Organisierung

HORIZONTALITÄT UND OFFENE SYSTEME: RÄUME, KOMMUNIKATION ... OHNE PRIVILEGIEN

Einleitung


1. Einleitung
2. Verhandeln ohne Regeln und Metaebenen
3. Gleiche Möglichkeiten für alle: Horizontalität in Gesellschaft und Subräumen
4. Worauf ist dann noch Verlass?
5. Anwendungsfelder
6. Das Gesamte: Eine Welt, in der viele Welten Platz haben ...
7. Links

Dieser Text ist Teil der Gesamtabhandlung "Freie Menschen in Freien Vereinbarungen" ... zum Anfang und zur Gliederung

Wenn Emanzipation ein Prozess ist und sich durch ein reflektiertes Vorwärtsdrängen verwirklicht, dann stören starre, soziale Systeme. Spätestens an deren Grenzen, meist aber durchgehend, wirken in ihnen konservierende Elemente wie Moralvorstellungen, Handlungsanweisungen, Schuldgefühle, Deutungen, Diskurse, Paradigmen - einfach alle gesellschaftlichen Steuerungen und Einflüsse, die nicht auf den Vereinbarungen der Menschen selbst beruhen. Solche sind auch in demokratischen Rechtsstaaten gut zu erkennen:
  • Gesetze bilden das Denken der Jahre ab, in denen sie entstanden. Sie konservieren das Gestern in die Zukunft.
  • Hochgerüstete Apparate wie Polizei und Justiz verteidigen Gesetze und andere Normen gegen die Veränderung.
  • Rollen und Einteilungen (krank - gesund, Mann - Frau, erwachsen - heranwachsend, arbeitend - arbeitslos ...) werden zäh verteidigt als Kategorien, um gesellschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten zuzuteilen oder zu entziehen.
  • Gesellschaftliche Ressourcen im Form von Produktionsmitteln, Wissen, Kontroll- und Durchsetzungsinstrumenten wie Überwachungssysteme oder Waffen sind so verteilt, dass sie Privilegien schaffen und sichern.

Die verschiedenen Festschreibungen befördern sich gegenseitig. Wer über Machtressourcen verfügt, kann die ungleiche Verteilung der Produktionsmittel durchsetzen. Gesetze, die das wiederum absichern, kann nur erlassen, wer über die nötigen Durchsetzungsmittel verfügt. Recht ist kein Ausdruck höherer Werte, sondern "die Rechtsordnung gilt, die sich faktisch Wirksamkeit zu schaffen vermag." Das sagte mit Gustav Radbruch ausgerechnet einer der beiden wichtigsten Vordenker der deutschen Rechtsphilosophie (G. Radbruch (1950), Rechtsphilosophie, Stuttgart, zitiert nach: Kühnl, Reinhard (1971): "Formen bürgerlicher Herrschaft", Rowohlt Taschenbuchverlag in Reinbek (S. 58); der zweite Vordenker ist Franz von Liszt). Radbruch fügte zur Verdeutlichung hinzu: "Wer Recht durchzusetzen vermag, beweist damit, dass er Recht zu setzen berufen ist." Es gibt also nicht, wie die Gutmenschen aus großen Teilen z.B. der Friedensbewegung immer wieder dahersäuseln, einen Gegensatz vom "Recht der Stärkeren" und der "Stärke des Rechts", sondern beides ist das Gleiche.

Versuche, dem menschlichen Leben ein Korsett an Fremdorientierung zu geben, brechen das Besondere des Menschen, also quasi seine Natur. Denn er ist hinausgeworfen in die Umwelt - in die Natur und in das soziale Umfeld. Es ist weder typisch menschlich, von Anfang an nur vorgegebene Rollen zu spielen, noch in vorgegebenen Kanälen zu schwimmen, vorgekautes Denken zu reproduzieren oder sich in starren Weltbildern zu verkriechen. Zwar ist die Gesellschaft durchzogen von Versuchen, den Menschen für fremdbestimmte Ideologien einzufangen, aber der Mensch ist von Natur aus in der Lage, sich zwischen verschiedenen Möglichkeiten zu entscheiden, neue zu entwickeln, zu wechseln und zu mischen, kreativ zu entwerfen oder sich zu verweigern. Dem steht nicht entgegen, dass das Gegenprogramm, nämlich das Einhegen der hinausgeworfenen Menschen in vorgegebene Wege, seit Langem und zur Zeit mit erheblichem Erfolg gelingt. Religionen, Ideologien und ähnliche Instant-Welterklärungen vermitteln eine Schein-Geborgenheit, d.h. sie bieten den Weg vom Hinausgeworfensein zurück in den Schoß der Fremdbestimmung. Das scheint vielen Menschen attraktiv, zumal Erziehung und andere Formen der Zurichtung nicht den Gebrauch der eigenen Entschlusskraft, sondern die Anpassung an vorgegebene Schablonen des Lebens predigen bis erzwingen.

Aus dem Text "Dialektik" von Annette Schlemm
Angesichts des Leidens unter Trennungen (zwischenmenschlich, zwischen Menschen und Natur, in sich selbst) sucht der Mensch Heilung in Ganzheiten. Wenn er jetzt zurückflüchtet in alte Fusionen, ist ihm nicht geholfen. Er muss die Differenzierungen neu integrieren. Jeder Schritt ist dabei unweigerlich mit Verlusten verbunden, muss "bezahlt" werden mit der Aufgabe früherer Integrationen, die für den nächsten Schritt lediglich Fusionen sind.

Das Gegenmodell wäre eine Gesellschaft ohne feste Normen, Diskurse und Regeln, ebenso aber auch ohne besondere Ermächtigungen, Privilegien oder Zuständigkeiten, die sich aus formalen Vorgaben ableiten. Das gilt für das Gesamte wie für die Subräume der Gesellschaft, für die eine solche Form ebenfalls weder erzwungen noch nahegelegt werden darf. Zwar können sich Menschen für eine bestimmte Angelegenheit immer frei vereinbaren, d.h. auch das Prinzip freier Vereinbarungen im Einzelfall verlassen, entscheidend ist aber, dass der Gesamtrahmen offen und die Bildung ebenso offener Subräume als Binnenstruktur zulässt. Idealerweise bestünde dann das Gesamte aus vielen offenen Räumen, die sich überlagern, unterscheiden, keine festen Grenzen aufweisen und in unterschiedlichen Lebensbereichen entstehen.

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