Projektwerkstatt

BLICKE HINTER DIE MAUERN

Informationen zum "Leben" im Knast


1. Informationen zum "Leben" im Knast
2. Berichte vom Umgang der Knastleitungen mit politischen Engagement und Solidarität
3. Berichte von eingesperrten Polit-Aktivistis
4. Leben, Gesundheit und Sterben im Knast
5. Pit Scherzls Notizen über die Missstände, die er im Knast erlebte
6. 12 Jahre Knast für Anschlag auf Arbeitsamts-Chef
7. Berichte von Thomas Meyer-Falk
8. Berichte aus dem Gießener Gefängnis (Gutfleischstraße)
9. Gerichtlich geklärte Bedingungen
10. Mehr Knastberichte
11. Rechte Ideologieschmiede Knast

Der Text stammt aus dem Reader "Der Knast hat keine Fehler, er ist der Fehler" (S. 465 ff.)

Die Lebensumstände der Gefangenen
Wenn jemand eingesperrt wird, nimmt man ihr/ihm ihre/seine Bürgerrechte für eine bestimmte Zeit, nicht aber die Menschenrechte. Trotzdem gibt es viele Verfahren vor dem Europäischen Menschenrechtshof in Den Haag, die die Umstände in den Knästen anprangern, und die daher zeigen, dass selbst die Menschenrechte der Betroffenen verletzt werden. Die Masse an Verfahren zeigt außerdem, dass die Verletzung der Menschenrechte strukturell bedingt ist. Abgesehen davon, dass Bestrafung und Freiheitsberaubung eines Menschen an sich schon sinnlos sind, ist aber auch der Mensch in der „Freiheit“ der „westlichen Demokratien“ nicht frei. Das Knastsystem ist widersprüchlich, weil es zwar darauf pocht, dass die BürgerInnen die Gesetze einzuhalten haben, selbst aber ohne Gesetzesbrüche gar nicht bestehen könnte.
Der Knast raubt dem Individuum seine soziale Funktion und reduziert es auf ein biologisches Wesen. Alles wird kontrolliert: jede Bewegung (wann er/sie in den Hof geht, telefonieren geht, Besuch empfängt…) wann er/sie isst, schläft… Anders gesagt, der Mensch in Gefangenschaft verliert die Kontrolle über sich selbst, man kann nicht mehr von „Rechten und Pflichten“ sprechen, sondern nur noch von Anweisungen und Gehorsamkeit (es gibt so viele Pflichten, dass es schwer ist, die eigenen Rechte wahrzunehmen). Ein gutes Beispiel dafür, dass die Gefangenen zu biologischen Wesen reduziert werden, ist das „Morgenritual“ der Schließer: Jeden Morgen überprüfen die Schließer den „menschlichen Inhalt der Zelle“ auf ihren Stoffwechsel (ein Zitat des Knastvokabulars). Also besser gesagt: sie kontrollieren, ob der/die Gefangene sich in der Nacht das Leben genommen hat.

