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DEMOKRATISCH BOMBEN: NACHHALTIGE UND RECHTSKONFORME MASSAKER ERSETZEN US-POLITIK

Irakkrieg: EU & UN als Retter


Staat als Retter & Regulator · Israel - Palästina (Armeen) · Irakkrieg: EU & UN als Retter · Fazit

Iraker, wir geben euch die Freiheit, so zu leben, wie wir wollen.

Clemens Ronnefeldt, Resist-Beilage in FriedensForum 1/2003 (S.7)
Die Hoffnungen der arabischen Welt ruhen auf diplomatischen Initiativen Europas.

Abbildung rechts: Überschrift aus der Jungen Welt vom 23.12.2004 (S. 2), Aussage von Peter Strutynski vom Friedensratschlag: Doppellogik: Eben mal als ganz Europa auftreten und diese Identität über den äußeren Feind absichern.

Vor allem europäische Linke sehen die Stärkung internationaler Institutionen als Fortschritt an. Dabei argumentieren sie nicht nur aus der klassischen staatseuphorischen Logik, dass Kontrolle den Menschen zu einem sozialen Wesen macht, sondern es geht oft um platte Machtpolitik. Die Stärkung internationaler Institutionen ist die strategische Option der Europäischen Union und in der EU tonangebenden Nationen (vor allem Deutschland) auf eine Weltmachtrolle. Die EU verfügt durch ihre Aufteilung in viele Nationen über sehr viel mehr diplomatische Kontakte zu den Nicht-Industriestaaten als die USA. Letztere stellen einen eigenständigen wirtschaftlichen, finanziellen und vor allem militärischen Block dar. Daraus folgt, dass EU und USA verschiedene Wege im Ringen um den Weltführungsanspruch gehen. Mehr Staat und Kontrolle einerseits und die Aussicht auf internationale Führung andererseits sind die Gründe für die eindeutig positive Ausrichtung auf EU und UN als institutioneller Rahmen internationaler Politik.
Wie im Politikstil der US-Regierung ist damit die Marginalisierung der Menschen verbunden. Sie sind Setzfiguren im internationalen Polit-Schach.
Besondere Hoffnung stecken viele politische Akteurlnnen in die EU und in eine Europäische Leitkultur für die Welt. Diese wird den US-amerikanischen Wertvorstellungen gegenübergestellt - geradeso, als wäre die EU der Hort der Menschlichkeit, zumindest eines Kapitalismus mit menschlichem Antlitz. Nachhaltigkeit und Nachhaltige Entwicklung fungieren in dieser Debatte um die Vorherrschaft der Leitkulturen als Kampfbegriffe europäischer PolitikerInnen vor allem aus dem rotgrünen Lager und vieler NGOs. In einem Text in der Frankfurter Rundschau, einem der Frontblätter der EU-Leitkultur; schrieb Michael Müller; Multifunktionär in SPD und deutschen Umwelt-NGOs: "Nachhaltigkeit ist kein theoretischer Ansatz mehr. Denke global und handele lokal, regional und national - das ist die politische Maxime, um Europa zu behaupten ... "

Was mit Nachhaltigkeit und reguliertem Kapitalismus a la Attac anfing, wird im Kontext des drohenden Irakkrieges auf eine neue Ebene gehoben: Der Wunsch nach europäischer Hegemonie, dem Griff nach "sanfter" Weltherrschaft, wird mittlerweile nun sehr breit und ganz offensiv ausgesprochen - die Stärkung der UN, mehr Rechtsstaat und Europa mitsamt dessen Werten als eigenständiger Machtblock (samt interventionsfähiger Armee) sind die Forderungen. Gepaart ist das mit subtilen bis offenen Hoffnungen, dass Deutschland endlich wieder ganz vorne dabei sein kann - angedeutet durch Sprüche wie diesen auf der Friedensdemo am 15.2 in Berlin: "Endlich, endlich können wir als Deutsche Stolz sein." (Freitag, 21.2.03) Daran beteiligt sind vor allem Regierungskreise, linksliberale Medien und die Eliten der Friedensbewegung, aber auch unter den TeilnehmerInnen der Massendemos gegen Krieg scheinen Europa- und Demokratie-Patriotismus und eine Basis zu haben.

