REVISIONSSCHRIFT DES ANGEKLAGTEN P.N.
Verletzung StPO § 24, Abs. 2 und Verletzung des Gesetzes nach StPO § 338, Satz (Verfahrensrüge)
1. Revisionsschrift des Angeklagten P.N.
2. Verletzung des § 275 und § 338 Abs. 7 (Verfahrensrüge)
3. Verletzung des § 260. Abs. 1 (Verfahrensrüge)
4. Verletzung des § 147, Abs. 7 StPO (Verfahrensrüge)
5. Gewalttätiges Auftreten an der Eingangskontrolle
6. Entfernung von Personen mit abweichender Kleidung
7. Verletzung des § 261 II StPO (Verfahrensrüge)
8. Verletzung des § 261 im Urteil zu den Anklagepunkten 1-8 (Verfahrensrüge)
9. Verletzung StPO § 24, Abs. 2 und Verletzung des Gesetzes nach StPO § 338, Satz (Verfahrensrüge)
10. Ablehnung der Beiordnungsanträge (Verfahrensrüge)
11. Bruch von Vereinbarungen bei Terminplanung u.a. (Verfahrenrüge)
12. Sachrüge
13. Sachliche Fehler zum Anklagepunkt 9 (Hausfriedensbruch am 27 März 2003)
14. Links
Am 5. Verhandlungstag (7 April 2005) stellten die Angeklagten einen Befangenheitsantrag gegen die Schöffin Ursula Schmidt wegen derer Mitwirkung im SPD-Unterbezirk Gießen (Bl. 133, Band V). Im Verhandlungsablauf zeigte sich, dass gegen die Angeklagten als Begründung für polizeiliche Massnahmen eine Sachbeschädigung vorgebracht wurde, bei der dieser SPD-Unterbezirk die Strafanzeige gestellt hatte.
Bereits am ersten Verhandlungstag waren alle Mitglieder der Strafkammer über ihre politischen Ämter befragt worden. Dabei erwähnte die Schöffin Ursula Schmidt neben lokalen Ämtern ihre Mitgliedschaft in der Kreistagsfraktion der SPD, die über eine Parteiversammlung des SPD-Unterbezirks Gießen zusammengestellt wurde (Wahl der Liste).
Erst in der Erklärung der Schöffin Ursula Schmidt zum Befangenheitsantrag gab diese ein weiteres, viel wichtigeres Amt in der SPD zu (Blatt 153, Band V): "Den Unterbezirksvorstand der SPD gehöre ich seit dem 4.2.04 an." Dieses hatte sie am ersten Verhandlungstag, als sie zu ihren Ämtern befragt wurde, verschwiegen.
Dazu erfolgte Stellungnahmen der Angeklagten zur Erklärung der Schöffin Ursula Schmidt, in dem auf diese Äußerung Bezug genommen wird und der Verdacht der Befangenheit als gesteigert benannt wird. Aus der Erklärung des Angeklagten Bergstedt (Blatt 157, Band V): "Mit ihrer Erklärung hat die Schöffin eingeräumt, nicht nur als vom Unterbezirksverband der SPD aufgestellte Abgeordnete im Kreistag des Landkreises Gießen zu wirken, sondern seit dem 4.2.2004 sogar selbst im Vorstand dieser Gliederung zu sitzen. Damit muss der Befangenheitsantrag sogar noch deutlicher ausfallen, weil nun klargestellt ist, dass die Schöffin sogar im zentralen Gremium der Organisation steht, die für einen im Prozess zwar nicht angeklagten, aber doch in mehrfacher Hinsicht und bei inzwischen mehreren Anklagepunkten relevanten Vorgang die Strafanzeige gestellt hat. Die weiteren Ausführungen der Schöffin entkräften die Gefahr einer Befangenheit nicht. Nicht der Nachweis der Befangenheit ist für die Ablehnung einer/s RichterIn von Belang, sondern der Nachweis einer Gefahr der Befangenheit, nach der Formulierung der StPO reicht bereits das "Misstrauen gegen die Unparteilichkeit" (§ 24, 2). Die Schöffin nimmt zu den im Befangenheitsantrag aufgestellten Bezügen der Strafanzeige des SPD-Unterbezirks Gießen zu prozessrelevanten Themen keine Stellung, so dass unterstrichen wird, dass diese unangefochten bleiben."
