochen. Davon ließen sich die Angeklagten jedoch nicht beeindrucken. Wie geplant, wurde ein mitgebrachtes Transparent etwa von der Größe eines Betttuchs,

wenn nicht eigenhändig, so mit ihrem Wissen und Wollen von ihren Begleitern, als Rolle direkt vor den Sitzen der Gruppe unterhalb der Brüstung befestigt, so dass es mit wenigen Handgriffen schnell über die Brüstung heruntergelassen und vom Saal aus lesbar gemacht werden konnte.

Gegen 20.15 Uhr, während des Redebeitrags des Zeugen Janitzki, einem PDS Stadtverordneten, wurde das Betttuch, wie von den Angeklagten geplant, entrollt. In Anlehnung an die Gestaltung eines Werbeplakats stand in der linken Ecke "Gut & Günstig" und darunter „jetzt neu im Sortiment", in der Mitte war mit roter Farbe und ,Großbuchstaben geschrieben "Angebot" und darunter mit schwarzer Schrift "Bombendrohungen, Gründe für unverhältnismäßige Polizeieinsätze und vieles mehr' "unverbindliches Reinschnuppern im Bürgermeisterzimmer, es berät sie: Haumann" zu lesen. Mit diesem "wohlfeil angebotenen Sortiment an Argumenten" wurde auf die nicht stattgefundene Bombendrohung angespielt. Genau hinter dem Transparent saßen zu diesem Zeitpunkt - und auch später - die beiden Angeklagten und der gesondert verfolgte Abresch. Alsbald nach dem Herunterlassen des Transparents wurde neben anderen im Saal anwesenden Personen auch der Stadverordnetenvorsteher Gail auf den Vorgang aufmerksam. Er forderte den Angeklagten Bergstedt, den er als einzigen der drei direkt hinter dem Transparent sitzenden Personen mit Namen kannte, deutlich hörbar mindestens zweimal mit den Worten "Herr Bergstedt, nehmen sie das weg!" auf, das Transparent zu beseitigen. Der Angeklagte Bergstedt begann zu diskutieren, weshalb er das Transparent wegnehmen solle, und machte ebenso wie der Angeklagte Neuhaus und Abresch keine Anstalten der Aufforderung des Zeugen Gail nachzukommen. Daraufhin wurden die Angeklagten Bergstedt und Neuhaus sowie Abresch vom Zeugen Gail unmissverständlich aufgefordert, den Saal zu verlassen, was sie mit ihrer Anwesenheit direkt hinter dem Transparent wissentlich provoziert hatten. Als der Zeuge Gail feststellte, dass drei nicht gehen würden, wurden auf seine Veranlassung Polizeikräfte angefordert, die die Angeklagten und Abresch notfalls mit Zwang entfernen sollten.

Da die Angeklagten auch der Aufforderung der Polizeibeamten, den Saal zu verlassen, nicht nachkamen, wurden sie und der gesondert verfolgte Abresch aus dem Saal getragen und aus dem, Stadthaus entfernt. Einige Tage später wurde vom Leiter des Rechtsamts der Stadt Gießen namens und im Auftrag des Stadtverordnetenvorstehers Gail Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gegen die Angeklagten gestellt.

4. Am 23. 8. 2003 waren zum Zweck der Wahlwerbung der Kandidaten der bevorstehenden Oberbürgermeisterwahl im Seltersweg in Gießen verschiedene Info-Stände aufgebaut, so auch für die Kandidatin der „Grünen,", die Zeugin Gülle. Der Angeklagte und Gleichgesinnte wollten diese Gelegenheit nutzen, um durch eine sog. Sprengaktion ihre politische Einstellung zur OB-Wahl kund zu tun. Diese Aktion sollte darin bestehen, Symbole staatlicher Macht, wie z.B. öffentliche Gebäude und anderes, was ihrer Meinung nach mit den herrschenden Machtstrukturen in Zusammenhang zu bringen war, mit Wasser zu be-"sprengen". Der Angeklagte Bergstedt und einige Akteure und Akteurinnen versammelten sich zu dieser Aktion in der Nähe des Stands der „Grünen", wiederum in der Nähe der Einmündung der Plockstraße in den Seltersweg. Manche von ihnen hatten grüne Gießkannen dabei, die mit Wasser gefüllt waren. Kurz nach der Entfaltung eines Transparents mit politischen Parolen setzte sich vereinbarungsgemäß die ganze Personengruppe in Richtung Selterstor in Bewegung, dabei waren der Angeklagte Bergstedt, der Angeklagte Neuhaus und die Zeugin Vollstedt. Am Stand der „Grünen" hielten einige der Akteure jedoch gleich wieder inne, unter ihnen der Angeklagte Bergstedt. Er wollte der Zeugin Gülle eine besondere „Lektion" erteilen. Nachdem das Portrait der Zeugin Gülle auf einem Wahlplakat, das sich auf einem Doppelständer befand, bereits mit Wasser nass gemacht war, goss der Angeklagte Bergstedt - mittlerweile im Beisein der Zeugin Gülle, die hinter dem Stand nach vorn gekommen war und nun direkt neben ihm stand - aus seiner Gießkanne Wasser auf das Bild der Zeugin und sagte dabei, „Damit pisse ich dich an!" Die Zeugin Gülle ärgerte sich über diese Verunglimpfung und ekelte sich, da sie im ersten Augenblick dachte, in der Gießkanne befände sich Urin. Sie schubste den Angeklagten daher mit den Worten „lass das, geh weg" von sich und ihrem Stand weg. Währenddessen wurde sie von einer Begleiterin des Angeklagten von hinten mit Wasser besprengt und sodann vom Angeklagten von vorn bis etwa in Kniehöhe. Sie hatte nasse Füße, und sie fühlte die Nässe ihres wadenlangen Leinenrocks an den Beinen. Darüber war sie besonders aufgebracht, denn sie hatte sich eigens für den Wahlkampf ein gutes, neues Kleid gekauft, das sie wegen des Wiedererkennungswerts bei Wahlveranstaltungen tragen sollte und nun vielleicht nicht mehr anziehen konnte. Wutentbrannt versetzte sie daraufhin dem Angeklagten eine Ohrfeige. Dabei flog dessen Brille einige Meter weit weg und zerbrach. Die Zeugin Gülle erstattete an Ort und Stelle u.a. wegen Beleidigung Strafanzeige und stellte Strafantrag gegen den Angeklagten Bergstedt. Dieser wurde anschließend festgenommen und eine zeitlang in Gewahrsam gehalten.

III.

