Abwehr der Ordnung

TIERHALTUNG - JA? NEIN? ODER: WIE?

Buch- und Filmvorstellungen zum Themenbereich


1. Die fatalen Folgen der (Massen-)Tierhaltung
2. Tierfutter
3. Tierrechtler*innen als Tierhalter*innen
4. Buch- und Filmvorstellungen zum Themenbereich

Wer sich Gedanken macht über das Verhältnis von Mensch und Tier, denkt meist an größere Arten, bevorzugt mit zwei Augen, am besten mit Fell oder Federn. Alles andere, immerhin die deutliche Mehrheit dessen, was da kreucht und fleucht, zerschellt wahrnehmungslos auf der Windschutzscheibe oder verreckt unter der Giftspritze im Landbau selbst für den gefühlt veganen Mittagstisch. Bei Kühen, Schweinen, manchen Zoo- und Labortieren, mitunter auch Hühnern, Hunden oder Katzen regt sich das menschliche Gewissen, wenn es denn sieht, wie es hinter den Kulissen der bunten Zelte oder blechernen Schlachtfabrikfassaden so aussieht. Der innere Widerstand gegen solche Ausbeutung von Tieren kann dann zwei Formen annehmen: Die Ablehnung der Tierhaltung insgesamt oder die Kritik an den Formen, wie Tiere gehalten werden. Hilal Sezgin hat mit „Artgerecht ist nur die Freiheit“ (2015, Piper in München, 301 S., 9,99 €) eine fundierte Herleitung der ersteren Position geliefert. Sie wirft dabei auch die schwierigen Fragen auf und beleuchtet sie von verschiedenen Blickwinkeln – um sich dann für eine Variante zu entscheiden, die ein Zusammenleben mit Tieren nur duldet, wenn diese nicht unter Zwang festgehalten werden müssen. Das träfe nur auf wenige Tiere zu, aber die Autorin zählt z.B. Schafe und Katzen als Beispiele auf. Ein Beispiel für die andere Position liefert Tanja Busse mit „Die Wegwerfkuh“ (2015, Blessing/Random House in München, 288 S., 16,99 €). Das Buch liefert einen tiefen Blick in das Leben einer modernen Hochleistungskuh – soweit mensch den ständigen Zwang zur Milchproduktion als “Leben” bezeichnen mag. Es beginnt mit Geburt und der Selektion von Kälbern. Dann folgt die Zeit als Milchfabrik. Aber Tanja Busse bleibt nicht bei der Beschreibung der Ställe stehen, sondern dringt in die ökonomischen Verhältnisse ein, unter denen Landwirtschaft heute zu einer mörderischen Effizienz gezwungen ist – eingebettet andererseits eine Wegwerfkultur, die Profit wiederum über die Produktivität stellt. So ist das Buch zum Glück keines der Jammerbände, die mit schlechten Nachrichten Auflage machen, um dann nichts anderes zu bieten als die Rolle vor dem Ladenregal. „Die Wegwerfkuh“ beschreibt Projekte solidarischer Landwirtschaft und plädiert für eine andere Agrarpolitik.
Wer immer sich mit solchen Fragen auseinandersetzt, ist gut beraten, ein wenig Wissen über moderne Tierhaltung zu sammeln. Dafür empfehlenswert sind praktische Ratgeber, die für Landwirt_innen geschrieben sind, denn dort findet sich das, was in der Praxis dann auch oft Stand der Dinge ist. Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) hat im eigenen Verlag etliche solcher Werke heraus gebracht. Darunter befinden sich kurze Einführungen in der Reihe „AgrarpraxisKompakt“, in der auch sehr spezielle Themen wie „Schweinehaltung ohne Antibiotika?“ von Wilfried Brede (2015, 127 S.) in kurzen, übersichtlichen Texten mit vielen Abbildungen und Tabellen abgehandelt werden. Andere Werke sind umfangreich wie das Standardwerk „Tierernährung“ von Manfred Kirchgeßner, inzwischen (von anderen) zur 14. Auflage überarbeitet (2014, 660 S., 59,90 €). Hier geht es bis in kleinste Detail sowohl der Grundlagen wie auch, dann in Kapiteln nach Tierarten getrennt, um die konkrete Ausführung.

