Organisierung

DIRECT ACTION - WAS IST DAS?

Erregungskorridore in die Normalität schlagen!


1. Erregungskorridore in die Normalität schlagen!
2. Handlungsmöglichkeiten ausdehnen
3. Aufmerksamkeit und Sensibilität steigern
4. Vorbereitung, Reflektion und ständiges "Training"
5. Die Rolle politischer Gruppen
6. Materialien zum Downloaden
7. Links

Protest ist, wenn ich sage Das und Das passt mir nicht. Widerstand ist wenn ich dafür sorge, dass Das und Das nicht mehr passiert. Ulrike Meinhof

Never doubt that a small group of thoughtful, committed citizens can change the world; indeed, it's the only thing that ever has. Margaret Mead
Übersetzung DeepL: Zweifeln Sie nie daran, dass eine kleine Gruppe aufmerksamer, engagierter Bürger die Welt verändern kann; das ist in der Tat das Einzige, was jemals geschehen ist.

In den kurzen Zeiten, in denen die Bürgerinnen und Bürger nicht brav waren, haben sie Taten vollbracht und Werke geschaffen, die mehr wert waren und mehr wert sind als alle Bravheiten. Heribert Prantl über die deutsche Geschichte in "Flugblatt 3" im Juli 2020


Direct Action-Einführung: Vortrag zur Kunst des kreativen Widerstands ++ Aktualisiert als .mp4-Datei
Ganz viele Anleitungen, Beispiele und Tutorials auf dem Direct-Action-Kanal von Youtube!!!

Filmreihe zu verschiedenen Aspekten kreativer Aktionsmethoden ++ direct-action-filmreihe.siehe.website

Hirnstupser - politische Analyse und Nachdenktexte
Hirnstupser am 30.6.2020: Was soll Direct Action? Theorie der praktischen Intervention
"Direct Action" ist eine Form kreativen Widerstandes, die wir als Teil gesellschaftlicher Intervention gegen Herrschaft und Verwertung sowie als Eröffnung von Diskussionen um visionäre, emanzipatorische Gesellschaftsformen verstehen. Sie versteht sich als gleichberechtigter Teil zu anderen kreativ-emanzipatorischen Handungsstrategien wie Gegenöffentlichkeit, Freiräume und Aneignung, versucht aber, Erstarrungen in den Aktionsformen und -strategien zu überwinden, z.B. die Wirkungslosigkeit vieler vereinheitlichender Aktionsformen (Latschdemo, Lichterkette ...) oder das Gegeneinander aufgrund verschiedener Aktions- und Ausdrucksformen.
"Direkte Aktion" ist dabei mehr als nur mal hier eine Blockade oder da ein Steinwurf. Sie ist eine Methode, ein Aktionskonzept und eine Idee für eine Politikform, die nicht mehr nur Einzelnes angreift und mehr will als Begleitfolklore des Unabwendbaren oder höchstens schwächliche Miniveränderungen innerhalb der umweltzerstörenden und menschenverachtenden Verwertungs- und Herrschaftsstrukturen. Direkte Aktion will die Köpfe erreichen. Und den Kopf benutzen. Das erste Ziel einer direkten Aktion ist die Schaffung eines "Erregungskorridors" in der Gesellschaft: Aufmerksamkeit, Irritation, Freude oder Wut sind alles solche Formen. Wie das erreicht werden kann, ist vielfältig: Kommunikationsguerilla, verdecktes Theater, Blockade von Castor-Zügen, Sabotage, Internet-Hacken usw. Wo die Erregung entsteht, ist dann Platz für politische Positionen und Visionen – wie Aristoteles schon sagte: „Nicht die Taten bewegen die Menschen, sondern die Worte über die Taten.“ Aber auch deren Vermittlung will durchdacht sein, d.h. Ideen für kreative Vermittlungsformen sind nötig. Direkte Aktion ist alles drei: Die kreative, direkte Aktion, der entstehende Erregungskorridor und die politischen Positionen/Visionen. Die Qualität entsteht auch durch Übung: In Workshops und Trainings kann über direkte Aktionen geredet und an konkreten Beispielen geübt werden, wie Langeweile und Wirkungslosigkeit politischer Arbeit überwunden werden kann.
Wichtig sind nicht wenige Checker*innen irgendwo, die Mailinglisten, Internetseiten und große Einmal-Kampagnen als Ersatz für tatsächliche Intervention aufrechterhalten, sondern eine breite Handlungsfähigkeit (Aktionen, Widerstand, politische Positionen und Visionen, Intervention und Widerstand im Alltag) überall. Die politische Wirkung direkter Aktion entsteht dabei über den konkreten Eingriff in gesellschaftliche Abläufe (Blockade, Besetzung, Störung, Sabotage, Veränderung der Wahrnehmung von Sachverhalten, Enthüllung usw.) und über die daraus entstehende öffentliche Stimmung. Politische Gremien vollziehen oft nur nach, was in der gesellschaftlichen Debatte, auch öffentliche Meinung oder Diskurs genannt, bereits vorhanden ist. Anders ausgedrückt: Sie sind berufsbedingt opportunistisch, hängen also ihre Fahne in den Wind. Direct Action macht den Wind.

