HIRNSTUPSER - NACHDENKTEXTE ZUM AKTUELLEN ZEITGESCHEHEN
Hirnstupser-Filme zu kreativen Aktionsformen und dem Streit darum
1. Übersicht der Hirnstupser-Textbeiträge - thematisch gegliedert
2. Übersicht aller Hirnstupser-Filmclips - thematisch gegliedert
3. Hirnstupser-Filme zu aktuellen politischen Fragen
4. Hirnstupser-Filme zu Umweltfragen
5. Hirnstupser-Filme zu kreativen Aktionsformen und dem Streit darum
6. Hirnstupser-Filme zu Umwelt-, Klima- und Verkehrswende-Proteststrategien
7. Hirnstupser-Filme zu Organisierung und Strategien politischer Bewegungen
8. Hirnstupser spezial: Filmclips zu "Danni bleibt! Keine A49!"
9. Hirnstupser spezial: Ella - der Prozess (Berufung)
10. Hirnstupser spezial: Filmclips zu Demokratie und Herrschaftsfreiheit
11. Hirnstupser spezial: Filmclips zu vereinfachten Welterklärungen
12. Die weiteren Hirnstupser-Filme (u.a. zu sozialen Themen und Herrschaftstheorie)
13. Hirnstupser-Filme zu Coronazeiten und -themen
Reihe zu Sinn und Unsinn provokanter Aktionen
Nr. 1: Das Intro zum Buch "Provoziert!"
Die „Letzte Generation“ ist in aller Munde. Ihre Aktionen polarisieren – und viele derer, die Macht oder Kapital in ihren Händen halten, schimpfen auf die Aktivist*innen. Neben strafrechtlichen Drohungen fordern sie, zu zurückhaltenderen Aktionsformen zurückzukehren. Doch: Braucht politischer Protest die direkte Aktion, ein provokantes, aufmerksamkeitserzeugendes Eingreifen in die gesellschaftlichen Abläufe? Was wären die Atomproteste ohne Schienenblockaden und Bauplatzbesetzungen? Was der Widerstand gegen die Agrogentechnik ohne Feldbefreiungen und -besetzungen? Wo ständen wir in der Kohleausstiegsdebatte, wenn es die Besetzung des Hambacher Forstes und die Baggerbesetzungen nicht gegeben hätte?Mit der neuen Hirnstupser-Reihe zu provokanten Aktionen werden solche Fragen aufgegriffen und geklärt. Der erste Beitrag führt in das Thema ein und benennt die schon vorhanden Materialien dazu.
Die Themenseiten: provokante-aktionen.siehe.website ++ direct-action.siehe.website
Das Buch bestellen: Hier im Aktionsversand ++ beim Verlag
Zur Kritik an provokanten Aktionen
Jede Störung ist eine Nötigung! Justiz als Bollwerk des Weiter-so
Klimaschutz, Verkehrswende, Artenschutz - die Probleme werden immer drängender, aber Staat und Kapital versuchen mit allen Tricks, ein Ende der Ausbeutung von Mensch und Natur hinauszuzögern. Wie immer, bildet die Justiz dabei ein wichtiges Bollwerk, in dem sie alle bestraft, die sich nicht an die Regeln halten. Da kann die Welt untergehen, da können viele, viele Menschen sterben oder zur Flucht gezwungen werden, Arten aussterben und Überflutungen das Leben zur Gefahr machen: Das Recht auf Profite, auf Ausbeutung, auf schnelles Autofahren überall usw. muss erhalten bleiben. Wer Kritik hat, soll irgendwo unbemerkt herumstehen - mehr nicht. Der Hirnstupser stellt an Beispiel dar, wie die Justiz zurzeit Proteste einzuschüchtern versucht und Rechtsbeugung dabei zur alltäglichen Waffe wird. Der Leitspruch stammt dabei vom Oberlandesgericht Celle, die aus dem Widerstandsparagraphen im Grundgesetz ableiten, das es kein Widerstandsrecht gibt. Wie die das schaffen: Lest selbst ...Aus dem Beschluss des OLG Celle vom 29.7.2022 (Az. 2 Ss 91/22)umwelt-und-macht.siehe.website ++ recht.siehe.website ++ noetigung.siehe.website
Niemand ist berechtigt, in die Rechte anderer einzugreifen, um auf diese Weise die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erregen und eigenen Auffassungen Geltung zu verschaffen (vgl. BGHSt 23, 46, Rn 16; LK-Rönnau, Vor § 32 Rn 142; S/S-Lenckner/Perron, § 34 Rn 41a; jeweils m.w.N.). Dies ergibt sich bereits aus Art. 20 Abs.4 GG. Denn durch die Beschränkung des Rechts zum Widerstand auf eine Situation, in der die grundgesetzliche Ordnung der Bundesrepublik im Ganzen bedroht ist, besteht im Umkehrschluss eine Friedenspflicht zu allen anderen Zeiten. ...