Die Feststellungen zur Person der Angeklagten beruhen auf ihren insoweit glaubhaften Angaben. Soweit der Angeklagte Bergstedt sich zu seinem künftigen Verhalten äußerte, geschah dies in einer vorbereiteten ausführlichen Stellungnahme. Dem war eine Erläuterung der Voraussetzungen für eine Strafaussetzung zur Bewährung durch die Kammer vorausgegangen. Es gab daher keine Veranlassung, dem Angeklagten nicht abzunehmen, dass ihn Strafen nicht beeindrucken werden, und dass er „weitermachen" werde wie bisher.

Zur Sache wurden die Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung zweifelsfrei im Sinne der obigen Feststellungen überführt. 1. Hinsichtlich der Vergehen der Sachbeschädigung in 6 Fällen ergab sich dies aus folgendem: Die Angeklagten erklärten, sie seien bei Bekannten gewesen, um ein „Wahl-Mobil" herzustellen, was bedeutete, zu Demonstrationszwecken einen Fahrradanhänger mit verschiedenen - durch Beschriftung bzw. Oberklebung veränderten Wahlplakaten zu bestücken. Zum Verändern der Plakate habe man Kleber und u.a. die beim Angeklagten Neuhaus aufgefundenen Papierausschnitte benötigt. Sie seien beim Zusammentreffen auf dem Nachhauseweg gewesen. Der Angeklagte Bergstedt ergänzte, er sei - angesichts des Streifenwagens - die von den Polizeibeamten bezeichnete Strecke von etwa 120 m bis hinter einen Bauschuttcontainer weggelaufen, aber nur deswegen, weil er keine Lust gehabt habe, wieder mit der Polizei zusammenzutreffen. Im Übrigen ergebe sich aus dem Umstand, dass die Polizeibeamten - auch diejenigen, die die Schlüssel brachten - bei der Hinfahrt an den in Rede stehenden Plakaten vorbei gekommen seien und nichts festgestellt hätten, dass er und Neuhaus nicht die Täter sein könnten. Wenn alle Polizeibeamten die Veränderungen nicht wahrnahmen, müsse man davon ausgehen, dass sie vor ihrer Festnahme noch nicht da gewesen seien. Da bis zur Rückfahrt der Beamten schließlich keine Gelegenheit für sie, die Angeklagten, bestanden habe, die Veränderungen vorzunehmen, müssten andere Personen die Plakate beklebt haben. Dass andere Leute in der fraglichen Nacht noch unterwegs gewesen seien, ergäbe sich auch aus verschiedenen Vermerken von Polizeibeamten in den Akten.

Diese Einlassung stand im Einklang mit den Beobachtungen der Zeugen Haberkorn und Gontrum. Allerdings berichtete der Zeuge Haberkorn zusätzlich, dass der Angeklagte Bergstedt auf seinem Fluchtweg "etwas Längliches", das er, der Zeuge, später, als er die Zusammenhänge erkannte, als Pinsel erkannt zu haben glaubte, und "etwas aus Glas" in den Container warf. Letzteres habe er aus dem klirrenden Geräusch geschlossen, das er dabei gehört habe. Nachdem er und sein Kollege Gontrum auf ihrer Weiterfahrt nach der Freilassung der Angeklagten die exakt mit den bei Neuhaus festgestellten Papierausschnitten verunstalteten Wahlplakate (erstmals) bemerkt hätten, seien sie nochmals zu dem Container zurückgekehrt, um nachzusehen, was hineingeworfen worden war. Zwar habe man keine Gegenstände gefunden, die den Angeklagten zweifelsfrei hätten zugerechnet werden können. Es sei aber ein feuchter Fleck auszumachen gewesen, der sich nach einer „Probe" mit dem Finger so angefühlt habe, als stamme er von Tapetenkleister. Die Kammer glaubte dem Zeugen Haberkorn. Gegen das Vorliegen von Falschbelastungsmotiven und einer Falschbelastung sprach, dass beide Zeugen auch Entlastendes aussagten, und der Zeuge Haberkorn auf Vorhalt seine in einem Aktenvermerk niedergelegte Beschreibung der von Bergstedt weggeworfenen Gegenstände ohne Umschweife relativierte, indem er erklärte, er habe eigentlich nur "etwas Längliches (in den Container) fliegen" sehen, erst nachdem er die Zusammenhänge gekannt habe, habe er an einen Pinsel gedacht. Wahrscheinlich habe er gegenüber dem Zeugen Gontrum anschließend auch von einem Pinsel gesprochen. So sei zu erklären, dass dieser in seinem Aktenvermerk aufnahm, der Angeklagte habe einen Pinsel in den Container geworfen. Da der Container nach Aussage des Zeugen Haberkorn nicht genau durchsucht worden war und somit aus dem Nichtauffinden eines Pinsels ohnehin keine Schlüsse gezogen werden konnten, sprach die vor diesem Hintergrund unnötige Korrektur der Aussage dafür, dass der Zeuge den Angeklagten nicht zu Unrecht belasten wollte und dies auch nicht tat.

Wäre ein Belastungsmotiv vorhanden gewesen, wäre es ein Leichtes gewesen zu behaupten, der Angeklagte habe einen Pinsel und ein Glas mit Tapetenkleister in den Container geworfen.

Zusammen mit den übrigen, von den Angeklagten nicht bestrittenen Umständen, nämlich dem Mitführen der exakt gleichen Papierausschnitte, wie die vorliegend verwendeten, eines (wenn auch unbenutzten) Sprühklebers, dem Weglaufen des Angeklagten Bergstedt über eine Strecke von etwa 120 m beim Anblick der Polizei sowie dem Entledigen von Dingen, die er bei sich hatte, während dieser Flucht belegten unzweifelhaft die Verstrickung der Angeklagten in die vorliegenden Taten und widerlegten auf der anderen Seite, dass die Angeklagten nur an ihrem "Wahl-Mobil" gearbeitet und auf dem Nachhauseweg waren.

Zweifelhaft blieb danach nur noch, ob die Angeklagten die Plakate eigenhändig beklebten oder ob dies während des Festhaltens durch die Zeugen Haberkorn und Gontrum durch andere Personen (mit Wissen und Wollen der Angeklagten) vorgenommen wurde. Wie die Polizeibeamten erklärten, schieden die von ihnen oder anderen Polizeibeamten in der Tatnacht später noch in Tatortnähe angetroffenen Personen unzweifelhaft als Täter aus. Nähere Einzelheiten hierzu konnten die Zeugen jedoch nicht bekunden, so dass ihre Einschätzung nicht verifizierbar war. Es blieb auch unklar, ob die Polizeibeamten die verunstalteten Plakate auf der Hinfahrt nach Reiskirchen etwa deshalb nicht bemerkten, weil die Plakate zu dieser Zeit noch unversehrt waren. Unter diesen Umständen konnte nicht sicher ausgeschlossen werden, dass es noch andere Mittäter gab und die Angekl agten bei den festgestellten 6 Plakaten nicht eigenhändig am Werk waren.