Die EU und andere Akteure könnten den Prozess (der Waffenabrüstung, Anm.) von außen begleiten und unterstützen.
(Clemens Ronnefeldt, Resist-Beilage in FriedensForum 1/2003, S.9)

Deutschland muss auf eine europäische Gemeinschaft setzen
(Heinrich August Winkler in: Der europäische Weg, FR, 15.2.03, S.9)

a. Europa-Patriotismus bei Friedensdemonstrationen
Auch Teile der Friedensbewegung lassen sich bereitwillig zwischen den Machtblöcken ausspielen ... ihr Herz schlägt für die Herrschaftsapparate Europas und Rot-grün - die Kritik na selbiger reduziert sich auf die zweifellose Kriegsunterstützung der BRD - die wirtschaftlichen und machtstrategischen Hintergründe des detschen "Nein" interessieren nicht oder werden ausgeblendet. Der Stellvertretender PDS-Vorsitzender Dieter Dehm bejaht die bedingunslose Solidarität mit der deutschen Regierung und Kritikverzicht auch noch ganz offensiv: "Wenn die Regierung entschieden nein sagt zum Krieg, ist das jede Unterstützung wert - egal aus welchen Motiven." (Junge Welt, 19.2.03, S.3)
Die SPD-DGB-Friedensdemo in München wirkt beispielsweise wie eine einzige Werbeshow für Europa. "Lieber ein altes Europa als eine neue Weltordnung!", "Europa - alt, aber weise!" war mehrfach auf Transparenten zu finden. Ähnliche Sprüche sind Teil aller größeren Friedendemonstrationen. Die Kriegsverweigerung ist eben die Chance für Deutschland, ein weiteres Mal die Führung in einer internationalen Bündniskonstellation zu übernehmen (wie in der Nachhaltigkeits-/Agenda-Debatte auch schon). Während die Demo lief wurde in rotgrünen Kreisen in Berlin längst der Gegenentwurf zum USA-gesteuerten Krieg ersonnen, der Blauhelmeinsatz. In der UNO hätte nämlich die EU das Sagen. Die Toten interessieren weder Schröder noch Fischer noch Blair noch Bush.

b. Krieg - aber bitte rechtsstaatlich und demokratisch
"No war without second un-resolution" forderte ein Transpi auf der SPD-Antikriegsdemo in München. Das ist nur die Spitze von Argumentationen, die verrechtliche internationale Beziehungen als Qualität an sich begreifen und Rechtstaatlichkeit und Demokratie weltweit etablieren wollen. Schlimm ist demnach nicht der Herrschaftsdurchgriff Krieg, sondern das "völkerrechtswidrige" und "undemokratische" Zustandekommen. Abschiebungen, Überwachung usw. sind ja auch geltendes Recht - insofern ist fragwürdig, warum formalisierte Herrschaft besser sein soll als deren ungeregelte Varianten. "Wenn man das Völkerrecht weiter entwickeln will, weil man meint, es reicht für den Kampf gegen den Terrorismus nicht aus, dann muss das innerhalb der Vereinten Nationen geschehen." (Heinrich August Winkler in: Der europäische Weg, FR, 5.2.03, S.9) Solche Aussagen verdeutlichen, dass nichts gewonnen ist, wenn all das, was die englische und US-Regierung auch ohne UN-Resolution zu tun gedenken, in Einklang mit dem Völkerrecht gebracht wird oder umgekehrt. Der demokratische Segen durch die UN verschlechtert sogar schlimmer, weil damit Akzeptanzbeschaffung von Krieg betrieben werden kann ... schließlich sind die, die das entscheiden, ja irgendwie gewählt worden. Demokratische Bomben töten eben humanitär ...
Ausgeblendet wird, dass der Rechtsstaat selbst eine Herrschaftsstruktur ist, die nicht ohne Durchsetzungsorgane auskommt ... letzten Endes läuft die "Stärkung des Rechts" auf mehr Herrschaft heraus - und sichert damit die Grundlagen dafür, dass überhaupt Kriege geführt, Menschen eingesperrt, gefoltert und abgeschoben werden können. Der Hype um die UN, dessen Struktur und Zusammensetzung allein schon die Frage aufwirft, was Friedensbewegte und Demokratiefans daran gut finden können, ist nur mit Blick durch die Herrschaftsbrille verständlich: Beim Pochen auf Institutionalisierung und Forderungen nach "Mehr Rechtsstaat" geht es vor allem um Hegemonie der EU - deren Projekt ist ja gerade die demokratische Beherrschung (Internationaler Staatsgerichtshof, Global Governance usw.). Dem Bezug auf Rechtsstaat und Demokratie vieler Friedensbewegter ist die Werbung für die modernen EU-KriegstreiberInnen und .Machtstrategen eingeschrieben - selbst wenn das gar nicht gewollt ist.

