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IRRTÜMER DER GENTECHNIKKRITIK

Umwelt- und Biolandverbände fordern mehr Genversuchsfelder und -gelder!!!


1. Einleitung
2. Schwächen der Gentechnikkritik von NGOs und Bewegungsagenturen
3. Umwelt- und Biolandverbände fordern mehr Genversuchsfelder und -gelder!!!
4. In einem Boot? Die überraschende Nähe zwischen Ökos und Gentechnikfirmen
5. Warum passiert das? Von kulturellen Hintergründen verbandlicher Arbeit
6. Sonderfall Kirche: Für und gegen Gentechnik
7. Spalten, abgrenzen, distanzieren: Umwelt-NGOs und direkte Aktionen
8. Bio-Firmen als Nutznießer
9. Die Rolle der Medien
10. Gentechnikkritik von rechts oder aus dem Off
11. Links und Materialien

Neben durchaus richtiger Kritik an der Ausrichtung von Forschung in der Agro-Gentechnik beklagen die Umwelt- und Landbauverbände auch "eine unzureichende finanzielle Ausstattung zur Erforschung existierender Risiken" und dass "eine systematische Risikoanalyse zu Freisetzungen und Monitoring der Folgen für Mensch, Natur und Umwelt völlig untergewichtet" sei (S. 1 f.). Nicht nur die Gentechnikprotagonistin Inge Broer (Uni Rostock) sah darin eine Aufforderung zu mehr Gentechnik-Versuchsanlagen in Deutschland und noch mehr Geldflüssen dorthin. Als "folgerichtig" wird die Forderung des Sachverständigenrates für Umweltfragen benannt, die "Risikoforschung ... zu stärken" (S. 2). Ebenso wird die Forderung nach Einbeziehung "unabhängiger Institut" im Zulassungsverfahren unterstützt. Was Unabhängigkeit bedeuten soll, wird nirgends erklärt. Der Geruch von Klientelbegünstigung zieht in die Forderungsliste ein: "Dafür müssen diese eine Mittelausstattung erhalten, die die Durchführung entsprechender Studien ermöglicht" (S. 2). Sollen hier vor allem eigene Kreise vom großen Förderkuchen der Agro-Gentechnik etwas abgekommen?
Im 9-Punkte-Forderungskatalog wird alles noch deutlicher formuliert. Schon der Einleitungssatz stellt Forschung nicht in Frage, sondern fordert deren Ausbau - aber das Geld sollen nun andere bekommen: "Die Unterzeichner fordern Frau Bundesministerin Schavan auf, folgende Forschungsfragen zu Nachhaltigkeit und ökologischen Risiken jenseits des etablierten Gentechnik-Netzwerkes zu vergeben". Dann folgen etliche Punkte, wie die konkrete Forschung verändert, z.B. standardisiert werden soll. Eine Kritik oder auch nur ein Hinweis darauf, dass Sicherheitsforschung in Deutschland nichts als ein Deckmantel für andere Ziele ist und auch eine antragsgemäß durchgeführte Sicherheitsforschung immer der Untersuchung von Anwendungen dienen würde, fehlt gänzlich. Hier geht es um um eine verbessere Agro-Gentechnikforschung - mehr nicht.
Über den Text verteilt finden sich dann weitere Hinweise, dass Umwelt- und Landbauverbände die Agro-Gentechnik auch gar nicht ablehnen. Das Papier dient dazu, als Partner an den Tischen und Fleischtöpfen der Begünstigten teilnehmen zu können. Selbst die heikelsten Agro-Gentechnikanwendungen werden nicht in Frage gestellt: "Zum Einsatz von Roundup (Glyphosat), dem bedeutendsten der Komplementärherbizide, wird zurzeit in Deutschland nicht geforscht", steht in Punkt 4 des Forderungspapiers. Die deutschen Versuchsfeldbetreiber werden es gerne hören. Sorgen machen sich die Verbände um die "Schwankungen von Toxingehalten in Bt-Pflanzen" (Punkt 5) - auch hier wird die grundsätzliche Akzeptanz der Agro-Gentechnik mehr als deutlich einschließlich der Forderung nach mehr Forschungsgeldern und -feldern. Wenigstens soll das Desaster besser beobachtet werden: "Es müssen Monitoring-pläne entwickelt werden, die auch Langzeiteffekte von GVO verlässlich erfassen", fordern die Verbände im Punkt 8 selbst, dass die Gentechnikwissenschaft noch einen Zusatzverdienst erhalten soll.
Klassisch ist auch die gesamte Orientierung aus dem bösen US-Mais MON810. Zu den deutschen Genversuchsfelder, die angeblich der Forschung dienen, findet sich kein Wort. Monsanto muss als einziger Prügelknabe herhalten, Bayer, BASF und KWS werden geschont. Basteln hier deutsche UmweltschützerInnen an deutschen Weltmarktinteressen mit?
Den AutorInnen des 9-Punkte-Planes wurde die Kritik an dem Papier vor allem von BasisaktivistInnen aus gentechnikfreien Regionen, Aktionsgruppen und auch Gliederungen der Umweltverbände mehrfach deutlich vermittelt. Doch im Januar 2010 veröffentlichten sie das Papier als zentrales Dokument im kritischen Agrarbericht 2010. Auch hier geht es fast nur um US-Gentechprodukte. Die Amflora wird nur am Rande erwähnt, die KWS hat es nicht einmal ins Stichwortverzeichnis geschafft. Deutsche Genfelder, die Debatte um die Cholera-Kartoffel, Aktivitäten gegen deutsche Genfelder und Seilschaften - kein Wort davon. Die Gentechnik-Redakteurin des Agrarbericht, Heike Moldenhauer (Leiterin Gentechnikreferat beim BUND) setzte mit ihrem umrahmenden Artikel gleich noch einen drauf. Sie kritisierte die die "einseitige" Ausrichtung des Kampfes gegen Hunger und Klimawandel auf Gentechnik (S. 247). Also: Die Agro-Gentechnik ist schon okay, nur bitte auch was anderes. In dieser Form zeigen sich auch die Apparate der Umwelt- und Landbauverbände als "beratungs- und kritikresistent" gegenüber Positionen aus der Breite der Bewegungen. Offenbar sind sie strukturell von denen, die sie da sanft kritisieren, nicht soweit entfernt.
Quellen: 9-Punkte-Papier u.a. von BÖLW, Greenpeace, DNR, Nabu und BUND (21.7.2009)
Heike Moldenhauer: Rückblick 2009: Ein Schritt vor - zwei zurück?

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