Verkehrswende

G8: VORBEREITUNG AUF DEN GIPFEL 2007 MIT KRITISCHEN BLICKEN AUF DIE ORGANISIERUNG

Die Vorbereitung: Einheit, Zentralität, Geschlossenheit


1. Die Lage zu Beginn
2. Strategietexte zu Beginn
3. Die Vorbereitung: Einheit, Zentralität, Geschlossenheit
4. Welche Strukturen entstanden?
5. Die "Choreografie des Widerstands": Zentral, groß, mediengerecht
6. Der Kampf um die Definitionsmacht in Sachen "Aktionsformen": Gewalt - Ja oder Nein?
7. Gesammelte Bewertungen
8. Weitere Texte, Analysen und Berichte

G8-Arbeitskreis auf der Aktions- und Strategiekonferenz in Frankfurt (Nov. 2005)

Eigentlich hätte das schon reichen können, dieser Arbeitskreis auf dem insgesamt extrem hierarchisch durchgeführten Kongress, wo Fragen aus dem Plenum vorher auf Karten geschrieben werden mußten und mußten von der Kongressleitung nach nicht erkennbaren, aber durchaus politischen Kriterien ausgewählt wurden - z.B. wurden alle kritischen Beiträge zum Kongressverlauf zensiert. Im Arbeitskreis gab es dann einen interessanten Schulterschluss von Attac bis Radikal-Links. Den gab es nicht nur bei der Darstellung, was alles laufen sollte, sondern auch gegen Kritik. Wenn so ein Aufgebot von Wichtigleuten wie Katja Kipping (stellv. Linkspartei-Chefin) über Pedram Shayar (Attac- und gleichzeitig Interventionistische-Linke-Funktionär) bis zu linksradikalen Antira-Leuten Schulter an Schulter und mit üblichen Sprüchen ("Spinner", "so Leute brauchen wir nicht" usw.) gegen Vorschläge antreten, über den Ablauf z.B. von Gegenkonferenzen gegen den G8-Gipfel zu reden, damit nicht einfach wieder nur die gleichen Wichtigleute nacheinander reden, dann weht ein Hauch von neuer Geschlossenheit durch die Bewegungseliten - geschlossen vor allem bei dem Versuch, ihre Dominanzansprüche zu verteidigen und zu sichern. Klar wurde aber auch: Es gibt keine breite Gegenposition - Jahrzehnte deutscher linker Organisierung haben eine extrem hohe Akzeptanz gegenüber Machtausübung entstehen lassen. Dass. z.B. dem unglaublich mackerig auftretenden Attac- und IL-Funktionär Shayar niemand klarmachte, dass er seine Ausgrenzungssprüche sein lassen solle, spricht für sich.


G8-Mobilisierungstreffen (6.-8.1.2006 in Berlin)

Die KonsensbefürworterInnen dominierten das Treffen in den meisten Plenumsphasen deutlich. Klassisch sind der Ersatz von Abstimmungen durch "Feststellungen" der Moderation nach Handzeichen - manchmal reichen nur wenige Hände, um mit dem "OK, dann ..." der moderierenden Person wie ein Abstimmungsergebnis das weitere Prozedere zu bestimmen. Immer wieder auch: In kritischen Phasen sagten drei bis fünf ModeratorInnen nacheinander und außerhalb der Redeliste auch mal was zum Thema ... wer das Mikro hat, hat die Macht.

Einige schön etwas ältere Damen und Herren bildeten einen spürbaren Pöbelblock mit anti-imperialistischem Gehabe. Obwohl sich nie eine Person aus antideutschen Spektren zu Wort meldete, wurde deren Rauswurf mehrfach indirekt gefordert. Und als Kritik an den KonsensfetischistInnen und den damit verbundenen Handzeichen waren Zwischenrufe wie "Epileptiker" und "BSE" zu hören. Behindertenfeindliche Sprüche also inbegriffen ...
Als am letzten Tag eine Gruppe die Idee einer zweimonatigen Fahrradtour vorstellte, kam der Zwischenruf "wohl alles Hartz-IV-Empfänger, was?". Linke Politik an Diskriminierung: Hartz-IV-Empfänger jetzt als Schimpfwort!