Die Haftentlassung
Wie es schon in den vorigen Texten angesprochen wurde, sind die Konsequenzen für die dem/der Gefangenen nahestehenden Personen oft schwerwiegend, so dass viele Haftentlassene erstmal alleine da stehen (zum Beispiel auf Grund einer Trennung und dem Abreißen des Kontakts zu Freunden - auch wegen fehlender Mittel - während der Haft). Die Zeit im Knast ist hart für die/den Gefangene/n und sie ist es besonders, wenn sie/er keine Unterstützung von außen bekommt. Aber auch die Entlassung kann wegen dem Bruch, den die Zeit im Knast im sozialen Umfeld hinterlässt, dann auch zu einem schwierigen, besonders wenn sie/er sich alleine wiederfindet (auf zwischenmenschlicher, emotionaler und wirtschaftlicher Ebene). Nach der Entlassung müssen einige Dinge schnell und dringend erledigt werden: eine Wohnung muss gefunden werden und eine Arbeit, falls kein Recht auf staatliche Unterstützung besteht. Außerdem ist meist ein großer bürokratischer Aufwand zu bewältigen, um Unterstützung zu beantragen. Der Knast als Strafe wird angeblich zur Rehabilitation des ‚(Klein-)Kriminellen‘ eingesetzt. Allerdings ist es kein Geheimnis, dass es sehr schwierig ist, nach einer Haftentlassung eine Arbeit zu finden. In der Praxis dauert die Bestrafung also auch nach der Entlassung an.
Angesichts der schlechten Bedingungen bei der Haftentlassung, scheint die Frage berechtigt, ob die Knastverwaltung nicht die erneute Haft der Entlassenen mit vorbereitet: ohne Geld, ohne staatliche Unterstützung und ohne Arbeit wenden sich viele Entlassene erneut der informellen/illegalen Ökonomie zu, wo das Risiko, ein weiteres Mal festgenommen und in den Knast zu kommen, entsprechend hoch ist (besonders angesichts der Tatsache, dass sie dann als ‚Wiederholungstäter‘ verurteilt werden. Vom Knast gezeichnet zu sein, ist für die Justiz ein gutes Motiv, erneut zu Haftstrafen zu verurteilen. Hier wird besonders deutlich, wie sehr der Knast selbst ein Unding ist: den (Klein-)Kriminellen soll das Leben in der Gesellschaft beigebracht werden, indem sie aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden.Vor diesem Paradox schließen Reformisten mit ihrer Idee eines humaneren Knasts gerne die Augen: durch die Haft in einer 6m² Zelle sollen Menschen zurechtgebogen werden, um dann - psychisch angeschlagen - ‚wie es sich gehört‘ in einer Gesellschaft weiterzuleben, die sie selbst nicht als Mitglieder anerkennt.

Der Alltag der Gefangenen
Rechts: Diese Grafik befand sich vor einigen Jahren auf der offiziellen Eingangsseite der JVA Werl. Immerhin ein Anflug von Selbstkritik - inzwischen verschwunden.

Das Eingesperrt-Sein
Die Gefangenen können bis zu 23 Stunden am Tag in ihren Zellen eingesperrt sein; die Dauer ist variabel und von Knast zu Knast unterschiedlich. Eine EU-Richtlinie besagt, dass einem Häftling mindestens 9 Quadratmeter Platz pro Zelle zustehen. Tatsächlich sind die Zellen jedoch viel kleiner (5-6 Quadratmeter). Größere Zellen werden von mehreren Häftlingen „bewohnt“. So soll die allgegenwärtige Überbelegung bewältigt werden.

Das Telefonieren
Theoretisch können die Gefangenen telefonieren. Praktisch gesehen werden ihnen die sozialen Kontakte nach draußen erschwert: Da die Schließer genau wissen, was das Telefonieren psychologisch und emotional für die Gefangenen bedeutete, ist es ihre „Lieblingsbestrafung“, das Telefonieren zu verbieten. Hinzu kommt, dass das Gefängnis ein Markt ist, was bedeutet, dass dort von privaten Firmen ein Absatzmarkt erschlossen wird. Der private Telefonanbieter „Telio“, der u.a. für die Berliner Knäste zuständig ist, verlangt für ein Gespräch ins Berliner Festnetz 9 ct/Minute, für ein Gespräch ins bundesweite Festnetz 18 ct/Minute, und für ein Gespräch aufs Handy 72 ct/Minute. Das ist 3 bis 9 Mal so teuer als normale Gesprächskosten „draußen“. Die Firmen können den Preis beliebig hoch ansetzen, da sie keine Konkurrenz in den Knästen fürchten müssen.
Handys sind verboten, nicht etwa aus Sicherheitsgründen, da sie von der Polizei bzw. Knastleitung abgehört werden können, sondern weil Privatfirmen Profiteinteressen haben und möchten, dass die Gefangenen gezwungen sind, ihre Dienste in Anspruch zu nehmen, es Konflikte und Konkurrenz zwischen den Gefangenen schürt, da die Telefonzeiten für alle zur selben Zeit stattfinden und sie so gezwungen sind, sich am Telefon kurz zu halten.

