Theoriedebatte

DIRECT-ACTION: STRASSENTHEATER

MarsTV, Clowns & Co.: Besondere Ideen vorgestellt


1. Beispiele und Berichte
2. MarsTV, Clowns & Co.: Besondere Ideen vorgestellt

Mars-TV
Mars-TV ist eine lustige und sehr auffällige, vor allem kommunikative Form, die heutige Gesellschaft in Frage zu stellen oder der Repression frech zu begegnen. Die einfache Idee ist, dass ein Team vom Mars einen Film über die zu politisierende Frage auf der Erde dreht und dumme Frage stellt. Nichts ist selbstverständlich – und bei Gelegenheit kann vom Mars berichtet werden, wie es dort ohne Zwang, Herrschaft, Eigentum, Geld, Strafe … läuft. Das „Reporti“-Team muss mindestens aus drei Marswesen bestehen: eini Moderatori/ Interviewi (zwei ist auch gut, im Gewühl mitunter sogar besser) und zwei weitere Personen, die einen aus Stoff ausgeschnittenen Fernsehbildschirm halten. Hinter dem Bildschirm steht dier Interviewi und stellt die Fragen. Wichtig: Nichts bringt das Team aus der Rolle. Auch wenn z.B. Polizei eingreift oder es zu Gerangel kommt – das Team ist immer in Reportage, kommentiert im Sportreporti-Ton oder stellt Fragen. Der Bildschirm wird dabei immer so gedreht, dass die meisten Außenstehenden das Interviewgeschehen wie in einem Fernseher sehen. Die beiden, die das Transpi halten, sind also viel in Bewegung.


Beispiel: Sendung über Fahrschein (Ort war damals: Straßenbahn in Dresden).
Mars-TV betritt den Waggon, Bildschirm wird aufgespannt, Worte zu den Fahrgästen in der Nähe: Guten Tag, wir kommen vom Mars. Sie sind jetzt live überall in der Galaxis zu sehen – außer auf der Erde, aber da ist unsere Sendung leider verboten. Aber wir sind am liebsten hier und die Einschaltquoten dann immer auch am höchsten, weil die Erde der absurdeste Planet der Welt ist. Unser Thema heute ist: … ähhh, jetzt hab ich das Wort vergessen …
Dreht sich zu Fahrgast: Sie haben so einen komischen kleinen Zettel dabei, damit Sie hier mitfahren können – wie heißt der noch mal? Fahrgast: Fahrschein.
Mars-TV: Ja genau. Danke. Und den müssen Sie dabei haben, damit Sie hier fahren können. Fahrgast: Ja.
Mars-TV: Das heißt, wenn Sie den nicht haben, würde das Ding hier stehen bleiben. Fahrgast: Nein.
Mars-TV: Moment, dann verstehe ich das nicht. Warum müssen Sie dann diesen Zettel haben? Geht zum nächsten Fahrgast: Haben Sie einen Fahrschein? Fahrgast: Ja.
Mars-TV: Würde diese Bahn stehen bleiben, wenn Sie keinen hätten? Fahrgast: Nein, die fährt auch so.
Mars-TV: Warum haben Sie dann einen? Fahrgast: Den muss ich haben, sonst würde ich ja schwarz fahren.
Mars-TV geht zum nächsten Fahrgast, der Bildschirm geht immer mit und dreht sich passend: Fahren Sie schwarz? Fahrgast: Nein. Mars-TV: Aber ich habe gehört, ein Fahrschein kostet Geld – aber offenbar bringt der gar nichts. Warum haben Sie denn einen?
Und so geht es weiter durch den ganzen Waggon. Irgend eine alte Frau an der Tür: Haben Sie einen Fahrschein? Fahrgast: Nein. Szenenapplaus von anderen Fahrgästen. Mars-TV: Warum nicht? Fahrgast: Ich habe nicht genug Geld, muss aber doch auch fahren.
Mars-TV überprüft – laut mit sich selbst redend – technische Funktionen: Seltsam, alles stimmt. Wir sind irritiert – eine sinnvolle Aussage und das auf der Erde. Ist uns noch nie passiert. Kurzes Gespräch noch mit der Frau, dann weiter im Waggon, jetzt auch zu Themen wie Nulltarif usw. Leider kam keini Kontrolleuri …

MarsTV ist auch eine gute Möglichkeit, aufkommender Repression frech zu begegnen. Während Aktionen stattfinden, so z.B Demos oder Blockaden, können Teams von als Mars-Menschis verkleideten Aktivisten umherschwirren, Polizisten oder Bürger befragen oder einfach nur im Weg sein (eine genauere Beschreibung möglicher Dialoge siehe unten). Das kann durch lustige Verkleidungen zur Deeskalation führen, aber auch eine kreative Form der Vermittlung zu einer bestimmten Aktion sein.

