Verkehrswende

KLIMASCHUTZ-KAPITALISMUS

Und so weiter ...


1. Politischer Unwille und reine Profitgier
2. Kritik und Perspektiven - ein Klimaschutz von unten?
3. Klimazertifikate
4. Fragwürdige Positionen von (Umwelt-)NGOs, Parteien und Klimaschutzgruppen
5. Kommentare zum Abschluß des Klimagipfels in Bonn (Juli 2001)
6. Und so weiter ...
7. Kohleausstieg in Deutschland: Kapitalismus frisst gute Idee
8. Al Gore und der Klima-Hype
9. Links zum Klimawandel allgemein

Zur Nachfolgekonferenz in Marakesh wieder dasselbe Spiel - vom ohnehin schlechten Kyoto-Protokoll, das in Bonn weiter verschlechtert wurde, soll wieder was rausgestrichen werden. Und die NGOs? Sie begleiten alles beratend und fordern weiter: Hauptsache ein Beschluß, egal wie ...

Christoph Bals, GermanWatch, im Interview der Jungen Welt, 1.11.2001
... In diesen Detailverhandlungen versuchen einige Regierungen, die Bestimmungen zu verschärfen, während andere sie lieber aufweichen wollen.
Frage: Bleibt bei all den Detaildiskussion nichten die Politik der NGOs auf der Strecke?
Das ist in der Tat ein Problem. Wir haben immer drauf gedrängt, daß es einen Abschluß gibt, aber den bekommt man nur, indem detaillierte Regeln formuliert werden. Auf der anderen Seite ist es wichtig, daß das endlich abgeschlossen wird ...


Im Original: Kritik an Marakesh
Helmut Haberl, Chefredakteur, in Energiewende 4/2001 (S. 2)
Heiße Luft
Auf der Klimakonferenz in Marakesh wurden die Ziele des Kyoto-Protokolls weiter verwässert
Russland darf sich nun mit 33 Millionen Tonnen Kohlenstoff mehr als doppelt so viel Kohlenstoffsenken gutschreiben lassen als in Bonn vereinbart. Das bedeutet, dass Russland nun noch mehr "heiße Luft" zu verkaufen hat. Darunter versteht man im Jargon der internationalen Klimaverhandlungen handbare CO2-Emissionsrechte, denen keine reale CO2-Reduktion gegenübersteht, bzw. nur solche CO2-"Reduktionsmaßnahmen", die auch ohne Kyoto-Abkommen getroffen worden wären. ... Das Kyoto-Protokoll wird auf Grund der zahlreichen Schlupflöcher sowie des Rückzugs der USA nicht zu einer Treibhaus-Reduktion von 5,2 Prozent führen, wie ursprünglich geplant. Nach Schätzungen von William Nordhaus wird die Treibhausgas-Reduktion im Jahr 2010 nur mehr etwas ein Prozent betragen.

Dr. Eva Glawischnig, Nationalratsabgeordnete der Grünen in Österreich, in Energiewende 4/2001 (S. 3)
... ist nur ein kleiner Schritt für den Klimaschutz. Das schon in Bonn massiv aufgeweichte Kyoto-Protokoll wurde weiter abgeschwächt.

Verwirrung überall? Negri/Hardt pro Kyoto-Protokoll ...
Aus Hardt, Michael/Negri, Antonio (2004): „Multitude“, Campus Verlag in Frankfurt (S. 336, mehr Auszüge ...)
Was andere biopolitische Fragen angeht, so gibt es deutlich konkretere globale Reformvorschläge. Eine Reformstrategie für biopolitische Systeme bilden dabei internationale Abkommen zu ganz spezifischen Bereichen. So wurde etwa das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz verabschiedet, um dem Problem der globalen Erwärmung der Erdatmosphäre zu begegnen. Industrieländer, die das Protokoll unterzeichnen, verpflichten sich damit, den Ausstoß der CO2-Gase, die wesentlich zum Treibhauseffekt beitragen und vor allem bei der Verbrennung von Kohle, Gas und Öl entstehen, zu reduzieren. Die Ankündigung der Regierung Bush aus dem Jahr 2001, die USA würden das Abkommen nicht unterzeichnen, ließ jedoch Zweifel an dessen Wirksamkeit aufkommen.

