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GEORG WILHELM FRIEDRICH HEGEL: GRUNDLINIEN DER PHILOSPOHIE DES RECHTS

Das innere Staatsrecht


Der Staat · Das innere Staatsrecht · Innere Verfassung für sich

§ 260
Der Staat ist die Wirklichkeit der konkreten Freiheit; die konkrete Freiheit aber besteht darin, daß die persönliche Einzelnheit und deren besondere Interessen sowohl ihre vollständige Entwickelung und die Anerkennung ihres Rechts für sich (im Systeme der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft) haben, als sie durch sich selbst in das Interesse des Allgemeinen teils übergeben, teils mit Wissen und Willen dasselbe, und zwar als ihren eigenen substantiellen Geist anerkennen und für dasselbe als ihren Endzweck tätig sind, so daß weder das Allgemeine ohne das besondere Interesse, Wissen und Wollen gelte und vollbracht werde, noch daß die Individuen bloß für das letztere als Privatpersonen leben, und nicht zugleich in und für das Allgemeine wollen und eine dieses Zwecks bewußte Wirksamkeit haben. Das Prinzip der modernen Staaten hat diese ungeheure Stärke und Tiefe, das, Prinzip der Subjektivität sich zum selbständigen Extreme der persönlichen Besonderheit vollenden zu lassen und zugleich es in die substantielle Einheit zurückzuführen und so in ihm selbst diese zu erhalten.

§ 261
Gegen die Sphären des Privatrechts und Privatwohls, der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft ist der Staat einerseits eine äußerliche Notwendigkeit und ihre höhere Macht, deren Natur ihre Gesetze, sowie ihre Interessen untergeordnet und davon abhängig sind; aber andererseits ist er ihr immanenter Zweck und hat seine Stärke in der Einheit seines allgemeinen Endzwecks und des besonderen Interesses der Individuen, darin, daß sie insofern Pflichten gegen ihn haben, als sie zugleich Rechte haben (§ 155).
Daß den Gedanken der Abhängigkeit insbesondere auch der privatrechtlichen Gesetze von dem bestimmten Charakter des Staats, und die philosophische Ansicht, den Teil nur in seiner Beziehung auf das Ganze zu betrachten, vornehmlich Montesquieu in seinem berühmten Werke: Der Geist der Gesetze, ins Auge gefaßt und auch ins einzelne auszuführen versucht hat, ist schon oben 5 3 Anm. bemerkt worden. - Da die Pflicht Zunächst das Verhalten gegen etwas für mich Substantielles, an und für sich Allgemeines ist, das Recht dagegen das Dasein überhaupt dieses Substantiellen ist, damit die Seite seiner Besonderheit und meiner besonderen Freiheit ist, so erscheint beides auf den formellen Stufen an verschiedene Seiten oder Personen verteilt. Der Staat, als Sittliches, als Durchdringung des Substantiellen und des besonderen, enthält, daß meine Verbindlichkeit gegen das Substantielle zugleich das Dasein meiner besonderen Freiheit, d. h. in ihm Pflicht und Recht in einer und derselben Beziehung vereinigt sind. Weil aber ferner zugleich im Staate die unterschiedenen Momente zu ihrer eigentümlichen Gestaltung und Realität kommen, hiermit der Unterschied von Recht und Pflicht wieder eintritt, so sind sie, indem sie an sich, d.i. formell identisch sind, zugleich ihrem Inhalte nach verschieden. Im Privatrechtlichen und Moralischen fehlt die wirkliche Notwendigkeit der Beziehung, und damit ist nur die abstrakte Gleichheit des Inhalts vorhanden; was in diesen abstrakten Sphären dem einen recht ist, soll auch dem anderen recht, und was dem einen Pflicht ist, soll auch dem anderen Pflicht sein. jene absolute Identität der Pflicht und des Rechts findet nur als gleiche Identität des Inhalts statt, in der Bestimmung, daß dieser Inhalt selbst der ganz allgemeine, nämlich das eine Prinzip der Pflicht und des Rechts, die persönliche Freiheit des Menschen ist. Sklaven haben deswegen keine Pflichten, weil sie keine Rechte haben; und umgekehrt - (von religiösen Pflichten ist hier nicht die Rede). - Aber in der konkreten, sich in sich entwickelnden Idee unterscheiden sich ihre Momente, und ihre Bestimmtheit wird zugleich ein verschiedener Inhalt; in der Familie hat der Sohn nicht Rechte desselben Inhalts als der Pflichten gegen den Vater, und der Bürger nicht Rechte desselben Inhalts als er Pflichten gegen Fürst und Regierung hat. - jener Begriff von Vereinigung von Pflicht und Recht ist eine der wichtigsten Bestimmungen und enthält die innere Stärke der Staaten. - Die abstrakte Seite der Pflicht bleibt dabei stehen, das besondere Interesse als ein unwesentliches, selbst unwürdiges Moment zu übersehen und zu verbannen. Die konkrete Betrachtung, die Idee, zeigt das Monient der Besonderheit ebenso wesentlich und damit seine Befriedigung als schlechthin notwendig; das Individuum muß in seiner Pflichterfüllung auf irgendeine Weise zugleich sein eigenes Interesse, seine Befriedigung oder Rechnung finden, und ihm aus seinem Verhältnis im Staat ein Recht erwachsen, wodurch die allgemeine Sache seine eigene besondere Sache wird. Das besondere Interesse soll wahrhaft nicht beiseite gesetzt oder gar unterdrückt, sondern mit dem Allgemeinen in Übereinstimmung gesetzt werden, wodurch es selbst und das Allgemeine erhalten wird. Das Individuum, nach seinen Pflichten Untertan, findet als Bürger in ihrer Erfüllung den Schutz seiner Person und Eigentums, die Berücksichtigung seines besonderen Wohls und die Befriedigung seines substantiellen Wesens, das Bewußtsein und das Selbstgefühl, Mitglied dieses Ganzen zu sein, und in dieser Vollbringung der Pflichten als Leistungen und Geschäfte für den Staat hat dieser seine Erhaltung und sein Bestehen. Nach der abstrakten Seite wäre das Interesse des Allgemeinen nur, daß seine Geschäfte, die Leistungen, die es erfordert, als Pflichten vollbracht werden.

