Organisierung

GENTECHNIK UND HERRSCHAFT: EINE KRITIK AUS EMANZIPATORISCHER PERSPEKTIVE

Durch die Herrschaftsbrille: Emanzipatorische Kritikpunkte an der Agrogentechnik


1. Einleitung
2. Agrogentechnik - eine kleine Einführung
3. Kritik der Kritik
4. Durch die Herrschaftsbrille: Emanzipatorische Kritikpunkte an der Agrogentechnik
5. Blick in eine bessere Zukunft?
6. Perspektiven I: Ziele entwickeln und benennen
7. Perspektiven II: Organisierung
8. Weiterführene und ergänzende Texte

All allem folgt: Eine emanzipatorische Perspektive ist nötig. Herrschaftskritik und Gentechnik müssen zusammen gedacht werden. Emanzipatorisch heißt, die Befreiung und Selbstentfaltung des Menschen (als Individuum und ihrer frei gewählten Zusammenhänge, zu denen Kategorien wie "Nation", "Volk", "Frau", "Mann", "Minderjährig", "Behindert" usw. nicht gehören) in den Mittelpunkt zu stellen. Alles wird vom Menschen her betrachtet. Wer " Heimat", die Schöpfung, "Europa" oder Ähnliches beschützen will, denkt so nicht, sondern von den über dem Menschen stehenden Einheiten her. Insofern ist eine emanzipatorische Kritik der Gentechnik nicht nur eine Auseinandersetzung mit deren sozialen "Nebenwirkungen", sondern schafft auch Immunität gegen anti-emanzipatorische Strömungen und Wertungen - seien sie religiös, rechts, esoterisch oder verschwörungstheoretischer Art.

Im Folgenden sollen Kritikpunkte gegen Gentechnik benannt werden, die im System dieser Technik verankert sind und innerhalb der herrschenden Verhältnisse antiemanzipatorische Tendenzen stärken.

Das Bild oben stammt aus einer Ausstellung über das 3. Reich in Prora


Verschärfung von Abhängigkeiten
Die Entwicklung der Gentechnik unter dem Regime von Profit und Macht soll Landwirt_innen an die Produkte einer Firma ketten durch Knebelverträge, Kombinationen von Saatgut und Spritzmittel sowie Patentierungen. Hier gibt es bereits eine Vielzahl von Entwicklungen, d.h. die Probleme bestehen bereits - weitere können hinzukommen (und werden, wenn Verwertungslogik weiterhin die Ökonomie dieser Welt bestimmt). Da gentechnische Veränderungen für jede Sorte und Linie neu vorgenommen werden, steigt der Druck auf eine weltweite Vereinheitlichung des Saatgutes.

Aus dem Positionspapier des BfN (2009), "Welternährung, Biodiversität und Gentechnik" (S. 12)
Die hohen Forschungs- und Entwicklungskosten haben zu einer Marktkonzentration bei den Saatgutherstellern geführt und zudem eine Konzentration auf wenige Pflanzenarten bewirkt, die insbesondere für den globalen Futtermittelmarkt (Soja, Mais) oder als nachwachsende Rohstoffe (Baumwolle, Raps) von Bedeutung sind.
Die bestehenden Patente und anfallende Lizenzgebühren sind für Kleinbauern eine hohe Markthürde und führen zu großen Abhängigkeiten und Verschuldungen.


Beispiele:
  • Kombination von Spritzmitteln mit darauf ausgerichteten genmanipulierten Pflanzen (z.B. Totalherbizide passend zum Saatgut)

Ausdehnung von Profit und Macht in neue Lebensbereiche
Mit der Verschärfung bestehender Abhängigkeiten ist es nicht getan. Neue Profit- und Machtsphären entstehen durch die Ausdehnung der Verwertungslogik auf bisher nicht erfasste Lebensbereiche, z.B. die Patentierung von Tieren und Pflanzen, Gensequenzen usw. Hierdurch werden die Spielräume für eine selbstbestimmte Entwicklung eingeschränkt, denn die patentierten Organismen und Sequenzen gehen für selbstorganisierte Ökonomien verloren. Wissen und Möglichkeiten der Nahrungsmittelversorgung, der Bekämpfung von Krankheiten und Verletzungen oder anderer lebenswichtiger Technologien sind nicht für alle Menschen gleich verfügbar, sondern werden von profitorientierten Unternehmen gehortet. Da Konzerne aufgrund des kapitalistischen Zwangs zur ständigen Verwertung aller Werte immer alle Möglichkeiten ausnutzen, sich Profit, Monopol und Macht zu sichern, ist das Patent auf Leben keine Spitze des Eisberges, sondern ein Grundmuster, dass unter Herrschaftsverhältnissen untrennbar zur Gentechnik dazugehören wird.

Gentechnik als Voraussetzung für diese Ausdehnung kraft Patentierung
Patente auf Leben könnten auch ohne Gentechnik angemeldet werden. In vielen Teilen der Welt, so auch in Europa, ist das ein politisch scharf umkämpfter Bereich. Viele konventionell gezüchtete Sorten stehen bereits unter Lizenzen, was oft in Bezug auf die konkrete Pflanze ähnliche Wirkung haben kann. Allerdings erlaubt die gentechnische Veränderung zum einen die erstmalige Möglichkeit, Sequenzen zu patentieren. Somit wären nicht nur einzelnen Sorten betroffen, sondern alle Pflanzen oder Tiere, in denen sie als ein Baustein vorkommen. Zum anderen ermöglicht voraussichtlich erst die gentechnische Veränderung eine Patentierung - und zwar von den veränderten Gensequenzen selbst einschließlich aller Lebewesen, in die dann die Gensequenz eingebaut ist. Aber wahrscheinlich auch anderer, unveränderter Gene, wenn mit gentechnischen Analysemethoden gearbeitet wird. Das ist aber zur Zeit noch umstritten.