Weitere Beispiele (alles schon passiert):
  • Tierrechtsaktion zum Thema Pelzhandel in der Bielefelder Innenstadt, wo Fußgänger gefragt wurden, ob es auf der Erde üblich sei, Verwandte zu ermorden, um sich in ihrer Haut vor der Kälte zu schützen.
  • Zu Gentechnik im Supermarkt mit Fragen, ob die Leute gern Gentechnik essen - und dann deren Produkte aus dem EInkaufwagen nehmen und fragen, ob sie wissen, ob da Gentechnik drin ist, woran mensch das denn sehen könnte und warum sie es trotzdem kaufen.
  • Warum alles einen Preis hat: In Läden fragen, ob genug für alle da ist - und dann so tun, als wolle mensch es dann einfach mitnehmen ... MarsTV wird gehindert und fragt dann nach, warum das nicht geht, wenn doch genug für alle da ist.
  • Essenssuche am Supermarktcontainer



Oben: Kleiner Film über Mars-TV: Beispiele, Einsatzmöglichkeiten, Tipps ++ Foto unten: Bei der Bundestagswahl 2005 in Berlin


Lustige Anzeige humorloser Bullen im Wendland (während des Sommercamps 2006). Weil ein Marswesen auf die Frage nach der Herkunft "vom Mars" antwortete, hagelte es eine Anzeige wegen falscher Angabe von Personalien. Aus der Anhörung zum Bußgeldverfahren der Ermittlungsgruppe Castor bei der Polizei Lüneburg:


Mars-TV auf der Antirepressionsdemo in Göttingen, 21.20.2006 (Bericht):


MarsTV bei Gendreck weg! (Juli 2007 im Oderbruch)
Das MarsTV-Team berichtete live - direkt übertragen in die Stationen in der Galaxis in der beliebten Sendung "Unterwegs in der Galaxis - auf der Erde".

Start: Interview mit dem Monsanto-Anwalt Stiebler (Düsseldorf): Film 1 ++ Film 2

Weiter: Entlang der Demonstration - Interviews mit Uniformierten und vor dem abgesicherten Hof des Maisanbauers. Ziel: Informieren, Hinterfragen, die Polizei nerven und stressen, denn kurz darauf folgte der Durchbruch. Ausschnitte vom MarsTV-Team auf der Demonstration: Film 3 ++ Film 4 ++ Film 5 ++ Film 6

Durchbruch: Genau an der Stelle, wo TeilnehmerInnen der Demonstration durch die lockere Polizeikette brachen, sendete MarsTV. Die Aufmerksamkeit der Uniformierten hatte sich u.a. auf das Filmteam gerichtet. Als Menschen in Richtung Maisfeld zu laufen begannen, wirbelte MarsTV an der "Front" weiter durcheinander. (Film 7). Das riss weitere Lücken. Eine Reporterin verfolgt (Ende des Film 7) einige Polizisten bei der Verfolgung und wird zurückgebracht - weiter interviewend. MarsTV bleibt aktiv (Film 8). Am Ende schiebt die Polizei von ihnen mit BeamtInnen und Autos (im Film 9). MarsTV eilt sofort dahin - der Schieberichtung entgegen ...

Verhaftung: Die Polizei, die am Ende der Demo schiebt, nimmt einen MarsTV-Reporter fest (Film 10).

Weiter gehts: Doch auch das dezimierte MarsTV sendet weiter (Film 11), zwischendurch kommt es immer wieder zu Übergriffen der Polizei, auch die Maiskolben nachempfundenen Mikrofon-Hologramme werden von Uniformierten-Händen zerstört (Film 12 ++ Film 13). Damit ist es aber immer noch nicht zuende, die Sendung geht weiter (Film 14).