§ 262
Die wirkliche Idee, der Geist, der sich selbst in die zwei ideellen Sphären seines Begriffs, die Familie und die bürgerliche Gesellschaft, als seine Endlichkeit scheidet, um aus ihrer Idealität für sich unendlicher wirklicher Geist zu sein, teilt somit diesen Sphären das Material dieser seiner endlichen Wirklichkeit, die Individuen als die Menge zu, so daß diese Zuteilung am einzelnen durch die Umstände, die Willkür und eigene Wahl seiner Bestimmung vermittelt erscheint (§ 185 und Anm. das.).

§ 263
In diesen Sphären, in denen seine Momente, die Einzelnheit und Besonderheit, ihre unmittelbare und reflektierte Realität haben, ist der Geist als ihre in sie scheinende objektive Allgemeinheit, als die Macht des Vernünftigen in der Notwendigkeit (§ 184), nämlich als die im Vorherigen betrachteten Institutionen.

§ 264
Die Individuen der Menge, da sie selbst geistige Naturen und damit das gedoppelte Moment, nämlich das Extrem der für sich wissenden und wollenden Einzelheit und das Extrem der das Substantielle wissenden und wollenden Allgemeinheit in sich enthalten, und daher zu dem Rechte dieser beiden Seiten nur gelangen, insofern sie sowohl als Privat- wie als substantielle Personen wirklich sind, - erreichen in jenen Sphären teils unmittelbar das erstere, teils das andere so, daß sie den Institutionen, als dem an sich seienden Allgemeinen ihrer besonderen Interessen ihr wesentliches Selbstbewußtsein haben, teils daß sie ihnen ein auf einen allgemeinen Zweck gerichtetes Geschäft und Tätigkeit in der Korporation gewähren.