Frei gesprochen - als Beitrag auf Youtube und als Podcast:



Warum sich auf Rechte berufen, die nutzlos sind, oder die man sich nicht leisten kann? Politische Phantomrechte in Anspruch zu nehmen, wie z.B. sich als Stimmvieh von einer Horde großenwahnsinniger Staubsaugervertreter verarschen zu lassen oder demonstrierend am Demokratiefasching teilzunehmen und sich damit zu begnügen, zeugt unserer Meinung nicht gerade für einen kritischen Intellekt, der die Mächtigen schlecht schlafen lassen muß. Den wie bereits Carl von Clausewitz bemerkte, besteht in einer kriegerischen Auseinandersetzung ein entscheidender Vorteil darin, sich das Schlachtfeld selbst auszusuchen, und damit dem Gegner die Bedingungen seiner Reaktionen aufzuzwingen.
Statt aufwendige Show-Veranstaltungen wie am Heiligendamm zu besuchen, wo Sitzblockaden aus den bürgerbewegten 80er Jahren nachgestellt werden, die anscheinend den Zweck erfüllen, einerseits Polizeieinheiten ein Gratistraining für den Bürgerkrieg zu spendieren, den wir in 20 Jahren haben werden, wenn sich nichts ändert, andererseits den Protestierern eine Stärke vorzugaukeln, die sich freilich gar nicht haben, sollte man sich eher wieder darauf konzentrieren, gezielte Aktionen an neuralgischen Punkten durchzuführen, für die es wiederum keine hunderttauschend Demonstranten braucht, sondern ein paar glückliche gut Organisierte. (Herkunft des Textes: Junge Welt, 7.2.2009, S. 7)

Aristoteles
Nicht die Taten bewegen die Menschen, sondern die Worte über die Taten.

Michael Foucault, übersetzt und zitiert nach in: Mathieu Rousselin, "Widerstand" (S. 64)
Da alle Dinge gemacht wurden, können sie abgemacht werden, vorausgesetzt man weiß, wie sie [zuerst] gemacht wurden.

Gruppe Gegenbilder, 2000: Freie Menschen in Freien Vereinbarungen, S. 10 ... auch im Internet mit Debattenforum)
Pragmatismus in der politischen Arbeit und klare Positionen bis zu Visionen stehen in einem interessanten Verhältnis zueinander. Sie sind keine Gegensätze, sondern der Pragmatismus, also die Ausrichtung daran, was gerade machbar ist, gewinnt durch die Utopie seine Richtung und seinen Schwung. Zudem wird verhindert, daß Teilschritte schon als Erfolg abgefeiert werden. Visionen sind wie ein Magnet, der die realen Verhältnisse und auch die Vorschläge zu Teilveränderungen immer ein Stückchen höherzieht. Ohne Visionen und klare Forderungen wird es gar keine Erfolge politischer Arbeit geben. Gleichzeitig aber müssen Visionen gefüllt werden, Konzepte und Experimente erarbeitet und umgesetzt werden, damit aus dem Traum Wirklichkeit wird.