Großpuppen und -kostüme
Politische Aktionen verlaufen oft wie Rituale. Langweilige Latschdemos und Kundgebungen zerren eher an den Nerven aller Beteiligten und haben oft kaum eine Außenwirkung. Vielfach führen sie dazu, dass man sich als AktivistIn bald ausgebrannt, gelangweilt und deprimiert fühlt. Aber es gibt auch ein anderes Gesicht politischer Aktionen, das bunt und kreativ, motivierend und inspirierend sein kann. Der weltweite Protest gegen den Neoliberalismus hat uns nicht nur in Seattle und Prag gezeigt, dass Demos wie Festivals sein können. „Radical cheerleaders“, „Tutti Bianchi“, Samba-Bands, Kostüme, Straßentheater, Puppen, kreative Blockadetechniken, Kommunikationsguerilla, militante und direkte Aktionen ... bilden die Vielfalt und den Facettenreichtum politischer Interventionsmethoden. Und gerade diese enorme Vielfalt und Kreativität besitzt eine außerordentliche Schlagkraft, wie die Erfolge in Seattle und Prag gezeigt haben.
Die Broschüre „Trojas Puppenkiste“ diente dazu, eine dieser kreativen politischen Aktionsformen vorzustellen und Tipps und Tricks im Umgang damit zu geben. Diese Broschüre enthält Anleitungen und Anregungen zum Bau von großen Puppen, die auf Demos und Aktionen eingesetzt werden können. Das ist ein Ausdruck von Kreativität, der v.a. in den USA und England schon sehr lange einen Platz im Widerstand einnimmt. In Deutschland blieb bisher, trotz Inspiration durch die Anti-Globalisierungs-Proteste, der Fest-Charakter dieses Widerstands eher wenig beachtet. Puppen können eine Menge Enthusiasmus verbreiten, können ein Sinnbild für die Buntheit und Verschiedenartigkeit des Widerstands sein und - wie Reclaim the Streets (RTS) beispielsweise bewiesen hat - auch Hand in Hand gehen mit direkten Aktionen: Während einer RTS in London konnte sich mindestens ein Aktivist unter dem Rock einer riesigen Puppe tarnen und die Strasse mit einem Presslufthammer aufreißen.

Clowns Army
Eine offensive und schrill-bunte Truppe, die frech und spontan die Möglichkeiten nutzt, die sich ergeben. So wäre im günstigsten Fall das Bild der Clowns Army. Es ist kein einstudierter Ablauf, aber Trainings können schon helfen. Hier einige Bilder vom G8-Protest in Heiligendamm 2007:

Mehr zu kreativen Aktionen gegen Polizei hier ...






Pink silver
Pink & Silver ist eine Aktionsform, die das erste Mal im Jahr 2000 beim IWF-Gipfel in Prag erprobt worden ist. Zusammen mit Samba-Bands, Radical Cheerleading, Puppen und anderen kreativen Aktionsformen kann sie unseren Handlungsspielraum auf der Strasse erweitern. Das Video zeigt verschiedene Einsatzmöglichkeiten, und kann zur Diskussion und Vorbereitung genutzt werden.
Pink & Silver ist schnell und wild, unvorhersehbar und ungreifbar!

Flash Mob
Zunächst wird ein Aufruf von einem Urheber erfasst und via Online-Communitys, Weblogs, Newsgroups, E-Mail-Kettenbriefe oder per Mobiltelefon verbreitet. Dabei wird immer ein öffentlicher Ort als Treffpunkt und ein genauer Zeitpunkt angegeben. Zumeist werden auch Informationen über die Aktion selbst und evtl. mitzubringende Gegenstände oder zu tragende Kleidung mitgegeben. Sollte die genaue Aktion nicht bekannt sein, treffen sich die Teilnehmer zunächst an dem vereinbarten Ort für die notwendigen Absprachen.
Dann startet der Flashmob dadurch, dass jemand zum vereinbarten Zeitpunkt mit der vereinbarten Aktion beginnt und die anderen Teilnehmer rasch einsteigen. Diese wie aus dem Nichts blitzartig entstehende Bildung des Mobs und das identische Handeln der Personen im Mob (z. B. applaudieren, telefonieren mit gleichen inhaltlichen Texten), sind typisch für Flashmobs. Für die unwissenden Passanten ist der Flashmob völlig überraschend und die Tätigkeit erscheint zumeist sinn- und inhaltslos.
Der Flashmob endet durch ein vereinbartes Signal, eine erreichte Zeit, oder das natürliche Ende der Aktion (z.B. beim gemeinsamen Singen von O du fröhliche im Sommer nach der letzten Strophe). So schnell, wie die Menschen zusammengekommen sind, löst sich ihre Gruppe vor den Augen der häufig verdutzten Zuschauer auch wieder auf. (Quelle: Wikipedia)

Guerilla Vision
„Guerilla Vision“ nennen wir unangemeldete Open-Air-Video-Projektionen. Das Video zeigt die Erfahrungen von verschiedenen Gruppen mit dieser Aktionsform, z.B. bei Antifa-Aktionen und Aktionen gegen Video-Überwachung. Es ist ein Mittel der Direkten Aktion, urn zu inforrnieren, zu konfrontieren, und urn ein Bewusstsein über bestirnmte Sachverhalte zu schaffen. Ein wichtiger Aspekt ist die Möglichkeit zur direkten lnteraktion auf der Straße.

Reclaim the streets

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