Organisierung

WELTGIPFEL IN JOHANNESBURG (“RIO+10“)

Governance, Runde Tische, Zivilgesellschaft: Hilfe, noch mehr Demokratie droht!


1. Nachhaltigkeit: Argument für die Modernisierung der Demokratie
2. Was ist Nachhaltigkeit?
3. Die Inhalte von Nachhaltigkeit und Agenda 21: Mehr Atomtechnik, mehr Gentechnik, universelle Lebensentwürfe
4. Nachhaltig marktfetischistisch
5. Nachhaltige Umweltbildung
6. Governance, Runde Tische, Zivilgesellschaft: Hilfe, noch mehr Demokratie droht!
7. NGOs: Schwach, anbiedernd, inhaltsleer:  Umwelt-NGOs als Akzeptanzbeschafferinnen von Staat und Wirtschaft
8. Aufruf zu Aktionen gegen Rio+10

Die ProtagonistInnen der Konzepte von „Governance“ sitzen nicht nur in den Regierungen, sondern auch in den modernen NGOs. Dort treibt eine Mischung aus Karriere- und Einflußhoffnungen immer mehr FunktionärInnen zu Vorschlägen für eine Modernisierung von Regierungsstrukturen, wobei sie sich immer selbst an den Tischen des erweiterten Kreises der Mächtigen sehen. Im Schlußkapitel der Erdcharta, einem NGO-Papier zur Weltkonferenz in Johannesburg, heißt es: „Eine Partnerschaft von Regierungen, Zivilgesellschaft und Wirtschaft ist unabdingbar für eine wirkungsvolle Lenkung und Gestaltung unserer Geschicke.“
Die Idee der Governance ist dabei verbunden mit dem Ruf nach Reregulierung, deutlich zu sehen im Text „Was ist Global Governance?“ der Erlaßjahrkampagne (aus „erlassjahr.de“, Kampagnen-Kurier Oktober 2001, S.9): „Da, wo Rot und Grün sich auf eine ernsthaft Debatte über die Nord-Süd-Dimension der Globalisierung einlassen, treffen sie sich zumeist mit kritischen Bewegungen bei der Forderung nach Globalen Regelungsmechanismen (neudeutsch: "Global Governance") für eine weltweite und grundsätzlich kapitalistisch verfaßte Wirtschaft. Diese grundsätzliche Forderung nach Regulierung statt Liberalisierung haben soziale Bewegungen in den letzten Jahren erfolgreich auf sehr konkrete einzelne Forderungen zugespitzt, an denen sich nun die Ernsthaftigkeit einer proklamierten Reformbereitschaft auf Seiten der Regierungsparteien überprüfen läßt. Die Forderung nach einer Devisentransaktionssteuer ("Tobin Tax") gehört ebenso dazu, wie die nach einer Reform der schuldenproduzierenden staatlichen Exportbürgschaften (Hermes-Reform).“
Der zur Zeit modernste NGO, Attac, wähnt sich gar selbst als Vorstufe des zivilen Teils der Governance: „Hunderttausende können in den elektronischen Quartalszeitschriften, in den Websites aller Attac-Filialen Abhandlungen, Polemiken, Informationen und Hinweise auf tausend weitere Links finden. So wird eine gemeinsame Gesprächsgrundlage für die globale Bürgergesellschaft gelegt.“ (aus: C. Grefe, M. Greffrath und H. Schumann, 2002: attac. Rowohlt Berlin, S. 165)
Governance bezieht die sog. „Zivilgesellschaft“ mit ein. Damit sind aber keine größeren Spielräume der Selbstbestimmung oder mehr Beteiligungsrechte für die Menschen gemeint – schon gar nicht eine Gesellschaft der Freien Menschen in Freien Vereinbarungen ohne Regierungen, Staat und Markt. Als „Zivilgesellschaft“ werden die Organisationen betrachtet, in denen sich Interessen bündeln. Derer FührerInnen, oft weit weg von der Basis und gleichzeitig Spitzenkräfte in Parteien, staatlichen Institutionen oder Konzernen, definieren sich selbst als VertreterInnen der Menschen – die sie aber tatsächlich nicht fragen. Verklärend beschreibt Attac diese Organisationen im Buch „Eine andere Welt ist möglich!“ (2002, VSA Hamburg, S. 146): „Alle Gesellschaften, egal wie arm, haben Organisationen, die Bauern, ArbeiterInnen, Frauen, die Geschäftswelt und so weiter vertreten, und die je nach Regierung mehr oder weniger frei agieren können.“

Governance bläht Demokratie auf, erweitert die Beteiligten und schafft damit zum einen erhöhte Akzeptanz, zum anderen werden Herrschaftssysteme leistungsfähiger, weil mehr Potential an der Ausführung mitwirkt. Die „VertreterInnen der Zivilgesellschaft“ suggerieren eine demokratische Breite und bringen kritisches Know-How ein. Tatsächlich aber haben die Menschen keine neuen Mitbestimmungsebenen – ganz im Gegenteil: Während sich die Debatte um Governance, Nachhaltigkeit und Zivilgesellschaft ausbreitete, wurden Beteiligungsrechte immer mehr der Standortpolitik geopfert. Das wird so weitergehen – die FunktionärInnen der NGOs werden zu den Gewinnern der modernisierten Herrschaft gehören. Die Menschen verlieren immer mehr Freiräume, aber es gibt immer mehr, die ihnen das Gegenteil erzählen.

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