Arthur Schopenhauer
Alle Wahrheit durchläuft drei Stufen. Zuerst wird sie lächerlich gemacht oder verzerrt. Dann wird sie bekämpft. Und schließlich wird sie als selbstverständlich angenommen.

Mahatma Gandhi wird zugeschrieben:
Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.

Aus: Christoph Spehr, 1996: Die Öko-Falle
Die Position der Abwicklung, wenn sie nicht in eine Haltung der kritischen Passivität oder der aktiven Ratlosigkeit umkippen soll, muß einen Krisenbegriff entwickeln. Wo die Systemüberwindende Reform tendenziell von einer objektiven Krise ausgeht (die Akkumulation von Kapital in ihrer bisherigen Form funktioniert nicht mehr), muß die Abwicklung tendenziell eine subjektive Krise glaubhaft machen (die Orientierung der Menschen, ihre persönlichen Interessen zu wahren, geht nicht mehr mit der Stabilität der gesellschaftlichen Interessen zusammen).

Aus Tim Wihl (2024), "Wilde Demokratie"
Das inhaltliche oder formale Niveau des Widerspruchs steht indes nicht in direktem Verhältnis zu seiner Wirkung. Die tiefe argumentative Bereicherung einer Debatte kann politisch völlig folgenlos bleiben. Der beste inhaltliche Beitrag, das Höchstmaß an Differenzierung verschwinden leicht im Tumult simpler Parolen. Gedankliche Preziosen finden sich begraben unter einem gewaltigen Diskurs-Schrotthaufen. Vor allem wer seinem Publikum abverlangt, einen Teil seiner selbst aufs Spiel zu setzen, wird selten gehört. ... (S. 17)
Allgemeine Handlungsfreiheit gewährt der Staat nur in Schranken, denn er fürchtet die Risiken der Spontaneität. Der Mensch, der sich dem fügt, wird zwar weiter Meinungen äußern, sich versammeln und vereinigen, aber nur in vorgezeichneten Bahnen. (S. 28)<

Diskursive, gegenseitige Beeinflussung noch Bewegung und Umfeld
Aus "Handbuch Poststrukturalistische Perspektiven auf soziale Bewegungen" (S. 73f)
Erstens sind gesamtgesellschaftliche Diskurse gleichzeitig Voraussetzung und Grenze des Sag- und Denkbaren in sozialen Bewegungen. Zweitens sind soziale Bewegungen jedoch keine passiven Rezipientinnen von gesamtgesellschaftlichen Diskursen, sondern aktiv an deren Produktion beteiligt. Drittens stellen soziale Bewegungen ein eigenständiges Diskursfeld dar: Sie schaffen Wissen sowie eigene Normen und Regeln, was in der Bewegung gesagt werden kann und was nicht – auch wenn diese Normen und Regeln ständig umkämpft sind.3 Viertens beeinflussen gesamtgesellschaftliche Diskurse im Speziellen die grundlegenden Subjektivierungen aller sozialer Akteur*innen, und damit auch von Aktivist*innen.

Auszug aus Len Fisher (2010): "Schwarmintelligenz", Eichborn in Frankfurt (S. 49)
Polizeibeamte haben uns berichtet, dass es ausreicht, bei Demonstrationen und Stragenschlachten eine kleine Gruppe von Randalierern festzunehmen, um die ganze Menge zu kontrollieren.


Prof. Dr. Niko Paech in seinem Buch „Befreiung vom Überfluss“:
Keine demokratisch gewählte Regierung eilt einem gesellschaftlichen Wandel voraus, sondern immer nur hinterher, um kein Risiko einzugehen.