Diese nicht auszuschließende Variante ließ sich mit den übrigen Feststellungen zwanglos vereinbaren. Wie die Angeklagten selbst vorbrachten, waren sie mit einigen ihrer Freunde zusammen, um Wahlplakate für ihr "Wahl-Mobil" zu verändern. Sie beschäftigten sich also inhaltlich zu mehreren nach eigener Einlassung mit dem, was nachher auch draußen geschah. Ohne weiteres war daher erklärbar, wann und wo ein gemeinsamer Tatplan und eine arbeitsteilige Vorgehensweise für die vorliegenden Taten verabredet wurden, für den Fall, dass die Angeklagten nicht allein unterwegs waren.

Dass die Angeklagten dann auch ein eigenes Interesse am vorliegend festgestellten Taterfolg hatten, war nach Überzeugung der Kammer aufgrund ihres (von sich aus dargestellten) außerordentlich starken politischen Engagements nahe liegend. Wie sie im Zusammenhang mit dem "Wahl-Mobil" anschaulich erläuterten, war ihr Streben zum Tatzeitpunkt darauf focusiert, die Wahlkandidaten lächerlich und die bevorstehenden Wahlen verächtlich zu machen. Das bekräftigte der Angeklagte Bergstedt in der Berufungshauptverhandlung im Zusammenhang mit einem mitgebrachten Plakat, das er als Beispiel für die Art der beabsichtigten Demonstration mit dem "Wahl-Mobil" vorstellte, und der Angeklagte Neuhaus indirekt, indem er mit offensichtlichem Vergnügen die vorliegenden Oberklebungen interpretierte.

Zur Verurteilung kamen allerdings nur 6 Taten (statt 8) der Sachbeschädigung, da die Kammer nur solche Veränderungen den Angeklagten zurechnete, die augenscheinlich mit Papierausschnitten vorgenommen worden waren, wie sie Neuhaus bei seiner Festnahme dabei hatte. Weitere Plakate wiesen Obermalungen z.B. mit einer Brille oder einem (Hitler )Bart auf. Davon distanzierten sich die Angeklagten inhaltlich, was der Angeklagte Bergstedt überzeugend darlegen konnte, und es wurden auch keine Utensilien gefunden, die auf die Angeklagten insoweit als Täter hinwiesen. Die Angeklagten waren daher insoweit aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.

2. Die Kammer war weiter davon überzeugt, dass der Angeklagte Bergstedt bei Gelegenheit seiner Festnahme auf dem Seltersweg am 11. 1. 2003 Widerstand leistete und dem Polizeibeamten Walter mit dem beschuhten Fuß die oben beschriebene Verletzung an der Stirn beibrachte.

Der Angeklagte ließ sich insoweit folgendermaßen ein: Er habe sich an dem betreffenden Tag zu einer erlaubten Spontandemonstration mit etwa 20 bis 30 Personen auf dem Seltersweg bei den Schwätzern (= Einmündung der Plockstraße) zusammengefunden. Ziel der Veranstaltung sei gewesen auf die tags zuvor, also weniger als 48 Stunden zurückliegende - rechtswidrige Durchsuchung der Projektwerkstatt öffentlich aufmerksam zu machen. Er habe ein Megaphon dabei gehabt, seine Mitstreiter Flugblätter und ein Transparent mit der Aufschrift „Freiheit stirbt mit Sicherheit". Etwa gleichzeitig mit der Entfaltung des Transparents habe er gegenüber dem CDU- Wahlkampfstand Position bezogen und begonnen, durch das Megaphon zu sprechen. Nach seiner insgesamt etwa 10 Minuten dauernden Durchsage, die von kurzen Pausen unterbrochen gewesen sei, seien mehrere Polizeibeamte auf ihn losgegangen. Allenfalls einer habe so etwas wie, er wolle das Megaphon haben, gesagt. Daraufhin habe er es festgehalten, da er im Recht gewesen sei. Es hätten sich dann fünf Beamte auf ihn gestürzt. Er habe aber weiter das Megaphon festgehalten, weil es legal gewesen sei, es zu benutzen. Es habe eine Rangelei gegeben. Ein ganzes "Kuddel-Muddel" habe sich auf die andere Seite des Selterswegs bewegt und dann weiter in Richtung Plockstraße zum Polizeifahrzeug, was ihm aber als Ziel des Abtransports vorher nicht bekannt gewesen sei. Er sei - das Megaphon immer noch umklammernd - gezogen und zum Schluss von 4 Polizeibeamten getragen worden. In den Transporter habe man ihn mit den Füßen nach oben "hineinbugsieren" wollen. Er sei mit den Füßen oben am Rahmen der Tür hängen geblieben. Der Zeuge Walter habe ihm "in die Genitalien gegriffen". Er habe Schmerzen gehabt, und es sei den Beamten dann gelungen, ihn in das Fahrzeug zu schieben. Getreten habe er den Polizeibeamten auf keinen Fall. Es sei richtig, dass er seine Winterschuhe, halbhohe Schnürstiefel, mit fester Sohle, die an der Spitze einen Metallbeschlag hatten, zur Tatzeit angehabt hätte. Der Zeuge Walter habe sich die Verletzung wahrscheinlich bei dem tumultartigen Polizeihandeln selbst beigebracht. Außerdem habe er sich erst nach einigen Stunden weiteren Dienstes an dem CDU-Wahlkampfstand dem Arzt vorgestellt. Demnach könne die Verletzung auch erst später entstanden sein. Dem Zeugen Walter und den übrigen als Zeugen aufgetretenen Polizeibeamten warf der Angeklagte vor, sie machten allesamt gemeinsame Sache, damit er bestraft werde. Zum Beleg führte er eine lange Reihe von Umständen an, die teilweise nicht von der Hand zu weisen waren, aber vorliegend nach Oberzeugung der Kammer jedenfalls keinen Einfluss auf die Aussagen der Polizeibeamten in Richtung unbewusster oder gar bewusster Falschbelastungen hatten.