Im Original: Profit durch Patente
In einem Papier bewarb Uwe Schrader (heute Chef von InnoPlanta) 1999 die Gentechnik wegen der Patentchancen
Neben den für die Unternehmen aus den initiierten Entwicklungsarbeiten resultierenden direkten Erlösen - Produktumsätze mit Saatgut und biotechnologische F&E-Dienstleistungen - sind die aus der Internationalisierung der Ergebnisse zu erzielenden Lizenzeinkünfte zu verzeichnen. Im Falle der wissenschaftlichen Institute kann das Vorhaben zu einer wesentlichen Verbesserung der Verwertungseffizienz ftihren, da erst durch die Zusammenarbeit mit Saatzüchtern und Biotechnologieunternehmen die für den Lizenzerfolg von Know-how und Schutzrechten entscheidenden Voraussetzungen - proof of concept bzw. Kommerzialisierung - geschaffen werden. ...
Desgleichen verspricht das Projekt eine wesentliche Erhöhung des Anteils an kommerzialisierbaren Forschungsergebnissen der wissenschaftlichen Einrichtungen und somit einen deutlich verbesserten direkten bzw. indirekten Rückfluß der langjährigen Vorinvestitionen des Bundes und des Landes in diese Institutionen.

Aus der BVL-Broschüre "Die Grüne Gentechnik" (S. 17 f.)
Fortschritte in der Pflanzenzüchtung sind nur dann zu erwarten, wenn sich die Aufwendungen lohnen und ein gewisser Schutz der Neuerungen (Erfindungen) vor Nachahmung besteht. ...
Da das nationale Patentrecht in europäische und internationale Abkommen eingebunden ist und Patentrechtsfragen auch andere auf internationaler Ebene behandelte Fragen wie z.B. Fragen des Zugangs zu genetischen Ressourcen oder des internationalen Handels und der Entwicklung berühren, werden diese nicht nur auf nationaler Ebene, sondern zunehmend auch in internationalen Gremien diskutiert. So verpflichtet das Abkommen über handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums im Rahmen der WTO die Vertragsstaaten zur Einführung von Patentschutz auf allen Gebieten der Technik, einschließlich der Biotechnologie.



Patentierung auch der schon frei lebenden Tier- und Pflanzenwelt
Es gibt Bemühungen, auch Tiere und Pflanzen unter Patent zu stellen, die gar nicht genmanipuliert wurden. Das könnte z.B. durch die Erstentdecker_innen neu gefundener Arten ode die Erstanmelder_innen nach diesem Fund geschehen. Intensiver bemühen sich Lobbyist_innen und Firmen um Patente auf Arten oder Sorten, bei denen besondere Eigenschaften auf Genen gespeichert sind und sie die Analysemethode entwickelt haben, mit der die Gensequenz gefunden werden kann (so z.B. beim Smart Breeding = Präzisionszucht). Es ist jedoch zweifelhaft, ob das vor Gerichten Bestand haben wird, denn eine solche Patentanmeldung ist selbst unter kapitalistischen Logiken formal zweifelhaft. Sicherer wäre da der Weg, eine patentgeschützte Gensequenz einzukreuzen und dann die so veränderte Art anzumelden. Sollte die so veränderte Art Ausgangspunkt neuer Zuchtlinien werden, würde zusätzlich das Lizenzrecht greifen.
Durch diese Verwertungsmöglichkeit unterscheidet sich Gentechnik kommerziell von konventioneller Züchtung. Es ist denkbar, völlig belanglose Gensequenzen einzubauen. Einziges Ziel wäre dann die Patentierung des Lebewesens zwecks des dadurch erreichbaren Zusatzprofits. Vor diesem Hintergrund war auch die parlamentarische Initiative im Bundestag, die Patentierung auf Tiere und Pflanzen aus konventioneller Züchtung zu verbieten, ein mehrschneidiges Schwert. Denn zwar würde dem Patentierungswahn an einer Stelle die Grundlage entzogen. Aber zum einen blieben viele Ausnahmen. Zum anderen aber, und das blieb auch in den - wieder mal peinlichen - Jubelgesängen von NGOs (Beispiele: Greenpeace ++ Kein Patent auf Leben) unbenannt, könnte das Verbot die Gentechnik sogar fördern. Denn jede_r Züchter_in, die nun etwas Neues patentieren lassen will, muss noch eine veränderte Gensequenz einbauen - im Zweifel einfach nur so.
  • FAZ am 19.6.2015 über gentechnisch veränderte Tiere und die daraus entstehenden Möglichkeiten

