Gender-Trouble

VISIONEN

Visionslosigkeit: TINA ... There is no alternative?


1. Einleitung
2. Freie Menschen in Freien Vereinbarungen
3. Visionslosigkeit: TINA ... There is no alternative?
4. Sinn und Unsinn von Utopien und Utopiedebatten
5. Seid utopisch: Macht, was ihr wollt!
6. Links

Wir leben in einer visionslosen Zeit. Neue Ideen für die Zukunft sind kaum noch gefragt. Viele Menschen haben sich in die Privatheit zurückgezogen. Individualität ist nur noch das, was es im „Supermarkt der Lebensstile“ zu kaufen gibt - nur eine lebenswerte Utopie für alle scheint gearde nicht im Angebot zu sein. Wirklich Neues bewußt zu schaffen scheint keinen Reiz mehr auszuüben. Die Dinge entwickeln sich wie von selbst. Zumindest scheint es so oder wird von denen so verkauft, die tatsächlich die gesellschaftlichen Entwicklungen steuern. ...
Einen Zukunftsdialog gibt es gar nicht mehr. Alles wickelt sich ab, die Menschen sind wie unbeteiligte ZuschauerInnen der Dialoge über die Zukunft. Bei der Expo 2000 sind sie sogar zahlende Gäste bei - angeblich - „der Zukunft“, auf die sie null Einfluß haben. Schlimmer noch: Die Menschen reproduzieren die Logik einer Gesellschaft, in der alles verwertet wird, in der alles danach ausgerichtet ist, was es wirtschaftlich bringt. Sehr viele Menschen haben Angst von Neuem und vor gesellschaftlcher Weiterentwicklung ab. Gleichzeitig überlassen sie denen, die jeweils Kraft ihrer Position wesentlichen Einfluß auf die Gesellschaft haben und an den Hebeln der Macht sitzen, kampflos das Geschehen – und damit auch den Einfluß auf Veränderungen. Was übrig bleibt, sind Prozesse, die scheinbar von selbst ablaufen, die nicht mehr hinterfragt und erst recht nicht in Frage gestellt werden. Große Erklärungen hat kapitalistische Ordnung nicht mehr nötig – sie ist übriggeblieben und stellt sich selbst wie ein „Naturgesetz“ dar. [„Naturgesetz nannt der Siemens-Expo-Beauftragte Schusser die weitere Entwicklung der Welt hin zu totaler Vermarktungslogik. (Quelle: Film „Alles im Griff“, 1998, Hannover)] Die Lücke fehlender Begründungen und Legitimation wird verklebt mit Papieren und Konzepten, die als „visionär“ bezeichnet werden, aber realpolitischer nicht sein könnten. Die Agenda 21 ist solche ein Beispiel. Wer sie liest, reibt sich vielleicht angesichts des Rufes, den die Agenda genießt, verwundert die Augen: Überall wird der freie Welthandel als Rettung der Umweltprobleme gepriesen, Begrenzungen der freien Wirtschaft werden als die eigentlichen Ursachen für die Umweltzerstörung genannt. Gelöst werden sollen die aktuellen Probleme vor allem mit der Gentechnik, aber auch z.B. mit neuen Atomkraftwerken. Ist irgendwas an solchen Vorschlägen visionär? Die Agenda 21 könnte aus der Feder des Bundesverbandes der Deutschen Industrie stammen, aber UmweltschützerInnen oder Eine-Welt-Gruppen bezeichnen sie als hoffnungsvolle Vision für das neue Jahrhundert.
(Gruppe Gegenbilder, 2000: Freie Menschen in Freien Vereinbarungen, S. 7/8 ... auch im Internet mit Debattenforum)

Michael im Interview mit dem Science Fiction-Club Berlin in der Zeitschrift WECHSELWIRKUNG, Nr. 13, Mai 1982 (S. 13)
Ich möchte behaupten, daß es für uns Menschen immer noch nicht recht vorstellbar ist, ein Problem nur durch Übereinkunft mit anderen Menschen zu lösen. Wir haben immer diesen Ausschließlichkeitsanspruch, daß es für die Lösung eines Problems immer nur einen Weg gibt.