Die Phasen mit Kleingruppen wurden von den meisten, die sich später äußerten (und erst recht in den Gesprächen auf dem Innenhof, in den Fluren usw., wo auch die was sagten, die im Plenum den Wichtig-RednerInnen meist nur zuhören), als produktivste Zeit eingestuft. Innerhalb der Sphären derer, die die Mobilisierung zu dominieren versuchen, änderte das aber wenig bis nichts an ihrer Meinung, möglichst viel im Plenum zu arbeiten und möglich viel kollektive Entscheidungen zu treffen.


Aktionskonferenz am 25./26.3. in Rostock

Mobilisierungstreffen in Leipzig (31.3.-2.4.)
Das Anfangsplenum in Leipzig war geprägt durch eine Debatte um den Verlauf und die Diskussionsformen. Einige frühe Wortbeiträge verschiedener Menschen führten zu einer stärkeren Orientierung auf hierarchieärmere Diskussionsformen, einer Ausdehnung von Kleingruppenphasen, der Stärkung der Autonomie von Klein- und Aktionsgruppen und einer kritischen Diskussion über kollektive Entscheidungsfindung. Diese wurde jedoch nicht abgeschafft, aber immerhin beschlossen, vor jeder zentralen Entscheidung deren Notwendigkeit kritisch zu überprüfen und durch besondere Kommunikationsmethoden (Tuschelrunde usw.) stets zu überprüfen, wieweit noch ungehörte Stimmen und Meinungen vorhanden sind. Für einen deutlichen, autonom orientierten linken Zusammenhang waren diese Verfahrensweisen eher ungewöhnlich, sind doch sonst eher kollektive Ausdrucksformen angesagt und gelten auch als Stärke ("gemeinsames Motto", "Geschlossenheit" ...).

Als Folge entstand kein Paradies an Horizontalität, aber eine etwas verbesserte Entscheidungskultur - aus emanzipatorischem Blickwinkel betrachtet. Sichtbar war aber auch, dass Teile der Anwesenden Probleme hatte - nämlich die Teile, die auf starke Kollektivität setzen, um Einheitlichkeit zu erzeugen als Selbstzweck und um diese dann dominieren zu können. Wo Vielfalt und Differenz herrschen, wo aus der Vielfalt freie Kooperation der Teile je nach Wunsch und Bedarf, aber nicht kollektive Entscheidung entstehen, ist es für die AnhängerInnen von gleichgeschalteter Außenpolitik und einer Innenstruktur des MitläuferInnentums bei den Ideen von Bewegungseliten schwer, sich durchzusetzen. Da jedoch die Situation im Plenum des Treffens in Leipzig für Dominanzversuche nur noch sehr eingeschränkt brauchbar war, entstand schon im Laufe des Samstags eine andere Debatte. Völlig unverfroren debattierten klassische Wichtigleute aus den verschiedenen Strömungen und Gruppen mit Dominanzanspruch neben Plenum und Kleingruppen daher über andere Modelle der Dominanz. Am wichtigsten war ja nicht die formale Macht über den Zusammenschluss, sondern die instrumentelle. Das Dissent!-Spektrum benötigt einen einheitlichen Außenauftritt, damit sich Gruppen und SprecherInnen als VertreterInnen des Ganzen aufspielen und damit politisch wichtig machen können, z.B. gegenüber Medien, gegenüber anderen Bündnissen, gegenüber zu mobilisierenden Menschen (die dann nur als MitläuferInnen gedacht werden). Am Abend präsentierten dann plötzlich auf dem Plenum einige die Idee einer starken Pressegruppe mit Außenvertretungskompetenz - hinsichtlich instrumenteller Macht (für andere rede) also eine mit voller Herrschaftstechnologie ausgestattete Führungsgruppe. Zum Teil hatten sogar schon Klärungsprozesse stattgefunden, wer in diese Gruppe gehen sollte. Kackenfrech formulierten VielrednerInnen (z.B. vom NoLager-Netzwerk), dass es wichtig sei, dass erfahrene Personen in dieser Gruppe mitwirken sollten. Das steigerte sich am Sonntagmorgen (nachdem am Samstagabend die Debatte noch in einem heftigen Streit endete) in Bemerkungen, es könne nicht angehen, dass jedeR im Dissent!-Netzwerk (inzwischen war der Name beschlossen) für das Ganze und auch nicht für "xxx aus dem Dissent-Netzwerk" reden könne, weil das zu Missverständnissen führen würde. Wie üblich, wurden die AktivistInnen nur als MitläuferInnen gedacht, gleichzeitig in eigenständige Aktion keinerlei Vertrauen gegeben. Gleichzeitig wurde wörtlich für "mehr Vertrauen" geworben (z.B. von einem NoLager- und einem BUKO-Aktivisten), wenn es darum ging, dass erfahrene BewegungsfunktionärInnen mit besonderer Macht ausgestattet werden sollten (eben in einer nach außen vertretungsberechtigten Pressegruppe).