Der Antrag auf Befangenheit wurde trotzdem abgelehnt (B. 158-160, Band V), u.a. wegen eines vermeintlich verspäteten Zeitpunktes des Antrags. In der Gegenvorstellung zum Beschluss zur Schöffin Ursula Schmidt führten die Angeklagten an (Bl. 167, Band V):
"Der Beschluss wird hiermit gerügt.
Die Gründe sind folgende:
1. Die Behauptung, das Ablehnungsgesuch sei nicht rechtzeitig eingebracht, ist falsch begründet. Dort wird behauptet, die zum Ablehnungsgesucht führenden Tatsachen seien frühzeitig bekannt gewesen. Das stimmt nicht. Wie im Ablehnungsgesucht beschrieben, ist die Bedeutung der Wahlplakateveränderung am 3.1.2003 erst im Verlauf der Vernehmung von Herrn Puff erfolgt. Daraufhin wurde Akteneinsicht beantragt, da die hierfür notwendigen Unterlagen nicht Teil der überlassenen Akten sind. Diese wurde erste zu Ende des Prozesstages möglich. Bereits zu Beginn des Folgetages wurde der Befangenheitsantrag gestellt. Es sind also keine Verzögerungen eingetreten.
2. Hinzu kommt, dass die Information, die Schöffin sei sogar Mitglied des SPD-Unterbezirksvorstandes, erst später aufkam. Das ist auch bemerkenswert, weil die Schöffin dieses bei der Nachfrage am 1. Verhandlungstag nicht sagte. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Schöffin das mit oder ohne Absicht unterließ. Es erhöht aber den Verdacht der Befangenheit, dass die Schöffin ihr Amt nicht nannte, weil dieses dadurch begründet sein kann (nicht muss), dass sie dieses Amt selbst als problematisch für eine unbefangene Schöffinnentätigkeit einstufte.
3. Hinsichtlich dieses Punktes 2. ist auch der Beschluss selbst fehlerhaft, da die Schöffin dieses Amt gerade nicht angab.
4. Das Ablehnungsgesuch ist nach hiesiger Meinung weiterhin begründet. Die Aufregung um die parteienkritischen Aktionen in den Wahlkämpfen war in allen Parteien groß. Die SPD hat sich auch mehrfach in der Presse geäußert. Ich wurde auf SPD-Versammlungen beschimpft, der Unterbezirksvorstand beschäftigte sich auf seinen Sitzungen mit den Protesten und den Umgang mit Personen aus dem sog. Umfeld der Projektwerkstatt.
5. Dass nur persönlicher Betroffenheit als Befangenheit gilt, ist eine unsinnige Auslegung, da es für die Frage einer Befangenheit nicht darauf ankommt, welchen Typus diese hat. Das wurde auch im ersten Berufungsversuch deutlich, wo die Schöffin ihre Befangenheit einräumte wegen ihrer Ämter und Zugehörigkeit zur CDU.
6. Der Hinweis, dass auch andere Wahlplakate anderer Parteien betroffen gewesen seien, ist für die Frage der Befangenheit gänzlich belanglos.
Die Bedenken gegen die Schöffin Schmidt bleiben daher bestehen."
Die Rechtzeitigkeit des Befangenheitsantrags ergibt sich auch aus dem § 25, Abs. 2 StPO. Darin heißt es: "Nach diesem Zeitpunkt darf ein Richter nur abgelehnt werden, wenn
1. die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, erst später eingetreten oder dem zur Ablehnung Berechtigten erst später bekanntgeworden sind und
2. die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird."
Beide Kriterien waren, wie die Ausführungen der Gegenvorstellung benennt, erfüllt. Der Ablauf der Abgabe des Befangenheitsantrags ist im Protokoll der Verhandlung (Blatt 130) zu ersehen. Danach wurde der schon vor Beginn der Verhandlung im Gerichtssaal aufenthältliche Zeuge Steyskal wieder aus dem Saal geschickt, weil der Angeklagte Bergstedt sich sofort meldete und den Befangenheitsantrag ankündigte. Es verging also keinerlei weitere Zeit.
