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Kasseler Gericht und Bayrischer Verwaltungsgerichtshof finden Demo-Einschränkungen richtig!


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Rechts: Frankfurter Rundschau, 10.5.2005 (S. 33)
Aus dem Urteil
Nr: MWRE104250200
Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München 24. Senat
Datum: 16. April 2002
Az: 24 ZB 01.1338
NK: VersammlG § 15 Abs 1, GG Art 8 Art 3

Leitsatz
Die Erhebung von Kosten für die Festlegung von Auflagen nach § 15 Abs 1 Versammlungsgesetz (VersammlG) auf der Grundlage des Kostengesetzes ist mit Art 8 GG vereinbar

Fundstelle
DÖV 2002, 785-786 (Leitsatz und Gründe)
BayVBl 2002, 633-635 (Leitsatz und Gründe)
NVwZ 2003, 114-115 (Leitsatz und Gründe)

weitere Fundstellen
KommunalPraxis BY 2002, 358 (Leitsatz)

Verfahrensgang:
vorgehend VG München 28. Februar 2001 M 7 K 00.3379

Tatbestand
I.
Am 10. Dezember 1999 meldete ein Vertreter des Klägers bei der Landeshauptstadt München per Fax für den gleichen Tag eine öffentliche Versammlung vor dem Europäischen Patentamt an. Die Stadt erteilte hierfür wegen der Eilbedürftigkeit mündlich Auflagen. Am gleichen Tag erließ die Beklagte für die mündlich erteilten Auflagen einen Kostenbescheid in Höhe von 40 DM.
Mit Urteil vom 28. Februar 2001 hat das Verwaltungsgericht die auf Aufhebung des Kostenbescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids gerichtete Klage abgewiesen.
Der Kläger beantragt die Berufung gegen das Urteil wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache sowie wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Die Beklagte und die Landesanwaltschaft Bayern treten dem Antrag entgegen.

Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung führt nicht zum Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht, da keine gewichtigen Gründe dafür sprechen, dass der Kläger in einem Berufungsverfahren obsiegen könnte. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der streitgegenständliche Kostenbescheid, mit dem dem Kläger für die Erteilung der mündlichen Auflagen für die Versammlung auf der Grundlage des Kostengesetzes i.V.m. Kostenverzeichnis Kosten in Höhe von 40 DM auferlegt worden sind, rechtmäßig ist.
Der Kläger bestreitet nicht, dass die formalen Voraussetzungen für die Erhebung der Kosten mit den landesgesetzlichen Vorschriften (Art. 1, 2, 16 KG i.V.m. Tarifstelle Nr. 36.4 Kostenverzeichnis) erfüllt sind, sieht jedoch diese landesrechtlichen Kostenbestimmungen wegen Verstoßes gegen das umfassende Recht auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG als verfassungswidrig an. Wenn schon beachtliche Stimmen in der Rechtsliteratur die in § 14 VersammlG geregelte Anmeldepflicht für Versammlungen unter freiem Himmel wegen Verstoßes gegen Art. 8 GG als verfassungswidrig ansähen, müsse dies erst recht für die Erhebung von Kosten nach erfolgter Anmeldung gelten.
Dem folgt der Senat nicht. Zwar ist das Vorbringen des Klägers zutreffend, dass die in § 14 Abs. 1 VersG normierte Anmeldepflicht angesichts des umfassenden Wortlauts des Art. 8 GG umstritten ist (für Unvereinbarkeit vgl. u.a. Jarras/Pieroth, GG, 6. Aufl. RdNr. 17 zu Art. 8; Höfling in Sachs, GG, 2. Aufl., RdNr. 57 f zu Art. 8). Das Verwaltungsgericht hat jedoch in diesem Zusammenhang zu Recht darauf verwiesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Anmeldepflicht bei verfassungskonformer Auslegung nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfGE 69, 315/357; E 85, 69/74). Für Eilversammlungen wie der vorliegenden hat es festgestellt, dass Art. 14 VersG mit Blick auf Art. 8 GG verfassungskonform dahin auszulegen ist, dass die Versammlung anzumelden ist, sobald die Möglichkeit dazu besteht (vgl. BVerfGE 85, 69 Leitsatz 1). Das Bundesverfassungsgericht sieht den Sinn der Anmeldepflicht darin, den Behörden diejenigen Informationen zu vermitteln, die sie benötigen, um Vorkehrungen zum störungsfreien Verlauf der Veranstaltung und zum Schutz von Interessen Dritter oder der Gesamtheit treffen zu können. Eine Verständigung zwischen Ordnungsbehörde und Veranstalter soll letztlich dem störungsfreien Verlauf der Versammlung dienen (BVerfGE 85, 69/74 m.w.N.). Auch wenn der streitgegenständliche Kostenbescheid faktisch im Zusammenhang mit der Anmeldung der Versammlung steht, ist hervorzuheben, dass die Kosten nicht für die Anmeldung der Versammlung erhoben werden, insbesondere wird nicht etwa die Durchführung der erlaubnisfreien Versammlung von der Entrichtung von Gebühren konditional abhängig gemacht. Das Kostengesetz in Verbindung mit Nr. 36.4 des Kostenverzeichnisses (neu: Nr. 2 II.2/3) sieht die Erhebung von Kosten für das Verbot oder die Festlegung von Auflagen nach § 5 oder § 15 Abs. 1 VersammlG vor, also für Entscheidungen der Versammlungsbehörde, die vom Veranstalter nicht beantragt worden sind, sondern von der Versammlungsbehörde von Amts wegen verfügt werden. Hierbei handelt es sich um belastende Verwaltungsakte, die vorliegend bestandskräftig geworden sind.

