Gender-Trouble

SEMINARHAUS DER PROJEKTWERKSTATT: KREATIVER TREFFPUNKT PLUS BETTEN

Ausladung an viele


1. Einleitung
2. Ausladung an viele
3. Einladung an Euch? Ja, aber ...
4. Die "Innereien" des Seminarhauses
5. Anmeldeformular

Wir haben eine immer schnellere und dramatische Entwicklung erlebt bei den meisten Gruppen und Personen, die hier im Haus waren, hin zu einer Haltung, die im Vollversorgungs-Kapitalismus zwar antrainiert wird, aber nicht zu unserem Haus passt:
  • Immer mehr und immer bessere Dienstleistung wurde eingefordert oder zumindest erwartet (Vollversorgung, überall WLAN, hohe Automatisierung, hotelähnlicher Komfort mit Privaträumen, Bettwäsche, Handtuch, Sanitärbedarf ...).
  • Gleichzeitig bestand am Haus, den Einrichtungen und der politischen Aktivität hier wenig oder gar kein Interesse, so dass sich auch kein Austausch, kein gemeinsames Ideenschmieden und keine Verabredungen ergaben. Im Gegenteil: Immer häufiger haben wir nie erfahren, was für eine Gruppe da überhaupt bei uns weilt.
  • Das Nichtkümmern um die Abläufe des Alltages, die Funktionsfähigkeit des Hauses und seiner Teile verbanden sich mit einer fatalen Gleichgültigkeit - überall wurden Sachen rumliegen gelassen, Materialien und Ressourcen (Wasser, Strom, Wärme usw.) gedankenlos verschwendet, nicht einmal mehr der Müll getrennt, geschweige denn auf Probleme mit Einrichtungsteilen und defekte Teile nicht reagiert.
  • Einige Gruppen haben sich völlig selbstverständlich aus den (Essens-)Beständen des Hauses bedient. Andere haben Lebensmittel gekauft - und dann oft billigen Ausbeutungsscheiß und Drogen. Geld schien meist ausreichend vorhanden zu sein.
  • Absurderweise wurde gleichzeitig immer weniger oder nichts mehr bezahlt für den Aufenthalt, d.h. die Projektwerkstatt, ihre Einrichtung und Möglichkeiten werden am liebsten umsonst oder gegen die demütigende Zahlung von (wortwörtlich) ein paar Cents genutzt, so dass entstehende Kosten (Strom, Gas, Wasser, Müll, Telefon/Internet, Verbrauchsmaterial, kaputte Sachen und Geräte, Abnutzung usw.) aus Kassen für politische Aktionen abgedeckt werden müssen. Dieses Verhalten in Kombinatoin mit dem immer rücksichtloseren Umgang mit Haus, Einrichtungen und Ressourcen setzt voraus, dass die Aktiven im Haus die Schäden reparieren, die Lücken füllen und das Geld organisieren - also "Fußabtretis" (gedemütigte Arbeitsklaven) der Gastgruppen sind.
  • In den Anfangsjahren der Projektwerkstatt war es normal, einen eigenen Schlafsack, Handtuch, Zahnbürste usw. mitzubringen, sich um die Versorgung zu kümmern und am Ende die Räume aufzuräumen und sauber zu machen. Heute werden Ansprüche gestellt - aber am Ende die Räume einfach so zu verlassen. Ein letzter Abwasch wurde meist noch gemacht (wenn auch unvollständig), aber das Putzen der genutzten Räume unterblieb in den letzten Jahren immer häufiger.
  • Zu allem Überfluss erhöhte sich die Zahl von Zerstörungen. Bauteile, Geräte, Geschirr, sogar Möbel und ganze Räume blieben beschädigt zurück, weil die Achtsamkeit gegenüber Ressourcen ständig abnimmt. Das führte zu Zerstörung durch Fehlbedienung, im Regen stehen lassen, Rumliegenlassen usw.
  • Getoppt wird solches Verhalten durch die gezielte Suche im Haus danach, was mensch sich persönlich aneignen kann - Genußmittel (Drogen oder besondere Lebensmittel/Getränke) oder einfach auch Sachen, die mensch dann mitnehmen kann. Das ist schlicht Klauen, denn die Dinge der Projektwerkstatt sind zwar frei für alle, aber eben dann nicht mehr, wenn sie mitgenommen werden.