Schlimmes Szenario: Auskreuzung als globaler Siegeszug der Verwertbarkeit von Lebewesen
Bereits die übliche Ausdehnung der Gentechnik durch aktive Manipulation von Genen und deren Patentierung verläuft rücksichtslos. Fatal ist aber die absurde Logik, dass gerade das Versagen, nämlich die unkontrollierte Auskreuzung von Gensequenzen, für die patentinhabenden Firmen wirtschaftlich hochattraktiv ist. Dann nämlich wäre ihre Gensequenz überall verbreitet und die Verseuchung der freilebenden Tiere und/oder Pflanzen wäre genau die Grundlage für deren nun plötzlich mögliche Anmeldung zum Patent. Ebenso könnten von Landwirt_innen Gebühren verlangt werden, wenn Pflanzen oder Tiere bei ihnen die geschützten Gene aufweisen würden. Schadensersatz dagegen wäre kaum zu leisten, denn vorher (!) gehörten die Lebewesen niemandem, d.h. niemand könnte einen Schaden sicher nachweisen.
Daraus resultiert, dass es für Gentechnikfirmen eine erfolgversprechende Strategie wäre, die Auskreuzung nicht nur grob fahrlässig in Kauf nehmen, sondern gezielt zu fördern. Dann wäre die freie Wahl zwischen gentechnisch veränderten und gentechnikfreien Sektoren in der Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung nicht mehr möglich - auch für die politische Debatte ein Pluspunkt. Könnte es also sein, dass die Ausbreitungen von Gensequenzen in der Umwelt längst absichtlich geschieht? Ein Blick auf die Saatgutbanken legt diesen Verdacht nahe ...

Saatgutbanken sollen die Vielfalt des Saatgutes erhalten und dafür sorgen, dass auch solches Saatgut unverändert oder zumindest sortenrein erhalten bleibt, das zur Zeit nicht in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Schließlich ist nicht vorhersagbar, welche Eigenschaften einer Pflanze in der Zukunft wichtig sein könnten. Wäre das passende Saatgut verschwunden, könnte es weder direkt noch für Züchtungen genutzt werden. Darum wird viel Geld ausgegeben, um Saatgutbanken zu betreiben. Da sich Saatgut nur 10, 20 oder 30 Jahre aufbewahren lässt, ohne die Keimfähigkeit zu verlieren, kann es nur dadurch erhalten werden, dass es regelmäßig ausgesät und die Samen neu geerntet werden. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die Sortenreinheit durch Einkreuzung anderer Sorten nicht verloren geht. Es wäre folglich fatal, wenn gerade in der Nähe solche Flächen, die der Saatgutsicherung dienen, Felder mit gentechnisch veränderten Pflanzen entstehen - vor allem, wenn sie von derselben Art stammen. Doch genau das geschah in der Vergangenheit immer wieder: Exakt dort, wo die fünf offiziellen Saatgutbanken in Deutschland bestehen (Siebeldingen, Dresden-Pillnitz, Gatersleben, Malchow und Groß Lüsewitz), sind Agro-Gentechnik-Versuchsflächen angelegt worden. Und zwar genau zugeordnet: Gv-Wein (bis 2004) neben der Weinsorten-Sicherungsstelle in Siebeldingen, manipulierte Apfelbäume (bis 2009) neben der Obstbaum-Saatgutbank in Pillnitz, gentechnischer Weizen und Erbsen neben den Saatgutbanken für Getreide und Hülsenfrüchte in Gatersleben, gentechnisch veränderte Kartoffeln neben den Flächen der Saatgutbank-Außenstelle für Kartoffeln in Groß Lüsewitz sowie gentechnisch manipulierter Raps neben den Ölpflanzen-Saatgutbanken in Malchow auf der Insel Poel. Kann so etwas Zufall sein? Wahrscheinlicher ist, dass hier entweder extrem fahrlässig die Verseuchung allen Saatguts mit Gentechnik in Kauf genommen wurde oder genau dies sogar das Ziel war. Denn dann wäre die Debatte um Gentechnik beendet. Es gäbe kein Saatgut ohne Gentechnik mehr - ökonomisch und machtpolitisch attraktiv: Menschen würden systematisch die Handlungsalternativen genommen. Mehr auf der Koexistenz-Seite ...

Damit nicht der Eindruck entsteht, hier seien ausgewählt böse Einzelmenschen am Werk: Die Ausdehnung von Verwertungslogiken ist eine systemimmanente Krisenbewältigungsstrategie des Kapitalismus. Die ständige und notwendige Erhöhung von Profiten und Kapital ist über verstärkte Ausbeutung von Mensch und Natur nur begrenzt und vor allem nicht gesichert zu machen. Demgegenüber ist die Ausdehnung von Verwertbarkeit auf bisher nicht monetarisier- und akkumulierbare Bereiche eine sichere Quelle von gesteigertem Profit. Die Gentechnik ist hier in "bester" Gesellschaft mit anderen Eroberungsfeldzüge kapitalitischer Verwertung. Das Wasser wird zur Zeit in großen Teilen der Welt in Privateigentum überführt - vorher gehörte es niemandem. Per Klimaschutzpropaganda wurde durch das Protokoll von Kyoto die Verwertbarkeit der bislang eigentumslosen Luft und Atmosphäre durchgesetzt. Jetzt ist zwar nicht die Luft selbst handelbar (was technische Probleme aufwerfen würde), sondern das Recht, sie zu benutzen. Das aber kommt genau auf das Gleiche heraus: Ein phantastischer Trick der Krake "Kapitalismus"! Die blöden Ökos, in ihrer Geschichte fast durchgängig blind gegenüber der Frage von Herrschaft, sind voll drauf reingefallen und haben intensiv mit dafür gekämpft, dass jetzt Profite und Monopolbildung auch mit der Luft möglich sind.

