Umwelt und Macht

KYOTO - PRO & CONTRA

Einleitung


1. Einleitung
2. Debatte
3. Texte zum Download (als .rtf) und Links

Das Recht, CO2 zu erzeugen, kann nicht bei einzelnen Konzernen und Staaten liegen: Kon-zerne und Staaten atmen, schwitzen und hungern nicht. Die einzelnen Menschen sind es, die, um leben zu können, eine gewisse Menge an CO2 erzeugen müssen, dies aber keinesfalls zum Schaden anderer tun dürfen. Es gibt kein Recht und vor allem: kein käufliches Recht, unter vergleichbaren klimatischen Be-dingungen mehr als andere an CO2 zu erzeugen.
(aus Wolf Göhring, 2001: "Zur Klimakonferenz in Bonn vom 16. bis 27. Juli 2001")


Ergebnisse einer Podiumsdiskussion am 8. Juni in Bonn:
CONSENSUS:
  • We need much higher emissions reductions than Kyoto and tighter measures.
  • No sinks and nukes in the CDM.

PRO-ARGUMENTS:
  • Kyoto is the start of a process that can be reinforced afterwards.
  • Kyoto is a legally binding instrument which forces countries to do climate protection.
  • There is no alternative to Kyoto. Other proposals are too vague to be implemented and don‘t contain any calculations on the costs.
  • The UN is the most democratic international institution that give developing countries the chance to participate in the process.
  • Kyoto is translating the environment into the economic language, e.g. through emissions trading, which is what is needed if climate protection shall happen.
  • Flex-mechs make climate protection more cost-effective.
  • Postponing climate protection will cost the lives of the people in developing countries. The situation is so urgent that measures have to be taken immediately, even if they create inequities.

COUNTER-ARGUMENTS:
  • Climate has to be analysed in the context of globalisation. Kyoto is an instrument of the neoliberal economic order.
  • Kyoto will not be able to achieve real climate protection. This can only be realised by taking a bottom-up approach.
  • The Kyoto Process is dominated by the industry lobby, whereas those affected by climate change cannot participate.
  • Multinational corporations don‘t have any obligations under the Kyoto Protocol, but can participate in the flexible mechanisms.
  • Emissions trading is the possibility for corporations to reap profits which are in no ways connected to environmental protection.
  • The CDM leads to a south-north transfer, which has nothing to do anymore with the original aim to support developing countries.
  • Sinks in the CDM are a form of neocolonialism.

TACTICAL ASPECTS:
  • How will the rejection of Kyoto be perceived by the public?
  • Will it cause a strengthening or a weakening of the position of the progressive forces (especially NGOs) in the negotiations?
  • What will be the effect of Kyoto fails?

RESULT:
  • The preliminary result of the discussion was that „Kyoto is not enough“ could be the minimal common basis.

Hinweis: An dieser Ergebnisformulierung gab es Kritik, weil "Kyoto ist nicht genug" eben nicht Konsens ist, wenn Kyoto falsch ist. Zu wenig heißt: Ein Schritt in die richtige Richtung. Falsch heißt: Ein Schritt in die falsche Richtung. Das ist nicht das gleiche.