Reinhard Loske, umweltpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von B´90/Grüne, in der FR, 13.11.2001
Ein Markt für Emissionszertifikate bietet die Chance für eine effiziente Klimapolitik
Konzerne wie BP und Shell sind die Vorreiter: Sie handeln schon heute mit CO2-Emissionen, um den Ausstoß des Treibhausgases im Unternehmen zu senken. ... Der Emissionshandel rückt immer mehr in den Mittelpunkt der klimapolitischen Debatte. ... Der Handel mit Emissionslizenzen ist ökonomisch effizient und ökologisch treffsicher - und daher grundsätzlich positiv zu bewerten. Denn in die CO2-Reduktion wird dort investiert, wo die Kosten dafür am niedrigsten sind. ... Ist der Handel erfolgreich eingeführt und stellt er seine Funktionsfähigkeit unter Beweis, sollte er über kurz oder lang zum zentralen Klimaschutzinstrument im Bereich Industrie werden.


Zu den Clean Development Mechanism
Lambert Schneider/Sabine Poetzsch in: Der Überblick 4/2001 (S. 56ff)
Instrument mit begrenztem Nutzen
... für die erneuerbaren Energien und für die ärmsten Länder darf man von dem Mechanismus in seiner gegenwärtigen Form nicht allzu viel erwarten
Aus der Perspektive der Entwicklungszusammenarbeit besteht ein weiteres Problem darin, dass sich die Investitionen in CDM-Projekte vermutlich auf eine sehr begrenzte Anzahl von Ländern konzentrieren werden. ... Laut Schätzungen werden .... möglicherweise alleine in China 60 bis 80 Prozent der CDM-Projekte umgesetzt werden. Weitere 10 bis 20 Prozent könnten auf Indien entfallen. Damit bliebe für den Rest der Entwicklungsländer nur ein kleiner Brocken vom ohnehin schon kleiner gewordenen Kuchen übrig.


OTS-Pressetext, Mail vom 10.12.01
Die von der Industrie vorgebrachte Drohung, bei Einführung des Emissionshandels aus den Selbstverpflichtungen zum Klimaschutz auszusteigen, ist nach Auffassung des NABU „eine sich selbst entlarvende Heuchelei“. „Wer zu den Inhalten der Selbstverpflichtung steht, kann nichts gegen den Emissionshandel einwenden, weil dieser an den Klimazielen selbst nichts ändert“, meinte Flasbarth. ... Außerdem könnte bei einer vernünftigen Festsetzung der Emissionsobergrenzen durch den Emissionshandel die Ökosteuer für die beteiligten Unternehmen entfallen, da Steuer und Handel in die gleiche Richtung wirkten.

Links: Volx-Verblödung in der FR fängt bei den Jüngsten an. Die PolitikerInnen wollen die Umwelt retten und Gutes tun, jaja ...

Jochen Flasbarth, NABU-Präsident im Interview der Jungen Welt, 20.12.2001 (S. 2)
Junge Welt: ... und auch in der Klimapolitik zeichnet sich nicht ab, daß das nationale Ziel erreicht werden kann.
Flasbarth: Das sehe ich anders. Das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung schließt wesentliche Teile der Lücke, die es noch zur Erreichung des Klimaschutzzieles gibt. Es bleibt allerdings ein Rest, der ungelöst ist.


Titel der Stellungnahme des Bundesverbandes Erneuerbare Energie zum Energiebericht des Wirtschaftsministers, in: energiewerkbrief 1/2002 (S. 13)
Klimaschutz ist Wirtschaftsförderung und keine Gefährdung der Wirtschaft!

Anfang Dezember kündigte Umweltminister Jürgen Trittin an, daß sich die Klimapolitik der Bundesregierung künftig an den Regelungen des Kyoto-Protokolls orientieren wird. Die Werte dort sind aber viel schwächer als die bisherigen Ankündigungen und Selbstverpflichtungen schon der Regierung unter Helmut Kohl - ein weiterer Nachteil, der durch das Kyoto-Protokoll bewirkt wird.