Essen
Der Knast gewährleistet eine warme Mahlzeit pro Tag. Wer mehr braucht, muss sich dies vom eigenen Geld zu überhöhten Preisen kaufen. Auch hier profitieren private Firmen. In diesem Falle haben die Gefangenen zwei Möglichkeiten, um ihr Essen zu finanzieren:

Gesundheit
Die Sterblichkeit in den Knästen ist um vieles höher als in Freiheit. Es gibt wenig medizinisch geschultes Personal, und wenn, dann ist es selten da. In Tegel z.B. gibt es einen einzigen Arzt für 1700 Gefangene, der 2 Stunden pro Woche anwesend ist. Für die Gefangenen bedeutet das, dass ihre gesundheitliche Versorgung kaum bzw. gar nicht gesichert ist. Die Möglichkeit, einen Arzt von draußen anzufragen gibt es natürlich nicht. Wenn der Knastarzt sie untersucht, bedeutet das jedoch nicht, dass sie tatsächlich die Behandlung kriegen, die sie brauchen. Im Jahre 2005 kam es zudem im Knast in Moabit zu einem Medikamentskandal: Schließer hatten Medikamente aus der Knastapotheke gestohlen und weiterverkauft. Mehrere Dutzend Gefangenen sind daraufhin gestorben, weil sie ihre Medikamente nicht rechtzeitig bekamen. Der Prozess gegen die Schließer findet im April 2008 statt, also 3 Jahre später.

Hygiene
In den Männerknästen werden Rasierer und Seife bereitgestellt, jedoch nicht genug und nicht regelmäßig. Shampoos und Waschmittel müssen die Gefangenen selbst besorgen. Um die Wäsche können sich aber auch Familie, Freunde, Soligruppe … kümmern. In den Frauenknästen müssen sich die Gefangenen um alles selbst kümmern, was problematisch ist, vor allem wenn sie kein Geld zur Verfügung haben (hygienisch problematisch wird es z.B. wenn sie ihre Regelblutungen haben und kein Geld, um sich Damenhygiene zu kaufen).

Besuch
Gefangene können Besuch von ihren Angehörigen bekommen. Dauer und Regelmäßigkeit sind von Knast zu Knast unterschiedlich: In Tegel und im Frauenknast in Pankow: eine Stunde pro Woche und bis zu drei Personen pro Besuch. In Plötzensee: 45 Minuten pro Woche und bis zu drei Personen pro Besuch. Theoretisch haben Ehepaare ein Recht auf längere und unüberwachte Besuche. Dieses Privileg kann man nur nutzen, wenn es der Knastleitung passt - trotz gesetzlichem Anspruch. In Tegel z.B. muss man, um dieses Privileg zu nutzen, in einem bestimmten Trakt gefangen sein - dort, wo zur Zeit viele Nazis einsitzen. Anwält_innen können ihre Gefangenen jederzeit besuchen - sofern man denn eine/n hat, und ihn/sie bezahlen kann.

Briefverkehr
Die Briefe, die von den Gefangenen empfangen werden, werden vorher von der Knastleitung gelesen. Die Gefangenen können Zeitungsabos erhalten, die aber nicht unbedingt immer beim Empfänger / bei der Empfängerin ankommen. Die Knastleitung schiebt die Schuld dann der Post zu, die Post wiederum bestreitet ihre Verantwortung. Oft aber stehlen Schließer die Zeitungen und viele Briefe gehen „verloren“. An Weihnachten, Ostern und am Geburtstag können die Gefangenen ein 5 kg-Paket mit Süßigkeiten von ihren Angehörigen empfangen.

Sport
Theoretisch können Gefangene Sport treiben. Praktisch ist das von Knast zu Knast unterschiedlich, und ist u.a. von der Ausstattung und der Anzahl der Schließer abhängig.