Weitere Formen kapitalistischer Lebensmittelproduktion:

Gentechnik im Kapitalismus wird Hunger und Armut verstärken
Patente: Medizin und Nahrung nur noch mit großen Scheinen
In einer Gesellschaft, in der es vor allem um Profite geht, folgt auch die Gentechnik diesem Ziel. Die Technologie birgt nicht nur unkalkulierbare Risiken, sondern wird längst gegen Menschen eingesetzt. Dazu gehört die Anmeldung von Genen als Patente. Große Firmen sichern sich den Zugriff auf Tier- und Pflanzenarten, aber auch auf menschliche Gene. Gelingt es ihnen, ein Patent zu erwerben, so kontrollieren sie alle Anwendungen mit diesen Lebensformen. Die Folgen: Mehr Profit für den Konzern, weniger Lebensqualität für Mensch, Tier oder Pflanze.

Auch in der Gentechnik-Medizin wären solche Ergebnisse zu erwarten. Würde beispielsweise ein wirksameres AIDS-Medikament entwickelt, so würde der Patentschutz auf dieses eine Verbreitung nicht nach Bedürfnissen von Menschen, sondern nach Profitinteressen steuern. Es wäre zu erwarten, dass gerade diejenigen, die ein solches Medikament besonders brauchen, es nicht bekommen können - oder in große Abhängigkeiten (Verschuldung) getrieben würden. Wenn dann, was beim Auftauchen eines solchen Medikamentes schnell folgen kann, andere Hilfsprogramme zurückgefahren werden, wäre ein absurdes Ergebnis wahrscheinlich: Der Durchbruch gegen AIDS würde das Elend vergrößern. Das aber wäre keine Überraschung, sondern Kapitalismus - ein profitorientiertes, lebens- und umweltfeindliches Wirtschaftssystem auf Basis der Gewaltmonopole standortkonkurrierender Nationalstaaten. halt
Ein ähnliches Beispiel dafür, was in Folge von Patente geschieht, ist bereits geschehen. Die Firma Myriad Genetics hat eine Untersuchungsmethode auf Gensequenzen, die Brustkrebs fördern, patentieren lassen. Dann verbot die US-Firma per Gesetz allen andern Forschungslabors, solche oder ähnliche Brustkrebs-Gentests zu entwickeln. Infolge der marktbeherrschenden Stellung durch den Patentschutz konnte Myriad Genetics die Preise von Tests für BRCA1- und BRCA-2-Gene erhöhen, in manchen Ländern sogar um das Zwei- bis Dreifache. Das konnten sich viele Menschen nicht mehr leisten und es zeigte sich also auch für den medizinischen Bereich (rote Gentechnik), wie schädlich Patente sind.

Im Original: Patente, Profit und Elend
Aus Hartmann, Kathrin (2009): "Ende der Märchenstunde" (S. 178)
Neben dem Freihandelsabkommen (GATT) gibt es auch das TRIPS-Abkommen über geistige Eigentumsrechte, das die Patentierung von Saatgut, technischen Innovationen oder Medikamentenwirkstoffen weltweit rechtlich bindend macht, so dass jeder, der das Wissen anwendet, dem Konzern, der die Patentrechte hält, sehr viel Geld bezahlen muss. Das gilt auch für Saatgut, Pflanzen und Heilpflanzenwirkstoffe, die zuvor niemandem gehört haben - man nennt das dann Bio Piraterie.

Aus: Hünemörder, Katrin/Moldenhauer, Oliver: "Patente gefährden die Versorgung mit Medikamenten", in: Helfrich, Silke und Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg., 2009): "Wem gehört die Welt?", Ökom in München (S. 167 f.)
Die Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen stoßen häufig an (ihre) Grenzen. Die internationale Projektarbeit wird vielfach dadurch behindert, dass für Krankheiten, die hauptsächlich in ärmeren Ländern auftreten, keine hinreichenden Behandlungsmöglichkeiten vorhanden sind. Medikamente, Diagnostika und Impfstoffe fehlen, weil die Erforschung zahlreicher Krankheiten einschließlich Malaria und Tuberkulose nicht profitabel ist. Denn sie treten hauptsächlich in ärmeren Ländern auf, und es lassen sich daher mit ihnen keine hohen Monopolpreise für Medikamente erzielen.
Gleichzeitig gibt es gegen viele tödliche Krankheiten Medikamente, die für die meisten Menschen nicht verfügbar sind. Die Medikamente sind sowohl für die Menschen als auch für die öffentlichen Gesundheitssysteme in den ärmeren Ländern sowie für internationale Hilfsorganisationen zu teuer.
In beiden Fällen ist die Ursache die gleiche: Der Teil der Forschung, der von den großen Pharmafirmen geleistet wird, soll durch hohe Medikamentenpreise refinanziert werden. Patentbasierte Monopole ermöglichen dabei den Pharmafirmen Preise, die deutlich über den Produktionskosten liegen. Dieser Anreiz funktioniert natürlich nicht bei Krankheiten, die (fast) ausschließlich Menschen betreffen, die sich keine teuren Medikamente leisten können. Das ist einer der Gründe, warum die Entwicklung neuer Produkte zur Bekämpfung der Tuberkulose mehr als zwei Jahrzehnte praktisch eingestellt war.
Die Ökonomen beschreiben das Phänomen nüchtern so, dass Monopole zu Unterproduktion und zu übermäßig hohen Preisen führen. In der Realität bedeuten fehlende Forschung und teure Medikamente für viele Menschen in Entwicklungsländern einen frühen und unnötigen Tod. ...
An der (fehlenden) Behandlung für Millionen HIV-Infizierte in ärmeren Ländern wird besonders deutlich, weiche massiven Nachteile das aktuelle Patentsystem hat. Eine HIVInfektion ist derzeit nicht heilbar, aber dank lebensverlängernder sogenannter antiretroviraler Medikamente kann die Krankheit aufgehalten werden. Diese antiretroviralen Medikamente finden einen Markt in den reichen Ländern, so dass es für die Industrie einen Anreiz gibt, sich dort zu engagieren. Hinzu kommen noch substantielle öffentliche Forschungsmittel. Die Weiterentwicklung von HIV/Aids-Medikamenten ist daher weitgehend gesichert. Das Problem bei der Behandlung von HIV/Aids ist also weniger mangelnde Forschung als vielmehr der Zugang zu bereits existierenden und erprobten Medikamenten, Ein Zugang, der im Zuge der Verschärfung des Patentrechts aufgrund internationaler Handelsabkommen immer schwerer wird.



