Projektwerkstatt

DIE LINKE.VEREINNAHMUNG: STELLVERTRETUNG. KANALISIERUNG

Elite, Mythos und Zentralität - die Basis wird abgehängt


1. Integration und Kanalisierung von Protest
2. Die Phantasie der historischen Chance: Wir müssen jetzt alle zusammenrücken ...
3. Einheitsgelaber überall
4. Wer nicht mitmacht, ist doof ...
5. Stellvertretung
6. Elite, Mythos und Zentralität - die Basis wird abgehängt
7. Jetzt noch demokratischer: Deutschland mit der Linkspartei


Junge Welt und Linkspartei: Fraktion bei der Zeitung ... und am nächsten Tag "zufällig" Oskar als Foto (Rechts: Junge Welt, 16.12.2005, S.2)


Aus dem absteigenden Ast: Die Basis
Aus "Ist WASG-Basis fusionsmüde?" in: Junge Welt, 13.10.2006 (S. 4)
Die Basisstrukturen der WASG sind inzwischen fast überall (außer im Saarland) deutlich schwächer geworden. Die Zahl der Mitglieder, vor allem aber der Aktiven, geht nach jW-Informationen zurück. Die bevorstehende Fusion mit der Linkspartei läßt die Attraktivität deutlich sinken: Selbst in einem Stadtstaat wie Hamburg war die Beschlußfähigkeit der letzten Mitgliederversammlung nur noch mühsam herzustellen – und das, obwohl dort Oskar Lafontaine sprach.

Aus einem Interview mit Birgit Schwebs, MdL der Linken in McVoPo, in: Junge Welt, 6.3.2008 (S. 2)
Gerade während des G-8-Gipfels im Sommer in Heiligendamm haben wir zu spüren bekommen, daß wir in außerparlamentarisch-politischen Bereichen zu wenig Kontakte haben. Wir sind zwar in Verbänden, der freiwilligen Feuerwehr oder in Kleingartenvereinen gut vertreten –nicht aber da, wo es politisch zur Sache geht. ...
Sobald eine Partei im Parlament ist, gibt es viele zum Teil gutbezahlte Stellen zu verteilen: wissenschaftliche Mitarbeiter, Referenten usw. Wie kann nach Ihrer Erfahrung die Verselbständigung dieses Pöstchenpools vermieden werden?
Die Grünen haben diese Verselbständigung durchgemacht, die PDS hat sie erlebt und der Linkspartei steht das noch bevor, falls es nicht vielerorts bereits geschehen ist.


Für Zentralismus und Hierarchie in der gesamten Bewegung

Aus Angela Kleins Kommentar zur Bundestagswahl in der SoZ Nov. 2005 (S. 3)
Was heute zudem fehlt, ist ein strategisches Zentrum für außerparlamentarische Opposition, eine Struktur, die zugleicht Kontinuität in der Arbeit soziale Verankerung, Offenheit und Bündnisfähigkeit aufweist.

Oder mal anders: Die soziale Bewegung gibt es gar nicht

Aus einer Presseinfo der WASG (Bundesverband)
Dieser Wahlerfolg stellt einen historischen Durchbruch dar. Bis dahin fand der weitverbreitete Unmut gegen Sozialkahlschlag und unternehmerfreundliche Politik keinen relevanten parteipolitischen Ausdruck.

Aussage des Spitzenkandidaten von Die Linke.WASG (so heißt das in Hessen) in der Stadt Gießen (am 2.3.2006)
Das Wort "sozial" ist in Deutschland erst wieder in den Mund genommen worden, nachdem wir 8,7 Prozent bekamen.

Wenn interessiert die Zivilgesellschaft noch (nachdem sie gewählt hat)?
Ulrich Maurer im Interview der Freitag, 6.20.2006 (S. 5)
Was soll das sein, die Zivilgesellschaft? Hat sie eine Adresse, eine Telefon- oder Faxnummer, an die ein Mensch sich wenden kann, dem international agierende Heuschrecken seinen Arbeitsplatz wegrationalisiert haben?

Die Funktion der Basis: Zahlen und Helfen ...