Pro Kyoto-Protokoll:
Pro Kyoto: Zum Erfolg verdammt
Ein paar Tausend Menschen kommen im Juli in Bonn zusammen, um nach mehr als zehn Jahren harter und intensiver Verhandlungen die Umsetzung des Kyoto-Protokolls zu besiegeln. Dies würde den Einstieg in ein weltweites Klimaschutzregime bedeuten, das die Industrieländer – also diejenigen Länder, die für über 90 Prozent der in der Atmosphäre befindlichen menschenverursachten Treibhausgase verantwortlich sind – im ersten Schritt bis zum Jahr 2012 zu moderaten Reduktionszielen verpflichtet. Ein paar Milliarden Menschen arbeiten (implizit) dagegen – mit ihren Handlungen, Wünschen und Träumen zur Selbstverwirklichung: soviel Geld wie möglich haben, ein Eigenheim im Grünen, ein oder mehrere Pkw in der Garage, jedes Jahr ein paar Kurzreisen mit dem Flugzeug, auch Fernreisen und warum nicht vielleicht am Ende gar in den Weltraum ...? Deren “Interessenvertreter” sind auch in Bonn dabei, und sie setzen sich heftig ein, daß die jetzige Wirtschaftsweise mit ihrem Überkonsum, viel zu hohem Energieverbrauch und den nicht-nachhaltigen Konsummustern erst einmal fortgeführt werden kann.
Der Präsident des Klimagipfels in Bonn, der niederländische Umweltminister Jan Pronk, muß mit seinen inhaltlichen Vorschlägen so im Zentrum des Möglichen liegen, daß ihm und uns allen nicht der gesamte Prozeß um die Ohren fliegt. Das ist eine äußerst delikate Aufgabe.
Er – wie auch jeder mit diesem Prozeß Befaßte – weiß, daß die Reduktionsziele des Kyoto-Protokolls für die erste Verpflichtungsperiode (sie endet im Jahr 2012) nur ein bescheidener Einstieg in den weltweiten Klimaschutz, nur ein allererster Schritt in einem globalen Klimaschutzmarathon sind, der uns noch tief in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts führt – mit dem Ziel, die weltweiten Treibhausgasemissionen mehr als zu halbieren. Das Ziel der Bonner Verhandlungen ist also nicht, angemessene Emissionsreduktionen im weltweiten Klimaschutz festzulegen –die Reduktionswerte liegen bereits seit Kyoto fest. Ziel ist es, einen rechtsverbindlichen Einstieg in den weltweiten Klimaschutz zu finden. Dieser würde es immerhin noch einigermaßen realistisch erscheinen lassen, daß bis Mitte des Jahrhunderts tatsächlich die notwendigen Emissionsreduktionen erreicht werden können, wenn jetzt die notwendige Dynamik ausgelöst würde.
Das Delikate in der Aufgabe von Pronk ist also nicht, möglichst anspruchsvolle Ziele und Durchführungsbestimmungen zu formulieren – das wäre einfach. Würde er dies (also das, was die Nichtregierungsorganisationen immer fordern) tun, wäre ein Scheitern der Konferenz nicht nur absehbar, sondern sicher.
Das Delikate in seiner Aufgabe liegt darin, einen Vorschlag zu unterbreiten, dem alle für ein Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls wichtigen Akteure zustimmen können – Konsens ist ja notwendig: sowohl diejenigen, die relativ anspruchsvollen Klimaschutz unterstützen (etwa die Europäische Union), als auch die, die sich zwar verbal für internationalen Klimaschutz aussprechen, aber real so wenig wie nur möglich tun wollen (etwa Japan). Doch damit ist nicht genug. Gleichzeitig muß er noch diejenigen Industrieländer, die die Klimaänderung als sehr ernstes Problem sehen, aber selbst am liebsten gar nichts tun wollen (das sind die USA, Australien und Kanada), davon abhalten, daß sie völlig destruktiv auftreten und (obwohl sie schon heute sagen, daß sie das Kyoto-Protokoll nicht ratifizieren wollen) gar einen Konsens verhindern. Diese Fußlahmen über kurz oder lang zu wirklichem Klimaschutz zu zwingen, das ist die wichtigste Funktion eines internationalen Abkommens.
Ein Konsens in Bonn ist die Voraussetzung dafür, daß die Industrieländer die Ratifizierung des Protokolls zu Hause angehen mit dem Ziel, daß das Protokoll im Jahr 2002, also 10 Jahre nach der Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro, in Kraft tritt. Dies ist auch ohne die USA möglich, ja nicht einmal Australien und Kanada müssen dazu ratifizieren. Für das Inkrafttreten des Protokolls reichen die Ratifizierungsurkunden der EU, der assoziierten mittel- und osteuropäischen Staaten sowie von Rußland und Japan. Doch das geht nur, wenn der Gipfel in Bonn die Ausführungsbestimmungen des Protokolls festlegt. Gelingt das nicht, gewinnen schnell die Kräfte die Überhand, die – wie der US-Präsident Bush - den ganzen Prozeß beerdigen möchten. Ein solches Scheitern würde den Prozeß internationalen Klimaschutzes um viele Jahre zurückwerfen. Und es würde aus Wettbewerbsgründen auch viel Dynamik aus den Klimaschutz-Bemühungen in Europa herausnehmen.
Die Unterhändler in Bonn sind also zum Erfolg verdammt. Ohne ein Ergebnis in Bonn droht ein Scheitern des gesamten Prozesses, der die besten weltweit mit dem Klimaschutz befaßten Kräfte über die letzten 10 Jahre intensiv beschäftigte und der bereits weitgehend ausgestaltet ist. Es gibt keine “zweite Mannschaft”, die darauf wartet, zum Einsatz zu kommen, damit ihre Vorschläge im Klimaschutz umgesetzt werden. Ein anderes Übereinkommen zum Klimaschutz zwischen den Hauptverursacherländern der Treibhausgasemissionen ist weit und breit nicht in Sicht. Auch der Papst oder der Dalai Lama oder sonst wer könnten, selbst wenn sie das Problem sehr dringlich fänden, kaum etwas bewegen. In der Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren, angestoßen durch das Kyoto-Protokoll, zum Glück einiges Richtung Klimaschutz getan – manche sagen sogar: mehr als in der Politik. Doch wie bereits nach dem gescheiterten Gipfel in Den Haag festzustellen ist, ist zu befürchten, daß diejenigen Stimmen in Unternehmen, die sich für Klimaschutz aussprechen, durch ein Scheitern der Bonner Verhandlungen zurückgedrängt würden. Denn ohne die richtigen staatlichen Rahmenbedingungen, die ein in Kraft befindliches Kyoto-Protokoll nach sich zöge, kann kaum ein Unternehmen auf Dauer Klimaschutz betreiben.
Die Leidtragenden eines Scheiterns wären vornehmlich die Menschen in Entwicklungsländern. Sie – etwa die Subsistenzbauern und die städtischen Armen - sind schon heute Opfer des Klimawandels, und sie können sich am wenigsten gegenüber dem von der Klimaänderung ausgehenden Streß (etwa vermehrte Dürreperioden, Hitzewellen, zunehmende Verbreitung von Krankheiten) schützen. Um ihnen ihr Leben nicht noch schwerer zu machen, als es jetzt schon ist, ist der Gipfel in Bonn zum Erfolg verdammt.
Manfred Treber, GERMANWATCH

