Umwelt und Macht

Ö-PUNKTE 1/1998

Haben alle gleiche Ziele?


1. Nachhaltigkeit - eine Kritik
2. Haben alle gleiche Ziele?
3. Vom Kapitalismus wird geschwiegen
4. Frauen an den Öko-Herd

Zwar ist der Nachhaltigkeits-Diskurs in der Phantasie der NGOs dadurch gekennzeichnet, daß die "alten" Forderungen der Neuen Sozialen Bewegungen in "neuer" Form mit Regierungen und Konzernen umgesetzt werden können, die Realität aber sieht anders aus. Schaut man sich die wesentlichen Inhalte des Diskurses einmal genauer an, so läßt sich leicht feststellen, daß die Postulierung vermeintlicher Gemeinsamkeiten im wesentlichen dazu dient, die Programme der NGOs zu entradikalisieren. Von einer quasi-subversiven Strategie, die den Mächtigen in einer nicht-konfrontativen Form die "wirklichen" Inhalte von Nachhaltigkeit unterzujubeln vermag, ist weit und breit nichts zu sehen.

So unterschiedlich die bislang publizierten Modelle nachhaltiger Entwicklung im Detail auch sein mögen, vor allem in der Rezeption des Brundtland-Berichts sowie im Vergleich der breiter diskutierten Studien lassen sich bezüglich der Elemente von Sustainable Development beträchtliche Übereinstimmungen finden. Dabei handelt es sich um die Problematisierung globaler Umweltzerstörung, die Notwendigkeit weltweiten Wirtschaftswachstums, die Ökologisierung der Ökonomie, die Begrenzung der Weltbevölkerung, den Transfer umweltfreundlicher Technologien, den Ausbau internationaler/bilateraler Organisationen sowie die Forderung nach zunehmenden politischen Partizipationsmöglichkeiten "ziviler" Akteure.2

In diesem Prozeß dominieren, trotz der vorgeblichen Einheit von "Umwelt und Entwicklung", die ökologischen Aspekte. Umweltpolitische Fragestellungen stehen heute sowohl in der politischen Praxis der entsprechenden UN-Konferenzen als auch in der wissenschaftlichen Diskussion um Sustainability im Vordergrund. Im deutschsprachigen Mainstream-Diskurs, also beispielsweise im Sprachgebrauch der umwelt- sowie der entwicklungspolitischen NGOs oder der medialen Öffentlichkeit wird "Nachhaltige Entwicklung" begrifflich zumeist auf "Nachhaltigkeit" verkürzt. Auch die immer gleiche Reihenfolge der Themenfelder in der zweiten Umschreibung des Problemkomplexes, nämlich "Umwelt und Entwicklung", zeigt deutlich an, wo die Prioritäten heute in der Regel gesetzt werden. Sozialpolitische Fragestellungen etwa nehmen, wenn überhaupt, innerhalb von Sustainability-Konzepten nur einen marginalen Raum ein. Entwicklungspolitik spielt gegenüber (globaler) Umweltpolitik, trotz aller Lippenbekenntnisse lediglich eine nachgeordnete Rolle- und damit auch das Leitbild globaler Solidarität und ökonomischer Gerechtigkeit.3

Die Zurückdrängung dieses Aspekts hat innerhalb des deutschen Diskurses nicht zuletzt auch zur Marginalisierung einer herrschaftskritischen Sichtweise geführt. Innerhalb der internationalistischen und der Soli-Bewegung lagen in der Regel komplexere Gesellschaftsanalysen vor, als in der isoliert auf Naturerhalt ausgerichteten Umweltbewegung. In einem auf der NGO-Seite von der Umweltbewegung dominierten Diskurs spielen etwa kapitalismus- oder gar patriarchatskritische Positionen kaum noch eine Rolle. Dies zeigt sich charakteristisch bei der vom Wuppertal-Institut (WI) produzierten, von BUND und MISEREOR herausgegebenen Studie "Zukunftsfähiges Deutschland".4

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