Während politische Gruppen meist nur über Kommunikationsguerilla reden, macht die Industrie sie längst. Jetzt haben einige Großkonzerne den Klimazertifikatehandel kritisiert und ihren Ausstieg aus den Selbstverpflichtungen für den Fall angedroht, daß er kommt.
Sehr schlau. Denn erstens sind die Klimazertifikate für sie viel besser als die alte Selbstverpflichtung (dafür müßten sie was tun, so müssen sie nur kaufen). Und mit ihrer Ankündigung bereiten sie schon mal das Ende ihrer Selbstverpflichtung vor - und Schuld sind andere. Aber zweitens: Auf die NGOs ist doch Verlaß. Die sind derart peinliche Gestalten, daß die Industrie mit ihnen spielen kann. Kaum haben die Großkonzerne gemotzt, hat sich NABU-Obertrottel Flasbarth gleich an die Presse gemacht, erstmal über die Konzerne geschimpft, die das tolle Mittel des Zertifikatehandels angegriffen hätten und dann zweitens angeboten, daß die Firmen, die beim Handel mitmachen, doch die Ökosteuer erlassen bekommen könnten.
Jau. So leicht ist ein Ober-NGOler rumzukriegen. Er macht er die PR für den Neoliberalismus (Zertifikate) und dann schlägt er selbst noch vor, daß die Industrie sich durch diesen Handel von anderem freikaufen kann.
Prost, NGOs! Mehr davon und der Standort Deutschland ist gerettet ... (Eine Information aus der Umweltschutz-von-unten-Mailingliste)

Montreal 2005
Ende 2005 begann, wie im Kyoto-Protokoll bereits festgelegt, die Debatte um die Fortschreibung des Protokolls. Die Versammlung bekam nichts hin außer zu beschließen, dass verhandelt werden soll - wie es ja schon vorher feststand. Das zu kippen, wäre ein Rückschritt gewesen. Dennoch wurde das Beschließen des schon Beschlossenen erneut von Medien, Regierungen und Umweltverbänden abgefeiert!

Untertitel und Aus Wolfgang Pomrehn, "Klima bleibt Thema" in: Junge Welt, 12.12.2005 (S. 9)
UN-Konferenz in Montreal erzielte Durchbruch
... Im kanadischen Montreal ist am Samstag die diesjährige UN-Klimakonferenz zu Ende gegangen. Ihr Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen.


Aus einem Interview mit dem BUND-Funktionär Jan Kowalzig in der Jungen Welt, 16.12.2005 (S. 8)
F: Trotz der Störmanöver der US-Delegation hat es auf der UN-Klimakonferenz eine Einigung gegeben. Sind Sie zufrieden?
Ja.


AkteurInnen

Ausbeuten für den Klimaschutz

Zu allem Überfluss: Weiße Gentechnik profitiert von CO2-Handel
Aus "Neue Allianz von Gentech und Bioenergie" auf: telepolis, 16.1.2009
Bei steigendem Verkehrsaufkommen ist der Absatzmarkt für Biotreibstoffe damit sicher und seine Produktion voraussichtlich ein gutes Geschäft. Beim bisherigen 'Biodiesel' genannten Ölmethylester, mußten Pflanzenöle, meist Raps- oder Sojaöl, erst noch umgeestert werden. In einem neuen Verfahren scheiden genetisch veränderte Hefen die Kohlenwasserstoffe nun direkt ab.