Aus einem Interview mit Murray Bookchin, in ÖkolinX, Sommer 1996 (S. 19)
Heutzutage treffe ich Salonlinke, die mir weismachen wollen, "unter den gegebenen Umständen" sei es unmöglich, für eine grundlegende soziale Veränderung zu kämpfen. Solche Typen sind doch komplett entfremdet. Das ist die bürgerliche Vorstellung von "Erfolg" und nicht von Wahrheit und Freiheit.

Aus: Gruppe I.N.K.A.K., 2000: Kritik der verkürzten Kapitalismuskritik (S.18)
Die scheinbare Alternativlosigkeit mit der wir konfrontiert werden zeigt wie totalitär das herrrschende Denken in den Köpfen verankert ist. Nichts scheint umsetzbar zu sein wenn es sich nicht im Rahmen des real vorhandenen bewegt. Eine gesellschaftliche Utopie wird zu etwas abstrakten, mit nur wenig Möglichkeiten einer Anbindung an die Realität. Sie schließt sich nicht an unseren Erfahrungshorizont an. Grundlegene Mechanismen dieses Gesellschaftssystems werden nicht mehr hinterfragt (z.B. Herrschaftsverhältnisse), sondern als Naturgesetzartig hingenommen. Wir müssen dieses Dilemma durchbrechen und gerade der realen Verhältnisse wegen radikal und utopisch zu bleiben. Sich nicht zufrieden zu geben mit Reformen oder Scheinlösungen ist Teil dieses Politikansatzes. Wenn Ziele oder Forderungen von uns als grundsätzlich gut, aber nicht realisierbar abgetan werden, spricht dies nicht gegen die Utopie sondern gegen die Realität. Deshalb brauchen wir Räume, gerade auf der lokalen Ebene, die die Realität in Frage stellen und Utopie in Ansätzen erfahrbar machen. Mit dem verschwinden dieser Räume würde eine weiteres Experimentierfeld mit anderen Komunikations- und Organisationsstrukturen entfallen.


Resignation

Aus Wilk, Michael (1999): "Macht, Herrschaft, Emanzipation", Trotzdem Verlag in Grafenau (S. 61)
Neben der Angst eigenständige Schritte in Richtung einer selbstbestimmten persönlichen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu unternehmen, ist die negative Erfahrung des Scheiterns bei solchen Versuchen wesentlich dafür verantwortlich, daß viele Versuche nicht über die Ebene eines einmaligen Ansatzes herauskommen, uni dann wieder in der Versenkung zu verschwinden. Es dürfte in diesem Zusammenhang hilfreich sein, nicht nur weitgesteckte utopische Ziele zu formulieren, die zwar moralisch und auf der "Radikalitätsskala" ganz oben angesetzt sind, aber für alle Beteiligten so fern sind, daß jedwedes Bemühen diese Ansprüche umzusetzen, scheitern muß.

Im Original: Oscar Wilde
Aus Wilde, Oscar (1970): "Der Sozialismus und die Seele des Menschen", Diogenes
Altruismus nützt nichts
Sie suchen etwa das Problem der Armut dadurch zu lösen, daß sie den Armen am Leben halten, oder - das Bestreben einer sehr vorgeschrittenen Richtung - dadurch, daß sie für seine Unterhaltung sorgen. Aber das ist keine Lösung: Das eigentliche Ziel ist der Versuch und Aufbau einer Gesellschaft auf einer Grundlage, die die Armut unmöglich macht. Und die altruistischen Tugenden haben tatsächlich die Erreichung dieses Ziels verhindert. (S. 8)

Pro Gesetzesbruch
Aber es ist für mich fast unglaublich, wie jemand, dessen Leben durch solche Gesetze verstämmelt und besudelt worden ist, ihre Fortdauer zu ertragen vermag. (S. 14)