Die Grundpositionen der Kampagne "resist - sich dem Irak-Krieg widersetzen!" können beschrieben werden mit den Gegenüberstellungen: Inspektion statt Invasion, Kriegsprävention statt Präventivkrieg, Stärkung des Rechts statt Recht des Stärkeren.
(Clemens Ronnefeldt, Resist-Beilage in FriedensForum 1/2003, S.1)

Statt globalem Kampf brauchen wir globale Sicherheitsstrukturen mit verbindlichen Rechtsgrundlagen, mit der Stärke des Rechts statt des Rechts des Stärkeren.
(Friederich Schorlemmer, Studienleiter der evangelischen Akademie Wittenberg in einer Rede auf der Antikriegsdemo in Berlin, Junge Welt, 17.2.03, S.2-3)

Die Europäer müssen versuchen, die neue Weltordnung im Sinne der westlichen Werte und der westlichen Völkerrechtstradition zu gestalten.
(Heinrich August Winkler in: Der europäische Weg, FR, 15.2.03, S.9)

c. Europa als unabhängiger Machtblock
Mit ihrer Erklärung zur Unterstützung der US-Kriegspolitik gegenüber Irak haben acht europäische Staaten einer zivilen gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik einen Bärendienst erwiesen.
(Clemens Ronnefeldt, Resist-Beilage in FriedensForum 1/2003, S.8)

Immer wieder bedauern linksliberale KommentatorInnen, dass es keine gemeinsame EU-Position gibt - bis hin zu friedensbewegten Kreisen wird eine "gemeinsame Sicherheitspolitik" der EU eingefordert - gemeint sind damit interne Zentralisierung und Aufrüstung der EU zur Weltmacht unabhängig von den USA ... eine EU-Interventionsarmee unter deutscher Führung befindet sich bereits im Aufbau. Gekoppelt ist das mit Beiträgen, die eine europäische Kultur und Identität herauf beschwören. Hinter solchen, in aktuellen Debatten um den Irakkrieg gebetsmühlenartig wiederholten Forderungen steckt der Wunsch nach einem europäischen Machtblock und der positive Bezug auf Institutionen und Regierungen mitsamt Repressionsorganen und ihren aktuellen Eliten - nicht auf Menschen, die sich unabhängig und im Widerstand zu Machtapparaten für ein selbstbestimmtes, schönes Leben einsetzen. Sie kommen gar nicht vor bzw. werden immer nur als Anhängsel von Herrschaft gedacht, die das "Gute" garantieren soll.

Folglich kann es für Deutschland nur darum gehen, sich zunächst auf's Engste mit denen in der EU abzustimmen, die ebenfalls ein stärkeres Gewicht Europas in die Waagschale werfen wollen. Dazu gehören auch größere Anstrengungen bei der Verteidigung als bisher.
(Heinrich August Winkler in: Der europäische Weg, FR, 15.2.03, S.9)

Aber es gibt keine euro-asiatische Wertegemeinschaft von Paris bis Peking. Infolgedessen gibt es keine Alternative zu den Bemühungen, die EU zu einer politischen Union auszubauen, mit einer eigenen Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Rahmen des atlantischen Bündnisses.
(Heinrich August Winkler in: Der europäische Weg, FR, 15.2.03, S.9)

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