Verschärfung von Hunger und Elend durch künstliche Verknappung
Selbst wenn die Ausdehnung von Elend, Ausbeutung, Armut und Hunger offensichtlich dem Zweck der Profitmaximierung dient, ist die Forschung und Entwicklung sofort dabei. Dass Firmen und Entwickler_innen dabei wissentlich über Leichen gehen, ist erneut weder Zufall noch persönliche Boshaftigkeit der handelnden Personen. Es ist auch keine Entartung kapitalistischer Wirtschaft, die durch gute Gesetze (Regulierung) eingehegt werden müsse. Sondern alles folgt schlicht den Grundlogiken, die im Kapitalismus herrschen. Dort bringt Mangel mehr Profit. Hunger ist lukrativ.

Beispiele:
  • Das berühmteste Beispiel dafür, dass Gentechnik ganz gezielt den Mangel an Lebensmitteln noch verschärfen, will war und ist die Terminatortechnologie. Mittels spezifischer Gensequenzen soll verhindert werden, dass die geernteten Samen als Saatgut weiterverwendet werden können. So werden Selbstversorgung unmöglich gemacht und Landwirt_innen in dauerhafte Abhängigkeit getrieben. Wer sich den Bedingungen der Konzerne nicht unterwirft und nicht zahlungskräftig ist, scheidet aus. Da in weiten Teilen der Welt die Grundversorgung der Bevölkerung von der Selbstorganisierungsfähigkeit der Bäuer_innen abhängt, werden solche gentechnischen Manipulationen den Hunger verschärfen. Das ist kein Risiko (also eine Gefahr, die eintreten könnte), sondern eine sichere Nebenwirkung, wenn sich das Gedankengut und die Produkte aus den profitgetriebenen Laboren und Firmenzentralen durchsetzen.
  • Die meisten gv-Pflanzen, die schon auf dem Markt sind, dienen als Futtermittel für Nutztiere. Auch bei den neu angemeldeten Pflanzen (z.B. im Genehmigungsverfahren der EU) steht dieses Ziel im Vordergrund. Fördermittel des Bundeslandwirtschaftsministeriums betreffen vor allem die Entwicklung von Energiepflanzen. In beien Fällen wird eine Verwendung angestrebt, die Hunger eher erzeugt als lindert, da die Umwandlung von landwirtschaftlichen Flächen, die bislang der Ernährung von Menschen dienten, zum Zwecke der Verfütterung an Tiere oder Biogasanlagen folgen würde.
  • Zu alledem würden selbst höhere Nahrungsmittelmengen unter den jetzigen Wirtschaftsbedingungen nicht den Menschen und gegen den Hunger helfen. Denn sowohl Mangel ist Profit wie auch die Subventionierung von Überschüssen durch Steuergelder. Damit überschwemmen die reichen Industrienationen dann andere Länder mit ihren Produkten, um sie los zu werden und den Firmen (trotz Überflussproduktion) noch Gewinne zu verschaffen. Die eigenständige (Land-)Wirtschaft der überschwemmten Länder bricht dann wegen der Billigkonkurrenz zusammen, was zu mehr Hunger und Abhängigkeit in der Zeit danach führt.
  • Siehe auch den Text "Wer die Nahrung kontrolliert ...", in: Junge Welt, 13.6.2008 (S. 10 f.)


Die Realitäten: Mehr Nahrungsmittel und mehr Hunger gleichzeitig! FR, 15.10.2008 (S. 16)


Wie intensiv die Agrarmärkte der Industrienationen die der ärmeren Länder beeinflussen, zeigt die Fleischindustrie. Obwohl Europa der am dichten besiedelte Kontinent ist, steigt die Exportquote an Nahrungsmitteln an - innerhalb von zehn Jahren von 17 auf 26,4 Prozent (Quelle: Kritischer Agrarbericht 2011, S. 82). Wichtigste Exportschlage sind Fleisch und Fleischwaren, Milchprodukte und Süßwaren. Wer nun daraus schließt, dass Europa eine Überproduktion hat und die Welt ernährt, irrt. Denn gleichzeitig muss die EU die Eiweißfuttermittel für das viele Vieh, welches hier in industriellen Massentieranlagen gehalten und gemästet wird, zu 80 Prozent importieren.
Das bedeutet also: Europa kauft die Flächen, die der Nahrungsmittelproduktion dienen könnten oder auf denen Regenwälder stehen. Die Landwirt_innen werden von ihren Flächen vertrieben oder müssen für geringen Lohn bei der Futtermittelproduktion für die Industrieländer schuften. Dann werden Soja und andere Produkte in Europa "veredelt", wie die tierquälerische Mästung, Geflügel- und Milchviehhaltung im industriellen Agrarjargon heißen, um als Fertigprodukt die armen Länder wieder zu überschwemmen, die damit zum zweiten Mal in ihrer Selbstversorgungsfähigkeit bedroht werden.
Warum sollte sich diese Lage für die Menschen verbessern, wenn die Futtermittel (vor allem Soja) nun gentechnisch verändert sind? Wobei nicht übersehen werden darf: Auch umgekehrt gilt dieses Logik: Den vertriebenen Menschen und dem zerstörten Regenwald ist es egal, ob sie für gentechnisch verändertes oder gentechnikfreies Soja sterben.