Arbeit
Hier gibt es wieder einen Unterschied zwischen Männer- und Frauenknästen. In den Männerknästen gibt es eine größere Nachfrage nach Arbeitsplätzen als Stellen selbst. Die Knastleitung kann daher die Gefangenen nicht zur Arbeit verpflichten, wenn sie nicht wollen. Daher wird diesen Gefangenen gestattet, Geld von draußen anzunehmen, da sie für ihre „Arbeitslosigkeit“ ja nichts können. Irgendwann wird es aber genug Arbeitsplätze geben, sodass die Gefangenen in den Männerknästen nicht mehr das Recht besitzen, das „Angebot“ abzulehnen; ähnlich wie in den Frauenknästen werden dann auch sie zur Arbeit gezwungen. Der Arbeitslohn liegt unter dem Niveau von „draußen“; auch in der Sozialversicherung gibt es Unterschiede und Ungerechtigkeiten. Die Konkurrenz untereinander wird zudem geschürt, da diejenigen, die im Knast arbeiten, einen bevorzugten Vollzugsplan erstellt bekommen. Im Frauenknast sieht es anders aus. Da es weniger gefangene Frauen als Männer gibt, deckt sich auch „Angebot“ und „Nachfrage“ der Arbeitsplätze. In der JVA Pankow, wo Andrea eingesperrt ist, herrscht Arbeitszwang für jede Gefangene. Andrea aber lehnt es ab zu arbeiten. Da die Knastleitung sie nicht offiziell dazu verpflichten darf, verbieten sie ihr, Geld von draußen zu empfangen, um sich Essen zu kaufen.
Die International Labour Organisation (ILO) mit Sitz in Genf definiert Arbeitszwang sehr vage, wenn es um das Knästesystem der „westlichen Demokratien“ geht. In ihren Berichten steht jedenfalls: Artikel 2.1. der Konvention C 29 vom 28.Juni 1930, ratifiziert von Deutschland am 13.Juni 1956, definiert Arbeitszwang folgendermaßen: “For the purpose of this convention, the term forced or compulsory labour shall mean all work or service which is exacted from any person under the menace of any penalty and for which the said person has not offered himself voluntarily.” Die Tatsache, dass Andrea verboten wurde, Geld von draußen anzunehmen, um sich Essen im Knast kaufen zu können, ist eine Bestrafung dafür, dass sie die Arbeit abgelehnt hat. Dies deckt sich mit der Definition der ILO, da sie eine Strafe dafür hinnehmen muss, dass sie die Arbeit ablehnt. Aber inwiefern dies auch gilt, wenn man über Zwangsarbeit im Knast spricht, bleibt unklar. Die/der Gefangene wäre eigentlich nicht verpflichtet für private Firmen zu arbeiten, sondern nur im Rahmen des Knastsystems ( Wäsche waschen, Küche, Putzarbeiten im Knast…). Das heißt, dass die Knastleitung die Häftlinge nicht an private Firmen „verleihen“ darf (was aber der Fall ist, wenn sie für 70 Euro Taschengeld im Monat 6 Stunden am Tag Arbeit verrichten müssen, die nicht für das Knastsystem selbst ist). Die legale/illegale Knastarbeit zu durchschauen, ist aufgrund der Fülle an Ausnahmen und Sonderfällen schwierig. Das „Arbeitsangebot“ an Andrea war, kleine elektronische Teile zusammenzufügen. Ist der Knast eine legale Elektronikfirma, oder ist das etwa doch eine Arbeit für eine private Firma? Wenn ja, welche Art von Vertrag oder Partnerschaft besteht zwischen dem Knast und der privaten Firma und letztlich den Gefangenen?