Im Original:Gv-Bäume: keine Lösung zum Klimawandel
Der folgendeText erschien unter dem Titel "Kritik an Gentec-Bäumen" im Gen-ethischen Informationsdienst GID Febr. 2005 (S. 21 ff.)
Im Dezember 2004 hat die zehnte Konferenz der Vertragsstaaten der UN-Klimakonvention in Buenos Aires stattgefunden. Seit 2003 werden unter ihrem Dach auch gentechnisch veränderte Bäume als Werkzeug zur Stabilisierung des Weltklimas diskutiert.
Chris Lang
Die UN-Klimaschutzkonvention (UNFCCC) ist 1994 in Kraft getreten (siehe Kasten). In der Konvention wird ihr Zweck mit der "Stabilisierung der Treibh ausgaskonzentrationen in der Atmosphäre" angegeben, 11 auf einer Höhe, die gefährliche anthropogene Störungen des Klimasystems" verhindern. Nichtsdestotrotz ist - nach Angaben des A/orld Resource Institute - die Menge der ausgestoßenen Treibhausgase in den vergangenen zehn Jahren um elf Prozent angestiegen.(1)
Bei den jährlichen Treffen der Vertragsstaaten des UNF CCC, mit jeweils tausenden von Teilnehmern, steht die Sen kung des Ausstoßes der Treibhausgase nicht mehr auf der Tagesordnung. lin vergangenen Dezember konnten die mehr als 6.000 Delegierten nach zwei Wochen Verhandlungen nur erreichen, eine weitere Versammlung abzuhalten. Diese wird im Mai in Deutschland stattfinden, doch die Teilnehmer werden auch dort nicht über neue Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen diskutieren können. Die USA hatten es abgelehnt, einer Ver sammlung zuzustimmen, die sich auf obligatorische Re duktionen (compulsary reduction) der Emmission konzentriert.
Die Vereinigten Staaten von Amerika stellen fünf Prozent der Weltbevölkerung und sind für beinahe ein Viertel der Kohlendioxid- Freisetzungen verantwortlich. Die USA haben das Kyoto-Protokoll (siehe Kasten) nicht unterzeichnet und es sieht im Moment auch nicht so aus, als wenn sie dies in naher Zukunft tunwürden. Aber, wie Michael Zammit Cutajar, ehemaliger Exekutivsekretär des UNFCCC-Sekretariates, kürzlich erklärte: "Die Orientierung des Kyoto-Protokolls an Marktmechanismen wurde größtenteils von den USA initiiert“. (2)
Die Marktorientierung des Protokolls erlaubt, dass industrialisierte Länder Teile ihrer Emissionsziele durch das Handeln mit Kohlendioxid (C02 - auch Emissionshandel genannt) erreichen können (im Zeitraum von 2008 bis 2012 gilt das Kyoto-Protokoll nur für die Industriestaaten). Der Handel mit Kohlendioxid "macht die Fähigkeit der Erde, das Kohlendioxid in einem Kreislauf recyceln zu können, zu einer Art Eigentum, die auf einem globalen Markt verkauft oder gekauft werden kann", erklärt die so genannte Durban-Erklärung zum Handel mit Kohlendioxid. Sie wurde von mehr als 100 Nichtregierungsorganisationen unterzeichnet.
Die Marktorientierung des Protokolls erlaubt auch ver mehrte Emissionen der Treibhausgase. Durch den Mechanismus des Kyoto-Protokolls, der Projekte in Entwicklungsländern fördert (clean development mechanism), können industrialisierte Länder in Projekte im Süden investieren, von denen angenommen wird, dass durch diese Kohlendioxid gespeichert werden kann. So gewinnen die industrialisierten Länder "Guthaben", die erhöhte Ernissionen erlauben. Ein Beispiel dafür ist die Einrichtung von Plantagen als Senken (siehe Kasten).
Wenn eine Energiefirma zum Beispiel in den Niederlanden ein neues Kraft werk bauen will, kann sie ein Gebiet in Ekuador mit Bäumen bepflanzen, das die Menge an Kohlendioxid aus der Atmosphäre absorbiert, die von dem neuen Kraftwerk ausgestoßen wird. So wird das neue Kraftwerk "carbon neutral" (Kohlenstoff-neutral), wie es in der Fachsprache der Kohlenstoff-Händler heißt. 1991 sagte ein Beamter des US-Energieministeriums: "Das Pflanzen von Bäumen wird den USA bis 2015 eine business-as-usual-Energiepolitik erlauben".
Auf den ersten Blick klingt alles sehr plausibel. Bäume absorbieren durch ihre Photosynthese Kohlendioxid aus der Luft. Das C02 ist - bis der Baum stirbt - als Kohlenstoff im Holz und anderen Geweben gespeichert.