Bemerkenswert war noch, dass auf dem Leipziger Treffen auch eine Presse-AG stattfand. Deren Ergebnisse interessierten die Wichtigleute zunächst gar nicht. Erst im Verlauf des Streit wurde das Ergebnis der AG, die sogar explizit zum Streit einen Kompromiss formuliert hatte, wichtiger, weil eine Einigung auf die krasse Dominanzposition der daran interessierten Kreise nicht widerstandsfrei gelang. Allerdings bleibt der Verdacht, dass die Presse-AG überhaupt nur beachtet wurde, weil an ihr auch wiederum einzelne "Wichtig-Leute" teilgenommen hatten. Mit dem Ende des Leipziger Treffens war der Versuch, eine hierarchieärmere und horizontalere Organisierung zu versuchen, eher wieder beendet. Das sollte sich beim Folgetreffen in Berlin beweisen ...

Mobilisierungstreffen in Berlin auf dem BUKO
Herrschaftsstrukturell ist dieses Treffen schnell beschrieben: Es bestand im wesentlichen aus Plena. Die Diskussionen der ersten Phasen aus Leipzig spiegelten sich im Ablauf nicht mehr wieder. Der Moderator redete auch am meisten, zudem redeten nur extrem wenige Personen - immer die gleichen und aus den bekannten, sich ständig dominant verhaltenden Gruppen. Diese haben untereinander Meinungsverschiedenheiten, aber Einigkeit in der Frage, die Mobilisierung zentralistisch zu steuern (nur wer am Steuer steht, ist umstritten).

Symptomatisch für die Gesamtsituation war die auf dem Berliner Treffen ganz nebenbei verkündete Planung für einen Blockadetag am 8. Juni 2007 und den Großdemotag am 9. Juni danach. Wer das wann und wo beschlossen hatte, interessierte gar nicht mehr. Den Wichtig-Leuten wird das klar gewesen sein und der Rest übte sich, wie leider üblich, in Tuscheleien am Rande des Plenums, wie bescheuert hier alles sei - hielt aber den Mund und wird als telegene Demo-Staffage und als FlugblattverteilerInnen für die Pläne der Wichtigen zur Verfügung stehen. Ein Hauch von "Von-unten-Organisierung" war nicht mehr spürbar. Damit kann das Geplänkel eine Ebene höher beginnen: Die FunktionärInnen des Dissent! mit denen von Attac, denen von IL usw. Die Menschen werden nur noch als zu dirigierende Masse betrachtet, natürlich eingebunden in Plena, Konferenzen und mehr, bei denen ihnen eine Teilhabe suggeriert wird, die nicht besteht.

Aber halt: Nicht so tun, als wäre das eine Verschwörung von oben. Das ist eine Situation, die überall, vor allem aber in der deutschen Linken naturgesetzmäßig immer wieder auftritt. Nur ist sie kein Naturgesetz, sondern ein tradiertes Rollenmuster, dass wie die Schwerkraft über linken Mobilisierungen liegt und zu immer gleichen Situationen führt. Die Nuancen, die den Prozess von Heiligendamm von den spektakulären Machtkämpfen 1999 in Köln (siehe "Köln-Reader", als Download) unterscheiden werden, haben etwas mit geänderten Diskursen der Machtübung und den Verschiebungen an Handlungsstärke zwischen den Eliten zu tun, aber nicht mit einer Veränderung hin zu Horizontalität und Selbstorganisierung. Daher ist schlicht nichts zu erwarten als die ständige Wiederholung: Das Grundset an linker Langeweile (Gegenkonferenz, Latschdemo, Blockadetag), voraussehbar, dominanzgeprägt (Kampf um beste Redeplätze auf der Großdemo ist dann das wichtigste Geplänkel) setzt sich durch, wichtige Teilströmungen werden um ihren Platz auf dem 2. Rang kämpfen (mal zur "Abwechselung" noch 1-3 Latschdemos an den Tagen vorher mit bestimmten Schwerpunktthemen, damit diese Teilströmungen auch ihre Wichtig-Leute als RednerInnen auf mindestens halbwichtigen Massenereignissen einsetzen können?). Und nur ganz am Rande werden einige Gruppen mit eigenen, kreativen Ideen für spannende Effekte sorgen. Der Blick auf die mythenbeladenen Aktionen von Seattle, Genua oder auch den Castorprotest können dagegen lehren, dass nicht Zentralität und Einheit, sondern Vielfalt und trainierte Handlungsfähigkeit möglichst vieler Teile Widerstandskraft fördern. Doch das ist eigentlich nirgends erwünscht, weder in den Eliten von Bewegung noch bei denen, die das MitläuferInnentum als politisches Programm längst gefressen haben ...