Der Vollzugsplan
Wenn der/die Gefangene in den Knast kommt, muss die Knastleitung mit Hilfe von Sozialarbeiter_innen und Psychiater_innen einen Vollzugsplan für den/die Gefangene erstellen. Sie analysieren:
  • die Persönlichkeit
  • die persönliche Geschichte des/der Gefangenen
  • seinen/ihren Willen, sich in die Gesellschaft zu integrieren
  • seine/ihre Chancen, sich zu integrieren (Arbeitsplatz/Ausbildung nach der Haftentlassung)
  • das Umfeld des/der Gefangenen (ökonomische/soziale Situation, guter/schlechter Einfluss von Angehörigen, finanzielle/moralische Unterstützung der Angehörigen…)

Mit diesen Informationen entwickeln sie eine Prognose über die potenzielle Resozialisation des/der Gefangenen, sein/ihr kriminelles Potenzial, seine/ihre Gefährlichkeit für die Gesellschaft. Wenn die Prognose positiv ausfällt, kann der/die Gefangene davon profitieren, indem die Haftzeit nach 2/3 der Zeit erlassen (was der gesetzliche Regelfall ist) und zur Bewährung ausgesetzt wird, er/sie in den offenen Vollzug (tagsüber in Freiheit, nachts wieder eingesperrt) kommt, oder Hafturlaub unter polizeilicher Kontrolle gewährt wird… Wenn die Prognose allerdings negativ ausfällt, was den Regelfall darstellt, muss er/sie die volle Haftzeit verbüßen. Man kann sich fragen, wie es möglich ist, eine Person mit so wenigen Informationen und in so kurzer Zeit zu „analysieren“. Vollzugspläne werden dem Mensch als Individuum grundsätzlich nicht gerecht: die zu verbüßende Zeit im Knast wird in einem kleinen Kreis von Menschen entschieden, und der Bericht dieses kleinen Kreises ist ca. zehn Seiten lang (das Leben eines Häftlings wird auf zehn Seiten reduziert). Sozialarbeiter_innen und Psychiater_innen verhalten sich, als könnten sie die Zukunft vorhersagen.

(Aus-)Bildung
Theoretisch hat der/die Gefangene die Möglichkeit, ein Fernstudium zu machen, oder im Rahmen des offenen Vollzugs eine Ausbildung zu absolvieren. Aber wie schon gesagt, wird der offene Vollzug selten gewährt, weswegen die Möglichkeiten sich (weiter-) zu bilden, eingeschränkt sind. Falls der/die Gefangene doch zu einem Fernstudium zugelassen wird, gibt es noch weitere Hürden zu überwinden:
  • Wenn sie sich in einer Gemeinschaftszelle befinden, müssen sie darauf hoffen, dass die Mithäftlinge sich ruhig und kooperativ verhalten, wenn sie lernen wollen.
  • Der Knastaufenthalt generell hat negative Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit; viele der Gefangenen klagen über chronische Kopfschmerzen (auch leidet die Sehschärfe unter der Bedingung, den ganzen Tag eingesperrt zu sein, da Weitsicht kaum möglich ist).

U-Haft
Die Umstände, in denen die Gefangenen sich befinden, sind schon so nicht schön, aber paradoxerweise sind die Umstände noch härter, wenn man in U-Haft sitzt. Paradox deswegen, weil über den/die Gefangenen noch kein Urteil gesprochen wurde, was gegen das Unschuldsprinzip verstößt.
  • maximale Zeit, in der man in der Zelle sitzt (23 Stunden pro Tag)
  • ggf. Telefonverbot, zumindest mit bestimmten Personen, die z.B. als potenzielle Mittäter_innen angeklagt sind. Besondere emotionale und psychische Probleme gibt es daher bei nahen Angehörigen; gegen das Unschuldsprinzip wird auch hier verstoßen, wenn gegen den/die potenzielle Mittäter_in noch kein Urteil gesprochen wurde
  • ggf. Besuchsverbot unter den selben Konditionen wie bei dem Telefonverbot
  • alle Briefe werden mitgelesen, die Zeitspanne, bis sie ankommen, ist besonders lang: Als Christian z.B. in Moabit saß, hat es zwei Wochen gedauert, bis ein Brief von ihm ankam, und dann noch mal zwei Wochen, bis ein Brief bei ihm ankam. Das heißt, dass die Frage „Wie geht’s dir“ vom 1. Juni, erst am 1. Juli mit „gut“ oder „schlecht“ beantwortet werden konnte.