Contra Kyoto-Protokoll:
Contra: Das Kyoto-Protokoll ist nichts als neoliberale Luft
(Stellungnahme des Instituts für Ökologie)
Wer für den Klimaschutz ist, muß gegen Kyoto sein. Denn es schafft keinerlei Verbesserung der Schadstoffausstösse, sondern eine weitere Verschlechterung wird zugelassen. Wer zudem eine gleichberechtigte Gesellschaft und ein nebeneinander aller Menschen weltweit mit gleichen Möglichkeiten will, sollte gegen das Kyoto-Protokoll kämpfen. Des es zementiert Ungleichheiten bzw. verschärft die Ausbeutungsverhältnisse.

Das Hauptargument gegen Kyoto: Noch mehr Kapitalismus!
Neoliberalismus bezeichnet eine Modernisierung und Ausdehnung von Verwertungslogik. Innerhalb weniger Jahre sind wesentliche bisher dem Staatshandeln (Verordnungen, Gesetze) und der Privatsphäre zugeordnete Bereiche marktwirtschaftlichen Logiken, vor allem der totalen Verwertung zum Zwecke des Profits unterworfen worden. Dazu gehört auch die Verwertbarmachung bisher eigentumsloser Flächen, Rohstoffe wie Wasser und Luft oder z.B. der Gene.
Luft ist nicht so einfach direkt zu verwerten, weil sie nicht greifbar ist. Daher haben sich die ArchitektInnen des totalen Marktes (Neoliberalismus) im Zuge der Klimaschutzverhandlungen etwas Cleveres einfallen lassen: Nicht die Luft selbst soll vermarktet werden, sondern das Recht, sie zu verschmutzen. Im Kyoto-Protokoll geht es um treibhauswirksame Gase, allen voran das CO2, aber auch noch andere. Gemessen wird alles in CO2-Äquivalenten. Damit werden die Voraussetzungen für eine Vermarktung der Luft geschaffen. Diese wird nicht mehr länger allen gehören, sondern das Recht, Luft zu belasten, wird kauf- und verkaufbar – und damit z.B. akkumulierbar, d.h. das Recht auf Luftbelastung wird Stück für Stück in die Hand weniger übergehen, eben der zahlungskräftigsten und durchsetzungsstärksten Konzerne. Kyoto bedeutet daher eine Ausdehnung der Vermarktungslogik – und ist somit eine klassische Form des Neoliberalismus.