G8-Camp und die Zweiteilung in MacherInnen und MitläuferInnen
Das war kein berauschendes Bild: Von Vorbereitung und Organisierung des Widerstandes im kommenden Jahr war wenig zu sehen - und das Wenige fand vor allem auf Initiative und unter dominanter Anleitung derer statt, die ohne die WortführerInnen z.B. im Dissent!-Spektrum sind. Erschreckend war, dass viele TeilnehmerInnen diese Rollenverteilung selbst gut fanden und gegen Kritik verteidigten. So gab es kaum Organisierungsansätze über die von den ohne dominanten Gruppen und Personen hinaus. Eine Zweiteilung in MacherInnen und MitmacherInnen zementiert sich zunehmend.

Ganz Ähnliches zeigt sich in der Vorbereitung der zweiten Konferenz in Rostock. Schon in der Einladung stehen als Aufrufende die Personen aus den verschiedenen Bündnissen, die in diesen das Wort führen, am meisten reden, wichtige Ämter bekleiden u.ä. So werden die ohnehin Dominanten auch öffentlich als Elite und VertreterInnen des Protestes mehr und mehr herausgehoben - ein sich offensichtlich selbstverstärkender Protest. Für Juni 2007 bleibt da kaum Hoffnung, dass mehr geht als die großen Aktionsvorschläge der Eliten und das Mitmachen der Massen als willige VollstreckerInnen der Ideen anderer. Die Abbildung rechts ist ein Aus dem erlassjahr.de "Entschuldungs-Kurier Extra 1/2006" (S. 1).

Zweite Rostock-Konferenz
Etwas deutlicher traten - weil es wenigstens ein bisschen Streit um die Organisierungsform gab - die hierarchischen Verhältnisse bei der zweiten Konferenz zutage. Inzwischen hatte sich der sog. "Hannoveraner Vorbereitungskreis" gebildet, eine Art selbsternannter Metaebene für die Koordinierung der G8-Proteste. Hier überwogen die StrategInnen, der Anteil hauptamtlicher FunktionärInnen war hoch, aber auch der Rest gehörte zu den Führungseliten in den jeweiligen Strömungen. Von Kirchen bis Linksradikalen waren alle vertreten, aber eben nach Vertretungsprinzip und fast nur Personen, die schon seit Jahren bei allen möglichen Großereignissen als BewegungsführerInnen auftreten - egal welches Thema, egal welcher Anlass, in Deutschland trifft sich immer die etwas gleiche Runde. Neu war hier die größere Beteiligung sog. und selbsternannter Linksradikaler. Gruppen wie NoLager, FelS und das neu gegründete, mit dem Zweck der Hegemonie über linksradikale Strömungen geschaffene Bündnis IL (Interventionistische Linke). Diese versuchten in ihren jeweiligen Strömungen, für ein Mitmachen in der Runde der Großkopferten und für die Akzeptanz der Spielregeln zu werben. Dabei argumentierten sie mit dem immer gleichen Spruch: Nur wer mitmacht, kann was verändern ...