Aus Carola Rackete (2019), "Handeln statt hoffen - Aufruf an die letzte Generation"
Der Politikwissenschaftler Howard Zinn wurde mit seiner alternativen Geschichtsschreibung bekannt, in der etwa von der einheimischen Bevölkerung an der Küste Südamerikas auf das Schiff des Kolumbus geschaut wird - statt wie sonst üblich dem Blick des Eroberers zu folgen. Zinn nahm an der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegungteil, und er wurde 1970 verhaftet, weil er gegen den Vietnamkrieg protestiert hatte. Statt zur Anhörung bei Gericht zu erscheinen, hielt er an der Universität von Baltimore eine Rede über zivilen Ungehorsam. »Mansagt, das Problem sei ziviler Ungehorsam«, sagte er dort. »Aber das ist nicht unser Problem. Unser Problem ist der zivile Gehorsam. Unser Problem sind die zahlreichen Menschen auf der ganzen Welt, die dem Diktat ihrer Regierung folgen und deshalb in Kriege ziehen, in denen dann Millionen Menschen aufgrund dieses zivilen Gehorsams getötet werden. Unser Problem besteht darin, dass Menschen gehorsam sind, sich die Gefängnisse wegen Bagatellenfüllen, während die großen Verbrecher die Staatsgeschäfte führen. Das ist unser Problem.«
Viele Menschen denken, dass ziviler Ungehorsam ein Problem darstellt, weil er Aufruhr verursacht und die Ordnungstört. Wir leben in Zeiten, in denen die Ordnung, die wir haben, falsch und zerstörerisch ist.
Sie muss gestört werden, weil sonst Menschen sterben. Weil wir sonst zulassen, dass das System mit seinem Glaubenan stetiges Wachstum uns etwas raubt, das unglaublich kostbar und unwiederbringlich ist. Weil sie nichtfreiwillig damit aufhören werden. Und weil wir nicht hinnehmen können, dass das System dazu führt, dass die Mehrheit im Namen der Ordnung bestohlen, belogen und unterdrückt wird.
Wir müssen es nur endlich auch tun, statt weiter zu hoffen, dass wir unser Recht und unsere Zukunft schon bekommen werden, wenn wir es denen, die jetzt noch an der Macht sind, nur recht machen. Der zivile Gehorsam ist das Problem, nicht der zivile Ungehorsam. Lasst uns handeln, statt zu hoffen.



Im Original: Warum gibt es so wenig Widerstand?
Aus "Neoliberales Herrschaftssystem: Warum heute keine Revolution möglich ist", in: SZ, 2.9.2014
Die systemerhaltende Macht der Disziplinar- und Industriegesellschaft war repressiv. Fabrikarbeiter wurden durch Fabrikeigentümer brutal ausgebeutet. So führte die gewaltsame Fremd-Ausbeutung der Fabrikarbeiter zu Protesten und Widerständen. Möglich war hier eine Revolution, die das herrschende Produktionsverhältnis umstürzen würde. In diesem repressiven System sind sowohl die Unterdrückung als auch die Unterdrücker sichtbar. Es gibt ein konkretes Gegenüber, einen sichtbaren Feind, dem der Widerstand gilt. Das neoliberale Herrschaftssystem ist ganz anders strukturiert. Hier ist die systemerhaltende Macht nicht mehr repressiv, sondern seduktiv, das heißt, verführend. Sie ist nicht mehr so sichtbar wie in dem disziplinarischen Regime. Es gibt kein konkretes Gegenüber mehr, keinen Feind, der die Freiheit unterdrückt und gegen den ein Widerstand möglich wäre. Der Neoliberalismus formt aus dem unterdrückten Arbeiter einen freien Unternehmer, einen Unternehmer seiner selbst. Jeder ist heute ein selbstausbeutender Arbeiter seines eigenen Unternehmers. Jeder ist Herr und Knecht in einer Person. Auch der Klassenkampf verwandelt sich in einen inneren Kampf mit sich selbst. Wer heute scheitert, beschuldigt sich selbst und schämt sich. Man problematisiert sich selbst statt der Gesellschaft.
Das unterworfene Subjekt ist sich nicht einmal seiner Unterworfenheit bewusst ...