§ 265
Diese Institutionen machen die Verfassung, d. i. die entwickelte und verwirklichte Vernünftigkeit, im Besonderen aus und sind darum die feste Basis des Staats, sowie des Zutrauens und der Gesinnung der Individuen für denselben und die Grundsäulen der öffentlichen Freiheit, da in ihnen die besondere Freiheit realisiert und vernünftig, damit in ihnen selbst an sich die Vereinigung der Freiheit und Notwendigkeit vorhanden ist.

§ 266
Aber der Geist ist nicht nur als diese Notwendigkeit und als ein Reich der Erscheinung, sondern als die Idealität derselben, und als ihr Inneres sich objektiv und wirklich; so ist diese substantielle Allgemeinheit sich selbst Gegenstand und Zweck, und jene Notwendigkeit hierdurch sich ebensosehr in Gestalt der Freiheit.

§ 267
Die Notwendigkeit in der Idealität ist die Entwickelung der Idee innerhalb ihrer selbst; sie ist als subjektive Sustantialität die politische Gesinnung, als objektive in Unterscheidung von jener der Organismus des Staats, der eigentlich politische Staat und seine Verfassung.

§ 268
Die politische Gesinnung, der Patriotismus überhaupt, als die in Wahrheit stehende Gewißheit (bloß subjektive Gewißheit geht nicht aus der Wahrheit hervor, und ist nur Meinung) und das zur Gewohnheit gewordene Wollen ist nur Resultat der im Staate bestehenden Institutionen, als in welchem die Vernünftigkeit wirklich vorhanden ist, sowie sie durch das ihnen gemäße Handeln ihre Bestätigung erhält. - Diese Gesinnung ist überhaupt das Zutrauen (das zu mehr oder weniger gebildeter Einsicht übergehen kann), - das Bewußtsein, daß mein substantielles und besonderes Interesse im Interesse und Zwecke eines anderen (hier des Staats) als im Verhältnis zu mir als Einzelnen bewahrt und enthalten ist, - womit eben dieser unmittelbar kein anderer für mich ist und Ich in diesem Bewußtsein frei bin.
Unter Patriotismus wird häufig nur die Aufgelcgtheit zu außerordentlichen Aufopferungen und Handlungen verstanden. Wesentlich aber ist er die Gesinnung, welche in dem gewöhnlichen Zustande und Lebensverhältnisse des Gemeinswcsen für die Substantielle Grundlage und Zweck zu wissen gewohnt ist. Dieses bei dem gewöhnlichen Lebensgange sich in allen Verhältnissen bewährende Bewußtsein ist es dann, aus dein sich auch die Aufgelegtheit zu außergewöhnlicher Anstrengung begründet. Wie aber die Menschen häufig lieber großmütig als rechtlich sind, so überreden sie sich leicht, jenen außerordentlichen Patriotismus zu besitzen, um sich diese wahrhafte Gesinnung zu ersparen oder ihren Mangel zu entschuldigen. - Wenn ferner die Gesinnung als das angesehen wird, das für sich den Anfang machen und aus subjektiven Vorstellungen und Gedanken hervorgehen könne, so wird sie mit der Meinung verwechselt, da sie bei dieser Ansicht ihres wahrhaften Grundes, der objektiven Realität, entbehrt.

§ 269
Ihren besonders bestimmten Inhalt nimmt die Gesinnung aus den verschiedenen Seiten des Organismus des Staats. Dieser Organismus ist die Entwickelung der Idee zu ihren Unterschieden und zu deren objektiver Wirklichkeit. Diese unterschiedenen Seiten sind so die verschiedenen Gewalten und deren Geschäfte und Wirksamkeiten, wodurch das Allgemeine sich fortwährend, und zwar indem sie durch die Natur des Begriffes bestimmt sind, auf notwendige Weise hervorbringt, und indem es ebenso seiner Produktion vorausgesetzt ist, sich erhält; - dieser Organismus ist die politische Verfassung.