Die Darstellung des Angeklagten wurde, was die tumultartigen Szenen (weiche die vernommenen Polizeibeamten bestätigten) bei seiner Festnahme und dem Abtransport anbelangte, durch verschiedene Lichtbilder, die er in der Berufungshauptverhandlung übergab, belegt. Zwar sprach er davon, dass sich zugleich 4 - 5 Beamte auf ihn "gestürzt" hätten, die Bilder zeigten jedoch unzweifelhaft, dass zwar so viele Beamte unmittelbar bei ihm, aber einige damit beschäftigt waren, andere fernzuhalten oder deren Angriff auf die Polizei abzuwehren. Durch die Lichtbilder, die augenscheinlich in recht schneller Abfolge aufgenommen worden waren, wurden zugleich auch die Zeugen widerlegt, die den Angeklagten bei ihrer Aussage insoweit bestätigten. Die letzte Phase des Abtransports, wo vier Beamte den Angeklagten getragen haben sollen, war nicht fotografisch belegt, jedoch ergab sich aus der Betrachtung aller Aussagen, dass am Ende durchaus 4 Beamte mit dem Wegtragen des Angeklagten beschäftigt waren. Soweit hier Widersprüche auftraten, war dies bei allen Zeugen entweder durch ihren unterschiedlichen Standort, durch verständliche Gedächtnisschwächen oder Verwechslungen zwanglos erklärbar, so auch bei den vernommenen Polizeibeamten, die allesamt von einer tumultartigen Situation berichteten, in der sie eigentlich keine Obersicht mehr hatten. Absichtliche Falschaussagen waren insoweit jedenfalls nicht erkennbar. Was den Zugriff des Zeugen Walter mit anderen Polizeibeamten anbelangte folgte die Kammer den Angaben des Zeugen Walter,.

Teilweise und zu Beginn seiner Aussage stützte der Zeuge Janitzki zwar ausdrücklich die Einlassung des Angeklagten Bergstedt, indem er meinte, die Polizeibeamten hätten sich sofort auf den Angeklagten Bergstedt "gestürzt“, Aufforderungen oder Androhungen habe es nicht gegeben -"es müsse eine andere Veranstaltung gewesen sein, von welcher die Polizeibeamten redeten". Mit der anschließenden, detaillierteren Beschreibung der Situation ging es beim ersten Zugriff auf den Angeklagten aber offensichtlich für den Zeugen erkennbar um die Übergabe das Megaphons, denn er beschrieb die Situation etwa mit den Worten "am Anfang war Gezerre um das Megaphon, das war klar". Wenn dies für ihn aus einer Entfernung von 3 - 4 m, wie von ihm beschrieben, noch "klar“ war, hatte die Kammer keinen Zweifel, dass es dem Angeklagten ebenfalls klar war, und dies sich aus der Situation und den Worten des Zeugen Ernst ergab, wie es dieser und andere Zeugen darstellten.

Auch der Zeuge Schmidt bestätigte die Version des Angeklagten nicht, da er meinte, dass der Zeuge Ernst den Angeklagten aufgefordert habe, das Megaphon herzugeben und dann schnell versucht habe, dieses abzunehmen. Bergstedt sei 1-2 mal zurückgewichen, ohne das Megaphon herzugeben. Dann sei er von 2 Beamten ergriffen worden, links und rechts an den Armen, und einer (einer der Beamten) habe noch nach dem Megaphon gegriffen. Ob etwas von Festnahme gesprochen worden war, konnte der Zeuge nicht sagen. Auch der Zeuge Krömker sprach nur von 2 Beamten, die den Angeklagten anfangs festnahmen. Näheres konnte er nicht berichten.

Aufgrund der äußeren Tatumstände gab es keinen Zweifel, dass sich der Angeklagte bewusst und gewollt den Polizeimaßnahmen widersetzte. Dies geschah nach Überzeugung der Kammer auch in dem Bewusstsein der Rechtmäßigkeit des polizeilichen Handelns. Es lag nämlich auf der Hand, dass eine genehmigte Wahlveranstaltung, zumindest nach allgemeinem Polizeirecht nicht minutenlang mit Lautsprecherdurchsagen aus kurzer Entfernung beeinträchtigt werden darf. Die rechtlichen Bewertungen des Angeklagten in diesem Zusammenhang waren daher als Schutzbehauptungen einzustufen.

Soweit der Angeklagte bestritt, dem Zeugen Walter mit dem Schuh eine Verletzung an der Stirn beigebracht zu haben, wurde er durch die glaubhaften Angaben des Zeugen Walter auch insoweit überführt. Der Zeuge schrieb, sobald die dienstlichen Erfordernisse es zuließen, noch am gleichen Nachmittag eine Anzeige. Eine ärztliche Untersuchung, wenige Stunden nach dem Geschehen attestierte eine Verletzung, die im Einklang steht mit der Schilderung des Zeugen von ihrer Entstehung. Der vom Zeugen geschilderte Tathergang ist nachvollziehbar. Übermäßiger Belastungseifer wurde weder durch seine Wortwahl noch durch sein sonstiges Aussageverhalten erkennbar. Auch ein Falschbelastungsmotiv, etwa in der Form, wie es der Angeklagte behauptete, war aufgrund der Position des Zeugen im Polizeidienst nicht nahe liegend. Eher für als gegen die Glaubhaftigkeit seiner Aussage sprach nach Auffassung der Kammer zudem, dass der Zeuge jetzt erstmals den Zeugen Dietermann erwähnte, der beim Verbringen des Angeklagten in den Transporter half, indem er den Angeklagten von hinten in das Fahrzeug hineinzog, wie der Zeuge Dietermann nun bei seiner Vernehmung bekundete. Als erfahrener Polizeibeamter muss der Zeuge Walter gewusst haben, dass er mit der (späten) Benennung eines weiteren Tatzeugen riskierte, dass man dies als bedeutsame Aussageänderung auffassen könnte, die die Glaubwürdigkeit wesentlich erschüttern kann. Dass er sich trotzdem dazu entschloss, konnte vor seinem Wissenshorizont nur als Bemühen aufgefasst werden, auch in diesem Punkt die Wahrheit zu sagen. Der Zeuge Walter konnte auch plausibel erklären, weshalb er den Zeugen Dietermann bis dahin "vergessen" hatte. Wie die Vernehmung auch anderer Polizeibeamter ergab, gehörte der Zeuge Dietermann einer anderen Polizeidienststelle an, mit der gewöhnlich keine Kontakte bestanden, und es konnte ohne weiters nachvollzogen werden, dass der Zeuge Walter - ebenso wie andere Kollegen - am Tattag nicht wusste, welche Polizisten im einzelnen vor Ort waren. Unter diesen Umständen erschien es glaubhaft, dass der Zeuge Walter den Zeugen Dietermann am Einsatzort nicht mit Bewusstsein wahrnahm und deshalb keine Recherchen anstellte, ob noch andere Kollegen bei dem Vorfall dabei waren, zumal der Zeuge Dietermann sofort, nachdem der Angeklagte im Fahrzeug war, ausstieg und andere Beamte mit dem Zeugen Walter zur Polizeistation fuhren.