  • Streitpunkt Pressekonferenz
    Wie immer sollten die sog. "Ergebnisse" auf einer Pressekonferenz präsentiert werden. Und wie immer geschah das parallel zum Abschlussplenum, dessen Wert damit auf den Effekt von Brot und Spiele heruntergeschraubt wurde. Dass immer die gleichen Eliten definieren, was das Ergebnis ist, indem sie es per Medien nach draußen geben, ist kein Zufall, sondern gewollt. Ungewöhnlich offen vertrat das Multifunktionär Pedram Shayar (Attac-Chefetage, IL-Chefetage und ständig bei Großereignissen einer der Führer) in einer Mail:
    "Befindlichkeiten kann jeder mensch äussern, wo er will. Auf einer pressekonferenz sprechen verschiedene repräsentant/innen von verschiedenen spektren. Diese vertreten vor allem ihre eigene organisation und sprechen dann nach der gemeinsamen absprachen mit der presse. Du hast das gute recht, menschen zu trauen und zu mistrauen wie du willst, aber wer an welche stelle für attac mit der presse spricht, wird in attac-gremien entschieden. Also wirst du dich mit unserer personalpolitik abfinden müssen :)
    Eine pressekonferenz ist im übrigen FÜR DIE PRESSE und nicht für die konferenzteilnehmer/innen. Insofern ist es sehr unerheblich, ob wir es ankündigen oder nicht, das betrifft die teilnehmer/innen sowieso nicht. Die Besetzung und Durchführung der Pressekonferenz war und ist Gegenstand der Vorbereitungsgruppe.
    Viele grüße pedram"
  • Kritischer Bericht zur Konferenz (gleich heruntergestuft und mit Zensurtitel durch Indymedia bestraft)
  • Bericht zur Aktionskonferenz (offenbar der Richtige, weil auf Indymedia längere Zeit als Top-Artikel)

Andere Bündnisse
Diese Kritik beschreibt vor allem die Geschehnisse des Dissent!-Spektrums. Andere Mobilisierungen sind noch viel deutlicher machtförmig strukturiert und verzichten gleich ganz auf Plena - nicht zugunsten selbstbestimmter Teile, sondern zugunsten von Steuerungsgruppen auf FunktionärInnen, die sich im Zweifelsfall auch mal wochentags vormittags treffen, weil die "Normalen" da ohnehin gar nicht mehr mitgedacht werden.

Im Supermarkt beschissener Organisierungen gibt es also ein reichhaltiges Angebot. Manch Animosität von Schwarz-Kapuzi-Träger mit Attacies täuscht auch eher darüber hinweg, dass im Kern alles recht ähnlich ist. Wer etwas anderes will, kann zur Zeit nur etwas anders machen - aber leider außerhalb jeglicher Vernetzung und Breite an Organisierung. Das deutet an, dass die Ursache für das Desaster nicht nur bei den Eliten liegt, die Selbstorganisierung auch gar nicht wollen. Sondern auch bei denen, die es nicht können oder auch nicht wollen, weil es gar nicht ihr politischer Anspruch ist oder Mitlatschen einfacher ist, aber dennoch für die Selbstwahrnehmung als politisch aktiv und widerständig ausreicht.

Bündnis- und Außenpolitik erfordert und stabilisiert Machtzentren
Abklärungen mit Großstrukturen durch zentrale Gremien
Aus einem Brief des Linkspartei-MdBs Wolfgang Gehrcke an den G8-Koordinierungsausschuss
Katja Kipping und ich werden als Mitglieder des Bundestages gern im Koordinationsausschuss zur Vorbereitung der Aktivitäten zum G8-Gipfel mitarbeiten. Christine Buchholz und Volker Steinke werden uns in der Arbeitsgruppe Demonstration vertreten. Wir halten eine Mitarbeit im Koordinations- und im Demoausschuss für sinnvoll, um die gegenseitige Information und Abstimmung zu verbessern, Synergieeffekte möglich zu machen und um eine Brücke zwischen den Diskussionen im parlamentarischen und außerparlamentarischen Raum zu bilden.
Das Papier des attac-Koordinationskreises zum Verhältnis von Zivilgesellschaft und sozialen Bewegungen zu Parteien haben wir gelesen; es ist anregend, reizt aber gleichzeitig zum Widerspruch. An einer Diskussion sind wir interessiert, nur sollten wir sie so führen, dass die notwendigen Arbeiten zur Vorbereitung der Gipfelaktivitäten dadurch nicht blockiert werden. Eventuell wäre es ja eine sinnvolle Möglichkeit, eine direkte Debatte zwischen dem Koordinierungskreis und Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE. zu organisieren.