Freie Vereinigungen statt autoritäre Strukturen
Aber ich gestehe, viele sozialistische Anschauungen, denen ich begegnet bin, scheinen mir mit unsaubern Vorstellungen von autoritärer Gewalt, wenn nicht tatsächlichem Zwang behaftet zu sein. Autoritäre Gewalt und Zwang können natürlich nicht in Frage kommen. Alle Vereinigung muß ganz freiwillig sein. Nur in freiwilligen Vereinigungen ist der Mensch schön. (S. 16f)

Gar keine Regierung ...
Alle Arten, regieren zu wollen, sind verkehrt. (S. 29)
Die Regierungsform, die für den Künstler am geeignetsten ist, ist: überhaupt keine Regierung. (S. 59)

Gegen Justiz
Mit der autoritären Gewalt wird die Justiz verschwinden. Das wird ein großer Gewinn sein - ein Gewinn von wahrhaft unberechenbarem Wert. Wenn man die Geschichte erforscht, nicht in den gereinigten Ausgaben, die für Volksschüler und Gymnasiasten veranstaltet sind, sondern i nden echten Quellen aus der jeweiligen Zeit, dann wird man völlig von Ekel erfüllt, nicht wegen der Taten der Verbrecher, sondern wegen der Strafen, die die Guten auferlegt haben; und eine gemienschaft wird unendlich mehr durch das gewohnheitsmäßige Verhängen von Strafen verroht als durch das gelegentliche Vorkommen von Verbrechen. Daraus ergibt sich von selbst, daß je mehr Strafen verhängt werden, umso mehr Verbrechen hervorgerufen werden, ...
Je weniger Strafe, um so weniger Verbrechen. Wenn es überhaupt keine Strafe mehr gibt, hört das Verbrechen entweder auf, oder, falls es noch vorkommt, wird es als sehr bedauerliche Form des Wahnsinns, die durch Pflege und Güte zu heilen ist, von Ärzten behandelt. Denn was man heutzutage Verbrecher nennt, sind überhaupt keine Verbrecher. Entbehrung, nicht Sünde ist die Mutter des Verbrechens unserer Zeit. Das ist in der Tat de Grund, warum unsere Verbrecher als Klasse von einem irgend psychologischen Standpunkt aus so völlig uninteressant sind. Sie sind keine erstaunlichen Macbeths und schrecklichen Vautrins. Sind sind ledigklich das, was gewöhnliche Dutzendmenschen wären, wenn sie nicht genug zu essen hätten. Wenn das PRivateigentum abgeschafft ist, wird es keine Notwendigkeit und keinen Bedarf für Verbrechen geben; sie werden verschwinden. Natürlich sind nicht alle Verbrechen Verbrechen gegen das Eigentum, obwohl das die Verbrechen sind, die das englische Gsetzt, das dem, was ein Mensch hat, mehr Wert beimißt als dem, was er ist, mit der grausamsten und förchterlichsten Strenge bestraft, wofern wir vom Mord absehen und den Tod für ebenso schlimm halten wie das Zuchthaus, worüber unsere Verbrecher, glaube ich, anderr Meinung sind. Aber wenn auch ein Verbrechen nicht gegen das Eigentum gerichtet iste, kann es doch aus dem Elend und der Wut und der Erniedrigung entstehen, die unsere verkehrte Privateigentumwirtschaft hervorbringen, und wird so nach der Abschaffung dieses Systems verschwinden. Wenn jedes Glied der Gemeinschaft so viel hat, als es braucht, und von seinen Mitmenschen nicht behelligt wird, hat es kein Interesse daran, andern lästig zu werden.
(S. 30ff)

Der Entwurf von Utopien motiviert zur Veränderung des Hier & Jetzt
Eine Weltkarte, in der das Land Utopia nicht verzeichnet ist, verdient keinen Blick, denn sie läßt die eine Küste aus, wo die Menschheit ewig landen wird. Und wenn die Menschheit da angelangt ist, hält sie Umschau nach einem besseren Land und richtet ihre Segel dahin. Der Fortschritt ist die Verwirklichung von Utopien. (S. 35)

Subjektivität
Es ist nicht selbstsüchtig, auf seine Art zu denken. Wer nicht auf seine Art denkt, denkt überhaupt nicht. (S. 66)

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