Zur Frage nach den politischen Ämtern am ersten Verhandlungstag verzeichnet das Protokoll leider nicht, welche Antwort die SchöffInnen gaben (Blatt 52). Die Ausführungen im Befangenheitsantrag und in der Gegenvorstellung dazu sind aber auch vom Gericht in den ablehnenden Beschlüssen nicht angezweifelt worden. Wenn aber davon auszugehen ist, dass die Schöffin Schmidt tatsächlich ihr wichtigstes Parteiamt verschwieg, ergibt das einen deutlichen Hinweis für die Berechtigung der Gefahr der Befangenheit.
Der Verdacht der Befangenheit ist durch die Gerichtsbeschlüsse nicht ausgeräumt worden. Auf den wichtigsten Punkt der SPD-Vorstandstätigkeit und der Tatsache, dass dieses von der Schöffin zunächst nicht genannt wurde, ist das Gericht gar nicht eingegangen (Verstoß gegen StPO § 24, Abs. 2 und Verletzung des Gesetzes nach StPO § 338, Satz 3). Die fehlerhafte Gerichtsbesetzung ist ein absoluter Revisionsgrund.
Bereits am ersten Verhandlungstag waren alle Mitglieder der Strafkammer über ihre politischen Ämter befragt worden. Dabei erwähnte die Schöffin Ursula Schmidt neben lokalen Ämtern ihre Mitgliedschaft in der Kreistagsfraktion der SPD, die über eine Parteiversammlung des SPD-Unterbezirks Gießen zusammengestellt wurde (Wahl der Liste).
Erst in der Erklärung der Schöffin Ursula Schmidt zum Befangenheitsantrag gab diese ein weiteres, viel wichtigeres Amt in der SPD zu (Blatt 153, Band V): "Den Unterbezirksvorstand der SPD gehöre ich seit dem 4.2.04 an." Dieses hatte sie am ersten Verhandlungstag, als sie zu ihren Ämtern befragt wurde, verschwiegen.
Dazu erfolgte Stellungnahmen der Angeklagten zur Erklärung der Schöffin Ursula Schmidt, in dem auf diese Äußerung Bezug genommen wird und der Verdacht der Befangenheit als gesteigert benannt wird. Aus der Erklärung des Angeklagten Bergstedt (Blatt 157, Band V): "Mit ihrer Erklärung hat die Schöffin eingeräumt, nicht nur als vom Unterbezirksverband der SPD aufgestellte Abgeordnete im Kreistag des Landkreises Gießen zu wirken, sondern seit dem 4.2.2004 sogar selbst im Vorstand dieser Gliederung zu sitzen. Damit muss der Befangenheitsantrag sogar noch deutlicher ausfallen, weil nun klargestellt ist, dass die Schöffin sogar im zentralen Gremium der Organisation steht, die für einen im Prozess zwar nicht angeklagten, aber doch in mehrfacher Hinsicht und bei inzwischen mehreren Anklagepunkten relevanten Vorgang die Strafanzeige gestellt hat. Die weiteren Ausführungen der Schöffin entkräften die Gefahr einer Befangenheit nicht. Nicht der Nachweis der Befangenheit ist für die Ablehnung einer/s RichterIn von Belang, sondern der Nachweis einer Gefahr der Befangenheit, nach der Formulierung der StPO reicht bereits das "Misstrauen gegen die Unparteilichkeit" (§ 24, 2). Die Schöffin nimmt zu den im Befangenheitsantrag aufgestellten Bezügen der Strafanzeige des SPD-Unterbezirks Gießen zu prozessrelevanten Themen keine Stellung, so dass unterstrichen wird, dass diese unangefochten bleiben."
Der Antrag auf Befangenheit wurde trotzdem abgelehnt (B. 158-160, Band V), u.a. wegen eines vermeintlich verspäteten Zeitpunktes des Antrags. In der Gegenvorstellung zum Beschluss zur Schöffin Ursula Schmidt führten die Angeklagten an (Bl. 167, Band V):
"Der Beschluss wird hiermit gerügt.
Die Gründe sind folgende:
1. Die Behauptung, das Ablehnungsgesuch sei nicht rechtzeitig eingebracht, ist falsch begründet. Dort wird behauptet, die zum Ablehnungsgesucht führenden Tatsachen seien frühzeitig bekannt gewesen. Das stimmt nicht. Wie im Ablehnungsgesucht beschrieben, ist die Bedeutung der Wahlplakateveränderung am 3.1.2003 erst im Verlauf der Vernehmung von Herrn Puff erfolgt. Daraufhin wurde Akteneinsicht beantragt, da die hierfür notwendigen Unterlagen nicht Teil der überlassenen Akten sind. Diese wurde erste zu Ende des Prozesstages möglich. Bereits zu Beginn des Folgetages wurde der Befangenheitsantrag gestellt. Es sind also keine Verzögerungen eingetreten.