Nach der Bundestagswahl verteilte die Luxemburg-Liebknecht-Stiftung der DKP einen Spendenaufruf. Die außerparlamentarischen Gruppen müssen nun der Partei im Bundestag helfen - nicht umgekehrt. Gleich dabei lag ein Spendenträger ... (Aus dem Anschreiben vom 14.11.2005 siehe rechts)

Ansonsten reduziert sich die Basis offenbar stark ...
Betroffene = Arbeiter (andere gibt's nicht)
Aus Thies Gleiss, WASG-Ökologiesprecher im Bundesvorstand, in: Sozialistische Zeitung, August 2005 (S. 8)
Der Weg muss von einer Wahlpartei, die von Stimmungen abhängt, zu einer echten Betroffenenpartei - wer es altmodisch will: zu einer Arbeiterpartei - gehen.

Aus dem Interview mit der stellv. Linksparteivorsitzenden Katja Kipping, in: Junge Welt, 12.12.2005 (S. 2)
Ich würde mir sogar mehr Demonstrationen wünschen, weil die Verhandlungsposition der Linkspartei in der Koalition dadurch gestärkt wird. Womit ich jedoch nicht übereinstimme, ist die grundsätzliche Ablehnung von Regierungsbeteiligungen auf Länderebene.

Bodo Ramelow, Fusionsbeauftragter (tatsächlich aber Ober-Ausgrenzer) auf einer Wahlkampfveranstaltung am 2.3.2006 in Gießen
Die Rahmenbedingungen der Fusion müssen von oben gesetzt werden, das Leben muss aber von unten gefüllt werden.

Aus "Von oben nach unten" in: Junge Welt, 12.12.2005 (S. 8)
Es besteht der begründete Verdacht, daß die Parteigranden die soziale Protestbewegung, aus der die Vereinigungsidee entstanden ist, nur als Manövriermasse benutzt haben, um ihre eigenen Ansprüche an das System geltend zu machen.

Linkspartei schafft Verbindungsbüro zur "APO" (ob nur zu deren Eliten oder auch zur Basis, ob nur zur Vereinnahmung oder auch zur Unterstützung ... das wird zu beobachten sein - auch wenn niemand hingucken wird, wo es Geld und mehr gibt).

Interview mit Corinna Genschel in Junge Welt, 6.2.2006 (S. 2) - der Interviewer vertritt aber selbst die Meinung vom guten Sprachrohr der Bewegung, Auszug:
F: Für die Linksausleger der Fraktion soll diese Sprachrohr der Bewegungen sein und nicht deren Ansager. Sind alle Abgeordneten so selbstlos?
Das wird sich zeigen. Das Verhältnis zwischen parlamentarischen und außerparlamentarischen Akteuren kann nicht ohne Reibungen sein. Das Kontaktbüro ist ein Experiment, wie diese Differenzen sich gesellschaftlich übersetzen, ob sich Reibungen in ein produktives Zusammenspiel umwandeln lassen. Wie das ausgeht, hängt auch von der Streitkultur und Fähigkeit beider Seiten ab.
F: Die Fraktionsführung um Oskar Lafontaine und Gregor Gysi wird das Anbandeln mit den Bewegungen wohl eher als Versuch ansehen, ihren Machtwillen zu zügeln.
Das glaube ich nicht. Die Einrichtung der Kontaktstelle ist meines Erachtens in der Fraktion grundsätzlich nicht umstritten. In der Einschätzung der Bedeutung und in Einzelfragen sieht das anders aus, ob beim Thema Regierungsbeteiligung oder weitreichender, radikaler Forderungen. Um so wichtiger ist es, auch innerhalb der Fraktion zu debattieren und zusammen mit sozialen Bewegungen Konflikte offen und produktiv auszutragen. Hier liegt eine der zentralen Aufgaben der Kontaktstelle.


Inszenierung von Linkspartei und ihren Teile als Speerspitze der Bewegung

Aus der Selbstdarstellung des Linkspartei-Studierendenverbandes zur Volksklage gegen Studiengebühren in Hessen
Von Klaus Henning, DIE LINKE SDS Frankfurt, dokumentiert auf der SDS-Internetseite
Wir können mit Sicherheit behaupten: Hätte es DIE LINKE als politische Kraft in Hessen nicht gegeben, dann wäre die studentische Protestbewegung heute in einer sehr viel schwächeren Position. DIE LINKE war federführend an der Initiierung und dem Erfolg der „Volksklage gegen Studiengebühren“ beteiligt, die der Bewegung einen politischen Ausdruck verlieh. Durch ihren Einfluss insbesondere in ver.di und GEW konnte sie relevante Teile der Gewerkschaftsbewegung für dieses Projekt gewinnen. Damit hat sie einen Beitrag zur Ausweitung des Protestes gespielt: 80.000 Menschen sind dem Aufruf gefolgt, haben ein Formular ausgefüllt und sind zu den Meldeämtern gelaufen, um es abstempeln zu lassen. Der durchschlagende Erfolg der Aktion hat der Bewegung neuen Mut und neues Selbstbewusstsein gegeben. Die Ankündigung der LINKEN, eigene Kandidaten zur Landtagswahl ins Rennen zu schicken, hat die SPD so weit unter Druck gesetzt, dass die SPD-Führung die linksliberale Andrea Ypsilanti in den Wahlkampf schicken musste, die über die Rücknahme der Studiengebühren immerhin spricht.

