Gender-Trouble

BETEILIGUNGSRECHTE UND -MÖGLICHKEITEN
PLANUNGEN, PARLAMENTE, PROZESSE

Buchvorstellungen zum Themenbereich


1. Allgemein bzw. alle Beteiligungsformen
2. Beteiligung an Planungen
3. Besonderheiten und Privilegien für anerkannte Umweltverbände
4. Kommunalpolitik
5. Bürger innenentscheide, Volksbegehren und -abstimmung
6. Naturschutz und Eingriffsregelung
7. Beteiligungsregelungen in und um Gießen
8. Buchvorstellungen zum Themenbereich

Politik vor Ort lebt von der Einmischung. Diese kann durch unabhängige Aktion erfolgen, die Verhältnisse direkt ändert oder öffentliche Stimmungen erzeugt. Üblicherweise entsteht ohne diese kaum politischer Veränderungsdruck. Doch wenn Druck da ist, lohnt sich auch die Einmischung im offiziellen Rahmen. Der Bürger*innenrat ist dabei das gerade häufigsten benannten Mittel der Einbindung von Bürger*innen, denn die XR-Bewegung hat ihn zu einer ihrer drei Hauptforderungen gemacht. Andere nennen ihn abschätzig „Lotterie-Demokratie“ und übersehen dabei, dass bei Wahlen fast immer die gewinnen, die ohnehin bevorteilt sind, da sie auch in den Wahlkämpfen privilegiert sind. Mit dem Buch „BürgerInnenrat“ (2011, AG Spak in Neu-Ulm, 176 S., 22 €) will Stefan Arlanch die Debatte vorantreiben. Er beschreibt die Idee und dann, vor allem an Beispielen aus verschiedenen Orten, die konkrete Umsetzung. Das Mittel ist eigentlich längst gut erprobt, denn schon in der Wiege der Demokratie wurden zahlreiche Ämter verlost. Wahrscheinlich wurde diese Information jahrhundertelang absichtlich verschwiegen, wäre es doch mit Eliten, Privilegien usw. zu einem guten Teil vorbei, wenn die Menschen gelost würden, die etwas ausarbeiten, planen, beschließen oder überwachen. Dabei hat die Idee viele Vorteile, sind doch unter den Gewählten. Eine andere konkrete Methode ist „Planning for Real“, eine Art Streetwork der Beteiligung, denn hier werden die Menschen eingeladen, direkt in ihren Wohnquartieren oder an den Konfliktpunkten Lösungen zu entwickeln. Im gleichnamigen Buch (2018, Stiftung Mitarbeit in Bonn, 136 S., 10 €) stellt Claudia Schwarz mit andere Autor*innen die genauere Vorgehensweise dar. Etwas Neues schlagen Patrizia Nanz und Claus Leggewie in ihrem Buch „Die Konsultative“ (2018, Klaus Wagenbach in Berlin, 125 S., 10,90 €) vor. Nach einigen Kapiteln zum Sinn von Beteiligung und einem, leider dürftigen und zum Teil schlicht fehlerhaften, Rückblick auf bisherige Formen und Trends der Partizipation stellen sie ihre Idee eines Zukunftsrates vor. Es verbindet die per Losentscheid zusammengestellen Bürger*innenräte mit einer institutionellen Verankerung. Außerdem sollen sie nicht nur für ein Projekt tätig sein, sondern ähnlich einem Parlament über einen Zeitraum von (so vorgeschlagen) zwei Jahren. Damit würde aber eine Art Nebenparlament entstehen, das ähnliche Probleme aufwerfen würde: Die Menschen müssten sich zeitgleich in viele Themen einarbeiten, würden dadurch in Abhängigkeit von Berater*innen geraten und außerdem bei einem Votum taktische Vorüberlegungen zur kommenden Abstimmung einfließen lassen.
Breiter angelegt ist „Bürgerbeteiligung vor Ort“ von Jürgen Smettan und Peter Patze-Diordiychuk (2. Auflage 2014, Stiftung Mitarbeit in Bonn, 109 S., 8 €), Gleich sechs Methoden der Bürger*innenbeteiligung werden in dem Buch so vorgestellt, dass sie als kommunale Formen der Einbeziehung von Menschen anwendbar sind. Wieso die Auswahl gerade auf diese sechs fiel, wird leider nicht erläutert. Ebenso fehlt eine Auseinandersetzung mit der Diskrepanz zwischen informellen Beteiligungsverfahren und der formalen Entmündigung (Abbau von Beteiligungsrechten). Die breiteste Palette an Verfahrensformen bietet „Bürgerbeteiligung in der Praxis“ (2018, Bonn, 320 S. im A4-Format, 17 €) aus der Stiftung Mitarbeit und der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT). Anschaulich werden sehr viele Methoden beschrieben mit Hinweisen zu Vorbereitungsarbeiten, Durchführung und Darstellung etlicher Beispiele aus der Praxis. Dadurch ist dieses Werk die beste Einstiegslektüre für alle, die sich einen Überblick verschaffen wollen und gleich handfeste Informationen suchen. Weniger um Beteiligungsmethoden als über allgemeine Formen politischer Mitsprache informiert das übersichtlich gegliederte, ansprechend aufgemachte „Bürgerhandbuch“ von Paul Ackermann und Ragner Müller (2015, Wochenschau in Schwalbach, 310 S.). Vom Wählen (als „Kernstück der Demokratie“ bezeichnet – eine entlarvende Formulierung für eine Staatsform, die keine wirkliche Mitbestimmung möglich macht) über das Gründen oder Mitmischen in Parteien und Verbänden, Beteiligungsverfahren in Kommunalpolitik oder Planungen und Akteneinsicht bis zur Einflussnahme als Verbraucher_in erhalten die Leser*innen Einblick in Handlungsmöglichkeiten. Abbildungen zeigen Verfahrensabläufe, allerdings führt die Kürze der Darstellung zu Lücken. Einiges ist so verkürzt, dass es falsch wird, z.B. das Recht auf Akteneinsicht (S. 242), welches ganz andere und viel weitergehende Rechtsgrundlagen hat. Protestformen des zivilen Ungehorsams fehlen im Buch.
Einblick in die Praxis der Mitsprache liefern auch die Autor*innen von „Mitreden“ (2019, Büchner in Marburg, 233 S., 18 €), aber aus dem umgekehrten Blickwinkel. Denn hier schreiben Mitwirkende in Kommunalverwaltungen, auch Landrät*innen und Oberbürgermeister*innen, dazu aus Beratungsbüros oder wissenschaftlichen Einrichtungen, die Beteiligungsprozesse initiieren oder begleiten. Hier geht es weniger um Methoden als um Erfahrungen in der Anwendung. Das ist nützlich, aber nicht genug angesichts des tiefen Grabens zwischen Verwaltung und Politikferne, die aus der Erfahrung oft wirkungslosen Mitredens gespeist wurde. Trotz solcher Probleme sehen Nicole D. Schmidt und Petra Knust „Bürgerschaftliches Engagement als Chance“. So jedenfalls lautet der Untertitel ihres Buches „Mittenmang dabei!“ (2013, Stiftung Mitarbeit in Bonn, 166 S., 10 €). Ideen, Motive und Methoden des eigenen Engagement und der Beteiligung werden an Storys und Beispielen anschaulich dargestellt. Zwischendurch sind kleine Beschreibungen eingefügt, die praktische Anregungen geben. Dazu gehören auch rechtliche Tipps bis hin zu Fördermöglichkeiten nach dem Sozialgesetzbuch.

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