Zusammengefasst: Die Menschen, die in die Projektwerkstatt kommen, begriffen die Idee des Hauses nicht oder setzten ganz absichtlich die im Vollversorgungs-Kapitalismus eingeübte Art des Lebens fort - also so wie bisher bei den einigermaßen reichen Eltern, im bezahlten Urlaub oder im Politcamp mit Top-Küchenteam und allem Drum und Dran. Das geht in einem Land, in welchem die politische Bewegung aus dem gut situierten Bürger*innentum gespeist wird. Deren Nachkommen sind der aktive Part, die Elterngeneration umsorgt und spendet in derartigem Umfang, dass auch in der Aktion kaum mal auf Vollversorgung und Komfort verzichtet werden muss. Dahinter steht aber, leider nicht direkt spürbar, ein imperialistisches Deutschland, welches so gewaltige Mengen an Ressourcen aus allen Teilen der Welt herausquetscht, dass selbst politisch kritisch eingestellte Kreise gewohnt sind, diese gleichgültig rauszuhauen und ständig durch die üppigen Spenden zu ersetzen.

Für uns in der Projektwerkstatt machte es immer weniger Sinn und schon gar keinen Spaß, hier all die notwendige Arbeit zu leisten. Vorher Räume putzen und auf Seminarbetrieb einrichten, eventuelle andere Nutzungen für die Zeit räumlich verlagen, oft zusätzlich noch Material bereitzustellen und die Technik prüfen, während des Aufenthaltes immer mehr ein kontrollierender Hausmeister sein, Schäden renovieren usw. sowie hinterher alles überprüfen, vieles wieder instandsetzen, Vergesslichkeiten auszugleichen und und und ... das war ein Arbeitsprogramm, welches zudem wegen des Verhaltens der Gruppen stetig wuchs. Die Zeiten, in denen Besucher*innen oder Gruppen eher das Ganze noch voranbrachten und sich mit uns zusammen über Aktivitäten austauschten oder sogar neue planten, sind lange vorbei. Der Tagungsbetrieb in der Projektwerkstatt machte nur noch Arbeit, kostete Geld und Ressourcen und brachte politisch nichts mehr ein.

Wir hatten sehr oft das Gefühl, benutzt zu werden!
Das war ein sehr, sehr hässliches Gefühl!

Beispiele für Verhalten von Gastgruppen
Eine Gruppe im August 2020: Am Anfang stand eine Einführung ins Haus mit der Bitte, aufmerksam zu sein. Die Bemerkung, dass falle besonders jungen Leuten heute eher schwer, wurde als Altersdiskriminierung abgetan ... und dann gezeigt, wie berechtigt die war. Am Ende: zwei offene Dachfenster, durch die es reinregnete (eins davon sogar kaputt - aber Bescheid geben, ist nicht), mehrere Geräte und WLAN angeschaltet gelassen, Gas aufgedreht, mehrere Räume nicht geputzt, statt dem beabsichtigen Containern doch lieber die Lebensmittelvorräte das Hauses anzapfen usw. - und am Ende für 20 Leute und 4 Tage Aufenthalt 40 Euro spenden (50 Cent pro Person und Tag). Das ist demütigend!

Warnplakat einer Gruppe Anfang 2018 - eine von vielen, die zum einen weder merkte, wie viel hinter ihrem Rücken gewerkelt wird, damit sie im Haus gut leben können, noch verstanden hat, dass gerade der Sinn der Projektwerkstatt ist, sich dort selbst zu organisieren. Es gibt keine Hierarchien im Haus - und damit sind in der Tat alle sich selbst überlassen, bis sie anfangen zu kooperieren (was die meisten Gruppen aber nicht tun, sondern die Dienstleistung als selbstverständlich erwarten). Wer so drauf ist, suche sich bitte was anderes. Danke!

Nicht dramatisch, aber schon absurd: Eine Gruppe war von Montag bis Sonntag angemeldet, also eine Woche lang - in der Mitte des Dezembers. Also: Heizen, Räume putzen, Einführungsgespräch ... Montagmittag dann aber plötzlich schon wieder Ruhe. Keine Spur der Leute - aber ein kleiner Zettel:

"Etwas früher" ist offenbar ein dehnbarer Begriff ... am ersten von sieben Tagen.

Nicht viel später, im Dezember 2020: Wieder viele Leute da - und, das ist ganz ehrlich gemeint, richtig coole Leute, die viele Aktionen machen und gemacht haben. Keine Frage: Die standen politisch und von den Aktionen her der Idee der Projektwerkstatt sehr, sehr nahe. Genützt hat es nichts. Licht und Geräte blieben jede Nacht meist angeschaltet. Die Wasserspartasten an den Toiletten interessierten nur wenige. Dafür wurden, obwohl es (wegen Corona) ein festes und tolles Küchenteam gab, schnell Getränke- und Snackbestände ohne weitere Rückfragen gesucht, gefunden und niedergemacht. Selbst die mit Schnüren an jedem Arbeitsplatz festgemachten Kugelschreiber überlebten die Selbstbedien-Rücksichtslosigkeit nicht. Schon in der ersten Nacht blieb ein zudem Dachfenster offen und Teile der Bibliothek standen unter Wasser. Alle waren erschrocken - aber in der dritten und letzten Nacht wiederholte sich das. In beiden Fällen hat es von der Gruppe auch niemensch am nächsten Tag gemerkt. Der anwesende Projektwerkstättler, der die Materialversorgung sicherstellte, die Heizung bediente und "nebenbei" auch noch durchgehend als Referent gefordert war, prüfte ständig die Lage im Haus und fand solche Pannen. Nach dem Treffen wühlte er in den Mülltonnen, schließlich ist Mülltrennung auch zu anstrengend. Das Putzen der Räume sowieso: Kein einziger Raum würde aufgeräumt oder geputzt. Überall lagen die leergetrunkenen Flächen, Papier, Müll, Süßigkeitenreste, Stifte und auch vieles herum, was die Leute bei der Abreise vergaßen - von Kleidung über Thermoskannen bis zu den Ladegeräten in Steckdosen.