Aus einem Interview mit Jean Ziegler, in: Junge Welt, 16.11.2012 (S. 3)
Der "World Food Report" der UN sagt: Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren, 57000 Menschen jeden Tag. Von den sieben Milliarden Menschen, die es heute auf der Welt gibt, ist ein Siebtel permanent schwerstens unterernährt. Zugleich stellt der Report aber fest, daß die Weltlandwirtschaft nach dem heutigen Stand der Produktivkräfte problemlos zwölf Milliarden Menschen ernähren kann. Anders als noch vor wenigen Jahrzehnten gibt es heute keinen objektiven Mangel mehr – das Problem ist nicht die Produktion, sondern der Zugang zur Nahrung. Und der hängt von der Kaufkraft ab – jedes Kind wird ermordet, das während unseres Gesprächs verhungert.
Wer also sind die Herren dieser kannibalischen Weltordnung? Da möchte ich zunächst die zehn größten multinationalen Konzerne nennen, die 85 Prozent der weltweit gehandelten Lebensmittel kontrollieren – sie entscheiden jeden Tag, wer ißt und lebt, wer hungert und stirbt. Ihre Strategie ist die Profitmaximierung.


Die Macht des Faktischen
Wer in der Lage ist, bereits vor einer Debatte oder Entscheidungsfindung zu handeln, gewinnt (oft bedeutsam) an Macht. Denn dadurch werden nciht nur Fakten geschaffen, sondern auch die Ausgangsposition einer dann möglicherweise nachgeschalteten Debatte zu definieren. Bei der Durchsetzung der Agrogentechnik schuf vor allem der Staat durch die Genehmigung von Anwendungen der Gentechnik eine Ausgangslage, dass immer die Kritiker_innen der Entwicklung hinterherlaufen mussten. Die gentechnikbefürwortende Seite konnte nicht nur die Diskussionen von der Warte der bereits Handelnden führen, sondern die Debatte selbst einfordern. Denn solange debattiert wird, können sie ihre Pflanzen entwickeln und Felder anlegen. Gentechnik wird durch debattenloses Einfach-machen zur Realität - und die Diskussion geht plötzlich nur noch darum, ob sie wieder wegkommt. Das ist eine entscheidende Veränderung. Würde nämlich erst diskutiert und dann gehandelt, befänden sich die Befürworter_innen der Gentechnik in einer deutlich schlechteren Lage.
Hinzu kommt, dass der Staat die formalisierte Macht des Faktischen mit seinen Durchsetzungsarmeen (Behörden, Polizei, Gerichte) auch nach der Anlage der Felder absichert.

Beispiele:
  • Das Versuchsfeld mit transgener Gerste in Gießen wurde - wie viele andere deutsche Felder auch - per Sofortvollzug durchgesetzt, d.h. Beschwerden und Klagen von Betroffenen hätten keine aufschiebende Wirkung gehabt. Die Aussaat war trotz ungeklärter Rechtslage möglich und vom Staat geschützt gewesen. Wäre in einem späteren Verfahren vor Gericht festgestellt worden, dass die Aussaat unrechtmäßig erfolgt wäre, hätte das am Faktischen nichts mehr geändert - das Saatgut wäre bereits ausgebracht, wahrscheinlich sogar der Versuch längst durchgeführt gewesen. Auf diese Art läuft es bei allen Versuchsfeldern, die von der deutschen Genehmigungsbehörde BVL durchgewunken werden.

Ingenieursdenken statt Sozialpolitik oder soziale Prozesse
Gentechnik ist vom Ansatz her ein Reparieren an Natur und Mensch – zumal mit technischen Mitteln, d.h. es lenkt den Blick vom Sozialen auf das Technische. Die behaupteten oder tatsächlichen Ziele der Gentechnik aber sind fast ausnahmslos soziale: Gesundheit, Lebensmittelverteilung (nicht deren vermehrte Erzeugung, denn die Menge ist nicht das Problem!), Überwachung und Eugenik. Wenn für solche Fragen eine Technik als Lösung vorgeschlagen wird, fördert das die Ausdehnung des Ingenieursdenkens auf soziale Fragen. Die Gesellschaft und die in ihr lebenden Menschen werden immer stärker zu einem Gegenstand des Sezierens in Laboren und Fabriken. Politik und alle anderen Formen gesellschaftlicher Gestaltung sich immer weiter auf das in Sozialpolitik, Bildung und Erziehung, Strafwesen und Medienpolitik ohnehin bereits prägende Optimieren von Menschen für bestimmte Interessen und definierte Anforderungen statt einer Veränderung der Lebensbedingungen nach den Bedürfnissen der Menschen.