Gestützt wurden die Angaben des Zeugen Walter durch die Angaben der Polizeibeamten Dietermann, Walter, Ernst, Hinkel und Fett. Da alle Zeugen während des Gesamtgeschehens, teilweise mehrfach unterschiedliche Aufgaben wahrnahmen, waren ihre Aussagen nicht deckungsgleich, sie ergänzten sich jedoch zwanglos und ohne nennenswerte Widersprüche zu einem folgerichtigen Geschehen. Der Zeuge Dietermann schilderte die Situation beim Verbringen des Angeklagten in den Transporter im Wesentlichen übereinstimmend mit den Zeugen Walter, Ernst und Hinkel, wobei die eigentliche Verletzungshandlung offenbar nur vom Zeugen Dietermann wahrgenommen wurde. Der Zeuge Ernst, der beim Hineinheben des Angeklagten in das Auto beteiligt war, gab an, der Zeuge Walter habe die Füße des Angeklagten Bergstedt los gelassen und sich kurz an die Stirn gefasst, wo er später eine Rötung wahrgenommen habe. Der Zeuge Hinkel berichtete, dass der Zeuge Walter im Fahrzeug erzählte, dass er getreten worden sei.

Die Angaben der übrigen Zeugen konnten die glaubhaften Angaben des Zeugen Walter und der genannten Polizeibeamten weiterhin nicht erschüttern. Der Zeuge Schmidt nahm nicht einmal das Fahrzeug, in welches der Angeklagte Bergstedt gebracht wurde, nicht wahr. Der Zeuge Sauer sah keinen Tritt, konnte aber nicht ausschließen, dass ihm im entscheidenden Augenblick die Sicht versperrt war. Dass er keinerlei sonstigen Hinweise auf eine Körperverletzung wahrnahm, passte hingegen zur Darstellung des Zeugen Walter, der sich seiner Aussage nach nur ganz kurz an die Stirn fasste. In ähnlicher Weise wie der Zeuge Sauer äußerte sich der Zeuge Braun, und der Zeuge Janitzki achtete seiner Aussage nach nicht auf die Vorgänge am Transportfahrzeug. Der Aussage des Zeugen Krömker konnte die Kammer im hier in Rede stehenden Punkt keinen Glauben schenken, da der Zeuge bei seiner Aussage immer wieder seine Einschätzungen und Schlussfolgerungen so schilderte, als habe er entsprechende Beobachtungen gemacht. Es konnte insbesondere nicht festgestellt werden, inwieweit seine Aussage, einen Tritt habe es nicht gegeben, wirklich auf eigener Wahrnehmung beruhte, da er entsprechendes Randgeschehen auch auf mehrfaches, ausdrückliches Nachfragen nicht berichtete und daran also offenbar keine Erinnerung hatte.

Die Kammer ging aufgrund der Angaben des Zeugen Walter davon aus, dass der Angeklagte nicht bewusst nach ihm trat. Allerdings musste dem Angeklagten angesichts der Gesamtsituation klar sein, dass jede Bewegung mit seinen beschuhten Füßen für die Polizeibeamten besonders beim Hineinheben in das Polizeifahrzeug gefährlich war. Daher bestand kein Zweifel, dass er damit rechnete, dass er den Zeugen Walter mit seiner Abwehr beim "Hineinbugsieren" in den Transporter am Kopf bzw. an der Stirn treffen könnte, und dass er diese Folge billigen in Kauf nahm.

3. Bezüglich des Vorwurfs des Hausfriedensbruchs in der Stadtverordnetensitzung ergab sich der festgestellte äußere Sachverhalt aus den übereinstimmenden Angaben der Angeklagten, der Tonbandaufnahme vom hier interessierenden Teil der Sitzung, die in der Berufungshauptverhandlung abgespielt wurde, und den in Augenschein genommenen Lichtbildern, die während der Sitzung der Stadtverordneten aufgenommen worden waren.

Die Angeklagten haben das festgestellte äußere Geschehen so geschildert, wie vorstehend dargestellt. Allerdings wollten sie mit dem Transparent nichts zu tun gehabt und ganz zufällig dahinter gesessen haben. So erklärten sie übereinstimmend nicht bemerkt zu haben, dass innen an der Brüstung genau vor ihren Sitzen zunächst das aufgerollte Tuch hing, und sie wollten nicht wahrgenommen haben, wer es herunterließ, obwohl sie die ganze Zeit direkt dahinter saßen. Das konnte ihnen nicht geglaubt werden, zumal sie nicht plausibel erklären konnten, wer in welcher Weise in der Lage gewesen sein könnte, das Plakat von ihnen unbemerkt zu entrollen.

Bei genauer Betrachtung der vorliegenden Lichtbilder, ergab sich zudem, dass die Angeklagten mit dem gesondert verfolgten Abresch vollkommen gelassen und abwartend in den Saal schauten. Sie erweckten dadurch den Eindruck, dass sie mit dem Transparent einverstanden waren und dass sie damit in Verbindung standen, wenn sie es nicht bereits eigenhändig entrollten.

Nach Überzeugung der Kammer waren sich die Angeklagten der Wirkung ihres Handelns auch bewusst. Etwas anderes anzunehmen, wäre völlig lebensfremd.

Bei Betrachtung all dieser Umstände war ohne Zweifel davon auszugehen, dass die Angeklagten - noch unmittelbar zuvor gewarnt durch den Zeugen Urban - bewusst ein Hausverbot durch den Stadtverordnetenvorsteher Gail provozierten und sich in Kenntnis der Strafbarkeit ihres Handelns dem Hausverbot absichtlich nicht beugten.

Dass durch das Rechtsamt der Stadt Gießen namens und in Auftrag des Stadtverordnetenvorstehers Gail, dem Inhaber des Hausrechts im Sitzungssaal, Strafantrag gestellt wurde, ergab sich aus der Aussage des Zeugen Metz, dem Leiter des Rechtsamts. Seinen Angaben glaubte die Kammer, zumal er sich auf eine schriftliche Beauftragung durch den Zeugen Gail bezog, die er dabei hatte und vorlegte.

4. Wegen des Vergehens der Beleidigung zum Nachteil der Zeugin Gülle hielt die Kammer den Angeklagten Bergstedt durch die glaubhafte Aussage der Zeugin Gülle für überführt.