DVDs zu Tierrechten, Fang und Haltung von Tieren
Für Denkmal-Film ist die Frage der Tierhaltung ein großes Thema. Etliche DVDs sind gefüllt von Innenansichten aus dem Leben von Netztieren und der von und mit ihnen lebenden Bäuer_innen. Im Vordergrund steht das Plädoyer für eine ökologisch verträgliche und für die Tiere angemessene Haltung. Unterlegt werden Interviews und Informationen durch Bilder von Ställen und Weiden. Sie vermitteln, dass Tierhaltung sehr unterschiedlich stattfinden kann – und dass es sich lohnt, für eine ökologische Landwirtschaft einzutreten. Der 52min lange Streifen „Vom Glück der Kühe“ (Denkmal-Film, Buch und Regie: Bertram Verhaag, deutsch) handelt von „naturgemäßer Rinderzucht“ (so der Untertitel). Er zeigt neben Höfen das Wirken einiger Wissenschaftler (alles Männer) für eine lebensleistungsorientierte Tierhaltung, d.h. ein Tier soll lange leben und lange Milch geben. Tierleid und Schlachtung kommen in Bildern nicht vor. Nur in einem Halbsatz findet sich die Andeutung, dass „schlechte“ Kühe zum Schlachter kommen. Solche Ausblendungen nehmen Filme aufs Korn, die Tierhaltung aus Sicht von Veganer_innen und/oder Tierrechtler_innen betrachten. Hier herrscht in der Regel Undifferenziertheit andersherum. Die romantischen Tierhaltungsverklärer_innen aus dem Biosektor und die Alle-Tierhaltung-ist-gleich-und-scheiße-Logik ihrer Gegner_innen bilden einen interessanten Gegensatz mit gleichen Logiken des Pauschalisierens und Ausblendens. Im Film „Live and let live“ (mindjazz pictures, 80min, deutsch&englisch mit etlichen Untertitelsprachen) begleitet die Kamera Protagonist_innen, die Tierhaltung oder zumindest deren Nutzung gar nicht mögen. Seltsam wirkt bereits, dass fast alle von ihnen Tiere halten und das in fast allen Fällen nicht thematisiert wird. Dann dominiert der Nutzen für die Menschen: Vegan ist gesund, stylische Männer- und Frauenkörper treten vor die Kamera – und gut fühlen sich vor allem die Aktivist_innen, die 6 (in Worten: sechs!) Hühner aus einer Riesenanlage befreien, aufwändig unterbringen und es als besonderen Erfolg abfeiern, dass es so wenig sind, dass der Tierhalter es nicht einmal merken und deshalb nicht zuungunsten anderer Tiere reagieren wird. Mit politischer Orientierung hat das nicht mehr viel zu tun. In Filmen über Tierausbeutung tauchen Argumente für die Umwelt oder für die Tiere nur am Rande auf. Auf eine seltsame Art gilt das sogar für den größten Teil des Filmes „Der letzte Fang“. Hier geht es um die mörderische Thunfischjagd, die inzwischen die Tiere schon vor der Geschlechtsreife wegfängt und so das Verschwinden der gesamten Bestände bewirken wird. Der Kampf auf dem offenen Meer ist hart, ausgenutzt werden auch zwischenstaatliche Konflikte, um internationale Regelungen und Kontrollen zu umgehen. Doch das Elend für der Fische und die Wirkung auf die Umwelt bilden nicht den Kern des Films, sind aber – glücklicherweise – auch nicht ganz hinter der Hauptstory verschwunden. Zentrales Thema ist der Kampf verschiedener Familienclans um die Fischbestände. Profit gilt über alles. Der Film zeigt das Geschehen aus der Perspektive ehemaliger Thunfischfänger, die nun zu Jägern ehemaliger Konkurrent_innen geworden sind. Ob aus Rache, aus seltsam unbenannter, aber erkennbar rassistischer motivierter Ablehnung italienischstämmiger Familien oder doch aus ein bisschen Erkenntnisgewinn in Sachen Umweltschutz – das ist gar nicht klar. Der Film ist ein intensiver Einblick in das brutale Geschehen der Thunfischjagd, aber nur in zweiter Linie eine Umwelt- oder Artenschutzdokumentation.

Handreichungen der KTBL zu Ställen und Mastanlagen
Das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft gibt seit vielen Jahren Schriften heraus, die präzise und praktische Informationen für die Praxis im Landbau geben – angefangen vom Pflanzenbau und Tierhaltung bis zu Gebäuden oder Energiegewinnung am Hof. Zur thematischen Breite kommt eine Differenzierung, die zu mehreren Titeln in jedem Thema führt. Das gilt auch für die Errichtung von „Tierhaltungsanlagen“, wie sie in mehreren Titeln genannt werden. Die KTBL-Schrift Nr. 487 mit dem Titel „Planerische Standortsteuerung von Tierhaltungsanlagen“ (2011, 46 S., 21 €) zeigt Steuerungsinstrumente in der Hand von Gemeinden und Bauämtern, während Nr. 477 „Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Tierhaltungsanlagen“ (2009, 175 S., 23 €) für Planer_innen und die Aufsichtsbehörden wichtig sind. Die in ihnen enthaltenen Handreichungen zeigen sehr genau, wie die planerischen Abläufe aussehen. Das gilt auch für die Schrift Nr. 494 „Emissionen und Immissionen von Tierhaltungsanlagen“ (2012, 214 S., 25 €), in der genau beschrieben wird, welche Anforderungen an Abstände, Geruchsemissionen, Geländeeignung usw. gegeben sind. Der Band Nr. 449 „Emissionen der Tierhaltung“ (2006, 326 S., 22 €) weicht davon etwas ab. Er dokumentiert die Beiträge einer Tagung und stellt somit den umweltpolitischen Hintergrund dar. Zusammen stellen die Bücher profundes Wissen für alle bereit, die Tierhaltungsanlagen planen, beurteilen oder genehmigen, aber auch für alle, die sich gegen sie wehren.

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