Forschung für Profit und Macht (Monopole, Kontrolle usw.)
Aus Profit- und Machtinteressen kombinieren die Konzerne und Institutionen der Gentechnik ihre gentechnischen Veränderungen mit Kontroll- und Steuerungsmechanismen. Damit verfolgen sie nicht Ziele des Umweltschutzes, der sicheren Nahrungsmittelversorgung oder der Hilfe für Landwirt_innen, auch wenn sie das in ihrer Werbung als Grund für Gentechnik angeben. Sondern sie wollen die Weiterverwendung und die Verbesserung des Saatgutes durch Weiterzüchtung zumindest bei Dritten unterbinden. Solche Barrieren wollen sie auch für diejenigen, die das nicht (wie sie selbst oder konkurrierende Firmen) aus Profitinteressen machen, sondern für das eigene Überleben. Zudem wollen sie den Einsatz und die Wirkungen besser steuern können. So entwickeln Konzerne zur Zeit gentechnische Schaltersequenzen, die bestimmte Wirkungen der Pflanze bei Kontakt mit bestimmten chemischen Substanzen auslösen. Dadurch der Kombinationsverkauf z.B. mit Pestiziden möglich, der die eigentlich wichtigen Einnahmequellen generiert. Zudem lassen sich weitergehende Anwendungsfälle vorstellen, deren von Machtinteressen angetriebene Erforschung längst läuft. Dazu gehört die Möglichkeit, in Konfliktfällen durch das Besprühen ganzer Landschaften gezielt Hungersnöte auszulösen. Macht- und Profitorientierung werden, solange sie existieren, die Technik auch in solche Anwendungen drängen.

Ein anderer Anwendungsfall dient den ohnehin von anti-emanzipatorischen Überlegungen angetriebenen Steuerungsversuchen von Bevölkerungszahlen und -zusammensetzung. Heirfür sind z.B. Nahrungsmittel entwickelt worden, die Fruchtbarkeit beeinflussen, also unfruchtbar machen oder wie ein Verhütungsmittel wirken. Dieses geschieht unmerklich. Wenn gleichzeitig Verhältnisse geschaffen werden, in denen Menschen von externen Nahrungsmittellieferungen abhängig sind, lassen sich so ganze Regionen kontrollieren. Da bekommt Hungerhilfe plötzlich eine ganz neue Dimension - und das Interesse an der Existenz von Hunger und Abhängigkeit ebenfalls!

Die Überbevölkerung ist frei erfunden. Für was ist oder wird die Zahl der Menschen zu hoch? Meist wird die Nahrungsmittelversorgung benannt. Doch es gibt viel mehr Essen als für alle nötig wäre. Würde die Verfütterung an Tiere wegfallen, könnten fast doppelt soviele Menschen versorgt werden. Sie hungern, weil ihnen das Land und die Lebensmittel genommen werden, weil sie vertrieben, bombardiert, versklavt, vergewaltigt werden. Welche Gentechnik soll da helfen?
Aber der Trick ist gut: Die Menschen erscheinen als Problem, die Technik als Retter. Dabei ist es zumindest in diesem Fall eher umgekehrt. Die Stärkung von Abhängigkeiten und Monopolen durch die Gentechnik wird den Hunger verschärfen.

Überlegene Diskurssteuerung
Die überlegene Macht zur Steuerung von Diskursen verschärft die unterschiedlichen Handlungspotentiale, die bereits aufgrund des materiellen Gefälles vorhanden sind. So können die Ziele wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Aktivitäten verfälscht und z.B. Ängste geschürt werden, um damit dann scheinbare Lösungen für erfundene Probleme zu verkaufen. Ein prägnantes Beispiel ist der behauptete Hunger durch das Bevölkerungswachstum. Hier ist nicht nur erfunden, dass Agrogentechnik hilfreich sein könnte. Sondern auch das Problem selbst ist frei erfunden. Denn nicht die Menge der Menschen, sondern die Art von Wirtschaft und Regierung sind die Ursache des Hungers. Dadurch, dass es gelingt, die Diskurse zu steuern, lassen sich dann die Lösungsmöglichkeiten bewerben. Typisch ist auch, bereits laufende öffentliche Debatten so umzuinterpretieren, dass die gewollte Entwicklung als Lösung erscheint. So wird die Agrogentechnik nicht mehr nur als Hoffnung gegen den Hunger inszeniert, sondern soll gegen die Folgen des Klimawandels helfen oder die Umwelt schütze.

Im Original: Gentechnik rettet die Welt
Künstliche Organismen gegen Klimawandel
J. Craig Venter, einer der bekanntesten Genforscher, rechtfertigte die Herstellung künstlicher Lebewesen mit modernen Themen. Aus der FR, 9.10.2007 (S. 13):
Seine Firma "J. Craig Venter Institute" in Rockville im US-Bundesstaat Maryland ist auf dem Weg zum künstlichen Leben.
Dazu erzeugte seine Forschergruppe ein künstliches Chromosom, das das Erbgut im Zellkern eines Lebewesens darstellt. Ein Team von 20 Wissenschaftlern - darunter Medizin-Nobelpreisträger Hamilton Smith - entschlüsselte zunächst das Erbgut des einfachen Bakteriums "Mycoplasma genitalium". Dann wurden alle Gene abgeschaltet, die nicht für das Überleben notwendig sind. Heraus kam ein einfaches Chromosom mit 381 Genen. Es wurde dann künstlich aus fast 600 000 Basenpaaren zusammengesetzt. ...
"Wir fühlen uns zu dieser Forschung verpflichtet", sagte Craig Venter. "Wir sind fest überzeugt, dass solche künstlich erzeugten Gene dabei helfen könne, den Klimawandel zu stoppen oder neue Energiequellen zu erschließen." In der britischen Zeitschrift Guardian sprach er gar von einem "sehr wichtigen philosophischen Schritt in der Geschichte der Menschheit". Er sei sich absolut sicher, dass das Kunstwesen leben werde. "Wir gehen vom Lesen des genetischen Codes zu der Möglichkeit über, ihn selbst zu schreiben." ...
Venter ist mit seinem künstlichen Bakterium immer noch nahe an der Natur. Genforscher Lehrach ist sich sicher, dass in geheimen Militärlabors mit herkömmlicher Gentechnik an viel "abenteuerlicheren Organismen" gearbeitet wird. "Wir können nur hoffen, dass die niemals rauskommen."
(Text über Craig Venter und seine Sprüche)

