WAS IST DER QUARK AM WÄHLEN?
Stoppt Schröder! Zur Vorstellung des CDU/CSU-"Startprogramms"
1. Zustimmung von unten für die Pläne von oben!
2. Ökologische Linke zur Bundestagswahl 2002
3. Stoppt Schröder! Zur Vorstellung des CDU/CSU-"Startprogramms"
4. Position der isl
5. Den ganz billigen Protest wählen?
6. Stoppt den Wahlzirkus!
7. Die Aliens sind unter uns: Moderne Herrschaft als Integration
8. Materialien
Kommentar von Rainer Balcerowiak in: Junge Welt, 31.8.02
Nichts wesentlich neues enthält das "Startprogramm Deutschland", das Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber am Freitag vorstellte. Man präsentierte sich als Phrasendreschmaschine mit beschränkter Haftung, denn alle angekündigten Wohltaten für Mittelstand und Familien stehen unter dem strikten Vorbehalt, daß die Wirtschaft kräftig wächst, worauf ein möglicher künftiger Bundeskanzler Stoiber aber ebensowenig Einfluß haben wird, wie der jetzige Amtsinhaber. Kernpunkt der CDU/CSU ist Deregulierung pur, vom Arbeitsmarkt über die Sozialsysteme bis hin zur Aussetzung des Verbandsklagerechts gegen neue Verkehrswege. Da man sich in diesen Punkten kaum von der SPD unterscheidet, bemühen sich die Unionsparteien wenigstens im Bereich der inneren Repression und der Migrationspolitik, den von Otto Schily in den letzten Jahren im Turbotempo durchgesetzten Abbau demokratischer Rechte zu toppen. Heraufsetzung der Höchststrafe für Jugendliche auf 15 Jahre, mehr Sicherheitsverwahrung, DNA-Karteien schon für eines Sexualdelikts Verdächtige, Einsatz der Bundeswehr bei inneren Unruhen und weitere Abschottung gegen Flüchtlinge sind Forderungen, die auf das rechtspopulistische Wählerpotential zielen und für deren Scheitern Stoiber schon mal vorsorglich den wahrscheinlichen Koalitionspartner FDP verantwortlich macht. Bemerkenswert höchstens noch die demonstrative Ignoranz der Unionisten gegenüber Umweltfragen –, offenbar in festem Vertrauen auf die kurze Halbwertzeit von Katastrophenmeldungen – und das völlige Einschwenken auf die Schröder-Umkehrlinie für den Fall eines US-Angriffs auf den Irak, bis hin zum möglichen Abzug der deutschen Soldaten aus Kuwait.
Eine großangelegte "Stoppt Stoiber"-Kampagne, wie sie von vielen linken Parteien und Gruppen von der PDS bis zu Linksruck und SAV jetzt inszeniert wird, rechtfertigt diese schlabbrige Mischung aus neoliberalem Mainstream und populistischem Gedöns keineswegs. Als kryptofaschistisches Schreckgespenst eignen sich der reaktionäre bayrische Bürokrat und sein "Kompetenzteam" jedenfalls nicht. Jede denkbare Regierungsmehrheit nach dem 22.September, von CDU/FDP bis SPD/Grünen (PDS), wird eine forcierte Politik des Sozialabbaus und der Umverteilung von unten nach oben in den Mittelpunkt stellen und weitere kriegerische Aktionen der Bundeswehr in die Wege leiten. Dagegen muß und wird es Widerstand in Betrieben, Schulen, Universitäten und auf der Straße geben, egal wie der künftige Bundeskanzler heißt. Wer jetzt "Stoppt Stoiber" brüllt und eigentlich "Wählt Schröder" meint, zeigt, daß er genau diesen Widerstand nicht will.
Erklärung der internationalen sozialistischen linken (isl) zur politischen Lage im Vorfeld der Bundestagswahlen
Die Zeit ist reif für eine radikale, wirklich linke Alternative
Die letzten Jahre konnten keine Zweifel über den Charakter der kapitalistischen Klassengesellschaft, in der wir leben, aufkommen lassen. Trotzdem gibt es keine organisierte und gesellschaftlich wahrnehmbare linke Opposition. Die Aufhebung dieses Widerspruches wird das wichtigste Ziel der antikapitalistischen Kräfte in den nächsten Jahren sein müssen.
Die klassenpolitischen Ziele der Bourgeoisie, wie sie sich im Vorfeld der kommenden Bundestagswahlen artikulieren, sind im wesentlichen folgende:
- Die Profitrate soll weiter saniert werden. Dies geht letztlich nur durch eine weitere drastische Anhebung der Mehrwertrate, also durch verstärkte Ausbeutung der Beschäftigten. Dafür soll der Niedriglohnsektor ausgeweitet und dauerhaft etabliert werden, um noch mehr Druck auf die Reallöhne und die Arbeits- und Lebensbedingungen der abhängig Beschäftigten insgesamt auszuüben. Alle Maßnahmen in diesem Zusammenhang werden mit einem angeblichen Kampf gegen die Massenerwerbslosigkeit motiviert. Damit soll von der wirklichen Absicht abgelenkt werden. In Wirklichkeit ist die Massenerwerbslosigkeit das wichtigste Druckmittel gegen die Lohnabhängigen.
- Der Staatshaushalt, defizitär durch einen konsequenten Kurs zugunsten des Kapitals, soll durch weitere Sparpolitik zu Lasten der abhängig Beschäftigten und Besitzlosen entlastet werden. Erste Opfer sind immer die, von denen am wenigsten Gegenwehr erwartet wird. Es geht um die Fortsetzung der Umverteilung von unten nach oben. Sämtliche rentablen Staatssektoren sollen aus dem gleichen Grund privatisiert und dem Diktat des Kapitals unterworfen werden. Dies bewirkt nicht wie vorgegeben mehr Effizienz für die Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern einen Abbau zivilisatorischer Mindeststandards insbesondere bei den öffentlichen Dienstleistungen.
- Außenpolitisch sollen die letzten Reste der Beschränkungen durch die Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg und durch das Erbe des verbrecherischen Nazi-Regimes überwunden werden. Dazu bedarf es eines Sitzes im UNO-Sicherheitsrat, und dazu bedarf es vor allem der Legitimation für Bundeswehreinsätze in aller Welt. Die ersten im fernen Land toten Bundeswehrsoldaten bezeugen: Die Zeit ist vorbei, in der es auch in der etablierten Politik hieß, von deutschem Boden dürfe nie wieder Krieg ausgehen! Zunächst scheint sich Deutschland auf Hilfsdienste für die USA zu beschränken. Doch Deutschland steht mit Frankreich an der Sitze der EU, die selber Militärmacht werden will, und in Konkurrenz zu den USA und Japan. Das Ziel ist klar: Man will wieder „normale“ Großmacht werden.
- Innenpolitisch ist das wichtigste Ziel, jeglichen Widerstand einzubinden oder einzudämmen und das Aufkommen einer authentisch linken Opposition zu unterbinden, die bei der Verwirklichung dieser Pläne stören könnte. Der SPD, die dies mit der Grünen Partei so erfolgreich durchgeführt hat, fällt dabei die Rolle der Zähmung der PDS zu, die bislang an ihrem sozialistischen Anspruch und an ihrem „Nein“ zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr festhält.