Würde die Rechtsordnung insoweit einen Rechtfertigungsgrund akzeptieren, der allein auf der Überzeugung des Handelnden von der Überlegenheit seiner eigenen Ansicht beruht, so liefe dies auf eine grundsätzliche Legalisierung von Straftaten zur Erreichung politischer Ziele hinaus, wodurch eine Selbstaufgabe von Demokratie und Rechtsfrieden durch die Rechtsordnung selbst verbunden wäre und die mit den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Rechtsordnung schlechthin unverträglich ist.
Justiz - Garant von Privilegien und Weiter-so: Repressives Vorgehen gegen politisch Aktive
Recht hat einen guten Ruf - für Rechtstaatlichkeit werden Kriege geführt, für Recht und Ordnung Zigtausende Menschen eingesperrt, überwacht und kontrolliert. Dabei spielt die Justiz mit ihrem Beharren auf die Allmacht der Gesetze und ihre eigene Definitionsmacht über deren Sinngehalt und Wirkungsweise eine verheerende Rolle in der Gesellschaft. Sie sichert ab, dass Privilegien erhalten bleiben und die Interessen von Staat und Kapital weiter gelten. In der Praxis spielen sie damit nicht nur eine konservierende Rolle, sondern entwickeln die Instrumente des Rechts sogar selbstständig weiter, um das Weiter-so besser verteidigen zu können (juristisch wäre das eigentlich Rechtsbeugung - aber auch da definiert die Justiz selbst, ob sie das tut). Der "Hirnstupser" stellt das an zwei Fallbeispielen im politischen Protest dar: Dem sogenannten Aktionsschwarzfahren, wo Menschen ohne Fahrschein unterwegs sind und das auch offen zeigen, um z.B. für den Nulltarif zu werben. Sie "erschleichen" damit nicht mehr - aber Gericht definieren den Paragraphen 265a StGB einfach um. Der andere Fall ist gerade in aller Munde: Nötigung (§ 240 StGB). Er wird immer mehr zum generellen Totschlag jeden politischen Protest über das Sandkastenformat hinaus.recht.siehe.website ++ noetigung.siehe.website ++ schwarzstrafen.siehe.website
Repression und Hetze gegen Öko-Aktivistis: "Weiter so" eint Schwurbler und Regierung
Als dieser Hirnstupser schon fertig eingespielt war, erschien ein Artikel auf Netzpolitik, der ziemlich genau wiedergibt, was auch der Hirnstupser im Kern aussagt. Daher sei er hier zitiert:"Aus "Im Fadenkreuz der Verdrängungsgesellschaft", auf: Netzpolitik am 11.11.2022
Die Verdrängungsgesellschaft fühlt sich gestört von Menschen, die unnachgiebig und mit Mitteln des zivilen Ungehorsams auf die drohende Klima-Katastrophe hinweisen. Sie baut bis in höchste Regierungskreise ein neues Feindbild auf – und attackiert Versammlungsfreiheit und Demokratie. Das ist gefährlich. ...