Kommentar eines Aktivisten gegen Studiengebühren: Meiner Meinung war die Rolle der LINKEN bei der Verfassungsklage eher gering, z.B. was jetzt Gießen angeht, wie es in Frankfurt war, müsste nochmal nachgefragt werden. Was Demos usw. angeht: ja es standen mal ein paar die LINKE-Fahnen schwenkend herum.

Und auch in Frankreich waren alles die tollen Parteien (gleiche Quelle)
Vor allem wird aber von den „Parteigegnern“ übersehen, dass linke Parteien in den letzten Jahren eine sehr wichtige Rolle bei der Entfaltung und Radikalisierung oppositioneller Widerstandsbewegungen gespielt haben: Der Motor der Bewegung gegen die EU-Verfassung in Frankreich waren nicht ATTAC oder andere "parteiunabhängige" Organisationen und schon gar nicht „Libertäre“ Strukturen, sondern die organisierte Linke: leitende Mitglieder der Sozialistischen Partei (PS), die gegen die offizielle Linie ihrer Partei rebellierten, sowie die „Kommunistische Partei“ (PCF) und „Ligue Communiste Révolutionnaire“ (LCR). Die Mobilisierungen gegen das CPE in Frankreich gingen zu erst von PCF nahen Strukturen und Gruppierungen an den Universitäten aus.

Frei erfunden: Die Linke hätte sich nach den militanten Auseinandersetzung zum G8-Gipfel mit allen solidarisch gezeigt
Bei den Anti-G8-Protesten in Heiligendamm in Deutschland hat DIE LINKE nicht nur eine wichtige Rolle in der Mobilisierung, sondern auch in der Verhinderung der Spaltung des Protestes in „friedliche Demonstranten“ und „gewalttätige Randalierer“ gespielt. Während sich die ATTAC- Führung vorschnell vom „Schwarzen Block“ distanzierte, machte DIE LINKE in einer Presseerklärung (die in allen großen Zeitungen zitiert wurde) die Polizei für die Gewalt verantwortlich, was am nächsten Tag die geeinte Wut der bürgerlichen Presse und Politiker auf sich zog.
Link, wie es tatsächlich war: Linke-Funktionäre wettern gegen Gewalt

Zusammenfassend: Die Partei ist der Ausdruck von kollektiver Erfahrung (hä???)
Warum können sozialistische Parteien einen positiven Beitrag für Bewegungen leisten? Zum Einen kann eine sozialistische Partei den Kampf auch in die Parlamente tragen, also dahin, wo die Mehrheit der Bevölkerung die Macht liegen sieht und das Parlament als Sprachrohr für die Forderungen der Bewegung nutzen.
Zweitens aber auch, weil eine sozialistische Partei das Ohnmachtgefühl in einer atomisierten Konkurrenzgesellschaft überwinden kann, in dem sie den vereinzelten Kämpfen und gespaltenen Bewegungen einen politischen Ausdruck verleiht. Durch die kollektive Auswertung der Erfahrung vergangener Bewegungen und der Herausstellung gemeinsamer gesellschaftlicher Interessen in unterschiedlichen Auseinandersetzungen trägt sie zur Bewusstseinsbildung im oppositionellen Kampf bei.


Ganz ähnlich: Studiengebühren-Protest nur einheitlich und mit Linkspartei erfolgreich
Linke-Funktionär Tjark Sauer wird von der elite-geilen Tageszeitung Junge Welt zum (auch von Studi-FunktionärInnen zum Scheitern gebrachten) Gebührenboykott zitiert, in: Junge Welt, 24.8.2007 (S. 5)
Gefragt nach den Gründen für die Pleite verwies Tjark Sauer, ehemaliger Studierendenvetreter der Uni Gießen und aktiv bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW), auf "ungünstige Voraussetzungen". ... "Ein Boykott ist anders als eine Demonstration eine Widerstandsform mit möglicherweise ernsthaften Konsequenzen, die wohl nur wenige zu tragen bereit sind", erklärte der Gewerkschafter im jW-Gespräch.
Daneben sieht Sauer, der für Die Linke als Direktkandidat in Gießen bei der Landtagswahl im nächsten Jahr kandidiert, aber auch organisatorische Defizite. Die Proteste müßten gebündelt werden, "um wirklich schlagkräftig zu sein – auch mit der Unterstützung der politischen Linken".