Die für die genannte Amtshandlung erhobene Verwaltungsgebühr in Höhe von 40 DM verstößt nicht gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, denn sie ist in ihrer konkreten Höhe objektiv nicht geeignet, das verfassungsrechtliche Recht auf Versammlungsfreiheit zu beschränken oder gar auszuhöhlen. Gleiches gilt für den festgelegten Gebührenrahmen zwischen 30 und 400 DM, der je nach dem angefallenen Verwaltungsaufwand die Gebührenhöhe bestimmt. Insoweit ist nochmals hervorzuheben, dass die streitgegenständliche Verwaltungsgebühr nur dann anfällt, wenn im Einzelfall aus Gründen der Gefahrenabwehr Auflagen nach § 15 Abs. 1 VersG erlassen werden müssen. Die Festlegung von Auflagen durch die Versammlungsbehörde dient letztlich der Durchführbarkeit der Versammlung. Insoweit wird nochmals darauf verwiesen, dass auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts von der Versammlungsbehörde Vorkehrungen zum störungsfreien Verlauf der Veranstaltung und zum Schutz anderer Rechtsgüter getroffen werden müssen. Im Übrigen hängt es von der konkreten Ausgestaltung der einzelnen Versammlung, wie sie der Veranstalter vorsieht, ab, ob nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 VersG aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Auflagen überhaupt veranlasst sind. Da in diesem Fall die entsprechende Prüfung durch die Versammlungsbehörde veranlasst ist und die Festlegung von Auflagen eine Amtshandlung im Sinne des Kostengesetzes darstellt, ist die Erhebung der Verwaltungsgebühr grundsätzlich nicht verfassungswidrig. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber insoweit ein Regulativ in Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 KG vorgesehen. Danach sind zwar Amtshandlungen, die überwiegend im öffentlichen Interesse von Amts wegen vorgenommen werden, kostenfrei, es sei denn, sie sind von einem Beteiligten veranlasst; von einer Kostenauferlegung ist jedoch dann abzusehen, wenn sie der Billigkeit widerspricht. Auch wenn es verfassungsrechtlich nicht geboten ist, Auflagen nach § 15 Abs. 1 VersG generell von der Kostenpflicht auszunehmen, trägt die Billigkeitsregelung grundsätzlich dazu bei, im Einzelfall - etwa bei Mittellosigkeit des Veranstalters - von der Erhebung abzusehen.
Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass der im Kostenverzeichnis festgelegte Gebührenrahmen keine erdrosselnde Wirkung hat und objektiv nicht geeignet ist, die Bereitschaft zu demonstrieren zu behindern.