Die bayerische Polizei steckte Klimaaktivist:innen in Präventivgewahrsam, die CDU fordert Strafverschärfungen und will das Versammlungsrecht indirekt beschneiden, der Kanzler rüffelt die Klimaproteste der Letzten Generation, der Bundesjustizminister spricht von Gefängnisstrafen für die Demonstrierenden, die Innenministerin unterstützt ein hartes Durchgreifen der Polizei während andere Politiker:innen die Proteste als „demokratiefeindlich“ bezeichnen. Der hessische CDU-Justizminister brachte gar Terror-Anklagen ins Spiel. Es fehlte nur eigentlich nur noch, dass jemand das Verbot von Warnwesten und Sekundenkleber forderte. ...
Es sind Proteste, die man nicht einfach umarmen oder ignorieren kann, so wie das mit den bunten, netten Großdemos von Fridays for Future leider zu oft passiert ist. Es sind Proteste, die stören und verstören, die nerven und irgendwie nicht aufhören wollen. Doch die Protestform des zivilen Ungehorsams ist der Dramatik der Situation angemessen. Man wundert sich doch fast, dass angesichts des apokalyptischen Szenarios, auf das die Menschheit mit Scheuklappen zusteuert, nicht schon ganz andere Aktionen auf der Tagesordnung stehen. ...
Die Methode des Zivilen Ungehorsams ist klar und unmissverständlich. Wer sich über die Störungen echauffiert, will entweder über die eigene Unfähigkeit zur Lösung der Klimakrise hinwegtäuschen, hat ein Problem mit demokratischem Protest generell – oder Klimaprotest im Besonderen. Um das zu kaschieren, reden Anhänger:innen der Verdrängunsgesellschaft von einem blockierten Rettungswagen. Und reiben sich dabei erfreut die Hände, dass sie endlich draufhauen können. Endlich hat man einen Sündenbock, auf den man einprügeln kann, weil er die ignorante Routine stört. (Quelle: netzpolitik.org/2022/klimaproteste-im-fadenkreuz-der-verdraengungsgesellschaft/)
Der Hirnstupser macht zudem einen Vergleich der Abwehrkämpfe von einerseits Regierungen und Kapital sowie andererseits den Schwurbler*innen und Verschwörungsgläubigen - die sind sich ähnlicher als sie voneinander denken.
Aufregung um die "Letzte Generation": Sinnvolle Kritik oder blöde Ausgrenzung?
Im digitalen Zeitalter verschieben sich Aktionsstrategien immer mehr auf spektakuläre Formate, die als Welle aufploppen und (meist) wieder verschwinden. Kontinuierliches, oft zähes Ringen um konkrete Veränderungen ist out. Es überwiegt der Appell an die Mächtigen. Bei dieser Arbeitsweise treten immer wieder neue Aktionen in den Vordergrund - und das ist zurzeit eindeutig die "Letzte Generation". Eine Kritik an diesem Appellativen, der Befürwortung starken Regierens oder der internen Hierarchien bzw. des oft dominierenden Labelzeigens wäre sinnvoll. Doch sowohl in bürgerlichen als auch in Bewegungssphären wird ausgerechnet die Aktionsform massiv kritisiert. Selbst diejenigen, die klar haben, dass "System chance not climate change" nötig ist und dafür mehr kommen muss als Petitionen, Latschdemos oder Spendensammeln, stimmen in das Genöhle ein. Dabei ist das Beste an "Letzte Generation", dass sie dazu beitragen, dass Aktionen hier druckvoller und mutiger werden. Das ist dringend nötig - und "Letzte Generation" hoffentlich erst ein Anfang. Politischer Widerstand muss raus aus der Komfortzone - egal ob Internet oder Büroetage!
