Projektwerkstatt

KRIEGSBERICHTBESTATTUNG: NACHDENKLICHE STIMMEN AUS DEN MEDIEN

Das Theater von Gut und Böse


1. USA kaufen Exklusivrechte an Satelliten-Bildern von Luftangriffen
2. „nicht die politiker nachplappern“
3. Medienkritik nach den Terroranschlägen
4. Arundhati Roy: Terror ist nur ein Symptom
5. Die Ohnmacht der Allmacht  (aus der Jungle World)
6. Das Theater von Gut und Böse
7. Der Preis der Lüge - oder: Die Schatten der Geschichte
8. Mehr

La Jornada (Freitag, 21.September, 2001) von Eduardo Galeano

In dem Kampf zwischen Gut und Böse, sind es immer die Menschen die zu Opfer werden. Die Terroristen haben Arbeiter aus 50 Länder getötet, in New York und in Washington, im Namen des Guten gegen das Böse. Und, im Namen des Guten gegen das Böse, schwört Bush Rache: „Wir werden das Böse auf diese Welt eliminieren,“ verkündet er.
Das Böse eliminieren? Was würde aus dem Guten ohne das Böse werden? Es sind nicht nur religiöse Fanatiker die Feinde brauchen um ihren Irrsinn zu rechtfertigen. Die Waffenindustrie und das riesige Militäraüüarat der Vereinigten Staaten brauchen ebenfalls Feinde, um ihre Existenz zu rechtfertigen. Gut und Böse, Böse und Gut, die Akteure wechseln Masken, Helden werden zu Monster, und die Monster werden zu Helden, je nachdem wie es jene verlangen, die das Drama schreiben.
Daran ist nichts Neues. Der deutsche Wissenschaftler Werner von Braun war böse als er die V-2 Raketen erfand, die Hitler auf London feuerte, aber er wurde an dem Tag gut als er seine Talente in die Dienste der Vereinigten Staaten stellte. Stalin war gut während des Zweiten Weltkrieges, und später böse, als er dazu überging das Böse Imperium anzuführen. Während des Kalten Krieges schrieb John Steinbeck: „Vielleicht braucht die gesamte Welt Russen. Ich möchte wetten, dass sie auch in Russland Russen brauchen. Wahrscheinlich nennen sie sie dort Amerikaner.“ Später wurden die Russen gut. Jetzt sagt Putin auch: „Das Böse muss bestraft werden.“
Saddam Hussein war gut, und die chemischen Waffen die er gegen die Iraner und Kurden einsetzte waren gut. Später wurde er böse. Er wurde Satan Hussein genannt, als die Vereinigten Staaten – die Panama überfallen hatten - Irak überfielen, weil Irak Kuweit überfallen hatte. Bush der Vater führte jenen Krieg gegen das Böse an. Mit dem humanitären und mitfühlendem Geist der seine Familie charakterisiert, tötete er mehr als 100.000 Iraker, die meisten von ihnen Zivilisten.
Satan Hussein ist immer noch das was er war, aber dieser Menschheitsfeind Nr.1 ist auf die Kategorie Nr.2 abgesunken. Die Geisel der Welt heisst nun Osama Bin Laden. Die Central Intelligence Agency (CIA) brachte ihm alles bei was er über Terrorismus weiss: Bin Laden, von der U.S. Regierung geliebt und bewaffnet, war einer der grössten „Freiheitskämpfer“ gegen den Kommunismus in Afghanistan. Bush der Vater war Vizepräsident als Präsident Reagan sagte, dass diese Helden „das moralische Äquivalent zu den amerikanischen Gründerväter“ seien. Hollywood stimmte dem Weissen Haus zu. Es war zu dieser Zeit, als Rambo 3 gedreht wurde: die afghanischen Muslims waren die guten Jungs. Jetzt sind sie die Bösesten der Bösen, in der Ära Bush‘ des Sohnes, 13 Jahre später. Henry Kissinger war einer der ersten die auf die neue Tragödie reagierten. „Jene die ihnen Unterstützung, Finanzierung und Ermutigung gestellt haben, sind genau so schuldig wie die Terroristen,“ urteilte er mit Worte, die Präsident Bush wenige Stunden später wiederholen sollte.
Wenn das so ist, dann müsste man zuallererst Kissinger bombardieren. Er würde mehr Verbrechen für schuldig befunden werden als Bin Laden und alle Terroristen auf der Welt verübt haben. Und in viel mehr Länder: im Dienste der verschiedenen U.S. Regierungen, stellte er „Unterstützung, Finanzierung und Ermutigung“ für den Staatsterror in Indonesien, Kambodscha, Zypern, Iran, Südafrika, Bangladesh, und in den südamerikanischen Länder, die unter dem Schmutzigen Krieg des Condor Planes gelitten haben.