Zu Unrecht rügt die Klägerseite auch, dass die Erhebung der Verwaltungsgebühr für Auflagen nach § 15 Abs. 1 VersG deswegen nicht mit dem Gleichheitssatz vereinbar sei, weil zwar Entscheidungen der Versammlungsbehörde nach Maßgabe des Kostengesetzes kostenpflichtig sind, während Auflagen, die von der Polizei während einer Versammlung verfügt werden, kostenfrei sind. Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 1 KG sind Amtshandlungen der Polizei, die diese in Erfüllung ihrer Aufgaben nach Art. 2 PAG vornimmt, kostenfrei, es sei denn, dass sie beantragt oder sonst veranlasst sind und nicht überwiegend im öffentlichen Interesse vorgenommen werden. Die unterschiedliche Regelung ist sachlich darin begründet, dass es sich bei der Entscheidung der Versammlungsbehörde um eine verwaltungsmäßige Aufgabe handelt, bei der der Verwaltungsaufwand messbar ist, während beim Erlass von Anordnungen der Polizei im Laufe einer Versammlung ad hoc-Entscheidungen bei sich konkret abzeichnenden Entwicklungen, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden, getroffen werden. Da bei derartigen Sofortentscheidungen ein konkreter Veranlasser nur schwer feststellbar ist, ein Verwaltungsaufwand nicht anfällt und aus Gründen des öffentlichen Interesses die Anordnung getroffen wird, ist die gesetzlich festgelegte Kostenfreiheit sachlich gerechtfertigt.
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers verstößt die Erhebung von Verwaltungsgebühren für Auflagen nach § 15 Abs. 1 VersG auch nicht deshalb gegen das Gleichbehandlungsgebot, weil Amtshandlungen im Zusammenhang mit der Durchführung von Wahlen kostenfrei sind (vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 12 KG). Auch insoweit ist der zugrunde liegende Sachverhalt unterschiedlich, so dass eine unterschiedliche kostenrechtliche Behandlung sachlich gerechtfertigt ist. Während der Veranstalter einer Versammlung, der aufgrund des geplanten Ablaufs der Versammlungen Anordnungen der Versammlungsbehörde nach § 15 Abs. 1 VersG veranlasst, sein eigenes Versammlungsziel öffentlich kundgeben möchte, handelt es sich bei der Durchführung von Wahlen um gesetzlich vorgeschriebene Aufträge zur Stärkung der Demokratie. Der im Vordergrund stehende staatspolitische Zweck und die gesetzliche Verpflichtung zur Durchführung von Wahlen rechtfertigt die Kostenfreiheit, auch wenn unstreitig der Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Durchführung von Wahlen erheblich ist.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Der Kläger begründet diese rechtlichen Schwierigkeiten mit dem Hinweis darauf, dass die Frage der Gebührenerhebung für die Erteilung von Auflagen bei Versammlungen in verschiedenen Ländern unterschiedlich geregelt ist. Dieses Argument greift nicht durch. Da den Ländern für das Verwaltungskostenrecht die Gesetzgebungskompetenz zusteht und der einzelne Landesgesetzgeber grundsätzlich bei seiner Entscheidung frei ist, welche Amtshandlung er als kostenpflichtig einstuft, kann damit eine überdurchschnittliche rechtliche Schwierigkeit der Rechtssache nicht begründet werden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es vorliegend gerade nicht um Kostenforderungen geht, die darauf gestützt werden, dass bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs durch die Polizei bei Demonstrationen vom Veranstalter und/oder Versammlungsteilnehmern Kostenerstattung für den Polizeieinsatz verlangt wird. Gerade aber auf diese Fallgestaltung beziehen sich die vom Kläger benannten kritischen Stimmen in der Literatur.
3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Versammlungsbehörde bei der Anmeldung einer Versammlung für die Erteilung von Auflagen Gebühren erheben darf und ob dafür eine entsprechende Tarifstelle im Kostenverzeichnis ausreicht, beantwortet sich hinsichtlich des ersten Teils aus der gesetzlichen Regelung. Der Landesgesetzgeber hat insoweit eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage im Kostengesetz geschaffen. Hinsichtlich des zweiten Teils der Fragestellung ist zu berücksichtigen, dass Rechtsgrundlage für die Heranziehung von Kosten gerade nicht allein die Tarifstelle im Kostenverzeichnis eine Rechtsverordnung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KG, sondern das Kostengesetz ist. Das Kostenverzeichnis enthält lediglich die Höhe der Gebühr (vgl. Art. 5 Abs. 2, Art. 6 KG), während sich die vorrangige Kostenpflicht aus dem Kostengesetz ergibt.


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