Kommentar dazu von Christian Schlüter in der FR, 9.10.2007 (Auszug)
Bequemt sich die westliche Welt gerade sehr widerwillig unter dem verharmlosenden Titel Klimawandel zu der Einsicht, dass in den nächsten zwanzig Jahren keineswegs nur das Wetter ein bisschen sonniger wird, sondern die Zerstörung der Erdatmosphäre zu sozialen, ökonomischen und politischen Verwerfungen ungeahnten Ausmaßes führen wird, präsentiert Venter nun werbewirksam die allemal lichtere Perspektive: Seine Bakterien sollen dereinst CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen oder Bio-Sprit aus Pflanzenabfällen herstellen.

Biosicherheitsforschung
Die meisten Gentechnikversuche von 2006 bis 2012 in Deutschland wurden als Umweltbegleit- und Risikoforschung deklariert. Das war zum einen notwendig, weil die rot-grüne Regierung die Forschungsförderung stark an diesen Begriff gehängt hatte, um ihre z.T. gentechnikkritischen Wähler_innen darüber hinwegtäuschen zu können, dass die Gentechnik trotz anderer Versprechen weiter vorangetrieben wurde. Wer Geld haben wollte, musste die bisher wirtschaftlichen Zielen dienenden Versuche jetzt propagandistischüberarbeiten. Zum anderen aber schuf das Vorgaukeln der Sicherheitsforschung Akzeptanz. So wurde der Versuch mit transgener Gerste in Gießen im Frühjahr 2006 vom redegewandten, in SPD-Kreisen gern als Experte hofierten Prof. Kogel geschickt als Beitrag zu höherer Sicherheit der Gentechnik zelebriert. Der Trick gelang - von Umweltverbänden bis zu Grünen und Linkspartei verfielen alle in Tiefschlaf und stimmten im Stadtparlament Gießen sogar für diesen Versuch! Dass Kogel bei allem noch gelogen hatte und ganz andere als die angegebenen Ziele untersucht, ist nur die Spitze des Eisbergs an vernebelnder Propaganda.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Unter den bestehenden gesellschaftlichen Bedingungen dienen Forschung und Anwendung der Gentechnik prinzipiell Profit- und Machtinteressen. Das gilt auch für andere Forschungs- und Technikbereiche. Auch die Durchsetzung erfolgt mittels überlegener Steuerungsmöglichkeiten der öffentlichen Meinung, der formalen und der finanziellen Rahmenbedingungen. Um mit dem Protest gegen die Gentechnik erfolgreich sein zu können, ist deshalb die Kritik an den Herrschaftsverhältnissen in der Gesellschaft unumgänglich. Die anderen, zur Zeit im Vordergrund stehenden, gesundheitlichen und ökologischen Argumente gegen die Agro-Gentechnik bestehen darüber hinaus weiter, sie aber aus verschiedenen Gründen nicht ausreichend wirkungsmächtig oder können sogar kontraproduktiv sein.

Aus einem Interview mit Alexander Schwerin vom Gen-ethischen Netzwerk, in: Junge Welt, 15.2.2008 (S. 2)
Da geht es um sehr viel Geld. Und natürlich wäre die Freigabe weiterer importierter Stammlinien für die Forschung ein Einstieg in die weitere Ökonomisierung und Verwertung menschlicher Körpermaterialien.

UN-Menschenrechtsausschuss rügt Gentechnik als Menschenrechtsverletzung
Der UN-Menschenrechtsausschuss hat am gestrigen Montag nach 3-wöchiger Sitzung die concluding observations - die Aufforderungen an die indische Regierung, Menschenrechtsverletzungen sofort zu beenden - ins Internet gestellt. Auszüge:
29) Das Komitee ist tief besorgt, dass die exteme Not, die die Farmer erleiden müssen, zu einer steigenden Häufigkeit von Farmer-Selbstmorden über die vergangene Dekade geführt hat. Das Komitee ist besonders besorgt, dass die extreme Armut unter den Kleinbauern, verursacht durch den Mangel an Land, Zugang zu Krediten und adäquaten ländlichen Infrastrukturen, durch die Einführung von genetisch verändertem Saatgut durch multinationale Konzerne und die daraus resultierende Preiseskalation bei Saatgut, Dünger und Pestiziden, vor allem in der Baumwollindustrie, verschlimmert wurde.
68) Das Komitee fordert die Regierung auf ... dringende Maßnahmen gegen die Armut und die Nahrungsmittelunsicherheit zu ergreifen. ...
69) Das Komitee drängt die Regierung ... alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen gegen die extreme Armut unter Kleinbauern und die landwirtschaftliche Produktion als eine wichtige Angelegenheit zu steigern ... finanzielle und andere Hilfsformen für Familien von Suizid-Opfern zur Verfügung zu stellen ... staatliche Unterstützung bereitzustellen, damit die Farmer vermehrungsfähiges Saatgut, dass sie wiederverwenden können, kaufen können mit dem Ziel, ihre Abhängigkeit von multinationalen Konzernen zu beseitigen.
(Englischer Originaltext)

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