Es wird alles dafür getan, dass der/die Gefangene wenig Kontakt zur Außenwelt hat, was menschlich, emotional und seelisch nicht einfach zu verkraften ist.

Gewalt, Brutalität und Demütigungen
Das Gefängnis ist ein undurchsichtiger Ort, der wenig von außen kontrolliert wird, und wo der Einblick von außen so weit wie möglich vermieden wird. Eben wie in einer Institution im rechtsfreien Raum, ist die einzige gesetzliche Regelung ein Zustand von Ausnahmen (je nach Ermessen).

Disziplinarmaßnahmen
Wenn Du schuldhaft gegen die Ordnung in der Anstalt verstößt oder den Haftzweck gefährdest oder vereitelst, kann der Richter Disziplinarmaßnahmen anordnen.
Bei leichteren Verstößen kann es bei einer Ermahnung oder Verwarnung bleiben, die auch der Anstaltsleiter aussprechen kann.
Als Disziplinarmaßnahmen kommen in Betracht:
1. Verweis
2. Beschränkung oder Entzug des Rechts auf Selbstbeköstigung und des Rechts auf Beschaffung von zusätzlichen Nahrungs und Genußmitteln. und Gegenständen des persönlichen Bedarfs bis zu drei Monaten
3. Beschränkung oder Entzug verlängerter Haftraumbeleuchtung bis zu drei Monaten
4. Beschränkung oder Entzug des Lesestoffs bis zu zwei Wochen sowie des Hörfunk- und Fernsehempfangs bis zu drei Monaten; der gleichzeitige Entzug jedoch nur bis zu zwei Wochen
5. Beschränkung oder Entzug des Besitzes von Gegenständen aus der Habe bis zu drei Monaten
6. Beschränkung oder Entzug der Teilnahme an gemeinsamen Veranstaltungen bis zu drei Monaten
7. Entzug des täglichen Aufenthalts im Freien bis zu einer Woche
8. Entzug einer zugewiesenen Arbeit oder Beschäftigung unter Wegfall der Bezüge oder einer Selbstbeschäftigung bis zu vier Wochen
9. Beschränkung des Verkehrs mit Personen außerhalb der Anstalt auf dringende Fälle bis zu drei Monaten
10. Arrest bis zu vier Wochen (für junge Gefangene sind nur zwei Wochen zulässig)
Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden. Bei der Wahl der Disziplinarmaßnahmen werden Grund und Zweck der Haft sowie die seelischen Wirkungen der Untersuchungshaft und des Strafverfahrens berücksichtigt.
Der Anstaltsleiter darf die Anordnung von Arrest nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen beantragen. Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt.

Aus einer Klageschrift (Anwalt Maik N. Helmi) im Auftrag eines Inhaftierten:
Vollzugsplanfortschreibung vom 7.11.2011: Anlässlich dieser wurde dem Kläger aufgegeben, innerhalb einer „Probezeit" von 6 Monaten auf seine - gesetzlich vorgesehenen - Rechtsschutzmöglichkeiten verzichtet! So hieß es in der Vollzugsplanschreibung hinsichtlich einer behandlerischen Perspektive auszugsweise:
Ab dem heutigen Tage beginnt eine Wartezeit von 6 Monaten. Diese Wartezeit dient als Probezeit für den Gefangenen, in der er seine Therapie- und Behandlungsbereitschaft beweisen soll. Er soll zeigen und darstellen, dass er ernsthaft an einer Therapie interessiert ist. Dies könnte er, indem er die jetzt aktuelle Vollzugsplanfortschreibung akzeptiert, sowie die sechsmonatige Probezeit akzeptiert und von weiteren Eingaben an das Ministerium oder den Bürgerbeauftragten oder auch an die Strafvollstreckungskammer absieht, sofern diese mit seiner Behandlung in Zusammenhang stehen."


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