§ 270
Daß der Zweck des Staates das allgemeine Interesse als solches und darin als ihrer Substanz die Erhaltung der besonderen Interessen ist, ist 1. seine abstrakte Wirklichkeit oder Substantialität; aber sie ist 2. seine Notwendigkeit, als sie sich in die Begriffsunterschiede seiner Wirksamkeit dirimiert, welche durch jene Substantialität ebenso wirkliche feste Bestimmungen, Gewalten sind; 3. eben diese Substantialität ist aber der als durch die Form der Bildung hindurch gegangene sich wissende und wollende Geist. Der Staat weiß daher, was er will, und weiß es in seiner Allgemeinheit, als Gedachtes, er w1rkt und handelt deswegen nach gewußten Zwecken, gekannten Grundsätzen, und nach Gesetzen, die es nicht nur an sich, sondern fürs Bewußtsein sind; und ebenso, insofern seine Handlungen sich auf vorhandene Umstände und Verhältnisse beziehen, nach der bestimmten Kenntnis derselben.
Es ist hier der Ort, das Verhältnis des Staats zur Religion zu berühren, da in neueren Zeiten so oft wiederholt worden ist, daß die Religion die Grundlage des Staates sei, und da diese Behauptung auch mit der Prätension gemacht wird, als ob mit ihr die Wissenschaft des Staats erschöpft sei, - und keine Behauptung mehr geeignet ist, so viele Verwirrung hervorzubringen, ja die Verwirrung selbst zur Verfassung des Staats, zur Form, welche die Erkenntnis haben solle, zu erheben. - Es kann zunächst verdächtig scheinen, daß die Religion vornehmlich auch für die Zeiten öffentlichen Elends, der Zerrüttung und Unterdrückung empfohlen und gesucht, und an sie für Trost gegen das Unrecht und für Hoffnung zum Ersatz des Verlustes gewiesen wird. Wenn es dann ferner als eine Anweisung der Religion angesehen wird, gegen die weltlichen Interessen, den Gang und die Geschäfte der Wirklichkeit gleichgültig zu sein, der Staat aber der Geist ist, der in der Welt steht: so scheint die Hinweisung auf die Religion entweder nicht geeignet, das Interesse und Geschäft des Staats zum wesentlichen ernstlichen Zweck zu erheben, oder scheint andererseits im Staatsregiment alles für Sache gleichgültiger Willkür auszugeben, es sei, daß nur die Sprache geführt werde, als ob im Staate die Zwecke der Leidenschaften, unrechtlicher Gewalt u.s.f. das Herrschende wären, oder daß solches Hinweisen auf die Religion weiter für sich allein gelten und das Bestimmen und Handhaben des Rechten in Anspruch nehmen will. Wie es für Hohn angesehen würde, wenn alle Empfindung gegen die Tyrannei damit abgewiesen würde, daß der Unterdrückte seinen Trost in der Religion finde: so ist ebenso nicht zu vergessen, daß die Religion eine Form annehmen kann, welche die härteste Knechtschaft unter den Fesseln des Aberglaubens und die Degradation des Menschen unter das Tier (wie bei den Ägyptern und Indern, welche Tiere als ihre höheren Wesen verehren) zur Folge hat. Diese Erscheinung kann wenigstens darauf aufmerksam machen, daß nicht von der Religion ganz überhaupt zu sprechen sei, und gegen sie, wie sie in gewissen Gestalten ist, vielmehr eine rettende Macht gefordert ist, die sich der Rechte der Vernunft und des Selbstbewußtseins annehme. - Die wesentliche Bestimmung aber über das Verhältnis von Religion und Staat ergibt sich nur, indem an ihren Begriff erinnert wird. Die Religion hat die absolute Wahrheit zu ihrem Inhalt, und damit fällt auch das Höchste der Gesinnung in sie. Als Anschauung, Gefühl, vorstellende Erkenntnis, die sich mit Gott, als der uneingeschränkten Grundlage und Ursache, an der alles hängt, beschäftigt, enthält sie die Forderung, daß alles auch in dieser Beziehung gefaßt werde und in ihr seine Bestätigung, Rechtfertigung, Vergewisserung, erlange. Staat und Gesetze, wie die Pflichten, erhalten in diesem Verhältnis für das Bewußtsein die höchste