Am 11. September 1973, genau 28 Jahre vor den heutigen Flammen, brannte das Regierungspalast von Chile. Kissinger hatte Salvador Allendes Epitaph - und der chilenischen Demokratie - bestimmt, als er die Wahlergebnisse kommentierte: „Ich wüsste nicht warum wir tatenlos zusehen sollten, wie ein Land marxistisch wird, bloss weil seine Bevölkerung unverantwortlich ist.“
Verachtung für den Willen des Volkes ist eins der vielen Aspekte, in denen Staatsterrorismus und privater Terrorismus miteinander konkurrieren. Nur um ein Beispiel zu liefern, die ETA, die im Namen der Unabhängigkeit des Baskenlandes Menschen ermordet, verkündete durch einen ihrer Sprecher: „Rechte haben nichts mit Mehrheiten und Minderheiten zu tun.“
Heimischer Terrorismus und hochentwickelter technologischer Terrorismus sind sich sehr ähnlich, der Terrorismus der religiösen Fundamentalisten und der Marktfundamentalisten, der, der Verzweifelten und der, der Mächtigen, der, der freilaufenden Verrückten und der, der uniformierten Professionellen. Alle teilen sie die selbe Verachtung für menschliches Leben: die Mörder der 5000 Bürger unter den Trümern der Zwillingstürme, die wie auf Sand gebaute Burgen zusammenbrachen, und die Mörder von 200.000 Guatemalteken, grösstenteils Indigenas, die ausgelöscht worden sind, ohne dass das Fernsehen oder die Presse der Welt ihnen auch nur die kleinste Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Sie, die Guatemalteken, wurden von keinem muslimischen Fanatiker geopfert, sondern von Terroristensoldaten, die von aufeinanderfolgenden U.S. Regierungen „Unterstützung, Finanzierung und Ermutigung“ erhalten haben.
All jene die in den Tod verliebt sind, teilen auch ihre Bessesenheit mit der Reduzierung sozialer, kulturellen und nationaler Konflikte auf militärische Begriffe. Im Namen des Guten gegen das Böse, im Namen der Einzigen Wahrheit, lösen sie alles indem sie zuerst töten und später fragen. Und auf diese Weise füttern sie letzten Endes den Feind den sie bekämpfen. Es waren die Greueltaten des Leuchtenden Pfades, die zu einem grossen Teil den Nährboden für Präsident Fujimori bereitet haben, der mit beachtlicher Unterstützung seitens des Volkes ein Terrorregime aufbaute, und Peru zum Preis einer Banane verkauft hat. Es waren die Greueltaten der Vereinigten Staaten im Mittleren Osten, die zu einem grossen Teil den Nährboden für den Heiligen Krieg des Terrorismus im Namen Allahs bereitet haben.
Auch wenn der Anführer der Zivilisation nun zu einem neuen Kreuzzug drängt, ist Allah der Verbrechen die in seinem Namen verübt werden nicht schuldig. Letzten Endes hat Gott nicht den Nazi Holokaust gegen Jehovah´s Gläubigen befohlen, und es war nicht Jehovah der die Massaker von Sabra und Chatila, oder die Vertreibung der Palästinenser von ihren Ländern angeordnet hat. Sind Jehovah, Allah und Gott nicht drei Namen für die selbe Gottheit?
Eine Tragödie der Missverständnisse: Man weiss nicht länger wer wer ist. Der Rauch der Explosionen ist Teil eines viel riesigeren Rauchschleiers, der uns am Sehen hindert. Von Rache zu Rache, zwingt uns der Terrorismus ins Grab. Ich betrachte ein kürzlich veröffentlichtes Photo: auf einer Mauer in New York hatte eine Hand geschrieben: „Auge um Auge lässt die Welt erblinden.“
Die Spirale der Gewalt erzeugt Gewalt, und auch Verwirrung: Trauer, Furcht, Intolerant, Hass, Wahnsinn. In Puerto Alegre am Anfang dieses Jahres, warnte der Algerier Ahmed Ben Bella: „Dieses System das schon Kühe wahnsinnig gemacht hat, treibt auch die Menschen in den Wahnsinn.“ Und die Wahnsinnigen, wahnsinnig mit Hass, handeln genauso wie die Mächte die sie schaffen.
Ein drei Jahre altes Kind namens Luca, kommentierte neulich: „Diese Welt weiss nicht wo ihr Zuhause ist.“ Er sah sich eine Landkarte an. Er hätte sich eine Nachrichtensendung ansehen können.

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