Verkehrswende

UMWELT UND RESSOURCEN

Zentrale Steuerung oder Umweltschutz von unten?


1. Zentrale Steuerung oder Umweltschutz von unten?
2. Umwelt oder Mitwelt?
3. Flächen- und Rohstoffverbrauch
4. Fazit: Umweltschutz ist eine Machtfrage
5. Experimente und Aktionen
6. Links und Leseempfehlungen

Dieser Text ist Teil der Gesamtabhandlung "Freie Menschen in Freien Vereinbarungen" ... zum Anfang.

Die Machtstrukturen in der Gesellschaft, also nicht zwischen Mensch und Natur, führen zu der Situation, dass einzelne Menschen aufgrund vorhandener Herrschaftsstrukturen in die Umwelt eingreifen können, ohne auf die Folgen Rücksicht zu nehmen. Umweltzerstörung, die immer auch eine Zerstörung der Lebensgrundlage von Menschen ist, geschieht nur im Rahmen von Machtstrukturen, von herrschaftsorientieren Systemen wie dem Kapitalismus, dem Staatskapitalismus (sogenannter „real existierender Sozialismus“), Diktaturen oder anderen Groß-Hierarchien, weil die Menschen nur hier gegen ihr Interesse handeln, sich in einer lebenswerten Umwelt und auf deren Grundlage entfalten frei zu können. Sie tun das einerseits aus dem Zwang heraus, sich innerhalb der Machtgefüge ihr Überleben sichern zu müssen. Das geschieht in der Regel über Erwerbsarbeit, die die Arbeitenden dann allerdings gefügig macht. Um ihre Einnahmequelle nicht zu gefährden, werden sich auch gegen ihre eigenen Interessen handeln. Die Zerstörung der Lebensgrundlagen, die Vergiftung von Nahrungsmitteln (die sie später auch selbst konsumieren könnten) oder das Ausräumen einer schönen landschaftlichen Umgebung sind die Folge.
Ebenso fördert die Existenz einer Machtpyramide die Entscheidung für umweltzerstörende Maßnahmen bei den InhaberInnen von Macht an der Spitze der Pyramide. Denn diese haben dadurch die Möglichkeit, die Ausführung ihrer Pläne so zu gestalten, dass andere die Folgen ausbaden müssen. Sie zerstören also nicht ihre Umwelt, sondern die anderer - und verdrängen die Tatsache, dass Ökosysteme immer offen sind, d.h. ein Eingriff nicht lokal beschränkbar ist.
So oder so, also ob als AbhängigeR oder als PrivilegierteR, ist die Existenz von Herrschaft die Voraussetzung der Umweltzerstörung im großen Maßstab.

Umweltschutz muss daher eine Auseinandersetzung mit den Herrschaftsstrukturen und gesellschaftlichen Reproduktionslogiken sein. Ziel muss erstens sein, institutionalisierte Macht abzuschaffen, damit den Menschen wieder die Gestaltungskraft über die Umwelt zufällt - allerdings nun ohne dass sie die Folgen auf andere abwälzen. Zweitens müssen die Rahmenbedingungen überwunden werden, die Menschen dazu bringen, selbst immer wieder ihre eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören. Menschen müssen wieder in die Lage versetzt werden, ohne Zerstörung der Umwelt zu überleben bzw. sich zu entfalten. Dafür brauchen sie die Umwelt als Lebensgrundlage. Umweltzerstörung würde sich gegen sie selbst richten, während Umweltschutz ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten fördert.

Emanzipatorischer Umweltschutz stärkt die Menschen in ihren Handlungsmöglichkeiten und macht sie zu den AkteurInnen. Politische Entscheidungen, die Gestaltung der eigenen Umwelt, ja das Leben und die gesellschaftliche Organisierung werden aus der Zuständigkeit der Parlamente oder Machtsphären der Märkte und Unternehmen herausgeholt und zur Sache der Menschen gemacht. Die Straßen, Häuserblöcke und Landschaften gehören den Menschen, die in ihnen leben, von ihnen leben oder die ihnen aus anderen Gründen wichtig sind. Niemand kann einfach über Flächen und Orte bestimmen ohne die Betroffenen und Interessierten. Als "Demokratisierung" von Flächen- und Rohstoffverbrauch ließen sich die Schritte zum Ziel eines gleichberechtigten Zugangs zu allen Ressourcen bezeichnen. Sie bilden das Gegenkonzept zu Ordnungsrecht oder kapitalistischen Instrumenten wie CO2-Zertifikaten oder Ökosteuer.
Vision ist eine Welt von unten. Die kleinen Schritte dahin bestehen aus konkreten Projekte, die die Menschen zu den EntscheiderInnen machen: Windanlagen, die den Menschen drumherum gehören (statt teurer Großanlagen ohne örtliche Akzeptanz und großen Stromleitungen zu den VerbraucherInnen), Stromnetze im Besitz der BürgerInnen, ökologische Bauernhöfe im Gemeinschaftsbesitz, lokale Ökonomien ohne Apparate und vieles mehr.

Aus Werner Seppmann, "Mit der Natur versöhnen", in: Junge Welt, 3.2.2016 (S. 12f)
Selbstbestimmung und ökologische Selbstbesinnung bedingen einander. ...
Verstehen wir den Kommunismus als eine Gesellschaft, in der die Menschen die Gestaltung ihrer Lebensbedingungen in die eigenen Hände genommen haben, ist auch zu vermuten, dass viele Dinge, die heute "professionalisiert" und kommerzialisiert sind, wieder in die unmittelbaren Lebenszusammenhängen reintegriert und zu Alltagsangelegenheiten werden.
Wie das Leben in der Zukunftsgesellschaft sich konkret organisiert, kann nicht präzise erörtert werden. Jedoch wird es mit großer Sicherheit in anderen Formen geschehen, als ein kapitalistisch geprägter Geist es sich vorzustellen vermag, denn auch in den Bildern grüner "Idyllen" macht "kapitalistischer Geist" sich noch bemerkbar, nicht zuletzt, weil sie von einer spezifischen Form von Weltfluchtbedürfnissen geprägt sind. Das Neue kann nicht einfach die Fortsetzung des Alten sein; es entfaltet sich erst nach dem Bruch mit ihm.


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