Ziviler Ungehorsam
Ziviler Ungehorsam ist der aus Gewissensgründen und gewaltfrei vollzogene bewusste Verstoß gegen ein Gesetz, eine Pflicht oder den Befehl eines Staates oder einer anderen Macht. Im Gegensatz zu einem Streik ist er nicht rechtlich abgesichert, und der Ungehorsame nimmt bewusst in Kauf, dafür bestraft zu werden. Wer zivilen Ungehorsam ausübt, gilt als Anarchist oder Staatsfeind, da er eine fremde Herrschaft über seine Aktivitäten ablehnt. Der Ausdruck ziviler Ungehorsam (im Englischen civil disobedience) wurde vom US-Amerikaner Henry David Thoreau in seinem Essay Civil Disobedience (1849) geprägt, in dem dieser erklärte, warum er aus Protest gegen den Krieg gegen Mexiko und die Sklavenhaltung keine Steuern mehr bezahlte. Die deutsche Übersetzung von "civil disobedience" müsste eigentlich bürgerlicher Ungehorsam heißen (engl. civil: bürgerlich bzw. staatsbürgerlich). Thoreau, von dem der Begriff stammt, befasste sich nicht mit gewaltfreiem Widerstand, sondern mit den Gewissenskonflikten, die er als Bürger, Wähler und Steuerzahler auszutragen hatte. Das heißt, ein Bürger verweigert seinem Staat den Gehorsam, wenn sein Gewissen ihm das diktiert. Dies betrifft besonders den Kriegsdienst und die Bezahlung von Steuern. Die Erwähnung, dass der Ungehorsam gewaltfrei sein muss, ist eigentlich überflüssig, weil jede Gewaltanwendung gegenüber einer Drittperson impliziert, dass diese Person gehorsam handeln müsste, um der Gewaltanwendung zu entgehen. Dies widerspräche dem Ziel, jeden Menschen zum Ungehorsam zu ermuntern. Namhafte Vertreter zivilen Ungehorsams waren Mahatma Gandhi, Nelson Mandela, Martin Luther King und die Brüder Philip und Daniel Berrigan. In dieser Tradition leisten viele Atomkraftgegner, Graswurzler, Friedensdemonstranten, Globalisierungskritiker und Totalverweigerer Widerstand in Form zivilen Ungehorsams. Bekannte Beispiele von zivilem Ungehorsam, der sich in politischen Bewegungen niederschlug, waren die Boston Tea Party, die indische Unabhängigkeitsbewegung sowie die Montagsdemonstrationen im Jahre 1989. (Quelle dieses Textes und der Links)

Aus Gordon, Uri (2010): "Hier und jetzt", Nautilus in Hamburg (S. 31 f.)
Zwischen der direkten Aktion und einem verwandten Konzept, dem des "zivilen Ungehorsams" sollte unbedingt unterschieden werden. Unter dem Letzteren ist meiner Ansicht nach jede Art kollektiver Verweigerung gegenüber dem Gesetz zu verstehen, wobei dies entweder aus moralischen Motiven geschieht oder um Druck auf die Regierenden auszuüben, damit sie schließlich auf Forderungen eingehen. So schreibt Henry D. Thoreau: "Wenn die Alternative darin besteht, entweder alle Gerechten einzukerkern oder Krieg und Sklaverei abzuschaffen, wird der Staat bei der Wahl nicht zögern." Demnach ist ziviler Ungehorsam im Grunde eine konfrontative Form des Dialogs zwischen Bürgern, die sich nicht unterordnen, und dem Staat. Dieser Dialog stellt die grundlegende Legitimität des Staates nicht infrage (denn es wird vom Staat erwartet, dass er auf die Forderungen der Ungehorsamen reagieren und beispielsweise ein ungerechtes Gesetz ändern wird). Oft geht der zivile Ungehorsam mit einer Rhetorik der Aufrufe an die Gesellschaft einher, sie möge sich doch ihren eigenen Idealen gemäß verhalten. Auf diese Weise wird der Status quo der gesellschaftlichen Verhältnisse und der Institutionen eher bestätigt als herausgefordert.