Hier ließ sich der Angeklagte dahingehend ein, dass er weder das Plakat mit dem Bild der Zeugin Gülle noch sie selbst mit Wasser begossen habe. Die Zeugin Gülle sei durch den Polizeibeamten Schmidt aus Verfolgungseifer an Ort und Stelle zu einer voreiligen Strafanzeige veranlasst worden, die die Zeugin später mit einer erlogenen Geschichte untermauert habe, um sich zu rächen, weil sie ihn im Verdacht hatte, dass er für die Verunstaltung ihrer Wahlplakate verantwortlich sei. Sie habe ihn wegen der Plakate geohrfeigt und nicht wegen einer vorausgegangenen Beleidigung.

Diese Einlassung wurde nach Überzeugung der Kammer durch die insoweit glaubhafte Aussage der Zeugin Gülle widerlegt. Dass die Zeugin Gülle den von ihr berichteten Geschehensablauf, also das Angießen ihres Plakats, die Äußerung des Angeklagten hierbei und das Benässen ihrer Person erfunden haben könnte, hielt die Kammer für ausgeschlossen.

Dagegen sprach nämlich das Aussageverhalten der Zeugin in der Berufungshauptverhandlung, das nicht zu einer zurecht gelegten, kalkulierten Falschaussage passte, wie sie nach Darstellung des Angeklagten erforderlich gewesen wäre. Wortreich und in mehrfach wechselnder Reihenfolge schilderte sie zum Teil nur schlagwortartig den Sachverhalt, wie oben festgestellt. Dabei ließ sie sich wiederholt durch den Angeklagten Bergstedt unterbrechen und zu direkten Entgegnungen hinreißen. Dadurch provozierte Missverständnisse und scheinbare Widersprüche, die sie vor Aufregung selbst zum Teil nicht bemerkte, konnte sie auf Nachfrage aber zwanglos und mit plausibler Begründung ausräumen. Die Zeugin versuchte nicht, ihre bereits aufgrund des hier Vorgefallenen verständlichen Hassgefühle zu verbergen oder zu beschönigen. Auch das sprach eher gegen einen bewussten Racheakt in Form einer Falschbelastung.

Dass die Zeugin berichtete, schon vor dem Eintreffen des Angeklagten an ihrem Stand davor und nicht dahinter gestanden zu haben, was durch ein in Augenschein genommenes Lichtbild als widerlegt anzusehen war, machte ihre Aussage nicht unglaubwürdig. Dieses Detail konnte ohne weiteres in Vergessenheit geraten sein, zumal es als Randgeschehen einzustufen war, auf das es der Zeugin im Nachhinein nicht mehr ankam.

Die übrigen Zeugenaussagen konnten im Ergebnis die Angaben der Zeugin Gülle nicht erschüttern, da die übrigen Zeugen die Geschehnisse nicht lückenlos oder aus größerer Entfernung beobachteten, wie sich aus ihren Aussagen ergab.

IV.

1. Der Angeklagte Bergstedt war - über die bereits erwähnten Taten hinaus - aus rechtlichen Gründen von dem Vorwurf, am 9. 1. 2003 gegen 16.30 Uhr in Grünberg Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen Puff begangen zu haben, aus rechtlichen Gründen freizusprechen.

Die Angeklagten begaben sich zum oben genannten Zeitpunkt zur Gallushalle in Grünberg, wo am frühen Abend eine Wahlveranstaltung der CDU stattfinden sollte, bei weicher u. a. der hessische Ministerpräsident Koch erwartet wurde. Als ihr Herannahen von den an der Gallushalle bereits eingetroffenen Polizeibeamten bemerkt wurde, erhielt der ebenfalls anwesenden Zeuge Puff, der damalige Leiter der Staatsschutzabteilung der hiesigen Polizei Nachricht hiervon. Er entschied, dass beide Angeklagte, die er kannte und von denen er wusste, dass sie in Saasen wohnten, wegen zurückliegender Straftaten festgenommen werden sollten. Zu diesem Zweck wurden die Angeklagten von mehreren Polizeibeamten unweit des Eingangs der Halle abgefangen. Der Zeuge Puff erklärte dem Angeklagten Bergstedt mit kappen Worten, er sei vorläufig festgenommen. Ob und in weicher Weise er erklärte, welcher Straftaten er verdächtig sei, konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Gleichzeitig mit seiner Erklärung ergriff der Zeuge Puff einen Arm des Angeklagten Bergstedt, um ihn festzuhalten. Dieser entwand sich dem Griff, da er nicht verstand, weshalb seine Festnahme erfolgte. Nicht ausschließbar erlitt der Zeuge Puff bei diesem ersten Zugriff eine Verletzung seines Daumens, durch Oberdehnen der Gelenkkapsel. Beide Angeklagte wurden anschließend von mehreren Polizeibeamten in ein Transportfahrzeug der Polizei verbracht, und nach Gießen gefahren, wo sie über Nacht im Polizeigewahrsam blieben. Am anderen Tag wurden sie wieder freigelassen. Der Angeklagte bestritt die obigen Feststellungen, also die Umstände des ersten Zugriffs, nur insoweit, als er behauptete, der Zeuge Puff habe nicht erklärt, weshalb die Festnahme erfolgte, und er habe dem Zeugen die Verletzung nicht zugefügt.

Ersteres war nach Überzeugung der Kammer nicht zu widerlegen, da der Zeuge Puff hierzu zunächst keine genauen Angaben machte und von den übrigen Polizeibeamten nicht bestätigt wurde, dass der Zeuge Puff einen bestimmten Festnahmegrund nannte, was nahe liegend war. Es gab zwar eine Fülle von Straftaten, bei denen die Polizei vermutete, dass die Angeklagten damit zu tun haben. Außer bei den hier in Rede stehenden Sachbeschädigungen lagen aber zu dieser Zeit keinerlei konkrete Hinweise auf die Täterschaft der Angeklagten vor, wie die übrigen Polizeibeamten übereinstimmend meinten, und was auch dem Zeugen Puff nicht verborgen gewesen sein kann. Im Übrigen konnte nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sich der Zeuge Puff bei der ersten Abwehr des Angeklagten die attestierte Verletzung am Daumen zuzog. Alle Zeugen (und der Angeklagte) berichteten übereinstimmend, dass sich der Angeklagte aus dem Griff des Zeugen Puff zunächst befreite, so dass der Zeuge Puff mehrfach "nachfassen" musste. Der Zeuge Puff war sich selbst nicht sicher, in welcher Situation es zu der Verletzung kam, da er sie zunächst nicht wahrnahm. Bei dieser Sachlage war zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass er bei seiner ersten Gegenreaktion auf die Festnahme den Zeugen Puff verletzte.