Wenn
  • Gruppentreffen mehr der sozialen (Kuschel-)Begegnung und/oder vor allem Verbandsinteressen oder Fördergeldbeantragungen dienen als politischen Zielen und/oder
  • sich Gruppen/Cliquen immer stärker kommunikativ abkapseln, so dass auch keine Kontakte mehr zu den sonstigen Aktiven im Haus entstehen und daher die Anwesenheit von Gruppen für Vernetzung und Kooperation nichts mehr bringt.
  • Wird dann noch ein politischer Anspruch mit Weltrettungsinteresse sich selbst und anderen gegenüber mit platten Phrasen eher vorgaukelt als verfolgt, während tatsächlich politische Naivität oder Desinteresse dominieren,
stellt sich spätestens die Frage: Was soll das Seminarhaus noch?

Daher laden wir keine Gastgruppen mehr ein, die hier reine gruppenbezogene Treffen, Bildungsseminare usw. machen wollen. Sucht Euch bitte kommerzielle oder per Staatsförderung getragene Häuser, die Eurem Anspruch, das Leben gepampert zu verbringen und Euch um wenig bis nichts kümmern zu müssen, gerecht werden. Die meisten derer, die in den letzten Jahren hierher kamen, waren erkennbar gewohnt, voll umsorgt und materiell gut eingebettet zu leben. Sogar die, die von "geldfrei Leben" oder "Teilen" phantasierten, meinten damit vor allem ihre Vergangenheit in Elternhäusern dar, in denen sie ihr (reichlich vorhandenes) Geld nicht ausgeben konnten, weil alles immer schon da war. Wer das in Seminarhäusern und Unterkünften fortsetzen will, suche sich bitte einen anderen Ort. Aber wird sind nicht Eure Eltern, die das ja selbst so gewollt und geschaffen haben. Und wir sind schon gar nicht reich und könnten uns das eben mal so leisten. Hier ist die Projektwerkstatt. Die ist fast komplett in echt geldfrei organisiert. Unabhängig leben und politisch wirken, geschieht hier in real. Alles, was Ihr nutzt, verbraucht, achtlos behandelt usw., schaffen Menschen mit ihrer Kraft und Phantasie. Jeden Tag. Deren Motivation war immer, dass daraus politisch spannende Aktivitäten entstehen - und nicht Wohlfühlgelage, gute Stimmung und Umverteilung von Ressourcen der Projektwerkstatt zu materiell meist besser ausgestatteten Privatpersonen. Die Projektwerkstatt ist frei von staatlichen, kommerziellen und Apparateeinflüssen. Sie ist ausschließlich von denen getragen, die eine solche offene Aktionsplattform wollen - und die müssen kompensieren, was Besucher*innen und Nutzer*innen zerdeppern, verbrauchen, mitnehmen usw. Damit ist jetzt Schluss. Die Projektwerkstatt wird zu dem, was immer ihre Idee war: eine reine Aktionsplattform.
Weil die Ergänzungsnutzungen (Gastgruppen ohne Aktionsbezug) die Aktionsplattform auffrassen, bleibt das Haus lieber leer als schmarotzend falsch genutzt.

Als die Person, die 1990 die Projektwerkstatt am ersten Standort und dann 1993 nochmal in Saasen (mit) aufgebaut hat sowie in den letzten über zehn Jahren ganz allein aufrecht erhielt und stets offen zur Verfügung stellte, füge ich an: "Ich habe keine Lust mehr, weiter wie ein Automat im Haus für Menschen zu schuften, für die Anarchie und Öko nur eine Attitüde sind, um entweder ihrer als Coolness verschleierte bzw. als Hedonismus zur Theorie aufgewertete Gleichgültigkeit zu frönen oder sich auf guten Ausbildungen, Kontoständeb und gestylten Körper ausruhen zu können. Es ekelt mich nur noch an und raubt Energie!"

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