Aus Sternstein, Wolfgang: "Die gewaltfreie Revolte gegen 'Stuttgart 21'", in: GWR Dez. 2010 (S. 7)
Unter zivilem Ungehorsam in der Tradition von Henry David Thoreau, Mahatma Gandhi und Martin Luther King versteht man die bewusste Übertretung von Gesetzen oder gesetzesähnlichen Vorschriften sowie die Gehorsamsverweigerung gegenüber polizeilichen Anweisungen mit dem Ziel, staatliches Unrecht oder staatliche Korruption zu beseitigen.
Ziviler Ungehorsam in diesem Sinne sollte "zivil", also offen, dialogbereit und gewaltfrei sein. Dazu gehört auch die Bereitschaft, die für die Gesetzesübertretung oder die Gehorsamsverweigerung verhängte Sanktion klaglos hinzunehmen. ...
Wer zivilen Ungehorsam leistet, dem geht es um die Verbesserung der Demokratie, nicht um ihre Zerstörung. Durch ihre Bereitschaft, Nachteile und Strafen hinzunehmen, bekunden sie ihren Respekt vor dem Recht als solchem und appellieren an die Regierung und die Parlamente, die angefochtenen Entscheidungen noch einmal zu überdenken. ...


Hanna Poddig über zivilen Ungehorsam, in: Klimakämpfe (2019, Unrast-Verlag, S. 39f)
Der Begriff des ›Zivilen Ungehorsams‹, der in diesem Kontext oft benutzt wird, offenbart bei näherer Betrachtung auch genau das: also dass ein Zivilist, ein Staatsbürger (der also nicht Soldat oder Beamter ist), gegenüber dem Staat ungehorsam wird. ... Es geht hier also nicht um ein grundlegendes Problem mit dem Staat oder Gesetzen, sondern mit bestimmten Gesetzen.


In der Praxis und Alltagssprache ist die Trennung oft allerdings nicht so konsequent. Gerade aus den bürgerlichen Kreisen, die sich auf "ziviler Ungehorsam" beziehen, wird der Begriff ja als Label und zur Abgrenzung von Anderen benutzt. Das machen aber viele andere nicht - da werden die Begriffe "Ziviler Ungehorsam" und "Direct Action" dann ziemlich ähnlich:

Henry Thoreau in "Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat"
Wenn das Gesetz so beschaffen ist, dass es notwendigerweise aus dir den Arm des Unrechts an einem anderen macht, dann, sage ich, brich das Gesetz. Mach' dein Leben zu einem Gegengewicht, um die Maschine aufzuhalten.

Direkte Aktion
Direkte Aktion ist ein Begriff aus der Politik. Merkmal der Direkten Aktion ist, dass keine Macht delegiert, also an Vertreter abgegeben wird. Somit wird der Parlamentarismus und jegliche Stellvertretung verworfen. Die Betroffenen sollen selbst zur Durchsetzung ihrer Interessen aktiv werden. Beispiele für direkte Aktionen sind Selbstorganisation, selbstorganisierte Besetzungen, Boykotts, Streiks, Sabotage. (Quelle dieses Textes und der Links)

Aus der Prinzipienerklärung der Bildungssyndikate in der FAU
Wir handeln nicht stellvertretend fuer andere, sondern fuer uns selbst! Es geht uns nicht darum, irgendwelche "Massen" vor unseren Karren zu spannen, sondern aus unseren konkreten Erfahrungen heraus dort Widerstand und Perspektiven zu entwickeln, wo wir stehen. Wir handeln aus unserer sozialen Situation heraus, ohne unsere Macht an Parteien, Institutionen und andere "Fuehrer' abzugeben. Das nennen wir ,direkte Aktion". Der Begriff "direkte Aktion" umfasst alle Kampformen, die ohne Einschaltung von Vermittlern oder Autoritaeten unsere Interessen direkt durchsetzen. Dazu gehoeren Selbstorganisation, selbstorganisierte Besetzungen, Boykotts, Streiks, Sabotage etc.