Der Vorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung war danach nicht begründet. Voraussetzung für eine Verurteilung wegen Widerstands ist gemäß § 113 Abs. 3 StGB, dass die Diensthandlung gegen die Widerstand geleistet wurde, rechtmäßig war. Maßstab für die Beurteilung ist zwar ein strafrechtlicher Rechtmäßigkeitsbegriff, der sich nach spezifisch strafrechtlichen Kriterien und insbesondere unabhängig von den Regeln des Verwaltungsrechts bestimmt. So genügt es, wenn der Polizeibeamte örtlich und sachlich zuständig ist und eine gesetzliche Eingriffsgrundlage besteht. Hat der Polizeibeamte, wie hier, die sachlichen Eingriffsvoraussetzungen selbst zu beurteilen, kommt es darauf an, ob er die Vollstreckungssituation bei pflichtgemäßer Würdigung der ihm bekannten und erkennbaren Umstände zur Annahme der Vollstreckungsvoraussetzungen gelangen durfte. Dabei ist ein objektiver Maßstab dessen anzulegen, was man von einem verständigen Beamten in derartigen Situationen verlangt werden kann. Vorliegend geht es um eine vorläufige Festnahme des Angeklagten Bergstedt, in einer Situation in der er weder Störer war, noch sonst verbotswidrig handelte. Nach Aussage des Zeugen Puff ging er dementsprechend vom Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen nach § 127 StPO aus, nämlich einer vorläufigen Festnahme wegen dringenden Tatverdachts. Abgesehen davon, dass er die Tatvorwürfe hätte benennen müssen, gab es zu diesem Zeitpunkt nur die vorstehend genannten Verunstaltungen an den Wahlplakaten in Reiskirchen, bei denen es konkrete Hinweise auf eine Täterschaft der Angeklagten gab. Diese nicht schwerwiegenden Straftaten lagen inzwischen monatelang zurück. Die vorläufige Festnahme (der bekanntermaßen in Saasen ansässigen) Angeklagten musste dem Zeugen Puff als erfahrenem Polizeibeamten bei verständiger Würdigung aller Umstände somit zumindest unverhältnismäßig erscheinen. Dementsprechend wurden vom zuständigen Staatsanwalt am nächsten Tag Haftbefehle gegen die Angeklagten auch nicht beantragt. Unter den gegebenen Umständen war nicht auszuschließen, dass die Körperverletzung durch Notwehr gerechtfertigt war, so dass auch insoweit die Strafbarkeit des Täters entfiel.

2. Der Angeklagte Neuhaus war aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf der Sachbeschädigung, begangen in der Nacht vom 8. auf den 9. 1. 2003 an der Gallushalle in Grünberg freizusprechen, weil die Tat nicht mit der für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit nachgewiesen werden konnte.

In der genannten Tatnacht, der Nacht vor der Inhaftierung der Angeklagten, wurden an der Außenfassade der Gallushalle mit roter Sprühfarbe politische Parolen aufgesprüht. Die ermittelnden Polizeibeamten stellten Fußspuren von zwei Personen im Schnee fest, die sie fotographisch sicherten. Bevor die Angeklagten am nächsten Tag aus der Haft entlassen wurden, wurden ihre Schuhe mit den Fußspuren im Schnee verglichen. Dabei stellte sich heraus, dass die Turnschuhe, die der Angeklagte Neuhaus bei seiner Festnahme anhatte, zu den Fußabdrücken passten. Allerdings haben die Schuhe die Größe 46 1/2, wie die Kammer in der Berufungshauptverhandlung feststellte. Diese Schuhe waren dem Angeklagten Neuhaus augenscheinlich um einiges zu groß. Dieser Umstand sprach dagegen, dass ihm die Schuhe gehörten und dass er sie deshalb allgemeiner Lebenserfahrung nach auch am 9. 1. 2003 bei seiner Festnahme anhatte. Damit entfiel ein esentliches Indiz für die Täterschaft des Angeklagten. Er war daher vorliegend aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.

V.

Die Angeklagten haben sich wie folgt strafbar gemacht: Der Angeklagte Bergstedt beging gemeinschaftliche Sachbeschädigung gemäß §§ 303, 25 Abs. 2 StGB, indem er sich mit eigenem Interesse am Taterfolg in einverständlichem Zusammenwirken mit anderen an der Oberklebung der Wahlplakate beteiligte. Die Tat zum Nachteil des Zeugen Walter ist rechtlich als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 StGB in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, 52 StGB zu bewerten. Die vom Zeugen Walter vorgenommene Diensthandlung war im Sinne von § 113 Abs. 3 StGB rechtmäßig. Der Zeuge Walter war zuständig für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung im Bereich der von der Stadt Gießen genehmigten CDU-Wahlwerbung mit einem Stand. Bei der gegebenen Sachlage entschied er sich angesichts der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zu Recht zum Einschreiten. Ob dabei die Wünsche des Innenministers und des Polizeipräsidenten eine Rolle spielten, war daher ohne Belang. Sein Verlangen, das Megaphon herauszugeben, war nach der nicht zu beanstandenden Einschätzung der Lage durch den Zeugen Walter auch notwendig, um weitere Durchsagen zu unterbinden. Da sich der Angeklagte allem widersetzte, waren auch seine Festnahme und der Abtransport zum Transportfahrzeug rechtmäßig.

Der Angeklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft. Ein Irrtum über die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auszuschließen.

Zum Nachteil der Zeugin Gülle beging der Angeklagte ein Vergehen der Beleidigung gemäß §185 StGB.

Die genannten Taten wurden jeweils in Tatmehrheit gemäß § 53 StGB begangen. Die erforderlichen Strafanträge lagen vor.

Der Angeklagte Neuhaus machte sich wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung in 6 Fällen und wegen Hausfriedensbruchs (in Tatmehrheit) nach den oben genannten Vorschriften strafbar.

VI.