Deutlich schlimmer als Grüne in ihrer Startphase
Anders als es viele Linkspartei-FunktionärInnen immer behaupten, wenn sie gefragt werden "Werdet Ihr auch so wie die Grünen?", ist die Linkspartei deutlich weniger aus sozialen Bewegungen entstanden als die Grünen. Das die Linkspartei aus sozialem Protest entstand, ist ein Mythos, der sich überraschend hartnäckig hält, obwohl die Führungspersonen fast alle reiche SPD- oder SED-Fuzzies sind.

Aus Micus, Matthias: "Stärkung des Zentrums", in: Die Linkspartei, Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007 (S. 188)
Als Partei erwuchsen die Grünen aus dem Bewegungsmilieu der Friedens-, Frauen- und Umweltaktivisten, sie waren in den 1980er Jahren die politische Repräsentanz einer vitalen Alternativkultur, die Inkarnation gewachsener postmaterieller Mentalitäten. Mit der Ökologie besetzten sie ein Thema, das die Gesellschaft polarisierte, von den bestehenden, sämtlich wachstumsfixierten Parteien jedoch ignoriert wurde. Nicht so die WASG, die von oben, durch den einsamen Entschluss einiger sozialdemokratischer Dissidenten und politischer Freidenker gegründet wurde und mit dem Thema der sozialen Gerechtigkeit das klassische Kompetenzfeld der SPD beackerte.

Hegemonie in sozialer Bewegung

Zur Frage der Fähigkeit zur Führung in sozialen Bewegungen
Aus Schmitt, Lars: "Sozioanalyse als Grundlage politischen Engagements", in: Brie, Michael/Hildebrandt, Cornelia (2006): "Parteien und Bewegung", Dietz-Verlag in Berlin (S. 67)
Aus den genannten Gründen muss sie viertens selbst eine aktive "Bewusstwerdungs- und Wertepolitik" betreiben, um einem Hegemonievakuum oder einer Hegemonieträgheit entgegenwirken zu können.

Kommunikation mit sozialer Bewegung: Aufrufen, Aufrufen, immer nur aufrufen zum Mitmachen in der Partei:
  • Richtig schlechter Aufruf zum Mitmischen im Parlamentarismus (Bundestagswahl 2005) ... fast alle ErstunterzeichnerInnen sind JungdemokratInnen oder PDSlerInnen - wenn sie auch in JD/JL-typischer Manier als andere Gruppen auftreten. Der Aufruf stand auf www.es-kommt-die-zeit.de, wo es jetzt noch einen Link gibt. Die JungdemokratInnen sind ohne dicke dabei, u.a. mit der Planung eines Einheits-linken-Jugendverbandes unter dem Dach der Linkspartei - auch die PDS-Vorzeigelinke Katja Kipping gehört dem Clan um JD/JL-Apparatschiks an. Der Gründungsaufruf zum Einheits-Jugendverband steht jetzt auf der genannten Internetseite.
  • Flacher Aufruf von GewerkschafterInnen: www.wirwaehlenlinks.de
  • Und irgendwelche Elite-Frauen müssen jetzt auch mal aufrufen als "Wir Frauen" usw., damit niemand fehlt, in dessen Namen (natürlich ungefragt) gesprochen wird. Der "Linke Frauen-Aufbruch" als PDF-Download ...

Linkspartei distanziert sich von Protestformen jenseits parlamentarischer Demokratie

Rettet das Eigentum und die rechtlich garantierte Verfügung an Produktionsmitteln!
Aus einer Distanzierung von Genfeldbefreiungen (Quelle hier ...)
Die Linkspartei unterstützt deshalb nicht die geplante Feldbefreiung am Sonntag. Durch solche spektakuläre Aktionen wird massiv in die Rechte und das Eigentüm Dritter eingegriffen, jedoch niemand zur Abkehr vom Gentechnik-Einsatz überzeugt. Solche zerstörerischen Aktionen sind der falsche Weg der Auseinandersetzung.

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