Bewährung und die höchste Verbindlichkeit; denn selbst Staat, Gesetze und Pflichten sind in ihrer Wirklichkeit ein Bestimmtes, das in eine höhere Sphäre als in seine Grundlage übergeht (Encyklop. der phil. Wissensch. [1817], § 453). Deswegen enthält die Religion auch den Ort, der in aller Veränderung und in dem Verlust wirklicher Zwecke, Interessen und Besitztümer, das Bewußtsein des Unwandelbaren und der höchsten Freiheit und Befriedigung gewährt. Wenn nun die Religion so die Grundlage ausmacht, welche das Sittliche überhaupt und näher die Natur des Staats als den göttlichen Willen enthält, so ist es zugleich nur Grundlage, was sie ist, und hier ist es, worin beide auseinandergehen. Der Staat ist göttlicher Wille als gegenwärtiger, sich zur wirklichen Gestalt und Organisation einer Welt entfaltender Geist. - Diejenigen, die bei der Form der Religion gegen den Staat stehen bleiben wollen, verhalten sich wie die, welche in der Erkenntnis das Rechte zu haben meinen, wenn sie nur immer beim Wesen bleiben und von diesem Abstraktum nicht zum Dasein fortgehen, oder wie die (s. oben 5 140 Anm.), welche nur das abstrakte Gute wollen und der Willkür das, was gut ist, zu bestimmen vorbehalten. Die Religion ist das Verhältnis zum Absoluten in Form des Gefühls, der Vorstellung, des Glaubens, und in ihrem alles enthaltenden Zentrum ist alles nur als ein Akzidentelles, auch Verschwindendes. Wird an dieser Form auch in Beziehung auf den Staat so festgehalten, daß sie auch für ihn das wesentlich Bestimmende und Gültige sei, so ist er, als der zu bestehenden Unterschieden, Gesetzen und Einrichtungen entwickelte Organismus, dem Schwanken, der Unsicherheit und Zerrüttung preisgegeben. Das Objektive und Allgemeine, die Gesetze, anstatt als bestehend und gültig bestimmt zu sein, erhalten die Bestimmung eines Negativen gegen jene alles Bestimmte einhüllende und eben damit zum Subjektiven werdende Form, und für das Betragen der Menschen ergibt sich die Folge: dem Gerechten ist kein Gesetz gegeben; seid fromm, so könnt ihr sonst treiben, was hr wollt, - ihr könnt der eigenen Willkür und Leidenschaft euch überlassen und die anderen, die Unrecht dadurch erleiden, an den Trost und die Hoffnung der Religion verweisen, oder noch schlimmer, sie als irreligiös verwerfen und verdammen. Insofern aber dies negative Verhalten nicht bloß eine innere Gesinnung und Ansicht bleibt, sondern sich an die Wirklichkeit wendet und in ihr sich geltend macht, entsteht der religiöse Fanatismus, der, wie der politische, alle Staatseinrichtungen und gesetzliche Ordnung als beengende, der inneren, der Unendlichkeit des Gemüts unangemessene Schranken, und somit Privateigentum, Ehe, die Verhältnisse und Arbeiten der bürgerlichen Gesellschaft u.s.f. als der Liebe und der Freiheit des Gefühls unwürdig verbannt. Da für wirkliches Dasein und Handeln jedoch entschieden werden rnuß, so tritt dasselbe ein wie bei der sich als das Absolute wissenden Subjektivität des Willens überhaupt (5 140), daß aus der subjektiven Vorstellung, d.i. dein Meinen und dem Belieben der Willkür entschieden wird. - Das Wahre aber gegen dieses in die Subjektivität des Fühlens und Vorstellens sich einhüllende Wahre ist der ungeheure Oberschritt des Inneren in das Äußere, der Einbildung der Vernunft in die Realität, woran die ganze Weltgeschichte gearbeitet, und durch welche Arbeit die gebildete Menschheit die Wirklichkeit und das Bewußtsein des vernünftigen Daseins, der Staatseinrichtungen und der Gesetze gewonnen hat. Von denen, die den Herrn suchen und in ihrer ungebildeten Meinung alles unmittelbar zu haben sich versichern, statt sich die Arbeit aufzuerlegen, ihre Subjektivität zur Erkenntnis der Wahrheit und zum Wissen des objektiven Rechts und der Pflicht zu