Aus dem Protokoll des G8-Proteste-Führungskreises (3.2.07 in Hannover)
Willi hat Grüne und Linke angeschrieben: Grüne wollen noch ein Positionspapier senden, wahrscheinlich wird nur die Demo am 2.6. unterstützt. Peter Wahl berichtet von seinem Gespräch mit Bisky: Parteien sollen keine führende Rolle übernehmen. Katja Kipping berichtet, dass sich Bisky missverstanden fühlte und er das von attac danach rumgeschickte Papier nicht richtig findet. Offene und legitime Vernetzung mit Linke/WASG öffnet auch Türen für weitere Unterstützung durch die Parteien. Peter Wahl: Das Problem bleibt durch die Forderung der Linke/WASG, sich unbedingt massiv einbringen zu wollen, Parteifrage belastet das gesamte Bündnis, Organisationen sind deshalb bereits ausgestiegen. Katja will Synergien anbieten, hält es für absurd, ihre Möglichkeiten nicht zu nutzen. Angebot, sich nur bilateral zu beteiligen. Greenpeace ist parteilos und gewaltfrei und hat enorme Schwierigkeiten mit der Parteifrage. Wenn Parteien öffentlich für das Bündnis wahrgenommen werden, ist Greenpeace draußen. Was fordert Linke/WASG eigentlich? Katja: Teilnahme am Demo-Aufruf (ist geklärt, weil Oskar und Gregor unterschreiben), will nicht bei jeder Pressekonferenz u.ä. dabei sein. Bei Demo-Aufruf werden Personen genannt, keine Parteien. Bei Alternativgipfel sind die Stiftungen beteiligt. ... Katja will nicht jedes Mal neu diskutieren, ihre Anwesenheit soll legitimiert sein.

  • G8-Spiel ... auch nicht ganz ohne die identitären Gruppen, das Innen-Außen und Konkurrenzen zwischen den Identitäten

Linken Eliten ist das noch alles zu wenig strukturiert
Angriff in der Jungle World auf das Radikalen-Bündnis "Dissent" (Quelle), Autorin: Gerda Maler aus der Marburger Gruppe "dissident":
An diesen Mängeln leidet beispielsweise "dissent", ein Netzwerk verschiedener Gruppen, die zum Protest in Heiligendamm aufrufen. Obwohl viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Rostocker Aktionskonferenzen im Dezember und Februar aus diesem Spektrum kamen, gelang es "dissent" aus Mangel an verbindlichen Strukturen nicht, eigene politische Akzente zu setzen. Wer aber wie "dissent" selbst die Teilnahme an der Pressekonferenz verweigert, sollte sich hinterher nicht darüber beklagen, zu wenig wahrgenommen worden zu sein.

Kommentar: Die Kritik ist weder überraschend noch neu. Der überwiegende Teil der Linken ist autoritär veranlagt und träumt von Geschlossenheit, oftmals fast militärischen Strukturen, in denen sie die Menschen wie Setzfiguren umherschieben. Meist halten sie die Basis-AktivistInnen ohnehin für blöd - wobei inhaltliche und strategisch tatsächlich riesige Lücken klaffen, aber davon ist die Jungle World nicht ausgenommen. Möglich - und vielleicht naheliegender - wäre der genau umgekehrte Blick auf Dissent! Könnte nicht die Kraft einer vielfältigen Organisierung gerade durch die ganzen BUKO-, NoLager-, IL-, ÖKOLI- und AVANTI-Knallies zerstört worden sein? Die, die immer nur mit ihrer rhetorischen Gewalt auf Stellvertretung und Einheitlichkeit drängten? An vielfältigen Konzepten wurde bei Dissent! eigentlich nie wirklich gearbeitet. Das könnte das Problem sein. Nicht fehlende Zentralität, sondern fehlende Organisierung von unten. Das ist schließlich das Gegenteil von Desorganisierung, während zentrale Gremien eher sogar ein Interesse daran haben, dass Selbstorganisierung möglichst wenig stattfindet.
Und so entstehen am Ende seltsame Sympathien ... die Spalter von Attac (siehe die Ausgrenzungsdebatten gerade der beiden Attac-Chefs Pedram Shayar und Peter Wahl) sind den Jungle-Worlds plötzlich sehr nahe - Aus dem gleichen Text:

Während bei Attac nach unserer Erfahrung eine hohe Bereitschaft zum Dialog über inhaltliche Kritik vorhanden ist und die Auseinandersetzung mit links radikalen Ansichten gewollt wird, vermissen wir bei den meis ten Linksradi kalen die Fähigkeit, Kritik als Bereicherung anzusehen.

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