Logik mit Schwindel
Aber die Logik hinter den Senken ist auf einem Schwin del aufgebaut. In den internationalen Verhandlungen über den Klimawandel wird eine Tonne Kohlenstoff, die aus fos silen Brennstoffen entsteht, gleichgesetzt mit einer Tonne Kohlenstoff, die in einer Baum-Plantage enthalten ist. Vom Standpunkt der Auswirkungen auf das Klima sind dies jedoch zwei verschiedene Arten Kohlenstoff, die nicht addiert oder voneinander abgezogen werden können.
Wenn Kohlenstoff in der Form fossiler Brennstoffe unter der Erde gespeichert ist, ist er stabil. Solange dieser nicht ausgegraben und verbrannt werden, wird er nicht in die At mosphäre freigegeben. Baum-Plantagen dagegen sind verhältnismäßig instabil. Sie können brennen, sie können von Schädlingen befallen werden, sie können - zum Beispiel in Stürmen - zerstört werden, sie können abgeholzt werden oder örtliche Gemeinschaften können versuchen, das Land, das sie an die Plantagen verloren haben, zurückzugewinnen. Schließlich sterben alle Bäume und verrotten. In all diesen Fällen ist der Kohlenstoff nur vorübergehend in den Bäu men gespeichert, und wird am Ende in die Atmosphäre freigesetzt.
Im Dezember 2003 haben Regierungsvertreter auf der neunten Konferenz der Vertragsstaaten der UNFCCC (COP 9) (siehe Kasten) die Regeln für Baum-Plantagen in nicht oder wenig entwickelten Ländern als Senken unter dem Kyoto-Protokoll abgestimmt (clean development mechanism). Eine der Entscheidungen der COP-9 erlaubt es, tagen mit gentechnisch veränderten (gv) Bäumen als Senken zu nutzen.
COP-9 "hat Regeln für neue Subventionen industrieller Forstwirtschafts-Projekte formuliert. Diese werden den globalen Temperaturanstieg beschleunigen und die Aktivisten, die versuchen den Klimawandel zu verhindern, schwächen. Monokulturen mit gentechnisch veränderten Bäumen werden gefördert, die Biologische Vielfalt wird beschädigt und weltweit werden die Rechte der lokalen Gemeinschaft an Land und an den Wäldern verletzt", wie Larry Lohmar der britischen Forschungsgruppe "Corner House", feststellte. (3)
Vor der COP-9 Ende 2003 hatten sowohl Norwegen als auch die Schweiz öffentlich gegen den Gebrauch von gentechnisch veränderten Bäumen im Kyoto-Protokoll argumentiert. Auf der Versammlung selbst schlug der vorwegische Vermittler vor, gentechnisch veränderte Bäume völlig von den Kyoto-Maßnahmen auszuschließen. Das Endergebnis jedoch war, dass im Kyoto-Protokoll festgelegt wurde, dass die Länder, in denen Plantagen mit gv-Bäumen als Senken angelegt werden sollen, "gemäß ihren nationalen Gesetzen die potentiellen Risiken, die mit dem Gebrauch von gentechnisch veränderten Organismen bei der Durchführung von Aufforstungs- und Wiederaufforstungs-Projekten verbunden sind, bewerten".
Schon die Erwähnung des Wortes "Risiken" war für den obersten Vermittler der USA auf der Klimakonferenz, Harlan Watson, zu viel. "Uns erschien vor allem das Herausheben von GVO in diesem Kontext unangebracht", sagte Watson der französischen Nachrichtenagentur Agence France-Presse.
Am Ende von COP-9 erklärte die US-Regierung in einer offiziellen Eingabe: "Gentechnisch veränderte Organ beinhalten keine besonderen Risiken, die eine spezifische Erwähnung in der Präambel zu einer Entscheidung bezüglich der Aktivitäten im Rahmen des Clean Development Mechanism erforderlich machen würden".

Industrielle Plantagen
Um eine merkliche Wirkung auf das Klima zu haben, müssen sehr große Gebiete mit Bäumen bepflanzt werden. Industrielle Baum-Plantagen haben Gemeinschaften des Südens, die in ihrer Nähe leben, ernsthafte Probleme gebracht. In Brasilien hat zum Beispiel Aracruz-Cellulose, der weltweit größte Hersteller von gebleichtem Eukalyptus-Zellstoff, seine Plantage auf den Ländereien der indigenen Völker der Tupinikim, der Guarani und anderer örtlicher Gemeinschaften errichtet. Im April 2004 hat die Bewegung landloser Bauern Brasiliens gegen die Übernahme von Verträgen protestiert, durch die die brasilianische Papier- und Zellstoff-Industrie die Rechte an einer ungeheuer großen Fläche Land zugesprochen bekommen hatte. Landlose haben Gebiete der industriellen Baumplantagen besetzt, die sechs der Zellstoff- und Papier-Firmen - einschließlich Aracruz - gehören.
Die Nutzung von transgenen Bäumen als Senken wird Probleme bringen, die zu jenen noch hinzu kommen, die von großen industriellen Baum-Plantagen ausgehen. 1993 hatte der japanische Autohersteller Toyota begonnen, gv-Bäume in Feldversuchen auf verbesserte C02-Absorptions fähigkeit zu prüfen. Bei verbesserter Kohlendioxid-Aufnahme konnten die WissenschaftlerInnen von Toyota auch eine dramatische Zunahme des Wasserverbrauches feststellen.
Der erste Freilandversuch mit gv-Bäumen - mit Pappeln - hatte vor sechzehn Jahren in Belgien stattgefunden. Seit dem hat es mehrere hundert Feldversuche gegeben, die meisten von ihnen in den USA. Die Bäume wurden am En de der Experimente vernichtet.