Im Original: Kreativität als Gegengift zur Herrschaft
Aus "Über die Versuche, ein Kamel die Zähne zu putzen" (S. 122 f.), Dokumentation über eine antimilitaristische Aktion
Die einzig revolutionäre Kraft ist die Kraft der menschlichen Kreativität.
Wie sieht also ein soziales Ganzes aus, so daß es den Menschen entspricht in ihrer fortwährenden Entwicklung hin zu sich selbst, hin zur Selbstbestimmung, zur Erfüllung, zur Freiheit*? Wie sieht der soziale Organismus in seiner Freiheitsgestalt aus?
Die Frage ist eine Gestaltungsfrage. Nur aus unserer Kreativität heraus können wir die Verhältnisse ändern. Es geht darum, eine Grenze aus einer längst überholten Zeit zu überschreiten, in der alles nach finanziellen Gesichtspunkten entschieden wird, hinein In eine Gegenwart, in der sich alles auf ein Menschliches beziehen muß.
Noch leben wir in einer WirtschaftskuItur. Wahlfreiheit wird den Bedürfnissen der Menschen, sich selbst zu bestimmen und gemeinsam mit anderen Angelegenheiten zu entscheiden, die alle gleichermaßen betreffen, nicht gerecht. Was den Menschen im allerhöchsten Falle gelassen wird, ist Narrenfreiheit – aber nur da, wo sie nicht an Machtstrukturen rüttelt. Das, was der allerhöchsten Menschenwürde entspricht, die freie, schöpferische, souveräne Betätigung, wird in Bezug auf das gesellschaftliche Ganze unterbunden, an den "Freizeit“-bereich verwiesen und als "Hobby" denunziert.
Es geht nicht um Abschaffung eines Systems, sondern um die Erweiterung unserer Lebensbereiche und um die aktive Teilnahme an der Umgestaltung. Es geht auch nicht darum, dass die ersten Versuche gelingen, sondern darum, lebendige Formen zu entwickeln und zu schaffen. In diesem Sinne waren wir schon längst am Ziel, als wir in Witzenhausen losgegangen sind.
Die Tatsache, daß sich die Ideen und Ideale der Menschen stetig fortentwickeln, beinhaltet, daß diese mit starren Gesetzen kollidieren. Gesetze sind nicht um ihrer selbst Willen da, sondern um der Menschen willen. Nun haben Paragraphen die wunderbare Eigenschaft, das Denken auszuschalten und dadurch die wirklichen Zusammenhänge nicht deutlich vor Augen treten zu lassen.
Wird Krieg mittels einer Rechtsgrundlage legalisiert, so ist anzunehmen, daß Maßnahmen zur Abschaffung und zukünftigen Verhinderung von Krieg (weil gerichtet nach derselben Rechtsgrundlage), nicht geduldet werden können. Mord an Menschen und die Zerstörung von Tier- und Pflanzenwelt und unserer Erde sind juristisch nicht anzufechten, der Versuch hingegen, dies durch Eindringen in Kriegsgelände und Aussäen von Weizen zu stoppen, wird kriminalisiert.
Legal ist nicht legitim - das Gesetz entspricht dem wirklichen Leben nicht mehr, muß folglich weiterentwickelt werden. Gesetze sind von Menschen gemacht, müssen also auch von Menschen umgestaltet werden. Im Bewußtsein der Rückständigkeit der juristischen Vorlagen ist es nicht weiter tragisch, verurteilt zu werden. Die heutigen Zustände betrachtend, ist es völlig gewöhnlich, hin und wieder in den Knast zu gehen - es ist zwar nicht sonderlich aufregend, tut aber dem Leben keinen Abbruch.
Schwer auszuhalten ist selbstverständlich die Spanne zwischen 7m Pflugfurche und zukünftiger sozialer Gesellschaft. Arbeit muß sowohl am inneren Pfad der gewaltfreien Konfliktlösung, als auch am äußeren Konzept der Entmilitarisierung geleistet werden. Daß eine Idee noch niemals vorherverwirklicht wurde, spricht nicht gegen sie. Da ist es so wie mit dem Zähneputzen bei Kamelen: Der erste versucht es vergeblich, ebenso die zweite und dritte, bis es irgendwann einmal gelingt - was dann nicht heißt, daß es auch ohne die vorhergehenden Versuche möglich gewesen wäre.
Mit der Freiheit ist es wie mit den Kamelen, an beide müssen wir uns erst gewöhnen. Ist die anfängliche Befangenheit einmal überwunden, machen beide ganz gewaltig Spaß.