Zweites Argument gegen Kyoto: Noch mehr Treibhausgase
Die Industrienationen (einschließlich der Länder des ehemaligen Ostblocks) sollen im nächsten Jahrzehnt ihren Ausstoß um 5,2 Prozent verringern. Schon diese Zahl wirkt peinlich, haben doch selbst offizielle Stellen der UN festgestellt, daß eine Verringerung um 60 oder gar 80 Prozent notwendig wäre. Doch tatsächlich sind die Zahlen noch schlimmer: Dank vieler Schlupflöcher, der Möglichkeit, Verschmutzungsrechte zu verkaufen und damit auch tatsächlich alle Verschmutzungsrechte voll auszunutzen und dem unglaublichen Vorschlag, z.B. durch Anpflanzen von Wäldern in ärmeren Ländern gleichzeitig in den Industrienationen mehr C02 ausstossen zu dürfen, ist trotz das Ziel von 5,2 Prozent Verringerung auch dann einzuhalten, wenn in Wirklichkeit eine Steigerung der Emissionen erfolgt. Zudem: Alle anderen Länder können zudem ihren Ausstoß beliebig erhöhen – was vor allem bei den Ländern erhebliche Mehrbelastungen bringen dürfte, die in den letzten Jahren durch maximale Industrialisierung versucht haben, den Anschluß an die Industrieländer zu schaffen – und dabei, oft unter dem Druck der reichen Länder und ihrer Knebelorganisationen wie WTO oder Weltbank, krasse Ausbeutungsverhältnisse der Menschen sowie Zerstörungen der Umwelt eiskalt in Kauf genommen haben. Konzerne der Industrienationen können emittierende Fabriken einfach in ärmere Länder verlagern, z.B. in die dort schon entstehenden Maquilas, quasi rechtlose Zonen der totalen Ausbeutung von Mensch und Natur.

Drittes Argument: Rechtlich abgesichertes Treibhaus
Mit dem Kyoto-Protokoll wird eine Vermarktungslogik von Luftverschmutzungsrechten eingeführt. Es ist zu erwarten, daß auch für sog. Entwicklungsländer in weiteren Phasen des Kyoto-Prozesses Obergrenzen definiert werden. Dann wird vollendet, was jetzt beginnt: Stück für Stück werden sich die Reichen die Emissionsrechte sichern – und damit nicht nur das Recht, Umwelt weiter zu zerstören, sondern auch die Chance, sich weiter zu industrialisieren. Die globale Ungerechtigkeit könnte steigen. Die Industrienationen verrechtlichen ihre Umweltzerstörung – Kyoto ist die rechtliche Absicherung des Weiterbetriebs der Verschmutzungsanlagen (und die Parallele zum Atom“konsens“ unübersehbar).

Viertes Argument: Die Kyoto-Debatte lähmt anderes
Die Klimadebatte der Vereinten Nationen verschlingt gigantisches Potential – zeitlich, materiell, finanziell und nicht zuletzt an Tausenden von Menschen, denen der Klimaschutz wichtig ist. Das geht soweit, daß inzwischen sogar die meisten Umweltverbände (zumindest in Deutschland) voll auf Kyoto und immer mehr auch voll auf die verantwortlichen Politiker in Bundesregierung und EU setzen – eine absurde Situation angesichts dessen, wer eigentlich weltweit die Scharfmacher in Sachen neoliberale Verschärfung, Erhöhung sozialer Ungerechtigkeiten usw. sind.

Daraus folgt: Kyoto verhindern. Endlich wieder Umweltschutz einfordern und verwirklichen! Staaten und Konzerne sind Verursacher der Umweltzerstörung und sozialen Ausbeutungsverhältnisse. Die Vereinten Nationen sind ein Pakt derer, die Neoliberalismus wollen, die Welthandels- und militärischen Kriege führen usw. Sie können niemals unsere Partner sein. Sie sind unsere Gegner. Umweltschutz muß von unten kommen

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