erheben, kann nur Zertrümmerung aller sittlichen Verhältnisse, Albernheit und Abscheulichkeit ausgehen, - notwendige Konsequenzen der auf ihrer Form ausschließend bestehenden und sich so gegen die Wirklichkeit und die in Form des Allgemeinen, der Gesetze, vorhandene Wahrheit wendenden Gesinnung der Religion. Doch ist nicht notwendig, daß diese Gesinnung so zur Verwirklichung fortgehe; sie kann mit ihrem negativen Standpunkt allerdings auch als ein Inneres bleiben, sich den Einrichtungen und Gesetzen fügen und es bei der Ergebung und dem Seufzen oder dem Verachten und Wünschen bewenden lassen. Es ist nicht die Kraft, sondern die Schwäche, welche in unseren Zeiten die Religiosität zu einer polemischen Art von Frömmigkeit gemacht hat, sie hänge nun mit einem wahren Bedürfnis, oder auch bloß mit nicht befriedigter Eitelkeit zusammen. Statt sein Meinen mit der Arbeit des Studiums zu bezwingen und sein Wollen der Zucht zu unterwerfen und es dadurch zum freien Gehorsam zu erheben, ist es das Wohlfeilste, auf die Erkenntnis objektiver Wahrheit Verzicht zu tun, ein Gefühl der Gedrücktheit und damit den Eigendünkel zu bewahren, und an der Gottseligkeit bereits alle Erfordernis zu haben, um die Natur der Gesetze und der Staatseinrichtungen zu durchschauen, über sie abzusprechen und, wie sie beschaffen sein sollten und müßten, anzugeben, und zwar, weil solches aus einem frommen Herzen komme, auf eine unfehlbare und unantastbare Weise; denn dadurch, daß Absichten und Behauptungen die Religion zur Grundlage machen, könne man ihnen weder nach ihrer Seichtigkeit, noch nach ihrer Unrechtlichkeit etwas anhaben ...
Die Einheit des Staates und der Kirche, eine auch in neuen Zeiten viel besprochene und als höchstes Ideal aufgestellte Bestimmung kann noch erwähnt werden. Wenn die wesentliche Einheit derselben die der Wahrheit der Grundsätze und Gesinnung ist, so ist ebenso wesentlich, daß mit dieser Einheit der Unterschied, den sie in der Form ihres Bewußtseins haben, zur besonderen Existenz gekommen sei. Im orientalischen Despotismus ist jene so oft gewünschte Einheit der Kirche und des Staates, aber damit ist der Staat nicht vorhanden, - nicht die selbstbewußte, des Geistes allein würdige Gestaltung in Recht, freier Sittlichkeit und organischer Entwickelung. - Damit ferner der Staat als die sich wissende, sittliche Wirklichkeit des Geistes zum Dasein komme, ist seine Unterscheidung von der Form der Autorität und des Glaubens notwendig, diese Unterscheidung tritt aber nur hervor, insofern die kirchliche Seite in sich selbst zur Trennung kommt; nur so, über den besonderen Kirchen, hat der Staat die Allgemeinheit des Gedankens, das Prinzip seiner Form, gewonnen und bringt sie zur Existenz; um dies zu erkennen, muß man wissen, nicht nur was die Allgemeinheit an sich, sondern was ihre Existenz ist. Fs ist daher so weit gefehlt, daß für den Staat die kirchliche Trennung ein Unglück wäre oder gewesen wäre, daß er nur durch sie hat werden können, was seine Bestimmung ist, die selbstbewußte Vernünftigkeit und Sittlichkeit. Ebenso ist es das Glücklichste, was der Kirche für ihre eigene und was dem Gedanken für seine Freiheit und Vernünftigkeit hat widerfahren können.

§ 271
Die politische Verfassung ist fürs erste: die Organisation des Staates und der Prozeß seines organischen Lebens in Beziehung auf sich selbst, in welcher er seine Momente innerhalb seiner selbst unterscheidet und sie zum Bestehen entfaltet.
Zweitens ist er als eine Individualität ausschließendes Eins, welches sich damit zu anderen verhält, seine Unterscheidung also nach außen kehrt und nach dieser Bestimmung seine bestehenden Unterschiede innerhalb seiner selbst in ihrer Idealität setzt.

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