2. Hinzu kommt, dass die Information, die Schöffin sei sogar Mitglied des SPD-Unterbezirksvorstandes, erst später aufkam. Das ist auch bemerkenswert, weil die Schöffin dieses bei der Nachfrage am 1. Verhandlungstag nicht sagte. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Schöffin das mit oder ohne Absicht unterließ. Es erhöht aber den Verdacht der Befangenheit, dass die Schöffin ihr Amt nicht nannte, weil dieses dadurch begründet sein kann (nicht muss), dass sie dieses Amt selbst als problematisch für eine unbefangene Schöffinnentätigkeit einstufte.
3. Hinsichtlich dieses Punktes 2. ist auch der Beschluss selbst fehlerhaft, da die Schöffin dieses Amt gerade nicht angab.
4. Das Ablehnungsgesuch ist nach hiesiger Meinung weiterhin begründet. Die Aufregung um die parteienkritischen Aktionen in den Wahlkämpfen war in allen Parteien groß. Die SPD hat sich auch mehrfach in der Presse geäußert. Ich wurde auf SPD-Versammlungen beschimpft, der Unterbezirksvorstand beschäftigte sich auf seinen Sitzungen mit den Protesten und den Umgang mit Personen aus dem sog. Umfeld der Projektwerkstatt.
5. Dass nur persönlicher Betroffenheit als Befangenheit gilt, ist eine unsinnige Auslegung, da es für die Frage einer Befangenheit nicht darauf ankommt, welchen Typus diese hat. Das wurde auch im ersten Berufungsversuch deutlich, wo die Schöffin ihre Befangenheit einräumte wegen ihrer Ämter und Zugehörigkeit zur CDU.
6. Der Hinweis, dass auch andere Wahlplakate anderer Parteien betroffen gewesen seien, ist für die Frage der Befangenheit gänzlich belanglos.
Die Bedenken gegen die Schöffin Schmidt bleiben daher bestehen."
Die Rechtzeitigkeit des Befangenheitsantrags ergibt sich auch aus dem § 25, Abs. 2 StPO. Darin heißt es: "Nach diesem Zeitpunkt darf ein Richter nur abgelehnt werden, wenn
1. die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, erst später eingetreten oder dem zur Ablehnung Berechtigten erst später bekanntgeworden sind und
2. die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird."
Beide Kriterien waren, wie die Ausführungen der Gegenvorstellung benennt, erfüllt. Der Ablauf der Abgabe des Befangenheitsantrags ist im Protokoll der Verhandlung (Blatt 130) zu ersehen. Danach wurde der schon vor Beginn der Verhandlung im Gerichtssaal aufenthältliche Zeuge Steyskal wieder aus dem Saal geschickt, weil der Angeklagte Bergstedt sich sofort meldete und den Befangenheitsantrag ankündigte. Es verging also keinerlei weitere Zeit.
Zur Frage nach den politischen Ämtern am ersten Verhandlungstag verzeichnet das Protokoll leider nicht, welche Antwort die SchöffInnen gaben (Blatt 52). Die Ausführungen im Befangenheitsantrag und in der Gegenvorstellung dazu sind aber auch vom Gericht in den ablehnenden Beschlüssen nicht angezweifelt worden. Wenn aber davon auszugehen ist, dass die Schöffin Schmidt tatsächlich ihr wichtigstes Parteiamt verschwieg, ergibt das einen deutlichen Hinweis für die Berechtigung der Gefahr der Befangenheit.
Der Verdacht der Befangenheit ist durch die Gerichtsbeschlüsse nicht ausgeräumt worden. Auf den wichtigsten Punkt der SPD-Vorstandstätigkeit und der Tatsache, dass dieses von der Schöffin zunächst nicht genannt wurde, ist das Gericht gar nicht eingegangen (Verstoß gegen StPO § 24, Abs. 2 und Verletzung des Gesetzes nach StPO § 338, Satz 3). Die fehlerhafte Gerichtsbesetzung ist ein absoluter Revisionsgrund.