* „Freiheit“: 1. Unabhängigkeit von äußerem, Innerem oder durch Menschen oder Institutionen (Staat, Gesellschaft, Kirche usw.) bedingtem Zwang


Johann Bauer in Friedensforum 2/2008 (S. 38)
Direkte Aktion: Diese Macht lag in den Regelverletzungen, der öffentlichen Provokation, der Spontaneität und Phantasie kulturrevolutionärer Brüche mit dem grauen Konsens.

Direct-Action-Ausstellung
Seit Herbst 2003 existiert eine anregende Direct-Action-Ausstellung, durch die dort, wo sie aufgebaut ist, auch Führungen angeboten werden können. Für Kongresse, Seminare, Camps usw. kann beides "angefordert" werden oder wir kommen von uns aus.
Inhalte: Hintergrundtexte, Beispiele, Material von Sprühschablonen über spurenvermeidende Kleidung, die Software "Safeworks" bis hin zu Schraubenschlüsseln. Besondere Herzstücke sind die Fakeparade mit gesammelten Fälschungen, Berichte vom Kameragottesdienst, ein Interview mit der Roten Zora und Ideen für kreative Antirepression bei Gerichtsverfahren, Festnahmen und Personalienkontrollen. Extra-Seite hier ...

Offene Aktionsplattformen
Ein Anspruch an emanzipatorische Aktionsstrategien ist der gleichberechtigte Zugang zu Handlungsmöglichkeiten. Um kreativen Widerstand zu fördern, können in Zentren (auf Dauer) oder auf Camps, Kongressen usw. (dann zeitweise) Aktionsplattformen entstehen, d.h. Materialien offen zur Verfügung gestellt werden. Mehr Infos ...

TrainerInnen, ReferentInnen
Wer Lust hat auf Infoveranstaltungen, Trainings, Workshops oder Seminare zu "Direct Action" oder einzelnen Methoden, kann sich gern melden. In der Projektwerkstatt in Saasen gibt es eine dauernde offene Aktionsplattform, die auch auf Camps und Kongresse mitgebracht werden kann - am besten zusammen mit der Ausstellung. Kontakt: 06401/903283, saasen@projektwerkstatt.de. Seite zu Vortrags-/Workshopangeboten ...

Internet und Lesestoff
  • Viele Ideen und Beispiele: Internetseite ++ Direct-Action-Reader
  • Direct-Action-Heftchen: A5-Broschüren, in denen jeweils zu einem Thema viele Tipps zu Aktionen zusammengestellt worden sind. Bisher erschienen: Kreative Antirepression, Die Mischung macht's! (Direct-Action-Einführung), Anti-Knast, Subversive Kommunikation, Der Ton macht die Aktion (Lieder zu Aktionen). Je 1 Euro oder Download über www.aktionsversand.siehe.website.
  • Blockadefibel: Viele Tipps für Lock-ons, Blockadetechniken, Knoten und Anketten usw. A5, 2 Euro.
  • Auf Wikipedia wurde der Eintrag "Direct Action" gelöscht und der Autor auf Lebenszeit gesperrt. Das Thema sollte es da nicht geben.

Spendenkonto für Aktionen
Für gezielte Geldspenden an einzelne Projekte, Aktionen und Rechtshilfe kann das Konto "Spenden&Aktionen" genutzt werden. Wird kein Zweck angegeben, kommt das Geld in den allgemeinen Soli-Topf für Projekte, d.h. es wird nach Bedürfnis weitergegeben an kreative Aktionsgruppen.
Konto "Spenden&Aktionen" (wenn gewünscht, bitte Zweck angeben!): IBAN DE29 5139 0000 0092 8818 06, BIC VBMHDE5F ++ Träger: Förderverein (Steuer-Nr. 020 227 12491) ++ keine Spendenbescheinigung möglich

bei Facebook teilen bei Twitter teilen

Kommentare

Bisher wurden noch keine Kommentare abgegeben.


Kommentar abgeben

Deine aktuelle Netzadresse: 18.97.9.174
Name
Kommentar
Smileys :-) ;-) :-o ;-( :-D 8-) :-O :-( (?) (!)
Anti-Spam