Bei der Strafzumessung ging die Kammer im Wesentlichen von folgenden Erwägungen aus: 1. Bei der Tat des Angeklagten Bergstedt zum Nachteil des Zeugen Walter (11., 2) legte die Kammer den gemäß § 224 StGB für minder schwere Fälle gemilderten Strafrahmen von 3 Monaten bis zu 5 Jahren zugrunde. Dies erschien nach einer Gesamtabwägung aller zugunsten und zulasten des Angeklagten sprechenden Umstände geboten. Der Angeklagte ist zwar bereits in ähnlichem Zusammenhang bestraft worden, allerdings nur zu einer verhältnismäßig geringen Geldstrafe. Ansonsten trat er bisher noch nicht in Erscheinung. Mildernd zu berücksichtigen war, dass der Angeklagte nicht wissentlich nach dem Zeugen Walter trat, sondern nur bedingter Vorsatz anzunehmen war. Die entstandene Verletzung war auch nicht schwerwiegend. Nicht außer Betracht blieb zudem, dass der Angeklagte aufgrund der Festnahmesituation aufgeregt war. Auf der anderen Seite musste berücksichtigt werden, dass die Tat in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte begangen wurde. Sie war objektiv auch sehr gefährlich. Bei einem Fußtritt in das Gesicht, zumal wenn er unkontrolliert geschieht, können schwerwiegende, bleibende Schäden an den Augen oder den Zähnen verursacht werden, was der Angeklagte in Kauf nahm. Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hielt die Kammer die Freiheitsstrafe von

6 Monaten für tat- und schuldangemessen.

Die Sachbeschädigungen an den Wahlplakaten (11., 1) ging die Kammer vom Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe aus. Zugunsten des Angeklagten war zu sehen, dass keine erheblichen Sachwerte beeinträchtigt wurden und der Angeklagte die Taten nicht eigenhändig beging, wovon zu seinen Gunsten auszugehen war. Andererseits war die schnelle Abfolge mehrerer Taten vorausgeplant. Nach Abwägung aller Umstände erschien die Geldstrafe von

12 Tagessätzen für jede Tat schuldangemessen.

Wegen des Hausfriedensbruchs während der Stadtverordnetenversammlung (11., 3) war der Strafrahmen von § 123 StGB, nämlich Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe anzuwenden. Da der Angeklagte sich nur ein Transparent zu eigen machte, das er, soweit festgestellt, nicht selbst entfaltet hatte, und lediglich der Aufforderung, den Saal zu verlassen, nicht sofort nachkam, war die Tat für sich genommen nicht als schwerwiegend einzustufen. Nicht unberücksichtigt bleiben konnte hing egen,dass der Angeklagte insoweit nicht lange zurückliegend einschlägig vorbestraft war. Nach Abwägung aller Umstände hielt die Kammer vorliegend die Geldstrafe von

50 Tagessätzen zur angemessenen Ahndung für notwendig.

Die Tat zum Nachteil der Zeugin Gülle (11., 4) war gemäß § 185 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder mit Geldstrafe zu ahnden. Zulasten des Angeklagten wirkte sich aus, dass die Zeugin Gülle sowohl mit Worten, verbunden mit dem Angießen ihres Portraits, als auch durch das Begießen mit Wasser aus der Gießkanne beleidigt wurde. Dies geschah in der Öffentlichkeit und anlässlich einer Wahlwerbeveranstaltung, so dass die Tat erhebliche Auswirkungen für die Zeugin Gülle hatte. Zugunsten der Angeklagten war zu berücksichtigten, dass er auf der Stelle eine Ohrfeige bekam, und dass seine Brille, auf die er wegen eines erheblichen Sehfehlers dringend angewiesen war, unbrauchbar wurde.

Nach Abwägung aller zugunsten und zulasten des Angeklagten wirkenden Umstände hielt die Kammer die Geldstrafe von

40 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen.

Aus den genannten Einzelstrafen wurde nach nochmaliger Abwägung aller zugunsten und zulasten des Angeklagten wirkenden Umstände die für angemessen erachtete

Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten

festgesetzt. Dabei wurde zugunsten des Angeklagten der teilweise sehr enge situative und zeitliche Zusammenhang der Taten berücksichtigt, sowie insbesondere auch der Umstand, dass die Taten geraume Zeit zurückliegen. Für das Vorliegen eines TäterOpfer Ausgleichs fehlten angesichts der Einstellung des Angeklagten zu seinen Taten die notwendigen Voraussetzungen.

Die Vollstreckung der Strafe konnte nicht gemäß § 516 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, da die Erwartung, der Angeklagte werde sich die Verurteilung ausreichend zur Warnung dienen lassen, nicht gerechtfertigt war. Der Angeklagte schilderte glaubhaft, wie er mit dem Umstand der Bestrafung im vorliegendem Verfahren umgehen werde. Er versicherte, dass ihn weder die Strafe noch die Vollstreckung der Strafe beeindrucken könnten. Danach hielt die Kammer weitere Straftaten für wahrscheinlich, so dass die Kriminalprognose ungünstig war.

2. Zur Ahndung der vom Angeklagten Neuhaus begangenen Taten waren die jeweils genannten Strafrahmen für Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung anzuwenden.

Zugunsten des Angeklagten Neuhaus bewertete die Kammer, dass er nicht vorbestraft ist, und dass er die Taten zusammen mit dem wesentlich älteren Angeklagten Bergstedt beging. Nach dem von der Kammer nach etlichen Verhandlungstagen aus dem Agieren der beiden Angeklagten gewonnenen Eindruck imponierte dem Angeklagten Neuhaus der redegewandte, klug argumentierende Mitangeklagte Bergstedt, so dass er ihm offenbar gerne nacheiferte und sich leicht zu den vorliegenden Taten verleiten ließ.

Unter Berücksichtigung auch des Gewichts der Taten hielt die Kammer die Verhängung von jeweils

10 Tagessätzen

zur Ahndung der Sachbeschädigungen an den Wahlplakaten für ausreichend.

Wegen Hausfriedensbruchs anlässlich der Stadtverordnetenversammlung hielt die Kammer angesichts der Tatschwere, wie sie oben bezeichnet wurde, des Fehlens von Vorverurteilungen und der Beziehung des Angeklagten Neuhaus zum Angeklagten Bergstedt die Geldstrafe von

30 Tagessätzen für notwendig.

Aus den genannten Einzelstrafen wurde auch beim Angeklagten Neuhaus nach nochmaliger Abwägung aller be- und entlastenden Umstände - wobei auch hier der teilweise enge Zusammenhang der Taten Berücksichtigung fand - auf die

Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen erkannt.

Die Höhe eines Tagessatzes wurde mit 10 Euro bemessen. Dies entspricht dem, was der körperlich und geistig leistu ngsfähige Angeklagte pro Tag mindestens verdienen könnte, wenn er einer zumutbaren Erwerbstätigkeit nachginge.

VI.

Die Kostenentscheidung folgte aus §§ 465, 473 StPO.

Brühl

Ausgefertigt:

Gießen, den 22.07.05

Kern

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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