Erste kommerzielle Anwendung
Vor zwei Jahren wurde die erste kommerzielle Anwendung gentechnisch veränderter Bäume von der chinesischen Regierung erlaubt. Ober eine Million transgene Pappeln mit Insektenresistenz wurden daraufhin in China gepflanzt. Auch in China werden viele der gv-Bäume in noch im Rahmen experimenteller Versuche angepflanzt. Es ist jedoch möglich, in chinesischen Baumschulen gentechnisch veränderte Bäume zu kaufen und sie irgendwo im Land zu pflanzen. Weder die chinesische Regierung noch die ForstwissenschaftlerInnen, die die Bäume hergestellt haben, verfügen über Aufzeichnungen, die Auskunft darüber geben könnten, wo diese Bäume gepflanzt worden sind.
Huoran Wang, ein Forstwissenschaftler der chinesischen Akademie der Forstwirtschaft in Beijing, hat 2004 anlässlich einerVersammlung der Ernährungs- und Landwirt schaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) die Risiken verdeutlicht: "Pappeln werden im nördlichen China in einem solchen Umfang gepflanzt, dass Pollen- und Samen verbreitung nicht verhindert werden kann", so Wang. Er fügt hinzu, dass es "fast unmöglich" ist, "Isolationsabstände" zwischen transgenen und nicht transgenen Pappeln einzuhalten.
Gentechnisch veränderte Bäume stellen für die Wälder der Welt die ultimative Bedrohung dar. Im Gegensatz zu Nahrungspflanzen können Bäume Hunderte von Jahren alt werden und es ist unmöglich, vorauszusagen, was imVerlauf des Lebens eines Baumes geschehen könnte. Wie wird ein Baum zum Beispiel von extremer Hitze oder Kälte beeinflusst? Wenn gv-Bäume sich mit natürlichen Bäumen kreuzen sollten, werden sie in natürliche Ökosysteme einwandern. Ist ihre Verbreitung in der Natur dann erst einmal sichtbar, wird es zu spät sein. Dann gibt es keine Möglichkeit mehr, diese Technologie wieder ins Labor zurück zu verbannen.

Ohne Grenzen
Transgene Bäume können sich mit wild lebenden Bäumen kreuzen und die Waldökosysteme unwiderruflich ver ändern. Einige Bäume können aus abgebrochenen Zweigen neu austreiben, andere bilden sogenannte Wurzel-Schöß linge, neue Bäume, die nicht aus einem keimenden Samen hervorgehen, sondern aus dem Wurzelstock eines lebenden (oder auch bereits gefällten) Baumes. Samen können Flüsse hinunter geschwemmt werden. Bäume, ob gentechnisch verändert oder nicht, achten nicht auf Grenzen. Gentechnisch veränderte Bäume (oder deren Gene) können sich von einem Land in das benachbarte ausbreiten ohne sich um die internationale Gesetzgebung über den grenzüberschreitenden Verkehr gentechnisch veränderter Organismen zu kümmern.
Aber Forstwissenschaftler argumentieren, dass der kom merzielle Einsatz von transgenen Bäumen der einzige Weg sei, uni festzustellen, ob diese Technologie sicher ist. Steven Strauss, Professor an der forstwissenschaftlichen Abteilung der Universität des US-Bundesstaates Oregon, schrieb 2002: 'Wie auch bei anderen Neuzüchtungen hängt die Zahl der Versuchsreihen von den empirischen Tests ab, die in der Frühphase des kommerziellen Einsatzes durchgeführt werden".

Schweigende Wälder
Forstwissenschaftler versuchen, sterile transgene Bäume herzustellen, um die Kreuzung mit ihren natürlichen Verwandten zu verhindern. Plantagen aus sterilen Bäumen hätten weder Blüten noch würden sie Früchte oder Saatgut produzieren. Sie werden schneller wachsen, aber schweigen.
Sterile Monokulturen können aus betriebswirtschaftlicher Perspektive gut sein, aber sie wären eine Katastrophe für Insekten, Vögel und Natur, sowie für die Menschen, die in der Nähe der Plantage leben.
Das US-Energieministerium fördert ein drei Jahre laufendes Forschungsprojekt mit 5,1 Millionen US-Dollar, um die Fähigkeit zur Speicherung von Kohlendioxid von Pappeln zu untersuchen. Wissenschaftler am Oak Ridge National Laboratory (ORNL) in Oak Ridge (US -Bundesstaat Tennessee) arbeiten mit den Universitäten der US-Bundesstaaten Florida, Oregon und Minnesota sowie mit dem Nationalen Labor für Erneuerbare Energie (National Renewable Energy Laboratory) und dem US Forest Service zusammen um gentechnisch veränderte Bäume herzustellen, die Kohlenstoff speichern sollen. 'Wir sprechen von Millionen von Morgen", äußerte Stan Wullschleger vom ORNI, gegenüber der Knoxville News Sentinel im März 2003.
Steven Strauss ist weltweit einer der stärksten Befürworter gentechnisch veränderter Bäume. Trotzdem gesteht er ein, dass es derzeit in den USA "keinen dringenden Bedarf an der Technologie" gebe. Dies sei so "aufgrund mangelnder Steueranreize für die intensive Kultivierung von Bäumen die Zellstoff und "Bioenergie" liefern" könnten. Auch sei der Weltmarktpreis für Zellstoff niedrig. "Aber", fügt er hinzu, „ selbstverständlich könnte sich das über Nacht radikal ändern, falls die Welt beginnen sollte, die Senkung der Kohlenstoff-Ernissionen ernst zu nehmen."
Die Entscheidung, die im Dezember 2003 auf der COP-9 getroffen wurde, nämlich den Firmen und Regierungen der nördlichen - industrialisierten - Länder die Pfanzung von gentechnisch veränderten Bäumen im Süden zu erlauben, könnte genau das gewesen sein, was den Befürwortern von gv-Bäumen noch gefehlt hat, um die Welt mit ihrer gefährlichen neuen Technologie beglücken zu können. Gewinner wären die Firmen, die die großen Plantagen anlegen, die Beratungs-Firmen und Energiekonzerne, die die Umwelt verschmutzen. Die Verlierer wären ländliche Bevölkerungen im Süden, deren Länder in Baum-Plantagen-Monokulturen umgewandelt werden und deren Existenzgrundlage zerstört werden würde. Wenn gentechnisch veränderte Bäume je als Senken gepflanzt werden sollen, wird der Widerstand massiv sein.
Chris Lang war im vergangenen Dezember für die Umweltschutzorganisati on World Rainforest Movement auf der Vertragsstaatenkonferenz in Buenos Aires. Er hat eine 100-seitige Broschüre zu gentechnisch veränderten Bäumen geschrieben: Genetically Modified Trees - The ultimate threat to forests (erschienen im Dezember 2004, herausgegeben vom World Rainforest Movernent und von Friends of the Earth, im Netz. www,wrm.org.uy).
Fußnoten

  1. Auf den Internetseiten des World Resource Institute findet sich eine iilustre Runde von Unterstützern; hier eine kleine Auswah: ShelL International Ltd., Shell Foundation; Monsanto; McDonald's Corporation, Microsoft Corporation ' BP,plc.; Citigroup Foundation; Cargill Dovv, LLC, General Motors Corporation, Ford Motor Company Fund
  2. Michael ZammitCutajar Teflectionson the Kyoto Protocol - looking back to see ahead '', 1 . Juli 2004, in " Memorandum to the Inquiry into the Ir ternational Challenge of Climate Change: UK Leadership in the G8 an EU ", The Corner House, Sinks Watch and Carbon Trade Watch, Dezerr ber2004
  3. Larry Lohmann, " Race to the Bottom at the Climate Talks ", forest Cover; A Giobal Forest Coalition Nevvsletter on International Forest Policy, Nr. 11, Februar 2004 ; wwvv.vvrm.org.uy/GFC/cover/issuel 1 Ihtrol, Corner House: vvww.thecornerhouse.org.uk
Die UN-Klimaschutzkonvention
Die UN-Klimaschutzkonvention (UNFCCC - United Na tions Framework Convention on Climate Change) ist 1994 in Kraft getreten. Sie ist eines von fünf internatio nalen Umweltabkommen, die auf dern Weltgipfel zu Um welt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro verhandelt wurden. Die Konvention setzt einen Rahmen für die internationale Kooperation zum Schutz des Weltklimas. Unter der Konvention werden - unter anderem - Informationen zur Emission von Treibhausgasen gesammelt und verteilt und nationale Strategien zur Reduzierung dieser Ernissionen initiiert. In der Lesart der Konvention wird das System des Weltklimas verstanden als geteilte Ressource, die beeinflusst wird durch industrielle und andere Emissionen von Kohlendioxid und anderen so ge nannten Treibhausgasen, das heißt durch Gase, die geeignet sind, den Wärmehaushalt der Erde zu verändern. Bis heute (Stand: Januar 2005) wurde die Konvention von 189 Ländern ratifiziert. (siehe zum Beispiel: unf ccc.int; www.bmu.de - Bundesumweltministerium, dort unter Themen: Klima)

Begriffe (im Original als "Kästen")
Das Kyoto-Protokoll
Das Kyoto-Protokoll ist das einzige Zusatzprotokoll der Konvention zum Schutz des Weltklimas. Bei den Verhandlungen über die Konvention erkannten die beteiligten Staaten, dass es notwendig ist, die industrialisierten Länder bei den Emissionszielen stärker in die Pflicht zu nehmen, als die sich entwickelnden Länder. Entsprechend haben sich die beteiligten Industriestaaten im Kyoto-Protokoll 1997 verpflichtet, den Ausstoß klima schädlicher Gase - wie zum Beispiel Kohlendioxid - bis zum Zeitraum 2008-2012 um 5 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Die Europäische Union hat zugesagt, ihre Emissionen während der Jahre 2008 bis 2012 um acht Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu verringern. Um diese Zielsetzung zu erreichen, haben sich die Mit gliedstaaten der EU zu nationalen Klimaschutzzielen verpflichtet. Deutschland hat zugesagt, die Treibhausgasemissionen im gleichen Zeitraum um 21 Prozent (bezogen auf 1990) zu reduzieren. Das Kyoto-Protokoll ist am 16. Februar 2005 in Kraft getreten. (pau)

Maßnahmen/Senken:
Senken (gelegentlich auch als Kohlenstoffsenken oder Kohlendioxidsenken bezeichnet): Im Rahmen derVerhandlungen wurden Festlegungen getroffen, wie die Anrechnung der so genannten Senken er folgt. Senken sind Maßnahmen, die positiv auf die angestrebten/vereinbarten Ernissionsziele angerechnetwerden (können). Eine "Senke" ist einVorgang, eineTätigkeit oder einen Mechanismus, durch die einTreibhausgas, einAerosol oder eineVorläufersubstanz einesTreibhausgases aus derAtmosphäre entfernt wird. "Speicher" sind ein oder mehrere Bestandteile des Klimasysterns, in denen ein Treibh ausgas oder eine Vorläufersubstanz eines Treibhausgases zurückgehalten wird. Nach den Regelungen des Kyoto-Protokolls kann das im eigenen Land zum Beispiel durch Aufforstung gebundene Kohlendi oxid mit den jeweiligen Ernissionsreduktionsverpflichtungen verrechnet werden. Hierzu wurden bei der internationalen Klimaschutzkonferenz in Marrakesch Kompromisse eingegangen, die insbeson dere waldreichen Ländern wie Russland und Kanada zugute kommen. ("Wesentliche Vereinbarungen des Kyoto-Protokolls zum Klimaschutz"; im Internet unter: www.bundesregierung.de; www.bmu.de) (pau)

Gentechnisch veränderte Bäume in Deutschland
Gentechnisch veränderte Bäume werden aktuell in Deutschland nur an zwei Standorten freigesetzt, dabei handelt es sich um Versuchsanbau unter dem Gen technikgesetz. Bei den Bäumen handelt es sich um Pappeln, die gentechnisch verändert wurden, um vermehrt Schwermetalle aus dem Boden aufzunehmen. Diese Versuche werden in Helbra und Großörner in Sachsen-Anhalt durchgeführt und sind bis Oktober 2005 genehmigt. Darüber hinaus gab es Freisetzungen von gentechnisch veränderten Pappeln, bei denen männliche Sterilität Ziel der Veränderung war. Die Genehmigungszeiträume für diese Freisetzungen liefen im Jahre 2003 beziehungsweise 2001 aus. Die Freisetzungsversuche wurden von der Universität Hamburg mit maßgeblicher Unterstützung des Bundesforschungsministeriums durchgeführt. Eine andere ausdauernde Pflanze, die gentechnisch verändert in Deutschland freigesetzt wurde, ist der Wein. (pau)


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